Decision Database

439 Z - 5/07 - Berufungskammer der Zentralkommission (-)
Decision Date: 26.10.2007
File Reference: 439 Z - 5/07
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: -

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

vom 26. Oktober 2007

439 Z - 5/07

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Schubleichters „CF“. Der Beklagte ist Eigner des MS „C“ und war zum Zeitpunkt des nachstehend beschriebenen Schiffsunfalls verantwortlicher Schiffsführer.

In der Nacht vom 20. auf den 21.12.2003 war der Schubleichter „CF" bei Rheinkilometer 791,4 linksrheinisch auf dem dortigen Schubleichterliegeplatz abgelegt. Am frühen Morgen des 21.12.2003, es war noch dunkel, befand sich das MS „C" linksrheinisch auf der Bergfahrt. Das Radargerät war auf dem Schiff nicht in Betrieb. Das Schiff kollidierte mit dem abgelegten Schubleichter.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Ersatz des ihr durch die Anfahrung entstandenen Schadens, den sie mit 29.219,85 € beziffert.

Sie hat vorgetragen, der Beklagte habe als Schiffsführer des MS „C" die Anfahrung verschuldet. Bei der gegebenen Dunkelheit hätte er die Fahrt einstellen müssen. Ihr, der Klägerin, sei kein Mitverschulden anzulasten, weil der Schubleichter auf einem ausgewiesenen Liegeplatz ordnungsgemäß abgelegt, durch eine Petroleumlampe gesichert gewesen und regelmäßig kontrolliert worden sei. Zudem entfalle ihre Haftung schon deshalb, weil sie nur sachenrechtliche Eigentümerin des Schubleichters gewesen sei. Sie habe den Schubleichter nicht selbst zur Binnenschifffahrt genutzt, sondern ihn an ihre Streithelferin vermietet gehabt.

Die Klägerin und ihre Streithelferin haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 29.219, 85 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, das alleinige Verschulden an dem Unfall treffe die Klägerin. Auch wenn der Schubleichter im Bereich des Schubleichterliegeplatzes gelegen habe, hätte er dichter am Ufer abgelegt werden müssen. Zudem sei der Leichter nicht beleuchtet gewesen, und die notwendige Kontrolle über den Leichter sei nicht durchgeführt worden. Ihm, dem Beklagten, könne kein Verschulden angelastet werden, denn auch eine Fahrt bei Dunkelheit und ohne Radar sei nicht zu beanstanden. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die Klägerin den Leichter nicht selbst zur Binnenschifffahrt benutze.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.6.2006 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 3, 92 ff., 114 Binnenschifffahrtsgesetz, denn der Unfall sei durch ein Verschulden des Beklagten wegen Verstoßes gegen § 1.04 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung verursacht worden.

Zwar habe für den Beklagten keine Pflicht zur Einstellung der Fahrt gem. § 6.30 Nr. 3 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung bestanden. Dies setze nämlich voraus, dass die verminderte Sicht auf unsichtigem Wetter gem. § 6.30 Nr. 1 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung beruhe. Dunkelheit schaffe aber kein derartiges unsichtiges Wetter. Jedoch könne die nautische Sorgfaltspflicht aus § 1.04 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung gebieten, auch bei derartigen Sichtbehinderungen die Regeln für die Fahrt bei unsichtigem Wetter zu beachten. Hiergegen habe der Beklagte verstoßen. Er sei aufgrund der Dunkelheit ohne Sicht gefahren, das Radargerät sei nicht in Betrieb gewesen. Hinzu komme, dass er außerhalb der Fahrrinne durch den ausgewiesenen Schubleichterliegeplatz gefahren sei, was möglicherweise gerade auf seine Fahrt ohne Sicht zurückzuführen sei. Weiter sei ihm vorzuwerfen, dass er weder die Geschwindigkeit reduziert, noch einen Ausguck auf dem Bug aufgestellt habe. Er habe nicht blind darauf vertrauen dürfen, dass etwaige Schubleichter beleuchtet sein würden, er sie deshalb schon rechtzeitig erkennen würde.

Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten.

Es entfalle allerdings nicht bereits deshalb, weil sie den Schubleichter nicht selbst zur Binnenschifffahrt nutze. Denn sie habe dies trotz des Hinweises des Gerichts nicht nachvollziehbar dargelegt und den angeblichen Mietvertrag mit ihrer Streithelferin nicht vorgelegt.

Ein Mitverschulden könne aber deswegen nicht festgestellt werden, weil der insofern darlegungs- und beweisbelastete Beklagte beweisfällig geblieben sei.

Soweit er sich darauf berufe, der Schubleichter sei nicht ordnungsgemäß beleuchtet gewesen (Verstoß gegen § 3.20 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung), sei dieser Beweis nicht geführt. Nach dem Beweisergebnis, insbesondere nach den Aussagen der Zeugen „V“ und „K“, könne die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass der Schubleichter zum Zeitpunkt der Anfahrung ordnungsgemäß beleuchtet gewesen sei und eine aufgestellte Petroleumlampe erst durch die Anfahrung umgestürzt und ausgegangen sei.

Der Vorwurf, der Schubleichter sei nicht ordnungsgemäß kontrolliert worden (Verstoß gegen § 7.08 Nr. 2 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung), sei ebenfalls nicht erwiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne vielmehr festgestellt werden, dass die auf jenem Liegeplatz ausgebrachten Schubleichter in der Regel ordnungsgemäß gesichert seien und darauf kontrolliert würden, ob etwa Lampen ausgehen. Die Mittagschicht bringe die Lampen an den Schubleichtern an, die Nachtschicht kontrolliere dies regelmäßig und bessere erforderlichenfalls nach, falls etwa Petroleumlampen durch den Wind ausgeblasen worden seien. Bringe die Nachtschicht selbst Schubleichter auf den Liegeplatz, so setze diese die Lampen. Stelle die Wasserschutzpolizei fest, dass Leichter nicht ordnungsgemäß gesichert seien oder an falscher Stelle lägen, so unterrichte sie die Streithelferin der Klägerin, die dann für Abhilfe sorge. All dies ergebe sich aus den teilweise übereinstimmenden, teilweise sich ergänzenden Aussagen der gehörten Zeugen.

Ein Verschulden wegen einer Wahl des Liegeplatzes zu weit ab vom Ufer (Verstoß gegen § 7.01 Nr. 1 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung) oder wegen nicht ordnungsgemäßer Verankerung (Verstoß gegen § 7.01 Nr. 4 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung) sei ebenfalls nicht erwiesen. Die den Unfall an Ort und Stelle aufnehmenden Polizeibeamten hätten derartige Feststellungen nicht getroffen. Nicht dargelegt oder festgestellt sei des Weiteren, inwieweit die örtlichen Umstände, etwa aufgrund anderer dort liegender Schubleichter, die konkrete Wahl des Liegeplatzes bedingt hätten. All diese Unaufgeklärtheiten gingen zu Lasten des für ein Mitverschulden der Klägerin beweispflichtigen Beklagten.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission eingelegt und diese fristgerecht begründet.

Er beanstandet die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts und die der Entscheidung zugrunde liegende Beweislastverteilung zu seinem Nachteil. Außerdem rügt er die Übergehung von Beweisantritten, weil das Rheinschifffahrtsgericht zwei Zeugen nicht vernommen habe, die er dazu benannt habe, dass der Schubleichter „CF" unbeleuchtet gewesen sei.

Ein weiterer Verfahrensfehler bestehe darin, dass das Rheinschifffahrtsgericht die Beweisantritte nicht nur übergangen, sondern sogar das Gegenteil dessen festgestellt habe, was er durch diese Zeugen unter Beweis gestellt habe.

Ferner habe das Rheinschifffahrtsgericht zu Unrecht unterstellt, dass MS „C" außerhalb der Fahrrinne durch den ausgewiesenen Schubleichterliegeplatz gefahren sei, dass die Liegeweise des Schubleichters „CF" nicht zu beanstanden gewesen sei und dass „nicht dargelegt und festgestellt" sei, inwieweit die örtlichen Umstände, etwa aufgrund anderer dort liegender Schubleichter, die konkrete Wahl des Liegeplatzes des Schubleichters „CF“ bedingt hätten.

Bei zutreffender Würdigung habe die Beweisaufnahme ergeben, dass der Schubleichter „CF“ unbeleuchtet gewesen sei, so dass nach der Rechtsprechung der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass die unvorschriftsmäßige Lichterführung des Stillliegers den Unfall schuldhaft herbeigeführt habe. Diesen Anscheinsbeweis habe die Klägerin nicht auszuräumen vermocht.

Der Leichter sei zudem ohne Heckanker am Rand der Fahrrinne abgelegt gewesen und habe sich bei der Kollision ausweislich der polizeilichen Ermittlungsakte mit dem Heck vom Wind in die Fahrrinne verweht in einer starken Steuerbordschräglage befunden.

Ihm, dem Beklagten, als Schiffsführer des MS „C“ sei entgegen der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts kein Schuldvorwurf zu machen. Auch bei Dunkelheit sei die Fahrt ohne Radar erlaubt. Wenn alle Verkehrsteilnehmer die Vorschriften zur Lichterführung beachteten, worauf jeder Schiffsführer vertrauen dürfe, sei eine sichere Navigation zu jeder Zeit möglich. MS „C“ sei entgegen der Unterstellung des Rheinschifffahrtsgerichts auch mit nur geringer Geschwindigkeit gefahren. Der Umstand, dass auf MS „C“ kein Ausguck aufgestellt gewesen sei, sei für das Unfallgeschehen nicht ursächlich, weil die Distanz vom Steuerhaus zum Bug des MS „C“ nur etwa 40 Meter betrage und der unbeleuchtete Schubleichter erst auf kürzeste Entfernung zu erkennen gewesen sei.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung ist begründet. Das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts beruht auf einem Verfahrensfehler und kann deshalb keinen Bestand haben.

I.

Zu Recht hat das Rheinschifffahrtsgericht allerdings entschieden, dass der Beklagte der Klägerin gemäß §§ 3, 92 ff. Binnenschifffahrtsgesetz zum Schadensersatz verpflichtet ist, weil er als Schiffsführer des MS „C“ den Schaden durch eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 1.04 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung schuldhaft herbeigeführt hat. Ein ganz erhebliches Verschulden des Beklagten an der Herbeiführung des der Klägerin durch die Anfahrung des Schubleichters „CF“ entstandenen Schadens ist darin zu sehen, dass der Beklagte bei völliger Dunkelheit ohne ausreichende optische Sicht, ohne Radarunterstützung und ohne auf dem Vorschiff einen Ausguck aufzustellen außerhalb des für die durchgehende Schifffahrt bestimmten Fahrwassers durch den ausgewiesenen Schubleichterliegeplatz gefahren ist.

Die in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung des Beklagten, er sei nicht durch den Schubleichterliegeplatz gefahren, der Schubleichter „CF“ sei vielmehr am Rand der Fahrrinne abgelegt gewesen und durch den Wind mit dem Heck in die Fahrrinne verweht worden, ist offensichtlich unzutreffend. Ausweislich des von ihm selbst vorgelegten Querprofils von Rheinkilometer 791,4 beträgt der Abstand der Fahrrinne zum linksrheinischen Ufer dort gut 160 m. Nach eigenen Angaben befuhr der Beklagte den Rhein vor der Anfahrung des abgelegten Leichters aber in einem Abstand von nur 100 m zum linksrheinischen Ufer. Auch nach den Feststellungen der Wasserschutzpolizei lagen die Unfallstelle und der Liegeplatz des Schubleichters „CF“ 100 m vom linksrheinischen Ufer entfernt. Damit steht fest, dass der Beklagte als Schiffsführer des MS „C“ deutlich außerhalb der Fahrrinne durch den dort ausgewiesenen Schubleichterliegeplatz gefahren ist. Dass dies bei völliger Dunkelheit, ohne Radarunterstützung und ohne einen Ausguck geschehen ist, begründet ein ganz erhebliches, weit überwiegendes Verschulden des Beklagten. Dem Rheinschifffahrtsgericht ist darin beizupflichten, dass der Beklagte keineswegs blind darauf vertrauen durfte, dass alle abgelegten Schubleichter vorschriftsmäßig beleuchtet und deshalb vom Steuerhaus aus rechtzeitig erkennbar sein würden.

II.

Auch in Anbetracht dieses erheblichen Verschuldens des Beklagten erscheint jedoch eine anteilige Mithaftung der Klägerin nach § 92c Binnenschifffahrtsgesetz nicht von vornherein ausgeschlossen. Das Rheinschifffahrtsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Beklagte sei für eine schuldhafte Mitverursachung des der Klägerin durch die Anfahrung entstandenen Schadens in jeder Hinsicht beweisfällig geblieben.

1.  Zutreffend hat das Rheinschifffahrtsgericht die Klägerin als Eignerin des Schubleichters „CF“ angesehen. Denn die Klägerin hat weder ihre von dem Beklagten bestrittene Behauptung, der Schubleichter sei zum Unfallzeitpunkt an ihre Streithelferin vermietet gewesen, näher erläutert noch der Aufforderung des Rheinschifffahrtsgerichts zur Vorlage des Mietvertrages Folge geleistet. Das Rheinschifffahrtsgericht durfte aus diesem Verhalten den Schluss ziehen, dass die Klägerin, die Eigentümerin des Schubleichters ist und – gerichtsbekannt – selbst Binnenschifffahrt betreibt, den Leichter am 20./21.12.2003 zur Binnenschifffahrt verwendet hat (§ 1 Binnenschifffahrtsgesetz).
 

2. Als Eignerin des Schubleichters haftet die Klägerin gemäß §§ 92b, 92c Binnenschifffahrtsgesetz voll bzw. anteilig für den Schaden, der durch Verschulden der Besatzung ihres Schubleichters herbeigeführt worden ist. Da – auch nach dem Vortrag des Beklagten – nicht anzunehmen ist, dass der Leichter eine eigene Besatzung hatte, kommen als „Besatzung“ im Sinne der §§ 92b, 92c Binnenschifffahrtsgesetz nur die Personen in Frage, die im Auftrag der Klägerin oder ihrer Streithelferin dafür zu sorgen hatten, dass der Leichter während der Nacht vom 20. auf den 21.12.2003 vorschriftsmäßig gesichert und beleuchtet war.

a) Dafür kommt zunächst die Besatzung des von der Streithelferin der Klägerin eingesetzten Schubboots „T“ in Betracht, die den Leichter nach den Aussagen des Zeugen „W“ am Vormittag des 20.12.2003 auf dem Liegeplatz abgelegt hat. Ein regelwidriges Verhalten des Schiffsführers „W“ oder anderer bei der Frühschicht eingesetzter Besatzungsmitglieder des Schubboots „T“ hat der Beklagte indessen nicht nachzuweisen vermocht.

 Dass der Leichter in einem Abstand von ca. 100 m vom linksrheinischen Ufer abgelegt worden war, ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Liegestelle befindet sich innerhalb des als solcher gekennzeichneten Liegeplatzes für Fahrzeuge der Schubschifffahrt (§ 14.10 Nr. 8 a iii Rheinschifffahrtspolizeiverordnung). Soweit der Beklagte den Abstand von ca. 100 m vom linksrheinischen Ufer beanstandet, übersieht er, dass die als Liegeplatz ausgewiesene Wasserfläche nach den polizeilichen Feststellungen zur Unfallörtlichkeit erst in einem Abstand von 70 m zu dem am linksrheinischen Ufer aufgestellten Tafelzeichen (Anlage 7 E.5.2 Rheinschifffahrts-polizeiverordnung) beginnt und sich bis auf einen Abstand von 140 m erstreckt. Der Leichter lag somit im mittleren Bereich der als Liegeplatz ausgewiesenen Fläche, so dass schon im Hinblick auf die in § 7.05 Nr. 3 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung enthaltene speziellere Regelung ein Verstoß gegen § 7.01 Nr. 1 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung hier nicht in Betracht kommt. Der vorliegende Fall ist nicht vergleichbar mit den Fallgestaltungen, über die die Berufungskammer mit ihren Urteilen vom 14.6.1973 (19 Z – 1/73 und 20 Z – 2/73, ZfB 1974, 275) und vom 10.2.1995 (330 Z – 25/94, ZfB 1995, 105) zu entscheiden hatte. Dort lagen die angefahrenen Schubleichter jeweils im Fahrwasser und bildeten aus diesem Grund eine erhebliche Gefahr für die durchgehende Schifffahrt; das ist bei einem Leichter, der – wie hier – auf einem ausgewiesenen Liegeplatz abgelegt ist, gerade nicht der Fall.

Auch der weitere von dem Beklagten behauptete Verstoß gegen die in § 7.01 Nr. 4 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung geregelte Pflicht, stillliegende Fahrzeuge so zu verankern, dass sie ihre Lage nicht in einer Weise verändern können, die andere Fahrzeuge gefährdet oder behindert, hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Der Zeuge „W“ hat vielmehr bekundet, dass bei dem Leichter auch der Heckanker gesetzt war. Auch aus den Aussagen der als Zeugen vernommenen Beamten der Wasserschutzpolizei, die den Unfall aufgenommen haben, ergibt sich kein Hinweis auf eine unzureichende Sicherung des abgelegten Leichters.

 Eine möglicherweise fehlende oder unzureichende Beleuchtung des abgelegten Leichters (Verstoß gegen § 3.20 Nr. 1 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung) kann der bei der Frühschicht eingesetzten Besatzung des Schubboots „T“ nicht angelastet werden. Beim Ablegen des Leichters in den Vormittagsstunden des 20.12.2003 und während des Stillliegens bei Tag war das Setzen einer Lampe noch nicht erforderlich. Die Verantwortung eines Schubbootführers für einen vorschriftsmäßig abgelegten Schubleichter endet, soweit nicht besondere Umstände vorliegen oder Vereinbarungen getroffen sind, mit der Ausführung dieses Manövers. Weitere erforderliche Maßnahmen hat die disponierende Reederei auszuführen, z. B. in dem Fall, dass sie vom Ablegen eines Schubleichters am Tage unterrichtet worden ist und den bis zum nächsten Tag oder noch länger liegenbleibenden Schubleichter vor Einbruch der Dunkelheit mit der notwendigen Nachtbeleuchtung zu versehen hat (Urteil der Berufungskammer vom 10. Juni 1980 - 119 B - 3/80 - Rheinschifffahrtsgericht Mannheim).

 Die bei der Frühschicht eingesetzte Besatzung des Schubboots „T“ musste auch nicht dafür sorgen, dass die Klägerin oder deren Streithelferin über das Ablegen des Leichters ohne Nachtbeleuchtung unterrichtet wurde. Denn nach den übereinstimmenden Aussagen der bei der Streithelferin der Klägerin beschäftigten Zeugen „W“ und „K“ war es nach der Betriebsorganisation bei der Streithelferin der Klägerin Aufgabe der Mittags- bzw. der Nachtschicht, die Lampen auf den abgelegten Leichtern anzubringen und diese während der Nacht zu kontrollieren.

b)  Ob von den am 20.12.2003 bei der Mittagsschicht eingesetzten Mitarbeitern der Streithelferin der Klägerin auf dem abgelegten Schubleichter „CF“ eine Petroleumlampe aufgestellt worden war, ist nach den Aussagen der dazu vernommenen Zeugen ungewiss. Die Zeugen „L“ und „C“, beide Beamte der Wasserschutzpolizei, haben angegeben, sich nicht daran erinnern zu können, ob der Leichter bei ihrem Eintreffen an der Unfallstelle beleuchtet war. Der Zeuge „V“, ebenfalls Beamter der Wasserschutzpolizei, hat ausgesagt, er könne mit Bestimmtheit sagen, dass der Leichter beim Eintreffen der Polizei nicht beleuchtet gewesen sei; er hat es allerdings auch für möglich gehalten, dass auf dem Leichter eine Petroleumlampe gestanden habe und dass diese durch die Anfahrung umgefallen und erloschen sei. Der Zeuge „K“, der als Mitarbeiter der Streithelferin der Klägerin seinerzeit bei der Nachtschicht eingesetzt war, hat die bei der Streithelferin der Klägerin übliche Verfahrensweise beschrieben und daraus geschlossen, dass der Schubleichter „CF“ in der fraglichen Nacht beleuchtet gewesen sei, jedoch hinzugefügt, dass er sich nicht konkret daran erinnern könne, ob dies tatsächlich der Fall gewesen sei.

3.  Das so gewonnene Beweisergebnis hat das Rheinschifffahrtsgericht dahin gewürdigt, es sei zum Nachteil des Beklagten nicht erwiesen, dass der Leichter nicht ordnungsgemäß beleuchtet gewesen sei. Dies beanstandet die Berufung zu Recht. Das Rheinschifffahrtsgericht durfte die Beweisfrage nicht zum Nachteil des Beklagten entscheiden, ohne die von ihm hierzu benannten weiteren Zeugen „F“ und „W“ zu vernehmen und auch deren Aussagen in seine Würdigung einzubeziehen (§ 286 ZPO). Beide Zeugen sind von dem Beklagten dafür benannt, dass der Leichter bereits vor der Anfahrung durch MS „C“ unbeleuchtet war. Für diese Behauptung trägt der Beklagte die Beweislast, wie auch das Rheinschifffahrtsgericht – ungeachtet der missverständlichen Fassung seines Hinweises zu II 2 des Beschlusses vom 9.1.2006 und des Beweisbeschlusses vom 26.1.2006 – zutreffend erkannt hat. Angesichts dessen durfte es den Beklagten nicht als beweisfällig ansehen, ohne den von diesem angetretenen Zeugenbeweis vollständig erhoben zu haben.

 Der in der Übergehung erheblicher Beweisantritte liegende Verfahrensfehler des Rheinschifffahrtsgerichts ist nicht dadurch gemäß § 295 ZPO geheilt worden, dass der Beklagte im Anschluss an die Beweisaufnahme vom 22.5.2006 zur Sache verhandelt hat, ohne auf seine noch unerledigten Beweisantritte hinzuweisen. Denn nach der Fassung des Hinweis- und des Beweisbeschlusses musste der Beklagte nicht damit rechnen, dass sich die nach den Aussagen der vernommenen Zeugen bestehende Ungewissheit zu seinem, des Beklagten, Nachteil auswirken würde.

4.  Das angefochtene Urteil beruht auf dem aufgezeigten Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 286 ZPO). Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Rheinschifffahrtsgericht zu einem abweichenden, dem Beklagten günstigeren Beweisergebnis gelangt wäre, wenn es auch die von diesem benannten Zeugen „F“ und „W“ vernommen und deren Aussagen in seine Gesamtwürdigung einbezogen hätte.

III.

Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben, soweit das Rheinschifffahrtsgericht der Klage dem Grunde nach uneingeschränkt stattgegeben hat. Insoweit ist die Sache gemäß Artikel 24 Abs. 3 der Verfahrensordnung der Berufungskammer vom 32.11.2006 zur Vervollständigung der Beweisaufnahme und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Rheinschifffahrtsgericht zurückzuverweisen.

IV.

Für den Fall, dass nach weiterer Sachaufklärung für die neue Entscheidung von einem Verstoß gegen § 3.20 Nr. 1 oder § 7.08 Nr. 2 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung auszugehen sein sollte, wird das Rheinschifffahrtsgericht weiter zu klären haben, wem auf der Klägerseite dieser Verstoß aufgrund des Fehlverhaltens welcher Personen als schuldhafte Herbeiführung eines Schadens im Sinne des § 92c Binnenschifffahrtsgesetz anzulasten ist. Bislang fehlt es an Feststellungen dazu, auf wessen Veranlassung der Schubleichter „CF“ am 20.12.2003 auf dem Liegeplatz abgelegt wurde und welche Absprachen hinsichtlich der Anbringung und Überwachung der nach § 3.20 Nr. 1 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung vorgeschriebenen Nachtbezeichnung bestanden.

V.

Aus den dargelegten Gründen wird deshalb für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 12.6.2006 – 5 C 9/05 BSch – aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Rheinschifffahrtsgericht zurückverwiesen.