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Leitsätze:
1) Der Auftrag, ein Motorgüterschiff mit Hilfe eines Schleppers zu wenden, ist ein Schleppvertrag und rechtlich als Werkvertrag im Sinne des § 631 I BGB einzuordnen. Tritt der geschuldete Erfolg (unbeschädigtes Wenden des Schiffes), nicht ein, dann obliegt es dem Unternehmer zu beweisen, dass ein bei Vertragserfüllung entstandener Schaden nicht auf einem Verschulden der Schleppbootbesatzung beruht (?).
2) Werden Wendemanöver in der Vergangenheit regelmäßig unter Mitwirkung des Schiffsführers des zu wendenden Schiffes ausgeführt, besteht keine Hinweispflicht des Schleppbootführers auf die Notwendigkeit dieser Mithilfe.
3) Entscheidet das Berufungsgericht über eine Rechtsfrage, dann sind im Fall der Zurückverweisung das Gericht erster Instanz und auch das Berufungsgericht selbst an diese Rechtauffassung in (analoger) Anwendung des § 563 II ZPO gebunden. Soweit die Verfahrensordnung der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt keine Regelung enthält, kann auf die für das Rheinschiffahrtsgericht maßgeblichen Vorschriften, vorliegend die der deutschen ZPO, zurückgegriffen werden.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
vom 7. Dezember 2016
Az.: 508 Z - 3/16
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar, Az.: 4 C 14/11 BSchRh)
Vorbemerkung der Redaktion:
Die Entscheidung der Berufungskammer ist ergangen, nachdem bereits das Urteil erster Instanz im Wege der Berufung bei der Berufungskammer angegriffen und von dieser an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen worden war (diese erste Entscheidung der Berufungskammer ist veröffentlicht mit Anmerkungen in ZfB 2014, Sammlung Seite 2270 ff). Gegen das zweite Urteil des Rheinschiffahrtsgerichtes St. Goar war wiederum Berufung zur Berufungskammer eingelegt worden, die mit der vorliegenden Entscheidung in der gleichen Sache also zum zweiten Mal entschieden hat. Materiellrechtlich interessant ist die Frage, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen der Schleppbootunternehmer für Schäden haftet, die am geschleppten Schiff durch ein Manöver entstehen. Im ersten Urteil hatte das Rheinschiffahrtsgericht entschieden, dass der Schleppvertrag kein Frachtvertrag mit Obhutshaftung für das geschleppte Schiff, sondern ein Werkvertrag sei. Die Interessenten des geschleppten Schiffes müssten also beweisen, dass der Führer des Schleppbootes einen Fehler gemacht habe. Dies hatte das Rheinschiffahrtsgericht in erster Instanz aus eigener Sachkunde nautisch beurteilt und verneint. Die Berufungskammer hatte sich im ersten Urteil auf den Standpunkt gestellt, dass allein die unstreitige Tatsache, dass das Schiff nicht unbeschädigt gewendet worden sei, dazu führe, dass ein Verschulden des Schleppbootführers vermutet werde. Der Unternehmer müsse einen Entlastungsbeweis führen. Weiter hatte die Berufungskammer beanstandet, dass es nicht zulässig sei, dass das Gericht erster Instanz ohne Einholung eines nautischen Gutachtens nautisch selbst entschieden habe, weil es nicht dargelegt habe, warum es selbst nautische Sachkunde habe. Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Entscheidung der Berufungskammer umgesetzt und ein ergänzendes nautisches Sachverständigengutachten eingeholt, das allerdings die nautische Auffassung des Rheinschiffahrtsrichters in vollem Umfange bestätigt hat. Der Rheinschiffahrtsrichter wird das Ergebnis erfreut zur Kenntnis genommen haben, da seine nautische Kompetenz auf diesem Wege bestätigt wurde; ein schönes Beispiel dafür, dass die besondere sachliche Zuständigkeit der Schiffahrtsrichter und Rhein und Moselschiffahrtsrichter nicht ohne Grund besteht. Die von der Berufungskammer rechtlich festgestellte Vermutungsregel für die Beweislast im Rahmen des § 280 BGB hat das Rheinschiffahrtsgericht aber nicht angewandt, sondern ausgeführt, dass im Schleppvertrag typischerweise der Anhangschiffer die Manöver des schleppenden Schiffes unterstützen müsse. Es bleibe also bei der allgemeinen Beweislastregel. Der Geschädigte müsse ein Verschulden der Besatzung des Schleppbootes beweisen. Diese im zweiten Urteil durch das Rheinschiffahrtsgericht geäußerte Rechtsauffassung und die Auslegung des Schleppvertrages sind auch nach Überzeugung des Unterzeichners richtig (dazu schon ZfB 2014, Sammlung Seite 2270, rechte Spalte). Der Schleppunternehmer haftet gerade nicht wie ein Frachtführer verschuldensunabhängig dafür, dass das geschleppte Schiff unbeschädigt bleibt, insbesondere nicht, wenn das geschleppte Schiffe bemannt ist. Instruktiv dazu ist auch die Pflichtenverteilung gemäß den Europäischen Schubbedingungen 2015 (ESB) der IVR, die auch für Schleppverträge Geltung beanspruchen. Auch die Berufungskammer scheint diesen neuen Gesichtspunkt im zweiten Urteil erwogen zu haben, sah sich aber an die eigene Rechtsauffassung zur Beweislastverteilung im ersten Urteil prozessual gebunden. Im Ergebnis blieb diese zwischen Rheinschiffahrtsgericht und Berufungskammer streitige (deshalb das Fragezeichen im ersten Obersatz) Frage unerheblich für die materiellrechtliche Entscheidung, da auch die Berufungskammer selbst im zweiten Urteil nach Beweiswürdigung zu der Überzeugung gekommen ist, dass der Schiffsunfall alleine auf einem Fehlverhalten des Schiffsführers des geschleppten Schiffes beruhte, der den Schleppvorgang nicht hinreichend unterstützt hatte. Die Beklagte konnte sich also im Ergebnis materiell entlasten, obwohl nach (wohl) richtiger Auffassung formal eine Beweisfälligkeit (non liquet) zur Klageabweisung ausgereicht hätte.
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer,
Frankfurt am Main
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin ist Schiffseignerin des MS »Waalkade«. Sie nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aufgrund eines Schiffsunfalls in Anspruch, der sich am 4. Januar 2011 in den frühen Morgenstunden bei Rheinkilometer 537,0 in der Nähe der Steinverladung »Sooneck« ereignet hat. Die Beklagte zu 1 ist Eigentümerin des Motorschleppers »Rheinland« und war von der Klägerin beauftragt worden, MS »Waalkade« am Unfalltag auf dem Rhein zu drehen. Schiffsführer des Motorschleppers »Rheinland« war der Beklagte zu 2. Als MS »Waalkade« während des Wendemanövers in etwa quer zur Stromrichtung im Wasser lag, schoss es hinter dem Schleppboot vorbei ins rechtsrheinische Ufer und riss sich dabei den Schiffsboden derart auf, dass es zu erheblichem Wassereintritt kam. Die Klägerin beziffert den ihr entstandenen Schaden einschließlich Nutzungsverlust und Sachverständigenkosten auf 347.281,48 €. Ihre Klage hat das Rheinschifffahrtsgericht durch Urteil vom 15. März 2012 abgewiesen. Begründet hat es dies damit, dass die Klägerin ein Schadensersatz begründendes Verhalten der Beklagten nicht nachzuweisen vermocht habe. Das Gericht sei vielmehr davon überzeugt, dass der Schiffsführer von MS »Waalkade« die streitgegenständliche Havarie selbst verursacht habe. Durch Urteil vom 12. Dezember 2013 hat die Berufungskammer die Entscheidung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Rheinschifffahrtsgericht zurückverwiesen. Der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 zustande gekommene Schleppvertrag sei rechtlich als Werkvertrag im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB einzuordnen. Die Werkleistung des Schleppbootunternehmers sei bereits dann mangelhaft und stelle zugleich eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn der von dem Schleppunternehmer geschuldete Erfolg nicht eintrete. Dies sei hier der Fall, so dass gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet werde, dass die Beklagte zu 1 die Pflichtverletzung zu vertreten habe. Auf der Grundlage der Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts könne der der Beklagten zu 1 obliegende Entlastungsbeweis nicht als geführt angesehen werden. Die sich hier stellenden Fragen ließen sich ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht klären. Dies gelte auch für eine allein auf deliktischer Grundlage in Betracht kommende Haftung des Beklagten zu 2, dessen Verschulden allerdings die Klägerin beweisen müsse. Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach der Zurückverweisung ein Sachverständigengutachten des Sachverständigen A eingeholt, den Schiffsführer des MS »Waalkade« als Zeugen vernommen so wie den Beklagten zu 2 persönlich angehört und die Klage erneut abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Auch unter Berücksichtigung der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme sei weiterhin von einer alleinigen Verantwortung der Klägerin für den Schiffsunfall auszugehen. Trotz der Qualifizierung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrages als Werkvertrag im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB müsse berücksichtigt werden, dass der Anhangschiffer das Wendemanöver durch geeignete Maßnahmen unterstützen müsse. Deshalb greife auch nicht die Vermutungsregel, dass die Beklagte zu 1 als Auftragnehmerin eines Werkvertrags bei Nichteintritt des Erfolges dafür verantwortlich sei und die Beweislast dafür trage, dass der vereinbarte Erfolg nicht eingetreten sei. Aus Gründen der Gleichbehandlung beider Vertragspartner und der zwingend erforderlichen Mitwirkungspflicht ergebe sich vielmehr, dass entweder die Vermutungsregel der Verantwortlichkeit für beide gelten müsse, oder aber, was im Ergebnis bevorzugt werde, für keinen Vertragspartner gelte. Es verbleibe deshalb bei der allgemeinen Beweislastregel, dass derjenige, der einen Fehler des anderen behaupte, diesen auch beweisen müsse ...
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet. Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts zur Beweislastverteilung im Widerspruch zu dem Urteil der Berufungskammer vom 12. Dezember 2013 steht. Hiernach muss wegen der in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Verschuldensvermutung die Beklagte zu 1 beweisen, dass der streitgegenständliche Schiffsunfall nicht auf ihrem Verschulden beruht. An diese die Aufhebung des ersten Urteils tragende Rechtsauffassung war das Rheinschifffahrtsgericht gebunden. Entsprechendes gilt für die Berufungskammer im Rahmen der nunmehr zu treffenden Entscheidung.
a) Da in der Verfahrensordnung der Berufungskammer hinsichtlich der Bindungswirkung im Falle einer gemäß Art. 24 Abs. 3 möglichen Aufhebung und Zurückverweisung an das Ausgangsgericht keine Regelung enthalten ist, kann gemäß Art. 30 auf die für das Rheinschifffahrtsgericht maßgeblichen Vorschriften der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) zurückgegriffen werden. Insoweit teilt die Berufungskammer die Auffassung des Bundesgerichtshofs, nach dessen ständiger Rechtsprechung die Vorschrift des § 563 Abs. 2 ZPO bei einer Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils durch das Berufungsgericht und einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht entsprechend anwendbar ist. Die in § 563 Abs. 2 ZPO bei einer Aufhebung und Zurückverweisung angeordnete Bindung des Berufungsgerichts an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts, soweit die Aufhebung oder Abänderung des Urteils auf dieser rechtlichen Beurteilung beruht, gilt deshalb auch für das Verhältnis des erstinstanzlichen Gerichts zu dem Berufungsgericht (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1957 – V ZR 153/56, BGHZ 25, 200, 203 = NJW 1958, 59, 60 zu der mit § 563 Abs. 2 ZPO inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 565 Abs. 2 ZPO a.F.).
b) Gelangt der Rechtsstreit – wie hier – erneut an das Berufungsgericht zurück, ist es ebenfalls in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO an die Auffassung im vorangegangenen Zurückweisungsurteil gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1992 – XI ZR 227/91, NJW 1992, 2831, 2832). Dies folgt aus dem Zweck der Vorschrift. Es soll vermieden werden, dass die endgültige Entscheidung der Sache dadurch verzögert oder gar verhindert wird, dass sie ständig zwischen den Instanzen hin und hergeschoben wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 6. Februar 1973 – GmSOGB 1/72, BGHZ 60, 392, 396 = NJW 1973, 1273, 1274; BGH, Urteil vom 21. November 2006 – XI ZR 347/05, NZM 2007, 170, 171). Deshalb ist auch die Berufungskammer an die in dem Urteil vom 12. Dezember 2013 zugrunde gelegte Beweislastverteilung gebunden.
2. Die Nichtbeachtung der Bindungswirkung des Urteils der Berufungskammer vom 12. Dezember 2013 durch das Rheinschifffahrtsgerichts wirkt sich im Ergebnis jedoch nicht aus, weil auf der Grundlage der von ihm ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme die Beklagte zu 1 den ihr obliegenden Entlastungsbeweis geführt hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen A steht fest, dass der Schiffsunfall alleine auf einem Fehlverhalten des Schiffsführers des MS »Waalkade« beruht, der den Wendevorgang nicht in hinreichendem Maße unterstützt hat. Demgegenüber ist ein Verschulden des Beklagten zu 2 als Schiffsführer des Schleppschiffes ausgeschlossen. Damit kann die Klägerin von den Beklagten weder auf vertraglicher noch auf deliktischer Grundlage Ersatz des ihr infolge des Schiffsunfalls am 4. Januar 2011 entstandenen Schadens verlangen ...
d) Ein schadensursächliches Verschulden des Beklagten zu 2 lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass er den Schiffsführer des MS »Waalkade« nicht schon zu Beginn des Wendemanövers darauf hingewiesen hatte, dass das Wendmanöver ohne Unterstützung (Rückwärtsmanöver) durch das Anhangschiff nicht erfolgreich durchgeführt werden konnte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen steht fest, dass alle in der Vergangenheit durchgeführten Wendemanöver erfolgreich nur mit Unterstützung des Anhangschiffs durchgeführt worden sein können. Da der Schiffsführers des MS »Waalkade« mit dem Schiff nach eigenem Bekunden in den vergangenen Jahren schon 40 bis 50 Mal von Schleppbooten der Beklagten zu 1 ohne Probleme an der Unfallstelle »rumgezogen« worden ist, wusste er von seinen Mitwirkungspflichten. Auch während des Wendemanövers bedurfte es keiner gesonderten Aufforderung, das Manöver zu unterstützen. Bis zur 90 Grad Lage des MS »Waalkade« war das Schiff erfolgreich innerhalb der Fahrrinne gewendet worden. Als der Beklagte zu 2 bemerkte, dass das Anhangschiff in der Querfahrt nach vorne schoss, hat er über Funk den Schiffsführer sofort aufgefordert, er solle voll zurück machen ...
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
vom 7. Dezember 2016
508 Z – 3/16
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar, Az.: 4 C 14/11 BSchRh)
hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg nach öffentlicher Verhandlung vom 16. November 2016, an welcher teilgenommen haben die Richter ... gestützt auf Art. 37 und 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 in der Fassung vom 20. November 1963 sowie des Art. III ihres Zusatzprotokolls Nr. 3 vom 17. Oktober 1979, folgendes Urteil gefällt:
Es wird Bezug genommen auf:
1. das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar vom 6. August 2015, das der Klägerin und den Beklagten am 17. August 2015 zugestellt worden ist;
2. die Berufungsschrift der Klägerin vom 6. August 2015, eingegangen beim Rheinschifffahrtsgericht St. Goar am selben Tag;
3. die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin vom 24. August 2015, eingegangen beim Rheinschifffahrtsgericht St. Goar am 3. September 2015;
4. die Berufungserwiderungsschrift der Beklagten vom 6. Oktober 2015, eingegangen beim Rheinschifffahrtsgericht St. Goar am 8. Oktober 2015;
5. die Akten 4 C 14/11 BSchRh des Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar.
6. die Verklarungsakten 4 UR II 2/11BSch des Schifffahrtsgerichts St. Goar.
Die genannten Akten haben der Berufungskammer vorgelegen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist Schiffseignerin des MS »Waalkade«. Sie nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aufgrund eines Schiffsunfalls in Anspruch, der sich am 4. Januar 2011 in den frühen Morgenstunden bei Rheinkilometer 537,0 in der Nähe der Steinverladung »Sooneck« ereignet hat. Die Beklagte zu 1 ist Eigentümerin des Motorschleppers »Rheinland« und war von der Klägerin beauftragt worden, MS »Waalkade« am Unfalltag auf dem Rhein zu drehen. Schiffsführer des Motorschleppers »Rheinland« war der Beklagte zu 2. Als MS »Waalkade« während des Wendemanövers in etwa quer zur Stromrichtung im Wasser lag, schoss es hinter dem Schleppboot vorbei ins rechtsrheinische Ufer und riss sich dabei den Schiffsboden derart auf, dass es zu erheblichem Wassereintritt kam. Die Klägerin beziffert den ihr entstandenen Schaden einschließlich Nutzungsverlust und Sachverständigenkosten auf 347.281,48 €. Ihre Klage hat das Rheinschifffahrtsgericht durch Urteil vom 15. März 2012 abgewiesen. Begründet hat es dies damit, dass die Klägerin ein Schadensersatz begründendes Verhalten der Beklagten nicht nachzuweisen vermocht habe. Das Gericht sei vielmehr davon überzeugt, dass der Schiffsführer von MS »Waalkade« die streitgegenständliche Havarie selbst verursacht habe. Durch Urteil vom 12. Dezember 2013 hat die Berufungskammer die Entscheidung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Rheinschifffahrtsgericht zurückverwiesen. Der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 zustande gekommene Schleppvertrag sei rechtlich als Werkvertrag im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB einzuordnen. Die Werkleistung des Schleppbootunternehmers sei bereits dann mangelhaft und stelle zugleich eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, wenn der von dem Schleppunternehmer geschuldete Erfolg nicht eintrete. Dies sei hier der Fall, so dass gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet werde, dass die Beklagte zu 1 die Pflichtverletzung zu vertreten habe. Auf der Grundlage der Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts könne der der Beklagten zu 1 obliegende Entlastungsbeweis nicht als geführt angesehen werden. Die sich hier stellenden Fragen ließen sich ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht klären. Dies gelte auch für eine allein auf deliktischer Grundlage in Betracht kommende Haftung des Beklagten zu 2, dessen Verschulden allerdings die Klägerin beweisen müsse. Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach der Zurückverweisung ein Sachverständigengutachten des Sachverständigen A eingeholt, den Schiffsführer des MS »Waalkade« als Zeugen vernommen sowie den Beklagten zu 2 persönlich angehört und die Klage erneut abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Auch unter Berücksichtigung der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme sei weiterhin von einer alleinigen Verantwortung der Klägerin für den Schiffsunfall auszugehen. Trotz der Qualifizierung des zwischen den Parteien zustande gekommenen Vertrages als Werkvertrag im Sinne des § 631 Abs. 1 BGB müsse berücksichtigt werden, dass der Anhangschiffer das Wendemanöver durch geeignete Maßnahmen unterstützen müsse. Deshalb greife auch nicht die Vermutungsregel, dass die Beklagte zu 1 als Auftragnehmerin eines Werkvertrags bei Nichteintritt des Erfolges dafür verantwortlich sei und die Beweislast dafür trage, dass der vereinbarte Erfolg nicht eingetreten sei. Aus Gründen der Gleichbehandlung beider Vertragspartner und der zwingend erforderlichen Mitwirkungspflicht ergebe sich vielmehr, dass entweder die Vermutungsregel der Verantwortlichkeit für beide gelten müsse, oder aber, was im Ergebnis bevorzugt werde, für keinen Vertragspartner gelte. Es verbleibe deshalb bei der allgemeinen Beweislastregel, dass derjenige, der einen Fehler des anderen behaupte, diesen auch beweisen müsse. Der Sachverständige A habe in seinem Gutachten nachvollziehbar dargelegt, dass insbesondere ein Rückwärtsmanöver des geschleppten Schiffes wesentlich dazu beitrage zu verhindern, dass der zu wendende Anhang mit seinem Bug in den gefährlichen Bereich außerhalb der Fahrrinne gerate. Beim Rückwärtsmanöver bleibe das Heck des Schiffes während des Wendevorgangs zumindest zeitweilig auf der Stelle, so dass der Bug vor dem roten Tonnenstrich der gegenüberliegenden Fahrrinnenseite mehr Raum zum Wenden habe. Das Rückwärtsmanöver steuere alleine der Schiffsführer des Anhangschiffes. Dies sei dem Schiffsführer des MS »Waalkade« hinreichend bekannt gewesen. Neben dieser Hauptverpflichtung, das Wendemanöver zum geeigneten Zeitpunkt durch ein Rückwärtsdrehen der Schiffsschraube zu unterstützen, sei der Schiffsführer verpflichtet gewesen, die Bugstrahlanlage des MS »Waalkade« zumindest im Standby Modus zu betreiben. § 1.04 RheinSchPV verpflichte die beteiligten Schiffsführer dazu, alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, die geeignet seien, möglichen Gefahren rechtzeitig entgegenzutreten. Hierzu habe auch eine umfangreiche Kommunikation gehört. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine fehlende Absprache beanstande, verkenne sie, dass dies im vorliegenden Fall nicht kausal gewesen sei. Bereits aus den Zeugenaussagen im Verklarungsverfahren ergebe sich, dass beide beteiligten Schiffsführer diesen Routinevorgang beherrscht hätten und eine Absprache zu nichts anderem geführt hätte. Es könne nicht dem Beklagten zu 2 angelastet werden, dass es zu dem Zeitpunkt, als er den Schiffsführer des MS »Waalkade« aufgefordert habe, seine Maschine auf voll rückwärts zu stellen, möglicherweise bereits zu spät gewesen sei, das aus der Fahrrinne schießende MS »Waalkade« durch den Rückwärtsbetrieb der Schraube noch zurückzuhalten. Der Sachverständige A komme jedenfalls zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass ein unzureichendes Rückwärtsmanöver von MS »Waalkade« die Ursache für das Unfallereignis gewesen sei. Hierfür könne dahinstehen, ob der Schiffsführer das Rückwärtsmanöver zu früh abgebrochen oder aber zu spät gestartet habe. In jedem Fall sei er hierfür allein verantwortlich. Die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 2 habe die Drehung in einem zu weiten Bogen durchgeführt, habe der Sachverständige nicht bestätigt. Der Beklagte zu 2 habe vielmehr für die Drehung des 107 m langen MS »Waalkade« die gesamte Fahrrinnenbreite ausnutzen müssen, um dieses auf engstem Raum herumzuziehen. Ein zu enger Radius bei der Drehung hätte zu einer Kentergefahr für das Schleppboot geführt. Bei der weiteren Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 2 sei mit MS »Waalkade« als Anhangschiff noch ein Stück zu Berg (über Grund) gefahren und habe dadurch einen größeren Wenderadius für das Anhangschiff verursacht, handele es sich um eine reine Spekulation. Der Schiffsführer des MS »Waalkade« habe im Rahmen seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren eindeutig ausgesagt, dass der Beklagte zu 2 das Wendemanöver sofort mit einem Querzug begonnen habe. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer eingelegt und diese fristgerecht begründet. Die Klägerin macht insbesondere geltend: Die Verfahrensweise und die Prozessleitung des Rheinschifffahrtsgerichts nach Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das Urteil der Berufungskammer seien als sonderbar zu bezeichnen. Der Sachverständige habe unstreitig zeitweise in Diensten der Beklagten zu 1 gestanden und hätte deshalb wegen der Besorgnis der Befangenheit nicht bestellt werden dürfen. Das Rheinschifffahrtsgericht habe sich unzulässigerweise auch gegen die Beweislastverteilung der Berufungskammer gestellt. Hiernach habe die Beklagte zu 1 ein erfolgreiches Wendemanöver geschuldet, sie müsse den Entlastungsbeweis führen. Demgegenüber verlagere das Rheinschifffahrtsgericht die Beweislast willkürlich auf MS »Waalkade«. Fragen an den Gerichtsgutachter seien nicht zugelassen und auf den Antrag, ein Obergutachten einzuholen, sei nicht eingegangen worden. Die Annahme des Rheinschifffahrtsgerichts, ein Rückwärtsmanöver des geschleppten Schiffes beim Wendemanöver auf engem Raum trage wesentlich dazu bei, dass der Bug des Anhangs nicht in den gefährlichen Bereich außerhalb der Fahrrinne gerate, sei unzutreffend. Ihm könne auch nicht in seiner Ansicht gefolgt werden, dass im konkreten Falle die nach § 1.04 RheinSchPV vorgeschriebene umfangreiche Kommunikation zwischen Schlepper und Anhang angeblich nicht erforderlich und ihr Unterbleiben nicht kausal gewesen sei. Auch die Lichtverhältnisse seien unzutreffend beschrieben worden, da zum Ereigniszeitpunkt keine Dunkelheit, sondern Morgendämmerung geherrscht habe. Es könne keine Rede davon sein, dass der Schiffsführer des Anhangs anhand seines Wendegeschwindigkeitsanzeigers eine angeblich zu geringe Wendegeschwindigkeit habe feststellen können. Die von dem Amtsgericht alternativ angenommene Möglichkeit, dass das Rückwärtsmanöver des MS »Waalkade« angeblich zu früh abgebrochen worden sei, treffe nicht zu. Der Schiffsführer habe klar und deutlich beschrieben, dass er das Manöver voll an zurück eingeleitet habe und die Schraubendrehung so geblieben sei, bis es vorne wieder zu Tal gegangen sei. Demgegenüber sei der Einsatz des Schleppers fehlerhaft gewesen, weil nicht die hundertprozentige Kraft des Schleppers in Querrichtung zum Anhang, sondern stattdessen zusätzlich eine Kraftkomponente in Vorausrichtung des Anhangs ausgeübt worden sei. Es handele sich entgegen der Darstellung des Amtsgerichts auch nicht um eine reine Spekulation der Klägerin, dass der Beklagte zu 2 als Verbandsführer mit MS »Waalkade« als Anhangschiff noch ein Stück zu Berg gefahren sei und dadurch einen größeren Wenderadius für das Anhangschiff verursacht habe.
Die Klägerin beantragt,
1. auf die Berufung die Beklagten zu 1 und 2 gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin 347.281,48 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und zwar von 332.311,64 € seit dem 30. Juli 2011 und weiteren 14.969,84 € seit Rechtshängigkeit sowie nach § 2300 VVRVG eine 1,3 Gebühr in Höhe von 3.745,88 € zu zahlen,
2. den Beklagte zu 1 und 2 als Gesamtschuldnern die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Verklarungsverfahrens Fachinger – Az. des Schifffahrtsgerichts St. Goar: 4 UR II 2/11 BSch
aufzuerlegen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigen das angefochtene Urteil und machen insbesondere geltend: Sie blieben bei ihrer Auffassung, wonach sich die zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung als Dienstvertrag darstelle. Die Beklagte zu 1 habe lediglich den Auftrag gehabt, das MS »Waalkade« beim Aufdrehen zu Tal zu unterstützen, mithin zu assistieren. Die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts zur Beweislastverteilung sei deshalb zutreffend, weil hier nicht die Verantwortung des Schleppunternehmers, sondern diejenige des Bestellers in Frage stehe. Es gehe darum, inwieweit die Schiffsführung des MS »Waalkade« die Hauptmaschine des Schiffes zum Wenden habe einsetzen müssen und eingesetzt habe. Selbst wenn es jedoch der Beklagten zu 1 oblegen habe, einen Entlastungsbeweis zu führen, sei dies nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Fall.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet. Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts zur Beweislastverteilung im Widerspruch zu dem Urteil der Berufungskammer vom 12. Dezember 2013 steht. Hiernach muss wegen der in § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten Verschuldensvermutung die Beklagte zu 1 beweisen, dass der streitgegenständliche Schiffsunfall nicht auf ihrem Verschulden beruht. An diese die Aufhebung des ersten Urteils tragende Rechtsauffassung war das Rheinschifffahrtsgericht gebunden. Entsprechendes gilt für die Berufungskammer im Rahmen der nunmehr zu treffenden Entscheidung.
a) Da in der Verfahrensordnung der Berufungskammer hinsichtlich der Bindungswirkung im Falle einer gemäß Art. 24 Abs. 3 möglichen Aufhebung und Zurückverweisung an das Ausgangsgericht keine Regelung enthalten ist, kann gemäß Art. 30 auf die für das Rheinschifffahrtsgericht maßgeblichen Vorschriften der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) zurückgegriffen werden. Insoweit teilt die Berufungskammer die Auffassung des Bundesgerichtshofs, nach dessen ständiger Rechtsprechung die Vorschrift des § 563 Abs. 2 ZPO bei einer Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils durch das Berufungsgericht und einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht entsprechend anwendbar ist. Die in § 563 Abs. 2 ZPO bei einer Aufhebung und Zurückverweisung angeordnete Bindung des Berufungsgerichts an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts, soweit die Aufhebung oder Abänderung des Urteils auf dieser rechtlichen Beurteilung beruht, gilt deshalb auch für das Verhältnis des erstinstanzlichen Gerichts zu dem Berufungsgericht (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1957 – V ZR 153/56, BGHZ 25, 200, 203 = NJW 1958, 59, 60 zu der mit § 563 Abs. 2 ZPO inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 565 Abs. 2 ZPO a.F.).
b) Gelangt der Rechtsstreit – wie hier – erneut an das Berufungsgericht zurück, ist es ebenfalls in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO an die Auffassung im vorangegangenen Zurückweisungsurteil gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1992 – XI ZR 227/91, NJW 1992, 2831, 2832). Dies folgt aus dem Zweck der Vorschrift. Es soll vermieden werden, dass die endgültige Entscheidung der Sache dadurch verzögert oder gar verhindert wird, dass sie ständig zwischen den Instanzen hin- und hergeschoben wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 6. Februar 1973 – GmSOGB 1/72, BGHZ 60, 392, 396 = NJW 1973, 1273, 1274; BGH, Urteil vom 21. November 2006 – XI ZR 347/05, NZM 2007, 170, 171). Deshalb ist auch die Berufungskammer an die in dem Urteil vom 12. Dezember 2013 zugrunde gelegte Beweislastverteilung gebunden.
2. Die Nichtbeachtung der Bindungswirkung des Urteils der Berufungskammer vom 12. Dezember 2013 durch das Rheinschifffahrtsgerichts wirkt sich im Ergebnis jedoch nicht aus, weil auf der Grundlage der von ihm ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme die Beklagte zu 1 den ihr obliegenden Entlastungsbeweis geführt hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen A steht fest, dass der Schiffsunfall alleine auf einem Fehlverhalten des Schiffsführers des MS »Waalkade« beruht, der den Wendevorgang nicht in hinreichendem Maße unterstützt hat. Demgegenüber ist ein Verschulden des Beklagten zu 2 als Schiffsführer des Schleppschiffes ausgeschlossen. Damit kann die Klägerin von den Beklagten weder auf vertraglicher noch auf deliktischer Grundlage Ersatz des ihr infolge des Schiffsunfalls am 4. Januar 2011 entstandenen Schadens verlangen.
a) Für die zutreffende Beschreibung der Unfallursache kommt nach Auffassung der Berufungskammer dem Umstand eine besondere Bedeutung zu, dass das MS »Waalkade« seine Lage quer zum Strom (90°) noch innerhalb der Fahrrinne erreichte. Hiervon ist der Sachverständige bei der Begutachtung auf der Grundlage der im Kern übereinstimmenden Bekundungen der Schiffsbesatzungen im Verklarungsverfahren zutreffend ausgegangen. Dies bedeutet aber nach den Feststellungen des Sachverständigen, dass der Schlepper die Wende in einem möglichst engen Radius vollzogen haben muss. Da der Breitenbedarf bei der Wende bei ca. 130 m gelegen habe und das MS »Waalkade« 107 m lang sei, sei die Wende mit einem Überschuss von 23 m und damit – so der Sachverständige – beinahe auf der Stelle durchgeführt worden. Dem Beklagten zu 2 als Schleppbootführer kann deshalb nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe die Wende in einem zu großen Bogen durchgeführt. Ob er – so der Vortrag der Klägerin – zu Beginn des Wendemanövers noch ein Stück zu Berg gefahren ist, ist auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen für ein Verschulden des Beklagten zu 2 rechtlich unerheblich.
b) Der Beklagte zu 2 hatte nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen auch keine ihm zumutbare Möglichkeit, die bei Erreichen der Querlage des MS »Waalkade« eintretende Vorausfahrt zu verhindern. Da das geschleppte Schiff die 90° Lage im Strom noch in der Fahrrinne erreicht hatte, konnte er vielmehr zunächst davon ausgehen, dass das Schleppmanöver bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich verlaufen war und von seiner Seite aus keine zusätzlichen Maßnahmen zu ergreifen waren. Als sich das Anhangschiff dann im so genannten Totpunkt (Wende Verharrungszustand) befand, musste durch den Einsatz des Schleppers in kürzester Zeit eine Wendegeschwindigkeit von mindestens 45°/min erreicht werden. In dieser Phase musste der Schlepper den 90 Grad Winkel zu dem Schiff halten und konnte darauf vertrauen, dass der Schiffsführer des MS »Waalkade« eine Vorausfahrt des Schiffes durch ein Rückwärtsmanöver verhindern würde. Demgegenüber hätte der Beklagte zu 2 die Vorausfahrt selbst dann nicht verhindern können, wenn er vorher zum linken Ufer gezogen hätte. Vielmehr hätte er durch eine solche Fahrweise sowohl das Wendemanöver als auch die Sicherheit des Schleppboots gefährdet. Bei vorhandener Vorausfahrt in der Längsachse des Anhangs besteht nämlich die Gefahr des havariemäßigen Beilegens, der Beschädigung des Ruders oder die Gefahr des Kenterns.
c) Die Vorausfahrt des MS »Waalkade« hätte deshalb nur dessen Schiffsführer verhindern können. Insoweit wäre ein Rückwärtsmanöver angezeigt gewesen. Hätte der Schiffsführer festgestellt, dass die Leistung der Hauptmaschine ab einem bestimmten Moment nicht mehr ausreichte, hätte er den bei dem Schiff vorhandenen Bugstrahl einsetzen müssen. Ohne ein solches, rechtzeitiges und ausreichendes Rückwärtsmanöver konnte das Wendemanöver nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht gelingen. Dass das MS »Waalkade« in der Querlage hinter dem Schleppboot vorbei ins rechtsrheinische Ufer schoss, lässt sich deshalb nur damit erklären, dass es an einem ausreichenden Rückwärtsmanöver fehlte.
d) Ein schadensursächliches Verschulden des Beklagten zu 2 lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass er den Schiffsführer des MS »Waalkade« nicht schon zu Beginn des Wendemanövers darauf hingewiesen hatte, dass das Wendmanöver ohne Unterstützung (Rückwärtsmanöver) durch das Anhangschiff nicht erfolgreich durchgeführt werden konnte. Nach den Feststellungen des Sachverständigen steht fest, dass alle in der Vergangenheit durchgeführten Wendemanöver erfolgreich nur mit Unterstützung des Anhangschiffs durchgeführt worden sein können. Da der Schiffsführers des MS »Waalkade« mit dem Schiff nach eigenem Bekunden in den vergangenen Jahren schon 40 bis 50 Mal von Schleppbooten der Beklagten zu 1 ohne Probleme an der Unfallstelle »rumgezogen« worden ist, wusste er von seinen Mitwirkungspflichten. Auch während des Wendemanövers bedurfte es keiner gesonderten Aufforderung, das Manöver zu unterstützen. Bis zur 90GradLage des MS »Waalkade« war das Schiff erfolgreich innerhalb der Fahrrinne gewendet worden. Als der Beklagte zu 2 bemerkte, dass das Anhangschiff in der Querfahrt nach vorne schoss, hat er über Funk den Schiffsführer sofort aufgefordert, er solle voll zurück machen.
e) Rechtlich unerheblich ist es, dass sich das Rheinschifffahrtsgericht nicht ausdrücklich mit dem Antrag der Klägerin auf Einholung eines Obergutachtens auseinandergesetzt hat. Da es die Ausführungen des Sachverständigen für überzeugend erachtet, hat es die Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO, wonach eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige angeordnet werden kann, wenn das Gericht das Gutachten für ungenügend erachtet, konkludent abgelehnt. Auch nach Auffassung der Berufungskammer ist die Einholung eines neuen Gutachtens nicht erforderlich. Das Rheinschifffahrtsgericht hat die fachlichen Einwendungen der Klägerin zu dem Gutachten zum Anlass genommen, den Sachverständigen mündlich anzuhören. Auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen sowie des von der Klägerin vorgelegten Privatgutachtens bestehen an der Überzeugungskraft der für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Feststellungen des Sachverständigen A keine Zweifel. Mit ihren zudem geäußerten Bedenken an der Unparteilichkeit des Sachverständigen kann die Klägerin nicht mehr gehört werden. Von der Möglichkeit, den Sachverständigen gemäß § 406 Abs. 1 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat sie innerhalb der in § 406 Abs. 2 ZPO genannten Frist keinen Gebrauch gemacht.
Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar vom 6. August 2015 4 C 14/11 BSchRh wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2017 - Nr.1 (Sammlung Seite 2460ff.); ZfB 2017, 2460 ff.