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514 Z - 2/18 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 04.06.2018
File Reference: 514 Z - 2/18
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

514 Z - 2/18

Urteil 

vom 4. Juni 2018

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 31. Mai 2017 - 4 C 42/16 RHSch -)

Im Rechtsstreit

hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg nach öffentlicher Verhandlung vom 18. April 2018, an welcher teilgenommen haben die Richter Frau STAMM (Vorsitzende), die Herren BULLYNCK, GÖBEL, DE SAVORNIN LOHMAN, WOEHRLING und in Anwesenheit der Gerichtskanzlerin, Frau BRAAT, gestützt auf Art. 37 und 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17.10.1868 in der Fassung vom 20.11.1963 sowie des Art. III ihres Zusatzprotokolls Nr. 3 vom 17.10.1979, folgendes Urteil gefällt:

Es wird Bezug genommen auf:

1. das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 31. Mai 2017, das der Klägerin am 21. Juni 2017 und den Beklagten am 22. Juni 2017 zugestellt worden ist;

2. die Berufungsschrift der Klägerin vom 22. Juni 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag;

3. die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 4. Juli 2017, eingegangen bei Gericht am 6. Juli 2017;

4. die Berufungsschrift der Beklagten vom 23. Juni 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag;

5. die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 20. Juli 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag;

6. die Berufungserwiderung der Beklagten vom 4. September 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag;

7. die Berufungsantwort der Klägerin vom 11. September 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag; 

8. die Akten 4 C 42/16 RHSch des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl, 

9. die Akten 4 H 6/15 BSch des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl.

Die genannten Akten haben der Berufungskammer vorgelegen. 

Tatbetand:

Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit für eine Schiffskollision. Diese hat sich am 15. März 2015 gegen 00:30 Uhr auf dem Rhein bei Rheinkilometer 310,5 im Vorkanal der Schleuse Gambsheim zwischen dem zu Tal fahrenden Koppelverband "C" – bestehend aus dem Schubboot MS „C“ und den drei Schubleichtern SL „C I“, SL „C IX“ und SL „C X“- (im Folgenden: KV „C“) - und dem zu Berg fahrenden TMS "M" ereignet; beide Schiffe wurden bei dem Unfall erheblich beschädigt. Die Klägerin ist die führende Schiffsversicherung des TMS "M". Sie hat dem Schiffseigner Deckung gewährt und dessen Schaden reguliert. Die Beklagte zu 1 ist die Schiffseignerin des MS „C“ und des SL „C I“, die Beklagte zu 2 ist die Schiffseignerin des SL „C IX“ und des SL „C X“. Der Beklagte zu 3 war zum Unfallzeitpunkt der verantwortliche Schiffsführer des Koppelverbands.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten ‑ teils aus übergegangenem, teils aus abgetretenem Recht ‑ Ersatz der von ihr regulierten Schäden. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Havarie auf einem alleinigen Verschulden der Schiffsführung des KV "C" beruhe. Diese habe unter Verstoß gegen § 6.04 Nr. 5 Satz 1 RheinSchPV den Talweg für eine Backbord-Backbord-Begegnung nicht rechtzeitig genommen, sondern sei genau auf den Kopf des entgegenkommenden Bergfahrers gefahren. KV "C" habe an der Backbordseite von TMS "M" selbst nach dessen Notmanöver ein ausreichend breiter Talweg von mindestens 60 bis 70 m Breite zur Verfügung gestanden. Deshalb sei TMS "M" als Bergfahrer auch berechtigt gewesen, den Kurs in die Mitte der Fahrrinne zu legen. Ohne den Notstopp des TMS "M" wäre ein weitaus größerer Schaden entstanden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 133.240,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2015 zu zahlen, wobei die drei Beklagten gesamtschuldnerisch unbeschränkt persönlich haften sollen, die Beklagte zu 1 zusätzlich dinglich mit einem am 15. März 2015 entstandenen Schiffsgläubigerrecht an MS "C" sowie SL "C I", die Beklagte zu 2 zusätzlich dinglich mit einem am 15. März 2015 entstandenen Schiffsgläubigerrecht an SL "C IX" und SL "C X",

sowie weitere 2.529,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen. 

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass die Kollision allein darauf zurückzuführen sei, dass TMS "M" entgegen § 9.02 Nr. 3 RheinSchPV schuldhaft beim Begegnen nicht die rechte Seite eingehalten habe, soweit dies für eine gefahrlose Vorbeifahrt Backbord an Backbord notwendig gewesen sei. Sie habe zudem entgegen § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV den Kurs in einer Weise geändert, die die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeigeführt habe.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat zur Klärung des Unfallhergangs ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt und den Sachverständigen ergänzend mündlich angehört. Mit Grund- und Teilurteil vom 31. Mai 2017 hat es den Klageanspruch dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin könne von den Beklagten aus abgetretenem bzw. übergegangenem Recht gemäß §§ 823 BGB, 92, 92b, 92c BinSchG in Verbindung mit §§ 86 VVG, 398 BGB die Hälfte des entstandenen Schadens verlangen. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Kollision auf das jeweils gleich schwerwiegende Verschulden der Besatzungen beider Schiffe zurückzuführen sei. Die Schiffsführung von TMS "M" hätte nach den überzeugenden und plausiblen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen den Unfall vermeiden können, wenn sie die Fahrtrichtung am linken Fahrrinnenrand für eine Backbord-Backbord-Begegnung beibehalten oder aber weiter an dem linken Fahrrinnenrand gefahren wäre. Dies sei technisch, nautisch und tatsächlich möglich gewesen. In diesem Fall hätte der KV "C" die Möglichkeit gehabt, den Verband zu strecken, um mit dem Hinterschiff weiter vom linken Fahrrinnenrand abzukommen, so dass die Kollision vermieden worden wäre. Indem TMS "M" den Kurs geändert habe, sei der Schiffsführung des KV "C" die Strecke verkürzt worden, den Verband zu strecken. Die Schiffsführung von TMS "M" hätte bei Beachtung der zu erwartenden und vorausgesetzten Streckenkunde und Kenntnis der Örtlichkeit erkennen können, dass KV "C" wegen der dort vorhandenen Strömung versetzen würde. Somit habe die Schiffsführung von TMS "M" gegen die Verpflichtung nach § 9.02 Nr. 3 RheinSchPV verstoßen, wonach beim Begegnen alle Fahrzeuge die rechte Seite einhalten müssten, soweit dies für die gefahrlose Vorbeifahrt Backbord an Backbord notwendig sei. Sie habe zudem mit dem Kurswechsel gegen ihre Verpflichtung nach § 6.03 RheinSchPV verstoßen, wonach beim Begegnen Fahrzeuge, deren Kurse jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausschlössen, ihren Kurs nicht in einer Weise ändern dürften, die die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeiführen könnte.

Aber auch für die Schiffsführung des KV "C" sei die Kollision vermeidbar gewesen. Hierzu hätte sie, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt habe, frühzeitig einen größeren Kurs nach Steuerbord wählen müssen, um auf die Querströmung zu reagieren und weniger weit über die Fahrrinnenmitte zu geraten bzw. möglicherweise sogar ganz in der geographisch rechten Fahrrinne zu bleiben, wie der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung ausgeführt habe. Auch KV "C" habe daher gegen die Vorschrift des § 9.02 Nr. 3 RheinSchPV verstoßen.

Nach Auffassung des Gerichts wiege das beiderseitige Verschulden im Ergebnis gleich schwer. Insoweit müsse auch berücksichtigt werden, dass beide Schiffsführer den Unfall durch Funkabsprachen hätten vermeiden können.

Gegen dieses Urteil haben die Klägerin sowie die Beklagten form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und die jeweiligen Rechtsmittel sodann form- und fristgerecht begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie im Wesentlichen vor:

Das Rheinschifffahrtsgericht bejahe zu Unrecht ein Mitverschulden des bergfahrenden TMS "M" mit der Begründung, es sei dem Bergfahrer zumutbar gewesen, auf die stetig kleiner werdende Lücke zwischen dem Heck des Koppelverbandes und dem geographisch linken Ufer zuzuhalten in der Hoffnung, dass es diesem gelingen könnte, aufzustrecken. Dies sei dem Bergfahrer schon deshalb nicht zuzumuten gewesen, weil der Koppelverband über eine Strecke von 650 Meter nicht in der Lage gewesen sei, sein Heck vom linken Ufer abzuziehen. Die Entscheidung der Schiffsführung des TMS "M", lieber Kopf auf Kopf statt Kopf auf Seit oder sogar Seit auf Seit zu havarieren, sei richtig gewesen, da dies für ein Tankschiff die ungefährlichere Form eines Zusammenstoßes sei. Die schweren Pflichtverstöße auf Seiten des talfahrenden Koppelverbandes und die durch ihn schuldhaft herbeigeführte unklare und riskante Situation verböten es, die in der Notsituation ex ante nautisch getroffene Entscheidung des Bergfahrers zu kritisieren und ex post durch eine eigene, vermeintlich bessere ersetzen zu wollen. TMS "M" habe auf die durch den Koppelverband schuldhaft herbeigeführte gefährliche Situation mit einem vernünftigen Notmanöver des letzten Augenblicks reagiert. 

Der Kardinalfehler des talfahrenden KV "C" liege darin, dass er bei der Ausfahrt aus dem Schleusenvorkanal den sog. "Hechtkopf“ – d.h. den Kopf der Mole, die den Schleusenvorhafen von dem Kraftwerkskanal trenne - nicht hart angehalten habe, sondern einen völlig unnötigen und nautisch höchst schädlichen Abstand von dem „Hechtkopf“ von 80 m eingehalten habe. In diesem Bereich beginne die Einmündung des Kraftwerkskanals mit der damit verbundenen Querströmung. Hätte sich der Koppelverband hieran gehalten, wäre er vollständig in der geographisch rechten Hälfte geblieben; der Bergfahrt wäre damit 60 m Platz in der Fahrrinne verblieben. Der zweite nautische Kardinalfehler auf Seiten der Schiffsführung des KV "C" sei es gewesen, unter Autopilot zu Tal zu fahren, statt händisch zu steuern. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme es für die Bewertung ihrer Pflichtverletzung nicht nur auf die letzten 100 m vor der Havariestelle an. Schon bei normalen nautischen Bedingungen auf dem Rhein hätten Bergfahrer und Talfahrer rechtzeitig und eindeutig ihren Kurs so zu legen, dass eine Begegnung gefahrlos möglich sei und der Entgegenkommer rechtzeitig erkenne, dass die von der Bergfahrt angewiesene Begegnungsweise eingehalten werde. Es sei ein allgemeiner nautischer Grundsatz, dass es gerade nicht zulässig sei, auf Risiko zu fahren. Gemäß § 9.04 RheinSchPV müsse der Talfahrer seinen Kurs so legen, dass jedes Risiko für eine Havarie ausgeschlossen sei. Dies sei insbesondere im vorliegenden Fall unbedingt notwendig gewesen, da - wie der Gerichtssachverständige eindrücklich dargelegt habe - die starke Querströmung des Seitenkanals ein dichtes Anhalten des Hechtkopfes erfordert und es notwendig gemacht habe, das Schiff händisch zu steuern.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Grund- und Teilurteils des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 31. Mai 2017 die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären und die Sache für die Durchführung des Höheverfahrens an das Rheinschifffahrtsgericht Kehl zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Im Wege der eigenen Berufung beantragen die Beklagten,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. 

Die Beklagten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie im Wesentlichen folgendes vor: 

Die alleinige Verantwortlichkeit für den Schiffsunfall treffe die Schiffsführung des TMS "M". Demgegenüber könne der Schiffsführung des KV "C" kein Verstoß gegen § 9.02 Nr. 3 RheinSchPV vorgeworfen werden. Allein entscheidend sei, wo sich die Schiffe kurz vor und bei der Begegnung befunden hätten und ob sie ihren Kurs so weit nach Steuerbord gerichtet hätten, dass die Vorbeifahrt ohne Gefahr Backbord an Backbord habe stattfinden können. Das sei bei KV "C" der Fall gewesen, der bei der Begegnung auch noch aufgestreckt hätte und mit dem Heck 20 m zum rechten Ufer in den rechten Teil der Fahrrinne gekommen wäre, so dass TMS "M" seinen Kurs am linken Ufer einfach hätte beibehalten müssen. Der Sachverständige habe bei seiner Anhörung auch bestätigt und mehrfach betont, dass der Platz am linken Ufer für "TMS M" für eine Begegnung Backbord an Backbord immer groß genug gewesen sei. Entscheidend sei, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen der Bergfahrer "TMS M" unbedingt auf seiner linken Seite nahe am linken Ufer hätte bleiben und seinen Kurs am linken Ufer hätte beibehalten müssen. Schließlich habe sich das Rheinschifffahrtsgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass der Schiffsführer von KV "C" den Bergfahrer über Kanal 10 angesprochen und dann auch die Decksbeleuchtung angeschaltet und ein Achtung-Signal gegeben habe. Entscheidend sei, dass der Unfall auf zwei ganz gravierenden Pflichtverletzungen des Bergfahrers beruhe, der beim Begegnen nicht die rechte Seite eingehalten habe und zudem eine Kursänderung in den rechten Teil der Fahrrinne und damit in den Kurs des Talfahrers vorgenommen habe.

Unabhängig davon scheide eine Haftung der Beklagten zu 2 von vorneherein aus, weil der Beklagte zu 3 als Schiffsführer von MS „C“ nicht zur Schiffsbesatzung der Beklagten zu 2 gehört habe und ihr deshalb ein etwaiges Verschulden des Beklagten zu 3 nicht zugerechnet werden könne. Der Leichtereigner hafte nicht für Schäden Dritter aus nautischen Fehlern der Besatzung des Schubboots, das – wie hier – einem anderen gehöre.

Entscheidungsgründe:

Die jeweils zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1 und 3 haben keinen Erfolg. Das Rheinschifffahrtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Schiffsführungen des KV "C" und des TMS "M" den Unfall jeweils zur Hälfte verschuldet haben. Begründet ist nur die Berufung der Beklagten zu 2, deren Haftung insgesamt ausscheidet.

1. Die Schiffsführung von TMS "M" hat sowohl gegen die Verpflichtung nach § 9.02 Nr. 3 RheinSchPV verstoßen, wonach beim Begegnen alle Fahrzeuge die rechte Seite einhalten müssen, soweit dies für die gefahrlose Vorbeifahrt Backbord an Backbord notwendig ist, als auch gegen ihre Verpflichtung nach § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV, weil sie den Kurs in einer Weise geändert hat, die die Gefahr eines Zusammenstoßes herbeiführen könnte. Hiervon ist das Rheinschifffahrtsgericht unter Zugrundelegung der Feststellungen des Sachverständigen, die auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt werden, zutreffend ausgegangen. Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, das Manöver sei aufgrund eines Manövers des letzten Augenblicks gerechtfertigt, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Gemäß § 1.05 RheinSchPV müssen zwar die Schiffsführer bei unmittelbar drohender Gefahr alle Maßnahmen treffen, die die Umstände gebieten, auch wenn sie dadurch gezwungen sind, von dieser Verordnung abzuweichen. Ein regelwidriges Verhalten ist nach dieser Vorschrift aber nur zulässig, wenn die Notwendigkeit dazu völlig klar ist (vgl. Bemm/v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., § 1.05 Rn. 1; BGH, VersR 1971, 362 zu § 5 BinnSchStrO a.F.). Hiervon kann auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen nicht ausgegangen werden. Der Sachverständige hat nämlich bestätigt, dass der Platz am linken Ufer für TMS "M" für eine Begegnung Backbord an Backbord groß genug gewesen sei und TMS "M" seinen Kurs am linken Ufer hätte beibehalten müssen. In diesem Fall hätte der KV „C“ noch die Möglichkeit gehabt, den Verband zu „strecken“, um mit dem Hinterschiff weiter von linken Fahrrinnenrand abzukommen.

2. Die Schiffsführung des KV "C" hat ihrerseits gegen das in § 9.02 Nr. 3 RheinSchPV geregelte Rechtsfahrgebot verstoßen. Sie hätte, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, frühzeitig einen größeren Kurs nach Steuerbord wählen müssen, um auf die Querströmung zu reagieren und weniger weit über die Fahrrinnenmitte zu geraten. Entgegen der Auffassung der Beklagten traf die Schiffsbesatzung des KV "C" die Verpflichtung dieser Vorschrift nicht erst kurz vor oder bei der Begegnung. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten bemerkte ihre Schiffsführung bereits während der Ausfahrt aus dem Vorkanal auf dem Radar ein Schiff in der Bergfahrt, das sich in der Zufahrt zur Schleuse befand. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass es zu einer Begegnung mit diesem Schiff, es handelte sich um das TMS "M", kommen würde. Die Schiffsführung des Koppelverbandes hätte deshalb die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um in der rechten Fahrrinnenseite zu bleiben. Wie der Sachverständige ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, bestand hierzu insbesondere wegen der Querströmung eine besondere Verpflichtung. Wäre die Schiffsführung des Koppelverbandes dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte die Kollision vermieden werden können.

3. Da hiernach beide Schiffsführer die Kollision schuldhaft verursacht haben, hängt die Verantwortung für die Kollision von dem Grad des jeweiligen Verschuldens ab (§ 92c BinSchG). Insoweit ist die Berufungskammer mit dem Rheinschifffahrtsgericht der Auffassung, dass dem Verschulden der Schiffsführungen das gleiche Gewicht beizumessen ist, so dass die Klägerin lediglich die Hälfte des entstandenen Schadens ersetzt verlangen kann.

4. a) Dies gilt allerdings nur bezogen auf den Beklagten zu 3 als Schiffsführer des KV „C“- er haftet jedenfalls gemäß § 823 Abs. 1 BGB – und bezogen auf die Beklagte zu 1, die als Schiffseignerin des MS „C“ gemäß § 92b BinSchG für das Verschulden des Beklagten zu 3 haftet, weil er zur Besatzung des MS „C“ gehörte. Eine Haftung der Beklagten zu 2, die lediglich Eignerin der Schubleichter SL „C IX“ und SL „C X“ ist, scheidet demgegenüber aus. Der Beklagte zu 3 stand nämlich nicht (auch) im Dienste der Beklagten zu 2. Dass zwischen dem Schiffsführer des Schubbootes und der Beklagten zu 3 ein Dienstverhältnis bestand, hat entgegen der von der Klägerin in der Berufungserwiderung vertretenen Auffassung auch das Rheinschifffahrtsgericht nicht mit Tatbestandswirkung festgestellt. In dem Urteil wird er lediglich als Schiffsführer des Koppelverbandes bezeichnet. Darlegungs- und beweispflichtig für die Zugehörigkeit des Beklagten zu 3 zur Besatzung der Beklagten zu 2 ist die Klägerin. An einem entsprechenden Beweisangebot fehlt es indessen, obwohl die Beklagten die Passivlegitimation der Beklagten zu 2 bereits in dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 4. März 2016 (dort Seite 6 oben) gerügt haben.

b) Anlass, eine Haftung der Beklagten zu 2 in entsprechender Anwendung des § 92b BinSchG zu bejahen, besteht nicht. Vielmehr ist die Berufungskammer mit dem Bundesgerichtshof der Auffassung, dass der Eigner eines Schubleichters nicht für Schäden Dritter aus nautischen Fehlern der Besatzung des Schubboots haftet, dessen Eigner nicht er, sondern ein anderer ist (BGHZ 88, 309). In einem solchen Fall hat der Leichtereigner sein Fahrzeug für die Reise in die Obhut eines Schubbootes gegeben, dessen Besatzung nicht von ihm, sondern von dem Schubbooteigner ausgewählt sowie überwacht wird, und der er auch keine die Führung des Schubverbandes betreffenden Weisungen erteilen kann. Insoweit sind die Gegebenheiten grundlegend anders, als wenn ein Leichtereigner sein Fahrzeug von einem eigenen Schubboot, also von seinen Leuten, bewegen lässt. Zwar wollen die Vorschriften des § 92b, § 3 Abs. 1 BinSchG Dritte vor den Gefahren, die der Schiffsbetrieb in besonderem Grade mit sich bringt, dadurch schützen, dass sie dem Geschädigten einen zusätzlichen, im allgemeinen wirtschaftlich besser als das Besatzungsmitglied stehenden Schuldner in der Person des Verwenders des Schiffes geben und diesen ohne die Entlastungsmöglichkeit des § 831 BGB haften lassen (vgl. BGHZ 70, 127, 129 f. zu § 3 Abs. 1 BinSchG). Indes sind die Vorschriften dort - auch nicht entsprechend - anwendbar, wo es nicht mehr um den Verantwortungsbereich eines Leichtereigners, sondern, wie bei der Führung eines Schubverbandes auf der Reise durch ein fremdes Schubboot, um den des Schubbooteigners und seiner Besatzung geht (BGHZ 88, 309, 313 zu § 3 Abs. 1 BinSchG).

Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des Amtsgerichts ‑ Rheinschifffahrtsgerichts - Kehl vom 31. Mai 2017 ‑ 4 C 42/16 RHSch – teilweise geändert und insgesamt wir folgt neu gefasst:

Der Klageanspruch wird bezogen auf die Beklagten zu 1 und 3 dem Grunde nach zu 1/2 für gerechtfertigt erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1 und 3 gegen das vorerwähnte Urteil werden zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 in erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beklagten zu 1 und 3 in der Berufungsinstanz tragen die Klägerin und die Beklagten zu 1 und 3 jeweils zur Hälfte.

Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung des Rheinschifffahrtsgerichts vorbehalten.

Die Gerichtskanzlerin:                                                                                             Die Vorsitzende: