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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
vom 31. Juli 2017
- 509 P - 1/17 -
(ergangen auf Berufung gegen ein Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts in Straßburg vom 7. Dezember 2015 - 15259000204 -)
hinterlegt bei der Gerichtskanzlei am 31. Juli 2017
Strafsache
gegen
T.
(Geladenen)
und
F. GmbH
(zivilrechtlich Haftende)
E.
(Nebenklägerin)
Die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg hat nach öffentlicher Verhandlung in ihrer Sitzung vom 10. Mai 2017, an der teilgenommen haben:
a) als Richter: Frau STAMM (Vorsitzende), die Herren BALL, DE BAETS, HAAK, WOEHRLING
b) als Vertreter der Staatsanwaltschaft: C.
c) als Vertreter des Betroffenen: RA A.
d) als Vertreter der Nebenklägerin: RA S.
und in Anwesenheit der Gerichtskanzlerin, Frau BRAAT, gestützt auf die Artikel 37 und 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 folgendes Urteil gefällt:
Es wurde Bezug genommen auf die gesamte Prozessakte, insbesondere:
- das zustellungsfähige kontradiktorische Urteil vom 7. Dezember 2015
- die Berufungsanmeldung vom 25. Mai 2016
- die Anträge des Geladenen und des zivilrechtlich Haftenden
- die Anträge der Nebenklägerin als Berufungsbeklagte vom 28. August 2016
- das Protokoll der Brigade VOGELGRÜN der Wasserschutzgendarmerie vom 10. Juni 2015
Es wurde Bezug genommen auf die Videoaufzeichnungen, die während der öffentlichen Verhandlung in Augenschein genommen wurden.
I. Sachverhalt und erstinstanzliches Verfahren
Am 2. Januar 2015 machte Herr Z., Dienst habender Mitarbeiter der E. den Soldaten der Wasserschutzgendarmerie VOGELGRÜN Meldung von Schäden an den Anlagen der kleinen Schleusenkammer und machte dafür nach Auswertung der Videoaufzeichnungen das Fahrgastschiff „R.“ verantwortlich, das am 1. Januar 2015 zwischen 12.50 Uhr und 13.10 Uhr auf der Bergfahrt die Schleuse passiert hatte.
Herr Z. meldete zunächst, dass das Geländer des linken Flügels des Obertors eingedrückt worden war, und meldete des Weiteren aufgrund des Nebels in diesem Gebiet zu einem späteren Zeitpunkt nach näherer Überprüfung eine Beschädigung der Verstärkung der Einfahrtführung auf der linken Seite und eine Verschiebung der Führungsschiene des Schwimmpollers des rechten Torflügels.
Die Ermittler nahmen den Sachverhalt in Augenschein und stellten fest, dass die Schäden in der Tat vorhanden waren, sie sahen die daraufhin beschlagnahmten Videoaufzeichnungen an, denen sie entnahmen, dass das Geländer des linken Schleusentorflügels in einwandfreiem Zustand war, bevor am 1. Januar 2015 um 13.04 Uhr die „R.“ in die Schleuse einfuhr, dass sich des Weiteren während des Schleusenmanövers ein Mitglied der Besatzung auf dem unteren Deck des Schiffes befand und der Schiffsführer auf dem oberen Deck in dem Backbord versetzten Steuerstand, dass das Fahrzeug während des Schleusenmanövers mehrfach an beiden Seiten der Kammer aufgeprallt ist und dass es angesichts dieses Sachverhalts ausgeschlossen ist, dass die Besatzung die am Geländer verursachten Schäden nicht bemerkt hat, das verbogen war, nachdem das Schiff die Schleuse passiert hatte.
Die Ermittlungen wurden am 13. Mai 2015 mit der Anhörung von Kapitän D. fortgesetzt, der sich zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Schaden ereignete, in seiner Kabine ausruhte, und von Kapitän T., der während des Schleusens am Steuer war. Letzterer gab an, ihm sei nicht erinnerlich, dass beim Schleusenmanöver Beschädigungen verursacht worden seien, wies allerdings darauf hin, die kleinen Schleusenkammern seien für große Schiffe wie die „R.“ eng und es komme häufig vor, dass Schiffe an den Einfassungen der Schleuse anstoßen. Der Kapitän gab an, er habe keinen Aufprall wahrgenommen, es sei ihm auch kein Zwischenfall gemeldet worden und das Schiff, das versichert sei, sei nicht beschädigt worden.
T., nachstehend bezeichnet als „der Geladene“, wurde wegen folgender Verstöße vor das Rheinschifffahrtsgericht geladen:
- Navigieren unter Nichtbeachtung der Regeln für die allgemeine Sorgfaltspflicht, wobei er im vorliegenden Fall die kleine Schleusenkammer rammte und mehrere Schäden verursachte, die die E. schädigten,
- Nichtmelden eines Unfalls oder Zwischenfalls mit einem Fahrzeug an die zuständigen Behörden.
Der Geladene wurde mit Urteil vom 7. Dezember 2015 zu einem Bußgeld von 400 € und einem Bußgeld von 300 € verurteilt.
Bezüglich der Nebenklage durch E. wurden dem Geladenen und der F. GmbH die gesamtschuldnerische Haftung und die Zahlung von 27.640 € als Ersatz für den erlittenen Schaden an E. sowie von 300 € aufgrund von Artikel 475-1 der französischen Strafprozessordnung (Code de procédure pénale - CPP) auferlegt.
II. Zulässigkeit der Berufung
Der Geladene und der zivilrechtlich Haftende haben die Berufung gegen die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Verfügungen des angefochtenen Urteils ordnungsgemäß zugestellt und ausdrücklich die Prüfung der Berufung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt beantragt.
Die Staatsanwaltschaft hat am 26. Mai 2016 ordnungsgemäß Anschlussberufung eingelegt.
Die Gesellschaft E. hat als Berufungsbeklagte die Bestätigung des bestrittenen Urteils und die Zahlung von 3.000 € aufgrund von Artikel 475-1 der französischen Strafprozessordnung CPP beantragt.
Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind ordnungsgemäß und der Form nach zulässig.
III. Standpunkte und Rechtsmittel der Parteien
In der Begründungsschrift zu seiner Berufung beantragt der Geladene Freispruch und hilfsweise die Feststellung, dass er die Sorgfaltspflicht und die Pflicht zur Meldung an die zuständigen Behörden nicht vernachlässigt hat, da er von dem Schaden keine Kenntnis hatte.
Der zivilrechtlich Haftende beantragt die Abweisung der Berufung wegen mangelnden Kausalzusammenhangs zwischen dem geltend gemachten Schaden und dem Schleusenmanöver des Schiffes und wegen mangelnder Feststellung des Gesamtschadens.
Der Geladene macht geltend, dass alle Maßnahmen ergriffen worden waren, die angesichts der Länge des Schiffs und der auf 40 m begrenzten Sicht erforderlich waren, indem die Steuerung vom Oberdeck des Schiffs aus erfolgte und sich am Bug eine mit Funkgeräten ausgerüstete Wachperson befand; da kein Schaden bemerkt worden sei, sei der zweite Verstoß nicht erwiesen.
Hinsichtlich der geltend gemachten Schäden wendet der zivilrechtlich Haftende ein, dass die Schäden zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten festgestellt wurden und dass deshalb in jedem Fall erhebliche Zweifel daran bestehe, dass sämtliche Schäden der Durchfahrt der „R.“ anzulasten sind.
Die Nebenklägerin E. beantragt mit Schriftsatz vom 28. August 2016 die Bestätigung der mit der Berufung angefochtenen Entscheidung, die Abweisung der Anträge der gegnerischen Partei sowie die gemeinsame und gesamtschuldnerische Verurteilung der Berufungsklägerinnen zur Zahlung von 3.000 € für nicht erstattungsfähige Kosten sowie zu den gesamten Verfahrenskosten.
E. macht geltend, dass die Schadenstatbestände durch die Auswertung der Videoaufzeichnungen erwiesen sind, da das Schiff schräg eingefahren ist und zwischen Steuerbord und Backbord hin- und hergeworfen wurde, und dass es angesichts der schweren Beschädigungen ausgeschlossen ist, dass die Besatzung den Unfall nicht bemerkt hat.
E. führt weiter aus, dass die Schäden an dem Laufgitter nicht bestritten werden, dass die Schäden am Poller und an der Verstärkung ganz offensichtlich Folgen des Schleusenmanövers des Fahrzeugs waren, auch wenn sie erst zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt werden konnten; die tatsächlichen Instandsetzungskosten seien im Übrigen den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen.
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Bestätigung des Beschlusses, der durch die Berufung angefochten wurde.
IV. Öffentliche Anklage
Aus den Ermittlungen und der Verhandlung geht hervor, dass das Fahrzeug zur Fahrgastbeförderungen „R.“ bei Sichtverhältnissen, die wegen starken Nebels auf 40 m eingeschränkt waren, kurz vor 13 Uhr in die kleine Kammer der Schleuse in VOGELSHEIM einfuhr.
Der Geladene T., war diensthabender Kapitän und führte das Steuer mit einer Wache am Bug.
Wie aus den erkennbar ist, fuhr das Fahrzeug schräg ein, rammte Backbord und wurde von Steuerbord nach Backbord hin- und hergeworfen, bevor es sich in der Schleusenkammer stabilisierte.
Die Schäden an den Anlagen wurden nicht sofort festgestellt, der Laufsteg des linken Flügels des Obertors der Schleuse war eingedrückt, die Kegel der Führungsschiene des Schwimmpollers am rechten Ufer waren verschoben, die Verstärkung zwischen der Einfahrtsführung und der geraden Kammer war aufgerissen, ein Gummistück von 30 auf 20 cm Größe und 3 cm Stärke war zwischen Beton und Verstärkung eingeklemmt.
Die Schäden sind eindeutig auf das Schleusenmanöver des Schiffes „R.“ zurückzuführen.
Die Tatsache des Aufpralls vorne und die erheblichen Beschädigungen insbesondere am Laufsteg muss der Geladene in jedem Fall bemerkt haben; infolge der Bewegungen des Schiffs während des Schleusens hätte er im Übrigen die Anlagen überprüfen müssen; nachdem er der Schleusung in der kleinen Schleusenkammer zugestimmt hatte, deren Enge für große Schiffe ihm bekannt war, hätte er erhöhte Vorsicht walten lassen und die Geschwindigkeit herabsetzen müssen, zumal die Schifffahrt durch dichten Nebel zusätzlich erschwert wurde.
Der Richter der ersten Instanz hat mithin durch zutreffende Würdigung des Sachverhalts und in Anwendung der für die Ahndung relevanten Bestimmungen auf Bestrafung des Geladenen erkannt.
In Anbetracht der Umstände und der Art der Verstöße ist das angefochtene Urteil in Bezug auf die Strafe zu bestätigen.
V. Nebenklage
Aufgrund der obigen Ausführungen ist das Schleusenmanöver der „R.“ als Ursache der Schäden sowohl am Laufsteg des linken Torflügels als auch am Schwimmpoller auf der gegenüberliegenden Seite sowie an der Verstärkung auf der linken Seite zwischen der Einfahrtsführung und der geraden Kammer anzusehen.
Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Schleusen des Schiffs und dem Auftreten der Schäden ist es nicht von Belang, dass die Schäden in zwei Schritten festgestellt wurden, da sämtliche Schäden Folge der unzureichenden Kontrolle über das Schleusenmanöver sind.
Die Tatsache, dass die Ermittler das Fahrzeug nicht untersuchen und keine kontradiktorische Untersuchung der Schäden vornehmen konnten, da die „R.“ trotz der oben genannten Tatbestände ihre Fahrt fortsetzte, kann nicht zu Lasten des Geschädigten geltend gemacht werden.
Sowohl die Beschädigung als unmittelbare Folge der Aufpralls des Fahrzeugs auf die Bauwerke als auch die Kosten für die Behebung der Schäden sind durch die in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen sowie die Kosten für die Reparaturmaßnahmen der Nebenklägerin nachgewiesen; die in Rechnung gestellten Beträge sind weder unangemessen noch eindeutig überhöht; aufgrund der relativ geringen Reparaturkosten und der Dringlichkeit der Instandsetzung kann E. nicht entgegengehalten werden, dass keine Vergleichskostenvoranschläge eingeholt wurden.
Das angefochtene Urteil ist somit zu bestätigen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Verurteilung gesamtschuldnerisch erfolgt.
Zudem sind als Zusatz zu dem durch die Berufung angefochtenen Urteil dem Geladenen und dem zivilrechtlich Haftenden gesamtschuldnerisch die Zahlung von 1500 € für nicht erstattungsfähige Kosten zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Nebenklage aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
Erklärt die Berufungskammer:
Die vom Geladenen T. und der zivilrechtlich haftenden Gesellschaft deutschen Rechts F. GmbH eingelegten Berufungen sind ordnungsgemäß und zulässig.
Öffentliche Anklage:
Das angefochtene Urteil wird in allen Verfügungen bestätigt.
Nebenklage:
Das angefochtene Urteil wird bestätigt, wobei ausgeführt wird, dass die Verurteilung von T. und der Gesellschaft deutschen Rechts F. GmbH gesamtschuldnerisch erfolgt.
Zusatz:
T. und der Gesellschaft deutschen Rechts F. GmbH wird gesamtschuldnerisch die Zahlung von 1500 € für nicht erstattungsfähige Kosten zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Nebenklage auferlegt.
Die Gerichtskanzlerin Die Vorsitzende
(gez.) B. Braat (gez.) M.L. Stamm