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Leitsatz:
die Begegnung in einem Brückenbereich nicht ungefährlich, ist nicht nur die Kursweisung des Bergfahrers nach § 6.04 Nr. 5 MoseISchPV zu befolgen; der Talfahrer, der über Sprechfunk in angemessenen Abständen die Position des Bergfahrers und dessen Kursweisung erfährt, muss auch seine Geschwindigkeit so einrichten, dass es zu keiner Begegnung im unmittelbaren Brückenbereich kommt.
Urteil des Berufungsausschusses der Moselkommission
vom 28.09.1994
- 5 Z - 2/94 -
(Moselschiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Ersatz von Schäden aus einer Schiffskollision, die sich am 05.03.1993 gegen 19.20 Uhr auf der Mosel im Bereich der Straßenbrücke Niederemmel (Mosel-km 147) zwischen dem Schubverband "T" und MS "E" ereignet hat. Der Schubverband "T" der Klägerin fuhr auf der Mosel zu Berg: "Er bestand aus dem SB "T" und den - in Fleche-Formation - vorgespannten Schubleichtern "N" und "C".
Zu Tal kam das dem Beklagten und seiner Ehefrau gehörende MS "E", das von dem Beklagten verantwortlich geführt wurde. Beim Begegnen mit dem Schubverband geriet MS "E" etwa 70 m oberhalb der Straßenbrücke mit dem Vorschiff gegen den Kopf des SL "C". Zu diesem Zeitpunkt hatte der Leichter bereits den 46,5 m breiten Brückenbogen passiert, wogegen die beiden anderen Fahrzeuge des Verbandes diesen noch nicht durchfahren hatten. "C" und "E" wurden erheblich beschädigt.
Die Klägerin hat behauptet, Schiffsführer D habe mit dem Schubverband gegen 19.00 Uhr die Schleuse Wintrich (Mosel-km 141,5) passiert. Anschließend habe er laufend über Sprechfunk (Kanal 10) die Bergfahrt seines Verbandes gemeldet, zunächst aber keine Antwort erhalten. Erst als er mit dem Kopf des vorderen Leichters in den Durchfahrtsbogen der Straßenbrücke Niederemmel eingefahren sei, habe sich plötzlich die Frau des Beklagten über Kanal 10 gemeldet und mitgeteilt, MS "E" befinde sich in der Ortslage Piesport (also etwa bei Mosel-km 148), was aber nicht zutreffend gewesen sein könne. Nach dieser Mitteilung habe Schiffsführer D sofort Weisung zu einer Steuerbordbegegnung gegeben und das Blinklicht eingeschaltet. Im Hinblick auf die von dem Talfahrer angegebene Lage sei er davon ausgegangen, dass er die Brückendurchfahrt problemlos vor der Begegnung durchführen könne, vorsichtshalber aber diesen aufgefordert, langsam zu machen, Nur kaum danach sei plötzlich unmittelbar vor seinem Verband das Toplicht des mit hoher Geschwindigkeit zu Tal fahrenden MS "E" aufgetaucht, das sich außerdem auf der rechten Moselseite befunden habe. Obwohl D die Maschine auf voll zurückgestellt habe, habe er den Zusammenstoß nicht vermeiden können.
Der Beklagte hat ausgeführt, MS "E" habe sich nach Passieren der Schleuse Detzem (Mosel-km 167) in regelmäßigen Abständen über Funk als Talfahrer gemeldet. Aus Funkdurchsagen sei bekannt gewesen, dass ein Schubverband entgegenkam. Als sich das Schiff etwa 200 m oberhalb der Straßenbrücke Piesport (Mosel-km 147,84) befunden habe, habe sich seine Frau erneut unter Angabe der Position des MS "E" über Funk gemeldet und die Meldung etwa 200 m unterhalb der Brücke wiederholt. Nunmehr habe sich die Führung des Schubverbandes gemeldet und Weisung für eine Steuerbordbegegnung erteilt. Er habe die Kursweisung bestätigt, die blaue Tafel mit dem Blinklicht gezeigt und das linke Ufer so nahe wie möglich angehalten. Unterhalb des Brückenbogens sei ein helles blendendes Licht sichtbar geworden, das er zunächst nicht habe deuten können. Nach Fahrtreduzierung habe er plötzlich die Triangel des Schubverbandes ungefähr in der Mitte des Brückenbogens gesehen. Erneut habe der Führer des Schubverbandes über Funk gerufen, dass die Begegnung Steuerbord an Steuerbord durchzuführen sei. Kurz danach habe er bemerkt, "das geht nicht mehr, backbord an backbord". Der Zusammenstoß sei aber nicht mehr zu vermeiden gewesen, weil der Schubverband dem Talfahrer keinen geeigneten Weg zur Begegnung freigelassen habe. Vorzuwerfen sei der Führung des Schubverbandes außerdem, dass sie, obwohl gute Feuersicht bestanden habe, nach Radar gefahren sei und wegen vorhandener Fehlechos den Talfahrer nicht rechtzeitig gesehen habe.
Das Moselschifffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Mosel verläuft zwischen den Schleusen Wintrich und Detzem in starken, engen Biegungen. Dadurch wird die Sichtweite für die Schifffahrt erheblich eingeschränkt. Die Sicht selbst war zum Unfallzeitpunkt klar. Es war allerdings dunkel. Der Schubverband und der Talfahrer hatten - offenbar zur besseren Orientierung - das Radargerät eingeschaltet. Dessen Bild jedoch im Unfallbereich, insbesondere infolge der Eisenkonstruktion der Brücke Niederemmel, durch Fehlechos erheblich gestört. Die Brücke überquert etwa im Scheitel einer starken Rechtskrümmung den Fluss. Der Schubverband und der Talfahrer konnten die Brücke nur durch den mittleren Brückenbogen (nutzbare Breite: 46,5 m) passieren. Üblicherweise fährt die Talfahrt oberhalb der Brücke im linksseitigen Hang der starken Rechtskrümmung. Das legt eine Steuerbordbegegnung zwischen Berg- und Talfahrt dort nahe. Mit Rücksicht auf diese Gegebenheiten gebietet die allgemeine Sorgfaltspflicht (vgl. § 1.04 MoselSchPV) den Schiffsführern eine vorsichtige Fahrweise sowie die gegenseitige Unterrichtung über Sprechfunk.
2. Im Streitfall hat ein solcher Sprechfunkverkehr stattgefunden. Streitig sind allerdings Zeitpunkt und Inhalt der Gespräche.
a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf Grund der Bekundungen des an dem Unfall unbeteiligten Schiffsführers T der mit seinem MS "L" nach dem Schubverband in Wintrich zu Berg schleuste, hat der Verband sich als Bergfahrer mehrmals gemeldet, und zwar nach dem Verlassen der Schleuse, auf Höhe des Dorfes Minheim (Mosel-km 144), des Supermarkts Reinsport (Mosel-km 145) sowie unterhalb der Brücke von Niederemmel. Mit der letzten Meldung hat er zugleich dem Talfahrer die Weisung erteilt, Steuerbord an Steuerbord zu begegnen. Alle Meldungen sind, wie den Aussagen des Beklagten und seiner Ehefrau zu entnehmen ist, jeweils von beiden gehört worden.
b) Keine Bestätigung durch das Beweisergebnis haben hingegen deren Angaben gefunden, MS "E" habe sich nach Verlassen der Schleuse Detzem regelmäßig als Talfahrer gemeldet. Weder die Besat-zung des Schubverbands noch der Zeuge T haben zunächst derartige Meldungen gehört. Auch ergeben die Bekundungen des Beklagten und seiner Ehefrau nicht, dass sie alsbald nach der Schleusenausfahrt Sprechfunkverbindung mit dem Schubverband hatten. Das war selbst dann nicht der Fall, als sie - oberhalb von Piesport fahrend - die Meldung des Schubverbands erhielten, dass er sich in Höhe des "Supermarkts zu Berg" befinde, also mit einer baldigen Begegnung mit diesem rechnen mussten. Da dieser ihnen unbekannt war, hätten sie sich nach dessen genauer Lage erkundigen müssen. Hingegen genügte es nicht, dass die Ehefrau des Beklagten nunmehr sich veranlasst sah, den "Weska" einzusehen und "die Meldungen am Sprechfunkgerät zu übernehmen, um genaue Angaben machen zu können". Sie hat sich dann 200 m unterhalb der Piesporter Brücke als zu Tal fahrend gemeldet (nach der Aussage des Schubverbandsführers hat "eine Frauenstimme erklärt, sie sei bei Piesport") und von dem Schubverband die Antwort erhalten, er befinde sich unterhalb der Brücke von Niederemmel zu Berg; die Begegnung sei Steuerbord/Steuerbord. Darauf haben der Schubverband und der Talfahrer entsprechend der Kursweisung das weiße Funkellicht eingeschaltet.
3. Welchen Kurs der Talfahrer nach der für ihn verbindlichen Kursweisung des Schubverbandes (vgl. § 6.04 Nr. 5 MoselSchPV) genommen hat, ist streitig. Nach der Aussage des Führers des Schubverbands ist ihm MS "E" vor der Kollision auf der rechten Moselseite entgegengekommen. Demgegenüber haben der Beklagte und seine Ehefrau angegeben, gemäß der Kursweisung des Schubverbands mit Backbordkurs in die linke Seite des Fahrwassers gefahren zu sein. Aus dem Beweisergebnis ergibt sich, dass der Schubverband den mittleren Brückenbogen in dessen Mitte passiert hat und bei der Kollision der linke Stoßbock seines vorderen Schubleichters etwa 70 m oberhalb der Brücke vom Steuerbordvorschiff des Talfahrers gerammt worden ist. Das spricht dagegen, dass sich MS "E" genügend in der linken Hälfte des Fahrwassers gehal¬ten hat, um mit dem Schubverband gefahrlos begegnen zu können. Dass dessen Führer ihm keinen hinreichenden Platz für die verlangte Steuerbordbegegnung gelassen haben soll, lässt sich selbst den Aussagen des Beklagten und dessen Ehefrau nicht entnehmen.
4. Dem Beklagten ist aber nicht nur vorzuwerfen, die Kursweisung des Schubverbands nicht oder nicht hinreichend befolgt zu haben. Vielmehr hat er die Kollision auch aus folgendem Grunde verschuldet:
Der Beklagte musste auf Grund des Funkgesprächs, das seine Ehefrau mit dem Führer des Schubverbands etwa 200 m unterhalb der Piesporter Brücke geführt hat, wissen, dass sich der Verband bereits unterhalb der Brücke von Niederemmel befunden hat, also davor stand, diese zu passieren. Auch konnte ihm nicht unbekannt gewesen sein, dass eine Begegnung seines Fahrzeugs mit dem Verband im Brückenbereich zumindest nicht ungefährlich war, weil die nutzbare Breite des von beiden zu durchfahrenden mittleren Brückenbogens nur 46,5 m betrug, die Brücke selbst im Scheitel einer Rechtskrümmung der Mosel den Fluss überquerte, außerdem bereits die Dunkelheit eingetreten und der Gebrauch des Radargeräts durch größere Fehlechos erheblich beeinträchtigt war. Diese Umstände geboten es, die Geschwindigkeit seines Schiffes so einzurichten, dass es zu keiner Begegnung mit dem Schubverband im unmittelbaren Brükkenbereich kommen konnte, sondern die Begegnung oberhalb davon stattfand. Das war um so mehr erforderlich, als er schon nach Passieren der Piesporter Brücke ein helles Licht unterhalb der Brücke von Niederemmel ausgemacht hatte (hierbei hat es sich um den Scheinwerfer des Schubboots gehandelt, mit dem es den rechten Pfeiler der Brückendurchfahrt anleuchtete und zwischen dieser hin- und herschwenkte, um einem etwaigen Gegenkommer die Bergfahrt anzuzeigen), das ihn geblendet hat und das er zunächst nicht einordnen konnte, somit eine unklare Lage im Brückenbereich bestand, in die er keinesfalls hätte hineinlaufen dürfen.
Am 6.12.1990 kollidierte das TMS "A", dessen Versicherer die Klägerin ist, bei Rhein-km 726 (Stürzelberg) bei unsichtigem Wetter auf der Bergfahrt mit dem Koppelverband "H " des Beklagten zu 1, dessen Schiffsführer der Beklagte zu 2 war. Beide Schiffe fuhren mit Radar. Der5. Demgegenüber trifft den Schubverbandsführer kein nachweisbares Mitverschulden an dem Schiffsunfall. Er hat nach Verlassen der Schleuse Wintrich die Berg fahrt seines Verbandes in angemessenen Abständen über Sprechfunk gemeldet. F hat, als er die Sprechfunkdurchsage de Ehefrau des Beklagten über die Talfahrt de MS "E" empfing, sofort Weisung für eine Steuerbordbegegnung gegeben und damit diesem Fahrzeug den üblichen Fahrweg der Talfahrt im Hang der Rechtskrümmung des Flusses überlassen. Er durfte, da sich der Talfahrer bei seiner Kursweisun noch etwa 600 - 700 m oberhalb der Brücke von Niederemmel befunden hat, annehmen, dass die Begegnung mit diesem nicht im Brückenbereich, sondern oberhalb da: von erfolgen und dieser seine Fahrt entsprechend reduzieren werde. Dass er den von ihm in einer Flussbiegung mit dem 172 1 langen Schubverband zu passierende Brückenbogen mit dem Scheinwerfer au geleuchtet hat, kann ihm bei den Schwierigkeiten einer solchen Durchfahrt nie] vorgeworfen werden.
Auch lässt sich wegen der im Unfallbereich vorhandenen Fehlechos im Radarbild und im Hinblick auf die vom Moselschifffahrtsgericht auf Grund eigener Augenscheinnahme beschriebenen Behinderung der optischen Sicht (Moselknie, Bebauung des rechten Ufers, Straßenbrücke) nicht feststellen, dass der Führer des Schubverbandes MS "E" so rechtzeitig hätte ausmachen können, dass er den beladenen Verband noch vor der Einfahrt in die Brücke hätte aufstoppen können.“
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1995 - Nr.2 (Sammlung Seite 1511 f.), ZfB 1995, 1511 f.