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6 U 74/76 - Oberlandesgericht (-)
Decision Date: 27.07.2017
File Reference: 6 U 74/76
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Oberlandesgericht Hamburg
Department: -

Leitsätze:

1) Das gesetzliche Bergungsrecht (§§ 740 ff HGB a.F., heute §§ 574 ff HGB) ist nur einschlägig, wenn das zu rettende Schiff sich in Gefahr befindet. Dies ist der Fall, wenn eine weitere Verschlechterung des Zustandes des bergungsfähigen Schiffes oder die Gefahr der Entstehung eines noch größeren Schadens durch das längere Verbleiben des Schiffes in seiner Lage droht.

Für das Bergerecht gilt:

2) Ist der Bergelohn vertraglich vereinbart, zum Beispiel durch einen Tagessatz, dann greift die Begrenzung des Bergelohnes auf den Wert des Schubleichters gemäß § 743 II HGB a.F., heute § 577 II HGB nicht.

3) Der vertragliche Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit ist außerhalb von allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig einschließlich der geltungserhaltenden Reduktion einer Klausel, die einen unzulässigen Ausschluss für Vorsatz enthält.

4) Die Klausel no cure-no pay greift nicht, wenn das zu bergende Schiff nicht als unbeschädigte Einheit (sondern in zwei Teilen) geborgen und an Land gebracht wird, jedenfalls dann, wenn die Bergungsmaßnahmen nach übereinstimmender Entscheidung der Vertragsparteien unter Zerschneidung des Schiffes in zwei Teile fortgesetzt wurde.

 

Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichtes Hamburg

Az.: 6 U 74/76

(Landgericht Hamburg, Az.: 418 HK O 34/11)

vom 27. Juli 2017, rechtskräftig.

Aus den Gründen:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Bergung des Schubleichters SL »4068 aus der Elbe (Köhlfleet) ...

Der Nebenintervenient zu 1) (Expert-Büro G), welcher dem Rechtstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten ist, berät die Beklagte seit ca. 40 Jahren in Havarieangelegenheiten. Der Nebenintervenient zu 1) erstellte die Ausschreibung für die Bergungsarbeiten des Schubleichters, nahm die Angebote entgegen und leitete diese an die Beklagte zur weiteren Entscheidung weiter. In der Ausschreibung heißt es wörtlich: »Der Auftrag erfolgt auf Basis ‘No cure - No Pay’. Sollte die Bergung auch in Teilen erfolglos sein, so entfällt jede Vergütung.« Mit Schreiben vom 15. September 2010 bot die Klägerin die Bergung von Ladung und Schubleichter an. Ein Festpreisangebot gab die Klägerin dabei nicht ab, sondern bot die Bergung des Leichters zu einem Preis von EUR 20.000/Tag (10 Std.) an und ging dabei von einem Aufwand von vier Tagen aus. Für den Einsatz des Schwimm- krans E - soweit erforderlich - sollten für An-/Abfahrt nach Hamburg EUR 27.500 und pro Einsatztag weitere EUR 27.500 anfallen. Die Einsatzzeit des Schwimmkrans wurde mit einem Tag angegeben. In Ziffer 7 des Angebotes heißt es: »Für Umwelt- und Sachschäden die durch die Leichterung/Bergung bedingt sind, übernehmen wir keinerlei Haftung. Ebenso sind sämtliche eventuellen Schäden an der Schute, der Böschung oder des Fahrwassers nicht durch uns zu verantworten«. In dem Angebot geht die Klägerin davon aus, dass die Bergung des Schubleichters durch das Einpumpen von Druckluft in die Leerräume und die Hebung des Schubleichters durch den zusätzlichen Auftrieb möglich sei. Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Bergung des Schubleichters mit Schreiben vom 20.09.2010 ... Ein weiterer Taucheinsatz bestätigte, dass der Rumpf des Havaristen aufgeschnitten oder ge- brochen war. In Gesprächen zwischen den Parteien wurde dann vereinbart, die Ber- gung des Schubleichters fortzusetzen und diesen hierzu in zwei Teile zu trennen und die einzelnen Teile zu bergen. Die Tren- nung des Havaristen in zwei Teile und die Bergung der beiden Wrackteile erfolgte in der Zeit vom 18. bis 22. Oktober 2010 mit Hilfe des Schwimmkrans E.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 stellte die Klägerin ihre Schlussrechnung über einen Betrag von EUR 410.078,12 (brutto), fällig zur Zahlung am 05. November 2010. Hierbei war eine bereits vorab gestellte Abschlagsrechnung in Höhe von EUR 180.000 berücksichtigt. Die Beklagte zahlte am 12. November 2010 einen Betrag von EUR 180.000 an die Klägerin, weitere Zahlungen erfolgten nicht. Auch die letzte Zahlungsfrist vom 29. November 2010 aufgrund der Mahnung vom 22. November 2010 ist fruchtlos verstrichen. Die Beklagte ließ den Schubleichter in der Folgezeit reparieren und setzt ihn weiterhin ein. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von EUR 444.278,12 in Anspruch. Die Beklagte begehrt mit ihrer Widerklage die Rückzahlung der geleisteten EUR 180.000,- und die Verurteilung der Klägerin zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits einschließlich der beiden Verklarungsverfahren ...

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe die Bergung des Schubleichters erfolgreich durchgeführt. Es bestehe daher ein Anspruch auf Zahlung des vertraglich vereinbarten Bergelohns,

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie keinen Bergelohn schulde, da die Bergung des Schubleichters nicht erfolgreich gewesen sei. Die Klägerin habe den Schubleichter nicht geborgen, sondern zerbrochen. Die Klausel »no cure- no pay« (NCNP-Klausel) sei Bestandteil des Vertrages geworden. Sollte die NCNP-Klau- sel nicht Bestandteil des Vertrages geworden sein, so müsse diese über § 750 Abs. 2 Nr. 2 HGB (a.F.) in den Vertrag einbezogen werden, jedenfalls sei der Bergelohn auf den Restwert bzw. auf den Zeitwert des Schubleichters vor der Bergung zu beschränken. Da die Bergung unfachmännisch und mangelhaft ausgeführt worden sei, müsse der Bergelohnanspruch der Klägerin jedenfalls um den Betrag der Klagforderung wegen Schlechterfüllung gekürzt werden ...

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die Beklagte wendet sich ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von EUR 235.769,23. Der Klägerin steht für die Bergung des Schubleichters ein Vergütungsanspruch in jedenfalls der zugesprochenen Höhe zu.

a.) Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 2.) ist der Bergelohn weder gemäß § 743 Abs.2 HGB a.F. auf den Wert des Schubleichters beschränkt noch ist gemäß § 750 HGB eine höhere als vom Landgericht vorgenommene Reduzierung des Bergelohns durchzuführen. Denn zum einen finden die gesetzlichen Bergungsvorschriften der § 740 ff. HGB a.F. vorliegend keine Anwendung (1), zum anderen würde selbst ihre Anwendung nicht zu einer weiteren Reduzierung des Bergelohnes führen (2).

(1)
Zwischen den Parteien ist ein Werkvertrag über die Bergung des Schubleichters geschlossen worden. Die gesetzlichen Bergungsvorschriften der §§ 740 ff. HGB a.F. bleiben neben den vertraglichen Bestimmungen zwar grundsätzlich anwendbar, sofern nichts Abweichendes vereinbart wurde (v.Waldstein/Holland, Binnenschiffahrtsrecht, 5. Auflage 2007, § 93 Rz 7; BGH VersR 1958, 510, 511). Dies gilt aber nur dann, wenn sich ein Schiff im Sinne des Bergungsrechtes in einer »Gefahr« befindet (v.Waldstein/Holland, a.a.O., § 93 Rz 8). Eine bergungsspezifische Gefahr liegt vor, wenn eine weitere Verschlechterung der Zustandes (Auseinanderbrechen/Versanden/Verschlicken) des bergungsfähigen Schiffes droht (Herber, Seehandelsrecht, 2.Aufl., 2015, S.400; Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., § 740 Rz 7; Abraham, Das Seerecht, 4. Aufl. 1974, § 28 S. 255). Entscheidend ist, dass das bereits gesunkene Schiff durch das längere Verbleiben in dieser Lage ohne schleunige Hilfe der Gefahr der Entstehung eines noch größeren Schadens ausgesetzt ist (Schaps/Abra- ham, Seerecht, 4. Aufl., § 740 Rz 8).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Für den gesunkenen Schubleichter bestand keine Gefahr mehr, da dieser auf dem Grund des Köhlfleets lag. Ein weiteres Abrutschen war nicht zu befürchten, da sich der Leichter in den Schlamm gegraben hatte und sich in einer stabilen Lage befand. Dass ein Auseinanderbrechen des Rumpfes oder eine Beschädigung der Ladung drohte, ist ebenso weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Es bedurfte auch keiner »schleuniger« Hilfe (siehe oben), um der Gefahr größeren Schadens entgegenzuwirken. Denn wie dargelegt, fand die Bergung erst drei Wochen - und damit nicht »schleunig«- nach dem Sinken des Schubleichters statt, nachdem die Bergungsarbeiten zuvor ausgeschrieben worden waren, eine schriftliche Beauftragung der Klägerin erfolgt war und zur Vorbereitung der Bergung ein baugleicher Schubleichter besichtigt und Tauchgänge durchgeführt worden waren. Der Umstand, dass der gesunkene Schubleichter aufgrund seiner Lage im Köhlfleet im Hamburger Hafen ein Schifffahrtshindernis dargestellt hat und die HPA auch aus diesem Grund die umgehende Beseitigung des gesunkenen Schubleichters angeordnet hatte, ist für die Annahme einer Gefahr im Sinne des Bergungsrechtes ohne Belang. Maßgeblich sind hierfür nur solche Gefahren, die sich auf das Schiff und die Ladung auswirken.

(2)
Selbst eine Anwendung der gesetzlichen Bergungsvorschriften der §§ 740 ff. HGB a.F. würde nicht zu einer weiteren Redu- zierung des Bergelohnes führen.
So ist der Bergelohn nicht gemäß § 743 Abs.2 HGB a.F. auf den Wert des Schubleichters beschränkt, weil die Anwendung von § 743 Abs.2 HGB a.F. voraussetzt, dass die Parteien die Höhe des Bergelohnes nicht vereinbart haben (§ 743 Abs.1 HGB a.F.), was vorliegend nicht der Fall ist.

Der Bergelohn ist auch nicht in einem größeren Umfang gemäß § 750 HGB a.F. zu reduzieren als vom Landgericht vorgenommen. Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagten der Beweis, dass der Klägerin bei der Bergung grob fahrlässige Fehler unterlaufen sind, was zu einer deutlich größeren Reduzierung des angemessenen Bergelohnes geführt hätte, angesichts des nicht aufklärbaren Wertungs-Gegensatzes der beiden Sachverständigen K und W nicht gelungen ist. Denn im Grenzbereich der Abgrenzung von einfachen und groben Fehlern sind die Sachverständigen zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Rechtsfehler sind bei der vom Landgericht vorgenommenen Beweiswürdigung nicht erkennbar ...

b.) Der Senat folgt dem Landgericht auch darin, dass offen bleiben kann, ob die »No cure - No pay« - Klausel (NCNP-Klausel) Gegenstand des zwischen Parteien geschlossenen Vertrages geworden ist. Denn die Bergung des Leichters war nicht erfolglos, sondern hatte Erfolg:

Die Parteien haben als Leistungsgegenstand die Hebung des Schubleichters aus dem Köhifleet vertraglich vereinbart. So heißt es in der Ausschreibung »Bergung des GSL »4068« und Verbringen des geborgenen Kaskos an eine zuzuweisende Werft im Raum Hamburg« und in der Auftragsbestätigung »Bergung des Schubleichters«. In diesem Zusammenhang ist auch angesichts der Unterbrechung der Tätigkeiten aufgrund der Feststellung der Beschädigung des Schubleichters und der nach mehreren Gesprächen zwischen den Parteien getroffene Entscheidung zur Fortführung der Maßnahmen von einem einheitlichen Werkvertrag und nicht von mehreren Verträgen auszugehen. Denn die übereinstimmende Entscheidung der Parteien, die Maßnahmen fortzusetzen, den beschädigten Schubleichter in zwei Teile zu trennen und beide Teile zu heben und in eine Werft zu verbringen, stellt eine nachträgliche vertragliche Anpassung der ursprünglichen Vereinbarung dar und ist nicht als Abschluss eines neuen Werkvertrages zu verstehen. Die Vertragsbedingungen hinsichtlich der Vergütung nach Stundenaufwand sind identisch mit der zunächst getroffenen Vereinbarung (nach den Anpassungen). Es ist nicht ersichtlich, dass ein ganz neuer Vertrag geschlossen werden sollte, vielmehr bestand das vorrangige Ziel der Parteien weiterhin darin, den Schubleichter - wenn auch nunmehr nicht mehr als Ganzes - aus dem Hamburger Hafen zu heben.

Der so verstandene vertraglich vereinbarte Erfolg ist eingetreten. Die Klägerin hat den Schubleichter gehoben und in eine Werft verbracht. Dem steht nicht entgegen, dass der Schubleichter bei den Maßnahmen zur Hebung (erheblich) beschädigt worden ist und nicht mehr als unbeschädigte Einheit geborgen werden konnte. Denn der vertragliche Erfolg der Bergung/Hebung wurde nur dahin gehend bestimmt, dass der Schubleichter aus dem Köhlfleet geborgen werden sollte. Dies hat die Klägerin erreicht ...

c.) Das Landgericht ist auch rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Beklagte nicht auf »Schlechterfüllung« berufen könne, die im Wege einer Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen der Beklagten zum Wegfall der klägerischen Ansprüche führen könnte. Denn die Klägerin hat in Ziffer 7 ihres Angebotes (»Für Umwelt- und Sachschäden, die durch die Leichterung/Bergung bedingt sind, übernehmen wir keinerlei Haftung. Ebenso sind sämtliche eventuellen Schäden an der Schute, der Böschung oder des Fahrwassers nicht durch uns zu verantworten.«), welches von der Beklagten angenommen wurde, ihre Haftung wirksam ausgeschlossen. Vertragliche Haftungsbeschränkungen sind grundsätzlich zulässig (Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2015, § 276 Rn. 35) ...

Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung Ziffer 7 des Angebots der Klägerin als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin bezeichnet, hat sie nichts dazu vorgetragen, was die Annahme einer AGB- Klausel rechtfertigen würde. Der Wortlaut von Ziffer 7 spricht vielmehr deutlich gegen eine Qualifizierung als Allgemeine Geschäftsbedingung. So ist in Satz 1 von »Schute« und »Böschung« die Rede, was den Bezug zu dem vorliegenden individuellen Fall belegt. In Satz 4 von Ziffer 7 heißt es sodann: »Ansonsten gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der O«, woraus zu schließen ist, dass es sich bei den vorangegangenen Sätzen nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Da die Beklagte nicht den Nachweis erbracht hat, dass es sich vorliegend um AGB handelt, findet das Klauselverbot nach § 309 Nr. 7 b) BGB keine Anwendung. Die Tatsache, dass der Haftungsausschluss auch grobe Fahrlässigkeit umfasst, steht der Wirksamkeit von Ziffer 7 der Vertrags- bedingen der Klägerin daher nicht entgegen. Die Nebenintervenientin zu 2.) macht auch ohne Erfolg geltend, der Haftungsausschluss sei auch deshalb unwirksam, weil er auch den Ausschluss einer Haftung für Vorsatz umfasse. Ein derartiger Ausschluss ist zwar gemäß § 276 Abs.3 BGB unzulässig. Bei einer Vertragsklausel, die keine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellt, gilt jedoch nicht das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ...

Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Fink v.Waldstein, Mannheim

(Das Oberlandesgericht Hamburg hatte die Revision nicht zugelassen, die Nichtzulas- sungsbeschwerde beim Bundesgerichts- hof blieb erfolglos, d. Red.)

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2019 - Nr.2 (Sammlung Seite 2567 ff.); ZfB 2019, 2567 ff.