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Leitsätze:
1) Die Beseitigung von Ölverschmutzungen der Bundeswasserstraßen gehört nicht zu den schifffahrtpolizeilichen Aufgaben des Bundes, auch wenn die Verschmutzungen von der Schifffahrt ausgehen.
2) Bundesrecht, insbesondere Art. 104a Abs. 1 GG, hindert nicht die landesrechtliche Begründung einer wasserpolizeilichen Zustandshaftung des Bundes als Eigentümer der Bundeswasserstraßen.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 30.11.1990
7 C 4.90
Zum Tatbestand:
Das klagende Land verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Erstattung ihm entstandener Kosten für die Beseitigung von Ölverschmutzungen im Bereich der Küstengewässer sowie auf der Elbe, Trave und auf dem Nord-Ostsee-Kanal. Die Verursacher dieser Ölverschmutzungen hatten nicht ermittelt werden können. In Vorverhandlungen zwischen den Beteiligten hatte eine Einigung nicht erzielt werden können, jedoch hat die Beklagte auf die Einrede der Verjährung verzichtet.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf Zahlung von ursprünglich insgesamt rund 488 000 DM nebst Zinsen stattgegeben und dies damit begründet, das klagende Land habe mit der Beseitigung von Ölverschmutzungen auf Bundeswasserstraßen eine im Verantwortungsbereich der Beklagten liegende Aufgabe besorgt und könne deshalb unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag Kostenerstattung verlangen. Wenn auf Binnenwasserstraßen oder in Küstengewässern Ölverschmutzungen aufträten, deute das nach allgemeiner Lebenserfahrung darauf hin, dass das Öl von Schiffen oder Betankungsanlagen stamme.
Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt, soweit es Kostenerstattung für die Beseitigung von Ölverschmutzungen zugesprochen hat, die auf den Binnenschifffahrtsstraßen nach Inkrafttreten der Änderung des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes durch Gesetz vom 14. April 1971 und im Bereich der Küstengewässer nach Inkrafttreten der Änderung des Seeaufgabengesetzes durch § 70 Abs. 5 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974 entstanden sind. Für jeweils vor Inkrafttreten der genannten Gesetzesänderungen entstandene Kosten hat es in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Im Bund-Länder-Verhältnis folge gemäß Art. 104 a GG die Ausgabenverteilung der Aufgabenverteilung. Bis zum Inkrafttreten der genannten Änderungen des Binnenschifffahrts- wie des Seeaufgabengesetzes sei die Beseitigung von Ölverschmutzungen Sache der Gefahrenabwehr nach den Bestimmungen des Landeswassergesetzes oder des Landesverwaltungsgesetzes gewesen. Nach § 1 Nr. 2 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in der ab dem 18. April 1971 geltenden Fassung wie auch nach § 1 Nr. 2 des Seeaufgabengesetzes in der ab dem 1. April 1974 geltenden Fassung gehöre auf den Bundeswasserstraßen die Beseitigung von Ölverunreinigungen des Wassers, die von der Schifffahrt ausgingen, zu den dem Bund obliegenden Aufgaben der Schifffahrtspolizei. Folglich habe der Bund auch die Kosten zu tragen, die das Land für die Wahrnehmung der dem Bund obliegenden Aufgabe aufgewendet habe. Nach den Regeln des „prima-facie-Beweises" sei bei den Ölverschmutzungen, deren Ursache nicht ermittelt sei, davon auszugehen, dass sie von der Schifffahrt herrührten. Auf Wasserstraßen wie den hier betroffenen deuteten Ölverunreinigungen stets auf Schiffe als Verursacher hin; denn bei deren Betrieb falle in größerem Umfang Altöl an, das teilweise aus Unachtsamkeit, häufig auch absichtlich ins Wasser abgelassen werde.
Die Revision hatte Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die geltend gemachte Forderung hängt nämlich von der Auslegung von Landesrecht ab.
Das klagende Land hat die Forderung auf Erstattung der Kosten für die Beseitigung der Ölverschmutzungen auf den bezeichneten Bundeswasserstraßen mit zwei rechtlichen Erwägungen begründet. Zum einen sei die beklagte Bundesrepublik als Eigentümerin der Bundeswasserstraßen aus dem Gesichtspunkt der Zustandshaftung für die Beseitigung verantwortlich gewesen. Zum anderen gehöre die Beseitigung zu den dem Bund obliegenden Aufgaben der Verhütung von der Binnen- bzw. Seeschifffahrt ausgehender Gefahren (Schifffahrtspolizei) i. S. des jeweiligen § 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt (Binnenschifffahrtsaufgabengesetz - BinSchAufgG) in der durch Gesetz vom 14. April 1971 (BGBI. I S. 345) geänderten Fassung und des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt (Seeaufgabengesetz - SeeAufgG) in der durch § 70 Abs. 5 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974 (BGBI. 1 S. 721) geänderten Fassung.
Das Berufungsgericht hat die zweite Begründung für tragfähig gehalten. Es hat sich damit der vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 22. November 1985 - BVerwG 4 A 1.83 - (Buchholz 451.22 AbfG Nr. 19 = NJW 1986, 2524 = DÖV 1986, 285 = NuR 1986, 201 = ZfW 1986, 357) vertretenen Auslegung des § 1 Nr. 2 BinSchAufgG angeschlossen und § 1 Nr. 2 SeeAufgG in gleichem Sinne ausgelegt.
Der erkennende Senat vermag dieser Auslegung der genannten Bestimmungen nicht zu folgen. Das klagende Land hat mit der Beseitigung von Ölverschmutzungen auf den bezeichneten Bundeswasserstraßen – selbst unterstellt, die Verursachung durch die Schifffahrt sei erwiesen - keine Aufgaben der Schifffahrtspolizei wahrgenommen. Der Senat hält die von der Revision vorgebrachten Einwände gegen eine Ausweitung der schifffahrtspolizeilichen Aufgaben auf die Beseitigung von schifffahrtsverursachten Wasserverunreinigungen für überzeugend. Das ergibt sich aus folgendem:
Nach § 1 Nr. 2 BinSchAufgG (in der ab 18. April 1971 geltenden Fassung) obliegt dem Bund auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt u. a. die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie die Verhütung von der Schifffahrt ausgehender Gefahren (Schifffahrtpolizei) auf den Bundeswasserstraßen.
Nach § 1 Nr. 2 SeeAufgG (in der ab 1. April 1971 geltenden Fassung) obliegt dem Bund auf dem Gebiet der Seeschifffahrt u. a. „die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie die Verhütung von der Seeschifffahrt ausgehender Gefahren (Schiffahrtspolizei)".
Von der Binnen- und der Seeschifffahrt aus. gehende Gefahren sind auch solche für das Wasser, nämlich insbesondere dadurch, dass auf Schiffen gefährliche Güter transportiert werden (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 4 BImSchAufgG in der durch Gesetz vom 14. April 1971 geänderten Fassung; § 9 Abs. la Nr. 1 SeeAufgG in der durch § 70 Abs.5 BImSchG vom 15. März 1974 geänderten Fassung). Ziel der Erweiterung der schifffahrtspolizeilichen Aufgaben des Bundes auf „die Verhütung von der Schifffahrt ausgehender Gefahren" in § 1 Nr. 2 BinSchAufgG - ebenso wie später auch in § 1 Nr. 2 SeeAufgG - war es gerade, den vom Transport wassergefährdender Stoffe drohenden Gefahren für das Wasser vorzubeugen und angesichts des mehrfach die Ländergrenzen überschreitenden Schiffsverkehrs hierfür bundeseinheitliche Rechtsgrundlagen zu schaffen (vgl. BT-Drucks. VI/1137, S. 3). Diese schifffahrtspolizeiliche Aufgabe ist allerdings nicht beschränkt auf die Verhütung von Gefahren, die der Schiffstransport von wassergefährdenden Stoffen mit sich bringt, sondern erstreckt sich schlechthin auf die Verhütung von Gefahren, die von der Schifffahrt, insbesondere für das Wasser, ausgehen, also auch durch Ölverunreinigungen, die durch den Schiffsbetrieb entstehen können.
Das bedeutet indessen nicht, dass die Aufgabenzuständigkeit des Bundes für die Verhütung von Gefahren, die von der Schifffahrt ausgehen, sozusagen grenzenlos wäre, sich von ihrem Ausgang, der Ordnung des Schiffsverkehrs, fortsetzte über alle Medien, in denen die ursprünglich vom Schiffsverkehr ausgehende Gefahr sich manifestiert, vom Schiff, über das Gewässer, auf dem das Schiff verkehrt, über das Grundwasser, in das ein vom Schiff freigesetzter gefährlicher Stoff gelangen könnte, bis in die Nahrungskette des Menschen. Eine solche medienübergreifende’ Aufgabenzuständigkeit wäre im geltenden Recht zumindest unüblich. Sie widerspräche jedenfalls im Wasserrecht der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern.
Nach Art. 87 Satz 1 und 89 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG führt der Bund in bundeseigener Verwaltung die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und nimmt die über den Bereich eines Landes hinausgehenden staatlichen Aufgaben der Binnenschifffahrt und die Aufgaben der Seeschifffahrt wahr, die ihm durch Gesetz übertragen werden. Die Verwaltungskompetenz des Bundes kann nicht weitergehen als die Gesetzgebungskompetenz; die Gesetzgebungskompetenz ist vielmehr die äußerste Grenze der Verwaltungskompetenz des Bundes (BVerfGE 15,1 [16]). Zur Regelung auf dem Gebiete der Binnenschifffahrt, der Seewasserstraßen und der dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen, für die dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht (Art. 74 Nr. 21 GG), und auf die das Binnenschifffahrtsaufgabengesetz und das Seeaufgabengesetz gestützt sind, gehören jedoch nicht solche Regelungen, die die allgemeine wasserwirtschaftliche Ordnung, wie insbesondere die Reinhaltung der Gewässer von Verunreinigungen, betreffen (BVerfGE 15, 1). Als „besondere Gegenstände der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 21 GG" kommen „die Erhaltung der Wasserstraßen als Verkehrsträger in einem für den Schiffsverkehr erforderlichen Zustand und die damit zusammenhängenden Gegenstände in Betracht" (BVerfGE 15, 1 [10]). Das Bundesverfassungsgericht (a.a.0. S. 25) hat es darüber hinaus nicht ausgeschlossen, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes sich auch auf Regelungen „gegen die von Schiffen ausgehende Verunreinigung" erstrecken könne. Der erkennende Senat hat insofern keine Bedenken dagegen, dass das Binnenschifffahrtsaufgabengesetz und das Seeaufgabengesetz als Ziel auch die Verhütung von Gefahren verfolgen, die von der Schifffahrt für das Wasser, und zwar auch in Bezug auf die Bewirtschaftung der Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts (vgl. § la Wasserhaushaltsgesetz), ausgehen können, und dass sich die schifffahrtspolizeilichen Aufgaben des Bundes auch darauf erstrecken. Denn die Verhütung auch solcher Gefahren hat bereits, wenn man an den Transport wassergefährdender Stoffe mit Schiffen und an Öl als Betriebsmittel von Schiffen denkt, bei den Anforderungen an die technische Beschaffenheit der Schiffe, ihre Ausrüstung, ihren Betrieb und die Vorsorge gegen Störungen sowie bei einer entsprechenden Überwachung einzusetzen. Jedoch endet die schiffahrtspolizeiliche Aufgabe des Bundes dort, wo es nicht mehr um Anforderungen an die Schiffe und deren Betrieb zur Verhütung von Gefahren für die Reinheit des Wassers geht. Sobald Wasser nämlich verunreinigt ist, greift für die zur Beseitigung der Verunreinigung zu treffenden hoheitlichen Maßnahmen die wasserpolizeiliche Zuständigkeit des jeweiligen Landes ein.
Die Ausweitung der schifffahrtspolizeilichen Zuständigkeit des Bundes auf die Beseitigung von schifffahrtsverursachten Wasserverunreinigungen kann nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, das im Wasser treibende Öl bleibe eine von der Schifffahrt ausgehende Gefahr und sei auch noch zu verhüten, weil von der Verunreinigung weitere Gefahren drohten. Richtig ist zwar, worauf das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 22. November 1985 (a.a.O.) hingewiesen hat, dass das Binnenschifffahrtsaufgabengesetz die Begriffe Abwehr und Verhütung von Gefahren nicht eindeutig voneinander abgrenzt. Umso wichtiger ist es deshalb jedoch, die Erweiterung der schifffahrtspolizeilichen Aufgaben des Bundes auf die „Verhütung von der Schifffahrt ausgehender Gefahren" in den genannten Gesetzen von der dem Bund gemäß Art. 74 Nr. 21 GG zustehenden Gesetzgebungskompetenzen im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Oktober 1962 (BVerfGE 15, 1) her auszulegen. Sie erstreckt sich auf den ordnungsgemäßen Schiffsverkehr einschließlich der Verhütung der von der Schifffahrt ausgehenden Gefahren, nicht jedoch auf andere Sachbereiche und die dort zu treffenden Maßnahmen, wenn dort vom Schiffsverkehr verursachte Gefahren eingetreten sind. Dementsprechend hat auch die Bundesregierung in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes von 1971 betont, Objekt der Regelung zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung bleibe der Binnenschiffsverkehr (BT-Drucks. VI/1137, S. 3).
Die schifffahrtspolizeiliche Zuständigkeit des Bundes erstreckt sich auch nicht „kraft Sachzusammenhangs" auf die Begründung von Verwaltungskompetenzen des Bundes für wasserwirtschaftliche oder wasserpolizeiliche Aufgaben; denn ein wirksamer Vollzug der schifffahrtspolizeilichen Aufgaben des Bundes hängt nicht davon ab, dass der Bund auch zuständig ist für polizeiliche Anordnungen über die Beseitigung von schifffahrtsverursachten Verunreinigungen des Wassers. Eine solche Zuständigkeit des Bundes wäre nicht einmal zweckmäßig; denn sie träfe mit der allgemeinen wasserpolizeilichen Aufgabenzuständigkeit des Landes zusammen. Zuständigkeitsregelungen dienen vor allem dem zweckmäßigen und wirksamen Aufgabenvollzug. Dieser wäre gerade nicht gewährleistet, wenn vor Wahrnehmung einer Aufgabenzuständigkeit jeweils zu klären wäre, ob die Verunreinigungen von Schiffen oder anderen Verursachern ausgehen.
dass die Beseitigung von schifffahrtsverursachten Wasserverunreinigungen nicht zu den Aufgaben der Schifffahrtspolizei gehört, schließt nicht aus, dass der Bund als Eigentümer der Bundeswasserstraßen unter dem Gesichtspunkt der Zustandshaftung zu den Kosten für die Beseitigung der Ölverschmutzungen herangezogen werden kann, deren Verursacher nicht ermittelt werden konnten. Dies ist jedoch eine Frage der Anwendung des Landesrechts. Bundesrecht hindert jedenfalls das Landesrecht nicht daran, eine wasserpolizeiliche Zustandshaftung an Bundeswasserstraßen zu begründen, die dem Bund nicht als hoheitliche Aufgabe, sondern in seiner Eigenschaft als Eigentümer obliegt. Die dem Berufungsurteil offenbar zugrunde liegende Auffassung, Art. 104a Abs. 1 GG hindere eine entsprechende landesrechtliche Regelung, trifft nicht zu. Art. 104a Abs. 1 GG betrifft die Ausgabenverantwortung für Aufgaben, die dem Bund bzw. den Ländern als Hoheitsträgern obliegen. Er berührt nicht Kostentragungspflichten, die Hoheitsträgern als Eigentümern von Grundstücken oder im sonstigen fiskalischen Bereich obliegen."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992- Nr.12 (Sammlung Seite 1379 ff.); ZfB 1992, 1379 ff.