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Leitsatz:
In ein Binnenschiff eingebaute Motoren und Nebenaggregate sind wesentliche Bestandteile des Schiffs, fallen auch bei vereinbartem Eigentumsvorbehalt in das Eigentum des Schiffseigentümers und sind nicht sonderrechtsfähig.
Urteil des Oberlandesgerichts Hamm
vom 18.10.1990
5 U 83/90
(Landgericht Münster)
Zum Tatbestand:
Die Firma „Z" war Eigentümerin des im Binnenschiffsregister des Amtsgerichts Duisburg-Ruhrort eingetragenen Motorgüterschiffs „J". In Abteilung 111 war für die Beklagte eine Höchstbetrags-Schiffshypothek eingetragen. Im Jahre 1988 baute die Klägerin, die ein Motoreninstandsetzungswerk betreibt, in das genannte Schiff einen von ihr gelieferten neuen Schiffsdieselmotor nebst Nebenaggregaten ein. Der von ihr in Rechnung gestellte Betrag wurde von der Eigentümerin des Schiffes nicht bezahlt. Die Beklagte betrieb u. a. wegen ihrer durch die Höchstbetragshypothek gesicherten Forderung die Zwangsvollstreckung in das Schiff. Trotz Aufforderung durch die Klägerin gab die Beklagte den Motor nebst Zubehör und Ersatzteilen nicht frei. In dem Versteigerungstermin wurde ihr der Zuschlag erteilt. Inzwischen ist sie im Binnenschiffsregister als Eigentümerin des Schiffes eingetragen.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei auch nach dem Einbau des Motors und der Nebenaggregate Eigentümerin dieser Gegenstände geblieben. Dieses Recht habe die Beklagte durch das Betreiben der Zwangsversteigerung auch in die genannten Sachen schuldhaft verletzt. Zumindest sei die Beklagte um deren Wert ungerechtfertigt bereichert.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Revision wurde nicht angenommen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Klage ist nicht begründet, da das ihr zugrundeliegende Vorbringen bereits unschlüssig ist. Die Klägerin hat weder aus § 823 Abs. 1 BGB noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative BGB einen Anspruch auf Zahlung des von ihr geforderten Betrages. Beide Vorschriften setzen hier voraus, dass die Beklagte durch die Versteigerung des Motorschiffs J’ die Zwangsvollstreckung in eine schuldnerfremde Sache betrieben und damit in das Eigentum der Klägerin an dem Schiffsmotor und seinen Nebenaggregaten eingegriffen hätte. Ein solcher Eingriff ist jedoch nicht erfolgt, da die Klägerin im Zeitpunkt der Beschlagnahme des Schiffes nicht mehr Eigentümerin des Schiffsmotors und seiner Nebenaggregate war. Diese sind vielmehr bereits mit ihrem Einbau durch die Klägerin entsprechend § 946 BGB in das Eigentum der vormaligen Schiffseigentümerin übergegangen, da sie analog § 94 Abs. 2 BGB wesentliche Bestandteile des eingetragenen Motorgüterschiffs ,J’ geworden sind.
1. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 26/ 225-229-), wonach die §§ 94 Abs. 2, 946 BGB auf im Schiffsregister eingetragene Schiffe entsprechend anwendbar sind (ebenso: Palandt-Heinrichs, 49. Aufl., § 94 BGB, Anm. 3a; Prüßmann-Rabe, ,Seehandelsrecht’, 2. Aufl., § 478 HGB, Anm. C 1; Prause Das Recht des Schiffskredits’, 2. Aufl., Anm. zu § 4 Schiffsregistergesetz; Schaps-Abraham Das Deutsche Seerecht’, 3. Aufl., Band II, § 478 HGB, Anm. 3) .
Durch das Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken (SchiffsRG) vom 15. November 1940 (RGBI. 1 1499) sind eingetragene Schiffe weitgehend dem Immobiliarrecht unterworfen worden, was für die Vollstreckung auch aus §§ 864 ff. ZPO, 162 ff. ZVG hervorgeht. Danach haben Gläubiger des Schiffseigentümers u. a. die Möglichkeit, sich eine Schiffshypothek zur Sicherung ihrer Forderungen bestellen zu lassen.
2. Welche Gegenstände in den Haftungsverband einer (Grundstücks-)Hypothek fallen, bestimmt sich regelmäßig nach den §§ 1120 ff. BGB, wobei nach § 1120 BGB auch (wesentliche) Bestandteile im Sinne der §§ 93, 94 BGB in den Haftungsverband fallen. Eine dem § 1120 BGB entsprechende Vorschrift stellt der § 31 SchiffsRG dar. Aus § 31 Abs. 3 SchiffsRG ergibt sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch Bestandteile in den Haftungsverband einer Schiffshypothek fallen sollen. Das SchiffsRG weist jedoch keine den §§ 93 ff. BGB entsprechenden Vorschriften auf. Auch aus der amtlichen Begründung zum SchiffsRG (Deutsche Justiz 1940, S. 1329 bis 1332) geht nicht hervor, inwieweit die §§ 93 ff. BGB - insbesondere § 94 Abs. 2 BGB - direkt oder entsprechend auf eingetragene Schiffe anwendbar sein sollen.
Die wesentliche rechtliche Gleichbehandlung von eingetragenen Schiffen mit Grundstücken lässt es jedoch sachgerecht erscheinen, den Haftungsverband einer Schiffshypothek deckungsgleich mit dem Haftungsverband einer Grundstückshypothek zu definieren. Denn die Eintragung im Schiffsregister - hier die Eintragung im Binnenschiffsregister - unterliegt dem öffentlichen Glauben (vgl. §§ 16, 17 SchiffsRG) und erfüllt weitgehend den gleichen Zweck wie die Eintragung eines Grundstücks in das Grundbuch. Das Grundbuchsystem mit seinem Eintragungsgrundsatz und den Vorschriften über den öffentlichen Glauben bezweckt die Schaffung klarer und sicherer Rechtsverhältnisse.
Zur Erreichung des gleichen Zwecks ist auch der Begriff des wesentlichen Bestandteils eingeführt worden. Dieser Zweck - die Schaffung klarer aus dem Grundbuch ersichtlicher Rechtsverhältnisse - würde teilweise gefährdet werden, wenn die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen (wesentliche Bestandteile im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB) Gegenstand besonderer, aus dem Grundbuch nicht ersichtlicher Rechte sein könnten (vgl. BGHZ 26/225-228-). Dem kann nicht entgegengehalten werden, es sei aus dem Grundbuch nicht ersichtlich, welche Gegenstände das eingetragene Grundstück mitumfasse; dies bestimme sich vielmehr ausschließlich nach materiellem Recht (z. B. §§ 1120 ff. BGB). Denn insbesondere aus §§ 1120 ff. BGB ergibt sich, dass das Grundstück als Wirtschaftseinheit möglichst umfassend dem Hypothekenhaftungsverband unterfallen soll. Gerade dieses Erfassen des Grundstücks in seiner Gesamtheit macht den Wert einer Grundbucheintragung im Hinblick auf die Rechtssicherheit aus.
3. Die genannten Gesichtspunkte müssen auch für eingetragene Schiffe gelten. Denn die Angleichung der Rechte an Schiffen an das Grundstücksrecht beruht nicht zuletzt darauf, dass Schiffe einen den Wert von Grundstücken oft weit übersteigenden wirtschaftlichen Wert verkörpern. Gerade der Schiffsmotor hat regelmäßig einen im Verhältnis zum (restlichen) Schiffskörper relativ hohen wirtschaftlichen Wert.
Der Motor ist dem Schiff auch eingefügt’ worden. Es steht dem nicht entgegen, dass es sich bei dem Schiffsdieselmotor um einen serienmäßig hergestellten Motor handelt, der mit relativ wenig Aufwand wieder ausgebaut werden kann. Für das Einfügen’ im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB kommt es auf die Festigkeit der Verbindung nicht an (RGZ 150/27); BGHZ 26/225-229-). Der Einbau des Motors reicht hier aus, um ihn als zur Herstellung eingefügt’ anzusehen.
4. Diesem Ergebnis kann die Klägerin nicht erfolgreich entgegenhalten, dass es der wirtschaftlichen Zielsetzung der §§ 93 ff. BGB widerspreche, wenn der Eigentümer eines eingetragenen Schiffes durch den Einbau eines Motors in das Schiff an diesem Eigentum entsprechend den §§ 94 Abs. 2, 946 BGB erwerbe. Vielmehr ist das volkswirtschaftliche Interesse an der Einheit der als Bestandteil eingeführten Sache und der Hauptsache gegenüber dem die Trennung fordernden privatwirtschaftlichen Interesse abzuwägen (BGHZ 18/226-232-). Dabei zeigt sich, dass hier das Interesse an der Verwirklichung des vereinbarten Eigentumsvorbehalts gegenüber dem Interesse an dem Bestand der Einheit von Schiff und Schiffsmotor zurücktreten muss.
Denn der Verkäufer bzw. Werklieferant eines Schiffsmotors hat in jedem Fall die Möglichkeit, sich in Höhe seiner Kaufpreis- bzw. Werklohnforderung eine Schiffshypothek an dem betreffenden Schiff bestellen zu lassen. Dies hat auch der Klägerin freigestanden. Würde man überdies den eingebauten Schiffsmotor als sonderrechtsfähig anerkennen und ihn bei einem vereinbarten Eigentumsvorbehalt nicht in das Eigentum des Schiffseigentümers fallen lassen, wären die Möglichkeiten der Schiffsfinanzierung erheblich eingeschränkt. Die Schiffshypothek wäre in solchen Fällen als Sicherungsmittel weitgehend entwertet, da nur noch der Schiffsrumpf als Sicherheit dienen könnte. Dementsprechend wäre auch die Zwangsversteigerung eines Schiffes ohne Motor nicht sehr lohnend."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1992- Nr.4 (Sammlung Seite 1360 f.); ZfB 1992, 1360 f.