Decision Database
Leitsätze:
1) Die Vereinbarung eines besonderen Entgelts für zusätzliche, nicht durch Abschluss und Abfertigungsprovision abgegoltene Nebenleistungen ist grundsätzlich statthaft. Das Entgelt darf aber nicht in einem bestimmten Prozentsatz von den Frachteinnahmen bestehen.
2) Eine für den innerdeutschen Verkehr unzulässige Provisionsvereinbarung bleibt wirksam, soweit sich der pauschale Beschäftigungsvertrag auch auf grenzüberschreitende Verkehre erstreckt.
Oberlandesgericht
Urteil
vom 15. Februar 1973
Zum Tatbestand:
Der Kläger war mit seinem Motorschiff als „Hausschiffer" für die Beklagte zu 1) längere Jahre tätig. Aufgrund eines Vertrages vom 18.12.1963 erhielt er von der Beklagten zu 1) spätestens vier Wochen nach jeder durchgeführten Binnenschiffsreise die Frachteinnahmen unter Abzug der festgesetzten Abschluss- und Abfertigungsprovisionen und einer weiteren Vergütung von 3 %, vorübergehend auch 4 %, der Frachteinnahmen. Nach der Novelle zum Binnenschiffsverkehrsgesetz (2. Änderungsgesetz vom 28.12.1968) und der Überwachungsverordnung vom 8.1.1969 stellte die Beklagte zunächst nur die Abschlussprovision und die Abfertigungsprovision von je 5 % nach jeder Reise in Rechnung, behielt sodann aber halbjährlich, später vierteljährlich, zusätzlich eine „Betreuungsgebühr" von 3 der jeweils zwischenzeitlichen Frachteinnahmen ein. Hierüber kam es zwischen den Parteien nach Zugang einer Abrechnung der Beklagten zu 1) vom 29.8.1969 zu Streitgesprächen ohne eindeutiges Ergebnis. Die Beklagte zog an Betreuungsgebühren im Jahre 1969 3552,- DM ein. Anfang April 1970 kündigte der Kläger den Chartervertrag fristlos. Die Beklagte zu 1) erkannte diese Kündigung nicht an und behielt für das Jahr 1970 weitere 3330,- DM ein.
Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1) und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter, Beklagter zu 2), gesamtschuldnerisch die Zahlung des Betrages von insgesamt 6882,- DM, weil eine vertragliche Vereinbarung des Betreuungsentgelts nicht getroffen worden sei und er die Zahlung einer solchen Betreuungsgebühr stets abgelehnt habe.
Die Beklagten sind der Meinung, dass die Vereinbarung der zusätzlichen Vergütung in dem Vertrag vom 18.12.1963 zu sehen sei. Im Jahre 1969 sei nur eine neue Art der Berechnung gewählt worden, mit der sich der Kläger nach anfänglichem Widerspruch auch einverstanden erklärt habe. In jedem Fall sei der Anspruch auf 3 % gerechtfertigt, soweit sich die Frachteinnahmen auf grenzüberschreitende Reisen oder Lagergeschäfte bezögen.
Das Landgericht hat den Anspruch auf Zahlung von 6882,- DM als gerechtfertigt anerkannt, insbesondere weil es an einer Vereinbarung über die Betreuungsgebühren fehle.
Auf Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagten zur Zahlung von nur 2396,75 DM verurteilt, wobei die Kläger 2/3, die Beklagten 1/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Entgegen der Annahme des Klägers fehlt es nicht an einer Einigung der Parteien über die zusätzliche Zahlung einer Vergütung von 3 % auf die vereinnahmten Frachten.
Auszugehen ist von dem Chartervertrag vom 18. Dezember 1963, der bis zum Ende der vertraglichen Beziehungen der Parteien zwischen ihnen galt. Nach dessen Ziffer III hatte der Kläger der Beklagten zu 1) neben der üblichen Provision (d. h. bei verständiger Auslegung neben den durch den Frachtenausschussfestgesetzten Provisionssätzen) weitere 3 % versprochen. Eine Bezeichnung hierfür fehlt im Vertrage selbst. Die Beklagten halten diese Leistung des Klägers ebenfalls für eine Provision. Erst als die Beklagte zu 1) durch die Überwachungsverordnung vom 8. Januar 1969 gezwungen wurde, die Befrachtungen auf. Formblättern der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Hamburg als Überwachungsbehörde mitzuteilen, fand sie für die vereinbarte Provision aus begreiflichen Gründen die neue Bezeichnung „Betreuungsgebühr". Durch die neue Bezeichnung und die andere Aufmachung änderte sich aber ihrem Wesen nach an der Vereinbarung über die Zahlung weiterer 3 % auf die vereinnahmten Frachten nichts. Die Tätigkeit der Beklagten zu 1) für den Kläger hatte sich offenbar nicht geändert und von einem plötzlichen Anfall von Betreuungstätigkeiten kann keine Rede sein. Einen Antrag auf Abschluss eines Vertrages zur Abänderung des Chartervertrages gemäß §305 BGB vermag der Senat in der Übersendung der Abrechnung vom 29. August 1969 nicht zu erkennen. Auch aus der Sicht des Klägers, sofern dieser in verständiger Weise und nach Aufklärung durch die Beklagte zu 1) die übersandten Rechnungen betrachtete, konnte es nicht anders sein. Selbst wenn dies und die Ablehnung durch den Kläger unterstellt wird, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Jedenfalls bliebe die ursprüngliche Vereinbarung in Kraft. Diese war von den Parteien einverständlich schon vorher dahin geändert worden, dass der Beklagten zu 1) nicht, wie bisher, eine zusätzliche Provision von 3 %, sondern eine solche von 4 zustehen sollte. Die nunmehr verlangte Betreuungsgebühr von 3 % nebst 11 % Umsatzsteuer hält sich im Rahmen jener geänderten früheren Vereinbarung.
Diese ist auf Grund der gegebenen Vertragsfreiheit nach §305 BGB wirksam, sofern nicht die Bestimmungen des BSchVG entgegenstehen. Grundsätzlich war und blieb die Vereinbarung einer weiteren Vergütung von 3 % allerdings gemäß §§21, 29, 31 BSchVG unzulässig. Das ist vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt worden.
...
Dieser Senat schließt sich früheren Entscheidungen an, vor allem auch insoweit, als danach die Vereinbarung eines besonderen Entgelts für zusätzliche, nicht durch die Abschlussprovision und die Abfertigungsprovision abgegoltenen Nebenleistungen zwar grundsätzlich statthaft ist, dies Entgelt aber nicht in einem bestimmten Prozentsatz von den Frachteinnahmen bestehen darf, soll sich nicht die ganze Vereinbarung als eine Umgehung des festgesetzten Entgelts erweisen und damit gemäß § 31 Abs. 1 BSchVG nichtig sein.
...
Die von den Beklagten erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Festfrachtenregelung des BSchVG teilt der Senat nicht, so dass eine Aussetzung des Rechtsstreits und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG nicht in Betracht kommen. Das Festpreissystem in der Binnenschifffahrt ist nicht lückenhaft, weil es der Gesetzgeber, wie die Beklagten meinen, verabsäumt habe, einheitliche Beförderungsbedingungen zu schaffen. Der insoweit den beteiligten Kreisen verbliebene Spielraum für freie Vertragsgestaltungen entzieht der Festsetzung von unabdingbaren Festfrachten nicht die Grundlage.
...
Der Senat hat, ausgehend von der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit der Vereinbarung von Vergütungen für Sonderleistungen, erwogen, ob vorliegend in Anwendung der §§31 BSchVG, 139, 140 BGB von der Wirksamkeit wenigstens eines Teils der Vereinbarung über eine Vergütung von Sonderleistungen ausgegangen werden muss, da doch unstreitig solche Leistungen in einem gewissen Umfang erbracht werden sollten und erbracht worden sind.
Die als Anlage Bf C eingereichte Zusammenstellung betrifft zum Teil unmittelbar mit den Verkehrsleistungen zusammenhängende und daher nicht besonders provisionspflichtige Nebenleistungen wie die Einziehung von Frachten, zum anderen Teil geht aus ihr der Umfang der Leistungen auch nicht annähernd hervor. Z. B. dürfte die Position „a) Postadresse für Schiffseigner und entsprechende Weiterleitung bzw. Veranlassung" und „b) Benachrichtigung Dritter über Positionen, Havarien usw." keinen wesentlichen Verwaltungsaufwand verursacht haben. Auch die als Anlage Bf. D bis F vorgelegten Lichtabdrucke von Kontokarten geben keine hinreichende Auskunft über den Umfang der Sonderleistungen und den dafür erforderlichen personellen und sachlichen Aufwand. Aus ihnen geht nur hervor, dass die Beklagte zu 1) monatlich zwischen einer und zwölf möglicherweise zu Sonderleistungen zu rechnende Überweisungen und die entsprechenden Buchungen vorgenommen und im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerschuld des Klägers stehende Arbeiten verrichtet hat. Das ist zu wenig für eine zuverlässige Schätzung des Aufwandes der Beklagten zu 1). Vor allem scheitert die Umdeutung der nichtigen Provisionsvereinbarung aber daran, dass sie, wie noch auszuführen sein wird, nur zum Teil nichtig ist und die Beklagten keineswegs belegt haben, auf welchen Teil der Provisionsvereinbarung der Aufwand entfällt. Völlig trennen lässt er sich wahrscheinlich ohnehin nicht. Nach § 21 Abs. 1 BSchVG werden nämlich die Entgelte für Verkehrsleistungen nur festgesetzt, sofern die Verkehrsleistungen zwischen deutschen Lade- und Löschplätzen und entweder ganz oder im Falle einer durchgehenden Beförderung streckenweise auf Bundeswasserstraßen erbracht werden. Daraus folgt, dass im grenzüberschreitenden und innerdeutschen Verkehr die Fracht und die Provision frei vereinbart werden können (vgl. Kählitz, Das Gesetz über den gewerblichen Binnenschifffahrtsverkehr, Anm. 18 zu § 21; Vortisch-Zschucke, Binnenschifffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl., Anm. 1 c zu § 21 BSchVG). Im Verhältnis der Parteien ist die Vereinbarung einer weiteren Provision oder Betreuungsgebühr von 3 % insoweit also wirksam gewesen und die Beklagte zu 1) kann in dem sich daraus ergebenden Umfange ihre Provision gegen die Forderung des Klägers auf Auszahlung der vereinnahmten Frachten verrechnen.
Nach § 21 BSchVG werden die Entgelte für Verkehrsleistungen festgesetzt. Darunter fallen auch die Entgelte für die Einlagerung von Gütern in Binnenschiffen, sofern sich die Einlagerung in demselben Schiff an eine Beförderungsleistung unmittelbar anschließt (vgl. Kählitz, Anm. 6 zu § 21; Vortisch-Zschucke, Anm. 1 b zu § 21 BSchVG). Aus der Anlage F ergibt sich aber, dass die sogen. Reisen 1, 2 und 24 reine Lagergeschäfte waren und daher §21 BSchVG keine Anwendung finden kann.
Nach der vom Kläger nicht bestrittenen Darstellung der Beklagten betrafen die Reisen 1, 2, 4, 7, 9, 15, 17, 18, 19, 20, 21 a und 24 mit einem Frachtaufkommen von insgesamt 68641,33 DM solche Reisen, für die § 21 BSchVG nicht gilt. 3 % hiervon ergeben 2059,24 DM. Dieser Betrag nebst 11 % Umsatzsteuer steht der Beklagten zu 1) für das Jahr 1969 zu, und in dieser Höhe von 2285,75 DM ist die Aufrechnung wirksam geworden. Für das Jahr 1970 rechnet die Beklagte zu 1) nicht bis zur Vertragskündigung die Provision konkret aus, obwohl sich aus der Anlage F der Einsatz des MS „A" bis zum 7. April 1970 deutlich ergibt. Bis dahin steht ihr die Provision in dem sich aus den vorstehenden Ausführungen ergebenden Umfang zu. Für die Zeit danach bis zum Jahresende 1970, zu dem gemäß Ziffer IV des Chartervertrages die ordentliche Kündigung wirksam werden würde, kann sie vom Kläger Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Die fristlose Kündigung war unwirksam, weil es an dem hierfür erforderlichen wichtigen Grunde mangelte.
Es ist durch die Aussagen der Zeugen bewiesen worden, dass der Kläger, nachdem er zunächst mit dem Schreiben vom 24. September der Rechnung vom 29. August 1969 widersprochen hatte, sich von der angeblichen Berechtigung der Provisionsforderung der Beklagten zu 1) überzeugen ließ. Die klaren und im Wesentlichen übereinstimmenden Bekundungen dieser Zeugen werden noch dadurch bestätigt, dass der Kläger offenbar nach Erhalt der weiteren Abrechnungen für das 3. und 4. Vierteljahr 1969 diese nicht mehr zurückwies.
...
Der Höhe nach hat der Kläger keine Einwendungen substantiert vorgetragen. Es scheint auch richtig, dass er 1970 etwa die gleichen Einnahmen wie 1969 erzielt haben würde und die Betreuungsgebühr etwa ebenso hoch wie 1969 gewesen wäre. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Verhältnis zwischen den Reisen, für welche die Festentgelte nach §21 BSchVG anzuwenden wären, und den übrigen Reisen im grenzüberschreitenden und innerdeutschen Verkehr etwa den für das Jahr 1969 nicht entsprochen haben würde, d. h. die Einnahmen aus diesen würden knapp 2/3 der Gesamteinnahmen betragen haben. Ausgehend von dem von der Beklagte zu 1) zutreffend errechneten Betrag von 3000,- DM nebst 11 % Umsatzsteuer, also 3330,- DM, ergibt das eine berechtigte Schadensersatzforderung der Beklagten zu 1) von 2200,- DM. Angesichts des geringen Umfangs der sogenannten Betreuungsleistungen der Beklagten zu 1) kann nicht festgestellt werden, dass sie infolge des Ausfalls der Leistungen für den Kläger Einsparungen etwa an Personalkosten erzielt hat, die gegenzurechnen wären.
Zusammengefasst ergibt das, dass die Beklagte zu 1) 2285,75 DM und 2200,- DM, insgesamt also 4485,75 DM verrechnen konnte. In Höhe von 2396,25 DM muss sie die vereinnahmten Frachten an den Kläger auskehren. Die Forderung ist gemäß §§ 352 Abs. 1 Satz 1, 353 HGB mit 5% jährlich seit dem 25. August 1970 zu verzinsen.