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Leitsätze:
1) Zur Zulässigkeit einer Beschwerde im Verklarungsverfahren.
2) Zu der Frage, inwieweit Bergungskosten Gegenstand einer Beweisaufnahme über den Umfang des eingetretenen Schadens gem. § 11 Abs. 1 BinSchG sein können.
Tenor
Auf die Beschwerden des Antragstellers und der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts
Hamburg - Binnenschifffahrtsgericht - vom 06.04.2011 (Geschäfts-Nr. 33A H 1/10) geändert
und wie folgt neu gefasst:
I. Der Verklarungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg - Binnenschifffahrtsgericht – vom 4. 1. 2011 (Geschäfts-Nr. 33A H 1/10) wird bzgl. der bisherigen Anordnung in Buchstabe b) aufgehoben.
II. Der Verklarungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg - Binnenschifffahrtsgericht – vom 4. 1. 2011 (Geschäfts-Nr. 33A H 1/10) wird wie folgt ergänzt:
„b) welche Schäden am Leichter selbst eingetreten und welche der eingetretenen Schäden dem Versuch, den Leichter zur Vermeidung des Sinkens auf die Böschung zu drücken, bzw. dem Sinkvorgang selbst einschließlich des Einsinkens in den Grund zuzuordnen sind, welche Schäden der Bergung/ Wrackbeseitigung des Leichters zuzuordnen sind und welche dieser Schäden einer möglicherweise nicht fachgerechten Bergung zuzuordnen sind, ob eine schadfreie Bergung des S möglich gewesen wäre und welche Kosten man hierfür hätte aufwenden müssen, sowie welchen Umfang die voraussichtlichen Reparaturkosten haben.“
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist zulässig und hinsichtlich des Hilfsantrags begründet.
Die Beschwerden sowohl des Antragstellers als auch der Beteiligten zu 1. sind gemäß §§ 375 Nr. 2, 402, 58 ff. FamFG zulässig.
Bei der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts handelt es sich um eine Entscheidung nach § 375 Nr. 2 FamFG, weil es um eine nach § 11 BinSchG vom Gericht zu erledigende Angelegenheit geht. Eine solche Entscheidung ist gemäß § 402 Abs. 1 FamFG mit der Beschwerde anfechtbar.
Die Vorschrift des § 402 Abs. 2 FamFG steht dem nicht entgegen. Danach ist eine Entscheidung nicht anfechtbar, durch die einem Antrag nach § 11 BSchG stattgegeben wird. Durch den angefochtenen Beschluss ist zwar dem Antrag der Beteiligten zu 4. gemäß Schriftsatz vom 14.01.2011 teilweise stattgegeben worden. Der Sachverständige sollte - entgegen dem ursprünglichen Beschluss vom 04.01.2010 - nicht mehr untersuchen, ob die von der Beteiligten zu 4. Gemäß Rechnung Anlage AS 1 durchgeführten Bergungs-/Wrackbeseitigungsmaßnahmen nach Art und Umfang sachgerecht und in der Abrechnung üblich waren. Materiell handelt es sich bei dem angefochtenen Beschluss aber um eine Ablehnung des ursprünglichen Antrags des Antragstellers gemäß Antragsschrift vom 24.12.2010. Der Antragsteller hatte gerade beantragt, das Verklarungsverfahren
auch auf diese Frage zu erstrecken.
Der Antragsteller ist gemäß § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdebefugt, weil er gemäß § 11 Abs. 1 BinSchG antragsbefugt ist.
An der Zulässigkeit der Beschwerde ändert sich auch nichts dadurch, dass gemäß § 58 Abs. 1 FamFG die Beschwerde nur gegen Endentscheidungen zulässig ist. Es wird allerdings die Ansicht vertreten, dass die Ablehnung eines Beweisantrags nicht beschwerdefähig sei, da es sich nicht um eine Endentscheidung handele (vgl. Keidel/Heinemann, FamFG, 16. Aufl., § 375, Rn. 32 a.E.). Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Bei Beweisbeschlüssen mag es sich zwar im Regelfall nicht um selbständig anfechtbare Endentscheidungen handeln. Dies ist aber im Verklarungsverfahren anders. Da es sich beim Verklarungsverfahren um ein Verfahren handelt, das der Beweissicherung dient (v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., § 11 BinSchG, Rn. 4), in dem aber keine rechtskraftfähige Entscheidung über das Maß der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ergeht (v. Waldstein/Holland, a.a.O., Rn. 5), sind nach Auffassung des Senats die im Verklarungsverfahren ergehenden Beschlüsse über Beweisanträge Endentscheidungen im Sinne von § 58 Abs. 1 FamFG, weil durch sie endgültig über die gestellten Anträge und den Umfang des Verklarungsverfahrens entschieden wird. Um eine nicht selbständig anfechtbare Zwischenentscheidung handelt es sich deshalb nicht, weil es begrifflich nur sinnvoll ist, von einer Zwischenentscheidung zu sprechen, wenn dieser eine Endentscheidung folgt. Das ist aber im Verklarungsverfahren nicht der Fall, weil eben nicht über Ansprüche oder das Ergebnis der Beweisaufnahme entschieden wird. Der Senat sieht es auch nicht als sinnvoll an, zwischen einer beschwerdefähigen Ablehnung eines Antrags auf Eröffnung des Verfahrens und einer nicht beschwerdefähigen Ablehnung eines Beweisantrags zu unterscheiden (so aber Keidel/Heinemann, a.a.O., § 375, Rn. 31 a.E. einerseits und Rn. 32 andererseits). Die Entscheidung über die Eröffnung des
Verklarungsverfahrens und über die zu erhebenden Beweise lassen sich nicht trennen. Die bloße Eröffnung des Verklarungsverfahrens (die im vorliegenden Verfahren gar nicht ausdrücklich beschlossen worden ist, sondern die sich aus der Terminierung und dem Beweisbeschluss ergibt) ist von geringem Regelungsgehalt; maßgebend ist die Frage, über welche Fragen wie Beweis erhoben werden soll.
Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG von einem Monat ist eingehalten.
Auch die Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist zulässig. Diese ist gemäß § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdebefugt, weil sie gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 BinSchG antragsbefugt ist. Den Antrag, ein Verklarungsverfahren durchzuführen, kann zwar nur der Schiffer stellen (§ 11 Abs. 1 BinSchG).
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 BinSchG können die Beteiligten aber eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel verlangen. Durch das Verklarungsverfahren soll grundsätzlich eine umfassende und in Einzelfällen bis ins Detail gehende Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen erfolgen (v. Waldstein/Holland, a.a.O., § 13 BinSchG, Rn. 5). Soweit ein am Verklarungsverfahren Beteiligter der Auffassung ist, dass sich die gerichtliche Untersuchung auf bis dato noch nicht genügend aufgeklärte Sachverhaltsteile erstrecken sollte, so steht ihm ein Recht zu, die Ausdehnung der Beweisaufnahme auf diese Punkte zu beantragen. Das Beweisantragsrecht der übrigen Beteiligten wird als ein wichtiges Korrektiv angesehen, um von vornherein eine gewisse
Tendenz der Verklarung pro navigio auszuschalten(v. Waldstein/Holland, a.a.O., Rn. 6). Es ist jedenfalls als ein Ausfluss des Rechts auf rechtliches Gehör und des Grundsatzes der -Waffengleichheit- anzusehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verklarungsverfahren eine Art von Beweissicherungsverfahren ist, das insbesondere im Interesse der beteiligten Geschädigten durchgeführt werden kann. Das wird eben durch § 13 Abs. 3 und 4 BinSchG besonders deutlich, in denen der Untersuchungsgrundsatz im Interesse der Betroffenen dadurch betont wird, dass diese selbst die Ausdehnung der Beweisaufnahme beantragen können. Die Zurückweisung derartiger Beweisanträge steht grundsätzlich nicht im Ermessen des Gerichts, es sei denn, es würden unzulässige oder untaugliche Beweismittel eingeführt werden oder Ermittlungen beantragt werden, die dem Zweck der Untersuchung nicht dienen können (vgl. OLG Hamburg TranspR 1992, 187, 188, zur insoweit ähnlichen Regelung in § 524 HGB). Die Geschädigten sollen in die Lage versetzt werden, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer Ansprüche zu schaffen und zu vermeiden, dass Beweismittel zerstreut werden. Die Geschädigten sollen sich durch das Ergebnis eines Verklarungsverfahrens einen Überblick darüber verschaffen können, ob sie vom Gegner Schadensersatz verlangen können (vgl. OLG Karlsruhe, VRS, Bd. 85 / 1993, S. 417, 418). Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern daher eine weite Auslegung des Begriffs - Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel-. Gemeint ist nicht nur, dass zum selben Beweisthema andere Beweismittel (etwa andere Zeugen oder ein Sachverständigen-Gutachten) benannt werden, gemeint ist auch, dass die Beweisaufnahme auf bisher ungeklärte Sachverhaltsteile ausgedehnt wird, was dann mehr oder weniger zwangsläufig auch zur Verwertung –weiterer Beweismittel- führt (so versteht der Senat die Kommentierung bei v. Waldstein/Holland, § 13 BinSchG, Rn. 6).
Die beantragte Ausdehnung der Beweisaufnahme kann sich auch auf die Schadenshöhe erstrecken, da sich aus § 11 Abs. 1 BinSchG ergibt, dass Gegenstand des Verklarungsverfahrens auch der Umfang des eingetretenen Schadens ist (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 23.04.2007, 3 W 65/06, zitiert nach juris, dort Tz. 5).
Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist teilweise - nämlich hinsichtlich des Hilfsantrags - begründet.
Nach der insoweit eindeutigen Formulierung in § 11 BinSchG umfasst das Verklarungsverfahren auch die Beweisaufnahme über den Umfang des eingetretenen Schadens. Zu den potentiell Geschädigten eines Schiffsunfalls gehört auch der Schiffseigner.
Die Tatsache, dass gemäß § 11 BinSchG der Schiffer grundsätzlich allein antragsberechtigt ist, zeigt, dass es im Verklarungsverfahren gerade auch um die Frage geht, ob der Schiffer die ihm gemäß §7 Abs. 1 BinSchG obliegende Pflicht zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers erfüllt hat. Da der Schiffer bei Nichteinhaltung der erforderlichen Sorgfalt ggf. gemäß § 7 Abs. 2 BinSchG haftet, besteht ein Bedürfnis zu klären, welche Schäden am Schiff (hier im Sinne einer Substanzverletzung) ggf. auf dem Schiffsunfall selbst und einer fachgerechten Bergung beruhen und welche Schäden ggf. auf Fehlern bei einer anschließenden Bergung beruhen, weil es immerhin möglich ist, dass der Schiffer für die einen Schäden haftet und für die anderen nicht (etwa wegen sog. Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs). Im Verklarungsverfahren wird zwar nicht entschieden, welche Schäden ggf. kausal zurechenbar sind. Das Verklarungsverfahren dient aber der Klärung der tatsächlichen Umstände, die eine entsprechende Beurteilung ermöglichen.
Aus diesem Grund ist der Beschwerdeantrag des Antragstellers, in dem es gerade um diese Abgrenzung geht, gerechtfertigt. Es mag zwar sein, dass die Klärung dieser Frage auch für etwaige Ansprüche der Beteiligten zu 1. und 4. untereinander eine Rolle spielt. Das ändert aber nichts daran, dass diese Frage eben auch für die Haftung des Schiffers von Bedeutung ist.
Zu den Schäden an einem Schiff gehören auch die für die Bergung erforderlichen Kosten, weil ohne eine Bergung weder die Reparatur noch die spätere Nutzung des beschädigten Schiffs möglich ist. Das OLG Köln hat zwar ausgeführt, dass zu den Schäden, die im Rahmen eines Verklarungsverfahrens geklärt werden, nicht der durch einen Betriebsausfall entstandene Schaden gehört, jedenfalls nicht, wenn die unfallbedingte Dauer der Betriebsunterbrechung unstreitig oder geklärt ist (vgl. Beschluss vom 23.04.2007, 3 W 65/06 BSch, zitiert nach juris, dort Tz. 6). Anders als die Schäden, die durch eine Betriebsunterbrechung entstehen, sind die reinen Bergungskosten aber Schäden, die unmittelbar das Schiff betreffen. Ähnlich wie die Reparaturkosten - die auch nach dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Gegenstand des Verklarungsverfahrens sind - sind die Bergungskosten Aufwendungen, die erforderlich sind, um das Schiff wieder einsetzen zu können, und die nicht entstanden wären, wenn es nicht zu dem Schiffsunfall gekommen wäre. Die von der Beteiligten zu 1. im Hilfsantrag der Beschwerde gestellte Frage, die sich mit den Kosten für eine fachgerechte Bergung befasst, ist daher im Verklarungsverfahren zu beantworten.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. ist aber unbegründet, soweit es um ihren Hauptantrag geht, der darauf gerichtet ist, ob die von der Beteiligten zu 4. durchgeführten Bergungs-/ Wrackbeseitigungsmaßnahmen nach Art und Umfang sachgerecht und in der Abrechnung üblich waren. Hierbei geht es um eine Beurteilung der Werkleistung und um eine Beurteilung der Abrechnungsweise der Beteiligten zu 4., was über die Frage hinausgeht, welche Schäden ggf. durch den Schiffsunfall verursacht worden sind, und die unmittelbar nur für die Beurteilung von wechselseitigen Forderungen aus einem etwaigen Werkvertrag zwischen den Beteiligten zu 1. und 4. eine Rolle spielen.
Der Senat ist sich bewusst, dass eine Trennung einerseits der Fragen, die generell den tatsächlichen Hergang des Schiffsunfalls und den Umfang des eingetretenen Schadens betreffen, und andererseits der Fragen, die nur die Forderungen aus einem Bergungsvertrag betreffen, schwierig ist. Soweit es um die im Verklarungsverfahren zu klärenden Fragen geht, ist den Interessen der Beteiligten aber ausreichend durch den Beschwerdeantrag des Antragstellers und durch den Hilfsantrag der Beteiligten zu 1. Rechnung getragen.
Die Durchführung des Verklarungsverfahrens wird dem Amtsgericht (Binnenschifffahrtsgericht) übertragen. Der Senat hat zwar gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG in der Sache selbst zu entscheiden.
Dies ist aber durch die vorliegende Entscheidung erfolgt. Die tatsächliche Durchführung der Beweisaufnahme (§ 13 BinSchG) fällt nicht unter den Begriff der -Entscheidung- im Sinne von §69 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Einer Kostengrundentscheidung im Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil auch im Ausgangsverfahren keine Kostengrundentscheidung erforderlich war.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2011 - Nr.12 (Sammlung Seite 2160 ff.); ZfB 2011, S. 2160 ff.