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Leitsätze:
1) Das Rheinschiffahrtsgericht darf ohne Hauptverhandlung durch Beschluß im Ordnungswidrigkeitsverfahren entscheiden, wenn es dem Betroffenen möglich ist, durch Einlegung eines Rechtsbehelfs eine Verhandlung und Entscheidung des Rheinschiffahrtsgerichts herbeizuführen.
2) Unterbemannung im Falle der Überschreitung der höchstzulässigen Fahrzeit von 16 Stunden.
3) Zur Frage des Dauerdelikts der Unterbemannung auf den Stromabschnitten des Oberrheins, dessen Achse des Talweges die deutsch-französische Grenze bestimmt.
Urteil der Berufungskammer deal. Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 2. März 1977
67 P - 2/77
(Rheinschiffahrtsgericht Kehl)
Zum Sachverhalt:
Der Betroffene hatte, wie er nicht bestreitet, als Schiffsführer seines Motorschiffes (830 t) die Bergfahrt auf dem Rhein bei Mannheim um 5 Uhr angetreten und ohne Unterbrechung erst anderen Tages um 3 Uhr früh beendet. Es befand sich nur 1 Besatzung an Bord, die der Betriebsform „A" von Art. 36 RheinSchUO entsprach (höchstens 16 Stunden innerhalb von 24 Stunden). Das Rheinschiffahrtsgericht hat gegen den Betroffenen ohne Hauptverhandlung durch Beschluß wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß Art 36 Nr. 1 RhSchUO eine Geldbuße von 150,- DM festgesetzt. Seine Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufungskammer trägt keine Bedenken, daß das erstinstanzliche Rheinschiffahrtsgericht ohne Hauptverhandlung durch Beschluß entschieden hat. Nach Artikel 1 des Zusatzprotokolls vom 25. Oktober 1972 zu der Revidierten Rheinschiffahrtsakte von 1868, kann jeder Vertragsstaat die Ahndung der in Artikel 32 der Rheinschiffahrtsakten bezeichneten Zuwiderhandlungen in einem besonderen, national geregelten Verfahren vornehmen, wie in der Bundesrepublik Deutschland im Ordnungswidrigkeitsverfahren und damit gemäß § 72 des deutschen Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ohne Hauptverhandlung, wenn dem Betroffenen die Möglichkeit bleibt, durch Einlegung eines Rechtsbehelfs binnen 1 Woche eine Verhandlung und Entscheidung durch das Rheinschiffahrtsgericht herbeizuführen. Diese Möglichkeit hat für den Betroffenen bestanden, da nach § 72 des OWiG das Gericht nur dann von einer Hauptverhandlung absehen kann, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts nicht widersprechen. In dem vorliegenden Fall war der Betroffene mit einem am 21. 5. 1976 zugestellten Schreiben des Gerichts vom 29. 3. 1976 darauf hingewiesen worden, daß das Gericht beabsichtige, über seinen Einspruch ohne Hauptverhandlung durch Beschluß zu entscheiden, sofern er dem nicht innerhalb 10 Tagen widerspreche. Ein solcher Widerspruch, der eine Hauptverhandlung des Gerichts notwendig gemacht hätte, ist vom Betroffenen nicht erklärt worden.
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An der geforderten Besatzung fehlte zumindest 1 Schiffsführer und 1 Matrose. Der Betroffene hätte bereits im Oberwasser der Schleuse Gambsheim, die er kurz nach 21.00 Uhr nach einer Fahrzeit von 16 Stunden passierte, mit der an Bord befindlichen und nur der Betriebsform „A" entsprechenden Besatzung, die Fahrt einstellen müssen. Mit der Weiterfahrt ab Gambsheim verletzte der Betroffene bereits die Vorschrift des Artikels 36 Nr. 1. Der Betroffene kann sich auch nicht darauf berufen, daß er an der weiter oberhalb gelegenen Schleuse Straßburg-Neuhof nur deshalb in die Schleusenkammer eingefahren sei, weil er von der Schleusenverwaltung dazu aufgefordert worden sei; denn er hätte bei ordnungsgemäßem Verhalten die Schleuse Straßburg-Neuhof überhaupt nicht erreichen können, da er schon wesentlich früher die Fahrt wegen der ungenügenden Besatzung hätte unterbrechen müssen.
Sowohl auf der Strecke von der oberen Abzweigung des Schleusenkanals Gambsheim (Rhein-km 307,20) bis zur unteren Einmündung des Schleusenkanals Straßburg-Neuhof (Rhein-km 291,40) und nochmals von der oberen Abzweigung des Schleusenkanals Straßburg-Neuhof (Rhein-km 283,10) bis zur unteren Einmündung des Schleusenkanals Gerstheim (Rhein-km 374,10), hat der Betroffene den konventionellen Rhein befahren. Da in diesem Stromabschnitt die deutsch-französische Grenze entsprechend dem Grenzvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich vom 14. B. 1925 durch die Achse des Talweges, d. h. durch die ununterbrochene Reihenfolge der tiefsten Sondierungen bestimmt wird und die Schiffahrtsrinne entsprechend dem Fahrwasserverlauf abwechselnd links und rechts dieses Talweges verläuft, hat der Betroffene sich während dieser Fahrt mit der unzureichenden Besatzung, die als ein Dauerdelikt anzusehen ist, auch auf deutschem Hoheitsgebiet bewegt, so daß deutscherseits eine Zuständigkeit für die Ahndung dieses Delikts gegeben ist.
Die von dem erstinstanzlichen Gericht festgesetzte Geldbuße von DM 150,- erscheint der Höhe nach angemessen.
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