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Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 2. März 1977
( auf Berufung gegen den Beschluss des
Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 20. Juli 1976 - 0Wi 65/76 RhSch -)
Die Berufungskammer hat erwogen:
I.
Die Berufung des Betroffenen gegen den Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 20. Juli 1976 ist form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufungskammer trägt keine Bedenken, dass das erstinstanzliche Rheinschifffahrtsgericht ohne Hauptverhandlung. durch Beschluss entschieden hat. Nach Artikel I des Zusatzprotokolls vom 25. Oktober 1972 zu der Revidierten Rheinschifffahrtsakte von 1868, kann jeder Vertragsstaat die Ahndung der in Artikel 32 der Rheinschifffahrtsakten bezeichneten Zuwiderhandlungen in einem besonderen, national geregelten Verfahren vornehmen, wie in der Bundesrepublik Deutschland im Ordnungswidrigkeitsverfahren und damit gemäß § 72 des deutschen Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ohne Hauptverhandlung, wenn dem Betroffenen die Möglichkeit bleibt, durch Einlegung eines Rechtsbehelfs binnen 1 Woche eine Verhandlung und Entscheidung durch das Rheinschifffahrtsgericht herbeizuführen. Diese Möglichkeit hat für den Betroffenen bestanden, da nach § 72 des OWiG das Gericht nur dann von einer Hauptverhandlung absehen kann, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts nicht widersprechen. In dem vorliegenden Fall war der Betroffene mit einem am 21.5.1976 zugestellten Schreiben des Gerichts vom 29.3.1976 darauf hingewiesen worden, dass das Gericht beabsichtige, über seinen Einspruch ohne Hauptverhandlung durch Beschluss zu entscheiden, sofern er dem nicht innerhalb 10 Tagen widerspreche. Ein solcher Widerspruch, der eine Hauptverhandlung des Gerichts notwendig gemacht hätte, ist vom Betroffenen nicht erklärt worden, vielmehr hat sein Verteidiger in einem späteren Schreiben ausdrücklich das Einverständnis des Betroffenen mit einer Entscheidung des Rheinschifffahrtsgerichts im schriftlichen Verfahren erklärt.
II.
Nach den vom Betroffenen nicht angegriffenen Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts hat er am 16. April 1975 als Schiffsführer des 830 tons großen Motorschiffes "A" die Bergfahrt auf dem Rhein in Mannheim morgens um 05.00 Uhr angetreten und diese Fahrt am 17. April 1975 um 03.00 Uhr beendet, ohne die Fahrt unterbrochen zu haben. Hierbei hat sich nur eine Besatzung an Bord befunden, die der Betriebsform "A" des Artikels 36 RhSchUO (Tagesfahrt von höchstens 1'6 Stunden innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden) entsprach. Nach den weiteren Feststellungen der Wasserschutzpolizei, passierte das MS "A" die Schleuse Gambsheim am l6.4.1975 um 21.05 Uhr, die Schleuse Strassburg-Neuhof am 17.4.1975 um 00.20 Uhr und die Schleuse Gerstheim am 17.4.l975 um 1.45 Uhr. Aufgrund dieses Sachverhalts hat das erstinstanzliche Gericht zu Recht eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 36 Nr. 1 in Verbindung mit Artikel 40 Nr. 1 der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung angenommen, da der Betroffene nicht die Besatzung an Bord hatte, die für die von ihm gewählte Betriebsform vorgeschrieben war. An der geforderten Besatzung fehlte zumindest 1 Schiffsführer und 1 Matrose. Der Betroffene hätte bereits im Oberwasser der Schleuse Gambsheim, die er kurz nach 21,00 Uhr nach einer Fahrzeit von 16 Stunden passierte, mit der an Bord befindlichen und nur der Betriebsform "A" entsprechenden Besatzung die Fahrt einstellen müssen. Mit der Weiterfahrt ab Gambsheim verletzte' der Betroffene bereits die Vorschrift des Artikels 36 Nr. 1. Der Betroffene kann sich auch nicht darauf berufen, dass er an der weiter oberhalb gelegenen Schleuse Strassburg-Neuhof nur deshalb in die Schleusenkammer eingefahren sei, weil er von der Schleusenverwaltung dazu aufgefordert worden sei; denn er hätte bei ordnungsgemäßem Verhalten die Schleuse Strassburg-Neuhof überhaupt nicht erreichen können, da er schon wesentlich früher die Fahrt wegen der ungenügenden Besatzung hätte unterbrechen müssen. Sowohl auf der Strecke von der oberen Abzweigung des Schleusenkanals Gambsheim (Rhein-km 307,20) bis zur unteren Einmündung des Schleusenkanals Strassburg-Neuhof (Rhein-km 291,40) und nochmals von der oberen Abzweigung des Schleusenkanals Strassburg-Neuhof (Rhein-km 283,10) bis zur unteren Einmündung des Schleusenkanals Gerstheim (Rhein-km 374,10), hat der Betroffene den konventionellen Rhein befahren. Da in diesem Stromabschnitt die deutschfranzösische Grenze entsprechend dem Grenzvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich vom 14.8.1925, durch die Achse des Talweges d.h. durch die ununterbrochene '"Reihenfolge der tiefsten Sondierungen bestimmt wird und die Schifffahrtsrinne entsprechend dem Fahrwasserverlauf abwechselnd links und rechts dieses Talweges verläuft, hat der Betroffene sich während dieser Fahrt mit der unzureichenden Besatzung, die als ein Dauerdelikt anzusehen ist, auch auf deutschem Hoheitsgebiet bewegt, sodass deutscherseits eine Zuständigkeit für die Ahndung dieses Delikts gegeben ist. Die von dem erstinstanzlichen Gericht festgesetzte Geldbusse von DM 150,- erscheint der Höhe nach angemessene Die Kostenfolge ergibt sich aus § 46 des deutschen Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten in Verbindung mit § 465 Strafprozessordnung.
Es wird deshalb für Recht erkannt:
Die Berufung des Betroffenen wird zurückgewiesen und der Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 20.7.1976 bestätigt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens, die gemäss Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom Rheinschifffahrtsgericht Kehl festzusetzen sind, fallen dem Betroffenen zur Last.
Der Gerichtskanzler: Der Vorsitzende:
(gez.) Doerflinger (gez.) L. Specht