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426 Z - 6/04 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 25.10.2004
File Reference: 426 Z - 6/04
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Schifffahrtsüblichen Kursen kommt auf dem Rhein nur noch an besonderen Gefahrenstellen Bedeutung in dem Sinne zu, dass anderen Fahrzeugen dort ein Weg zu weisen ist, der den gesteigerten Anforderungen an die Sorgfalt zur Vermeidung gefahrvoller Begegnungen entspricht.
(Von der Schriftleitung formulierter Leitsatz)


Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

vom 25.10.2004

Az: 426 Z — 6/04

(Vorinstanz: AG Duisburg-Ruhrort, Rheinschifffahrtsgericht, vom 10.04.2003 — 5 C 27/02 BSch)


Stichwörter: Radarfahrt bei unsichtigem Wetter; Verpflichtung zur sofortigen Fahrteinstellung; gesteigerte Anforderungen an die Sorgfaltspflicht; Mitverschulden
Vorschriften: BGB § 254; BSch §§ 92 c Abs. 1 Satz 2, 92 f; Rheinschifffahrtspolizeiverordnung §§ 4.06 Nr. 1 c, 6.04, 6.30, 6.32 Nr. 3; Rheinschiffsuntersuchungsordnung § 5.07 Nr. 1; ZPO §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 256

Tatbestand und Entscheidungsgründe:


Die Parteien streiten um die Folgen eines Zusammenstoßes, der sich am 10.11.2001 gegen 9.00 Uhr bei dichtem Nebel in der Ortslage Köln, im Bereich zwischen der Deutzer Brücke (bei Strom-km 687,93) und der Severinsbrücke (bei Strom-km 687,28), zwischen dem in der Radarfahrt zu Tal kommenden MS „P." und dem zu Berg kommenden Schubverband MS „D."/SL ereignet hat. Die Klägerin ist Versicherer des MS „P." (1772 t; 883 kw; 95 m lang, 9,50 m breit, beladen mit 1541 t Raps). Sie klagt aus übergegangenem bzw. abgetretenem
Recht der Schiffseigner Z., der MS „P." zum maßgeblichen Zeitpunkt als verantwortlicher Schiffsführer führte, und dessen Ehefrau L. Die Beklagte zu 1 ist Eigentümerin, zumindest Ausrüsterin des MS „D." (2013 t; 2 x 825 PS; 94,90 m lang und 11,40 m breit) und des SL (1716 t; 76,50 m lang und 11 m breit). Der auf 2,10 m abgeladene Schubverband wurde vom Beklagten zu 2, der zum Unfallzeitpunkt noch nicht im Besitz eines für den Rhein gültigen Radarpatentes war, verantwortlich geführt. Seinerzeit wurden auf der Höhe der Unfallstelle rechtsrheinisch Baggerarbeiten durchgeführt. Zur Kennzeichnung des Arbeitsbereiches (Sperrfläche) waren am rechtsrheinischen Fahrrinnenrand Wahrschauflöße ausgelegt. Ferner war für die Strecke von Strom-km 689,6 bis Stromkm 687 ein Überholverbot angeordnet. Der Schwimmbagger lag zum Unfallzeitpunkt oberhalb der Deutzer Brücke im Sperrbereich still. Zur angegebenen Zeit befand sich der Schubverband im dortigen Bereich, in dem üblicherweise Begegnungen Steuerbord an Steuerbord erfolgen, auf der Bergfahrt mit gesetzter blauer Seitentafel und Funkellicht. Zu Tal kam in der Radarfahrt das MS „P.", das nachfolgend im Nebel mit dem Vorschiff gegen den Vierkantbug des vorgespannten Schubleichters des Bergfahrers stieß. Bei dem Zusammenstoß wurden beide Fahrzeuge beschädigt. Im Zuge nachfolgender Manöver geriet dann MS „P." noch gegen das linksrheinisch am Steiger 4 stillliegende MFS „B.", das hierbei ebenfalls beschädigt wurde. Schallzeichen wurden vor der Kollision von keinem der unfallbeteiligten Fahrzeuge abgegeben. Mit der Klage macht die Klägerin den bis dahin mit 494.456,73 € bezifferbaren Schaden geltend und begehrt Feststellung der Ersatzverpflichtung im übrigen.

Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen:

Als MS „P." im dichten Nebel in Fahrwassermitte mit Radarhilfe zu Tal fahrend dabei gewesen sei, die Severinsbrücke zu unterqueren, sei das lange Echo des zu Berg kommenden Schubverbandes zu erkennen gewesen, der ebenfalls ziemlich die Mitte gehalten habe. Der Schiffsführer des MS „P." habe sich über Funk als oberhalb der Köln-Deutzer Brücke fahrend gemeldet, die Geschwindigkeit reduziert und auf eine Kursweisung des Bergfahrers gewartet. Weil der Bergfahrer sich nicht gemeldet habe, habe der Schiffsführer seine Funkdurchsage an die Bergfahrt wiederholt und danach gefragt, ob diese Steuerbord an Steuerbord oder Backbord an Backbord mache. Weil er zunächst keine Antwort erhalten habe, habe er seine Maschine gestoppt und sich entschlossen, nach Steuerbord auszuweichen. Rückwärts machen habe er nicht können, weil dadurch das Schiff die Steuerfähigkeit verloren hätte. Etwa zur gleichen Zeit habe der Schubverband nach rechtsrheinisch gehalten und über Funk durchgegeben: „Steuerbord an Steuerbord". Da sei es jedoch schon zu spät gewesen. Der Unfall sei auf ein Verschulden der Beklagten zu 2 zurückzuführen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren sei davon auszugehen, dass zur Unfallzeit im Bereich der Kölner Brücken dichter Nebel geherrscht habe und dass insoweit eine Weiterfahrt nur noch mit Radarhilfe zulässig gewesen sei. Der Beklagte zu 2 sei jedoch, ohne einen Ausguck aufgestellt zu haben, mit dem Schubverband nach Sicht und ohne Abgabe von Signalen gefahren, obwohl die Fahrt schon vor Erreichen der Kölner Brücken wegen unsichtigen Wetters hätte eingestellt werden müssen.


Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 494.456,73 € nebst 5 % Zinsen seit dem 2.9.2002 zu zahlen, die Beklagte zu 1) zusätzlich dinglich haftend mit dem MS „D.",
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 1) auch dinglich haftend mit MS „D.", verpflichtet sind, den Schiffern Z. und L. auch alle weiteren Kosten zu ersetzen, die anlässlich des Schiffsunfalls „P."/"D." am 10.11.2001 in Köln entstanden sind.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.


Die Beklagten haben vorgetragen:


Der Schiffsführer des MS „P." habe den Unfall verschuldet, weil er entgegen der dort geltenden geregelten Begegnung Steuerbord an Steuerbord im Bereich der Bergfahrt rechtsrheinisch zu Tal gefahren sei. Im Fahrwasser der Bergfahrt habe sich die Kollision ereignet. Darüber hinaus habe der Schiffsführer des MS „P." die Kursweisung des SV „D.", der mit blauer Tafel und Funkellicht rechtsrheinisch zu Berg gefahren sei, nicht beachtet. Statt weisungsgemäß seinen Kurs leicht nach Backbord für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord zu legen, habe MS „P." eine Begegnung Backbord an Backbord gefordert und den Kurs nach Steuerbord gelegt. Dem Schiffsführer des SV „D." könne nicht vorgeworfen werden, dass er ohne Radarpatent gefahren sei. Die Sicht sei klar gewesen. Erst als SV „D." die Deutzer-Brücke unterfahren habe, habe er erkennen können, dass von der Severinsbrücke her Nebel schnell zu Tal gezogen sei. Wegen des Liegeverbots im Bereich der dortigen Brücken sei er langsam weiter gefahren in der Absicht, oberhalb der Severinsbrücke am nächsten Ankerplatz anzulegen. Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Beiziehung der genannten Verklarungsakten durch das am 10.4.2003 verkündete Grundund
Teilurteil die Klage dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt und sie wegen der weiteren 2/3 abgewiesen.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Schubverband in dichtem Nebel auf die spätere Unfallstelle zugefahren sei. Damit habe der Beklagte zu 2 als dessen Schiffsführer, da er kein Radarpatent besessen habe und deshalb nach § 4.06 Nr. 1 c RheinSchPV das Radargerät nicht habe benutzen dürfen, gegen die genannte Vorschrift verstoßen und die sich aus § 6.30 Nr. 3 RheinSchPV ergebende Verpflichtung zur sofortigen Fahrteinstellungnicht beachtet. Er sei nicht berechtigt gewesen, im Nebel auch nur bis zum nächsten Ankerplatz weiterzufahren. Ferner habe der Schiffsführer gegen die ihn nach § 6.04 Nr. 4 RheinSchPV treffende Verpflichtung zur Abgabe von Schallzeichen verstoßen, weil auch aus seiner Sicht MS „P." in einem gefährdenden, zumindest unklaren Kurs entgegen gekommen sei. Darüber hinaus habe er als Bergfahrer entgegen § 6.04 RheinSchPV auch keine eindeutige und rechtzeitige Kursweisung gegeben. In Höhe der Hohenzollernbrücke und der Deutzer Brücke habe er nur Standortmeldungen abgegeben, letztere zudem nur ganz leise und undeutlich. Die schließlich auf Funkanfrage der Talfahrt erfolgte Kursweisung zur Begegnung Steuerbord an Steuerbord sei zu spät erfolgt. Zur ausreichenden Kursweisung hätten wegen des Nebels das Funkellicht und die gesetzte blaue Tafel nicht genügt. Aber auch den Schiffsführer des MS „P." treffe ein Mitverschulden an dem Unfall. Nach § 6.32 Nr. 3 RheinSchPV müsse einFahrzeug in der Radarfahrt zu Tal das Dreitonzeichen geben und dieses Schallzeichen so oft wie notwendig wiederholen, seine Geschwindigkeit vermindern und, falls nötig, Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen, sobald es auf dem Radarbildschirm ein Fahrzeug bemerke, dessen Standort oder Kurs eine Gefahrenlage verursachen könne, oder wenn es sich einer Strecke nähere, in der sich auf dem Radarbildschirm noch nicht wahrzunehmende Fahrzeuge befinden könnten. Gegen diese Sorgfaltspflicht habe der Schiffsführer des MS "P." schuldhaft verstoßen. Dieser sei nach eigener Aussage mit MS „P." mit Radar in dichtem Nebel zu Tal gefahren und habe, wie auch durch seine Ehefrau, die Zeugin L., bestätigt worden sei, dann im Bereich der Severinsbrücke ca. 700 bis 800 m voraus das Echo eines Bergfahrers bemerkt. Da die Vorauslinie seines Radargerätes auf den Kopf des entgegenkommenden Echos verlaufen sei und dieser Bergfahrer, nämlich SV „D.", auf zweifachen Anruf über Funk nicht geantwortet habe, sei ihm somit nach seiner eigenen Darstellung bewusst gewesen, dass der Standort oder der Kurs des entgegenkommenden Schiffes eine Gefahrenlage verursache. Als Radartalfahrer habe er somit seine Fahrt nur noch so schnell fortsetzen dürfen, dass er sofort hätte anhalten können. Der Kurs hätte so eingerichtet werden müssen, dass eine Vorbeifahrt mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand hätte erfolgen können. Angesichts der gegebenen unklaren Verkehrssituation auf dem Strom und einer möglichen Gefahrenlage hätte MS „P." anhalten und aufdrehen müssen. Es habe nicht genügt, die Maschine zu drosseln. Denn den Radartalfahrer treffe eine besondere Verantwortung, weil er mit erheblicher Geschwindigkeit zu Tal fahre und einen größeren Halteweg benötige als der Bergfahrer. Außerdem hätte MS „P." das Dreitonzeichen geben und so oft wie notwendig wiederholen müssen. Gegen diese besondere Sorgfaltspflicht habe der Schiffsführer verstoßen, indem er trotz erkannter Gefahrenlage weitergefahren sei.
Einen weiteren schuldhaften Verstoß des Schiffsführers von MS „P." gegen die RheinSchPV, insbesondere gegen § 6.04 RheinSchPV wegen Nichtbeachtung einer Kursweisung des Bergfahrers hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf das Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme verneint.
Der Schiffsführer von SV „D." habe keine rechtzeitige und eindeutige Kursweisung, die die Talfahrt zu beachten gehabt hätte, erteilt. Ein schuldhafter Verstoß des Schiffsführers des MS „P." gegen eine bestehende Anordnung einer geregelten Begegnung Steuerbord an Steuerbord im Bereich der Unfallstelle könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Zwar sei unstreitig zwischen den Parteien, dass der dort übliche Kurs der Schifffahrt eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord vorsehe. Es habe hingegen nicht festgestellt werden können, ob
darüber hinaus durch Schifffahrtszeichen gemäß Anlage 7 zur RheinSchPV auch eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord vorgeschrieben gewesen sei (Zeichen B.3 a). Allein der Umstand, dass der Schiffsführer von MS „P." schließlich kurz vor der Kollision seinen Kurs nach Steuerbord gehalten habe und damit nicht im schifffahrtsüblichen Kurs habe begegnen wollen, begründe kein Verschulden an dem Unfall. Die Beachtung der schifffahrtsüblichen Kurse sei zur Zeit der Schleppschifffahrt von großer Bedeutung gewesen, weil starke Strömungen in den Flusskrümmungen die Fahrt schwierig und gefahrvoll gestaltet hätten. Die heutige Schifffahrt sei hingegen zu einer sicheren Fahrt auch gegen erhebliche Strömung in Flusskrümmungen und Hanglagen hinreichend technisch ausgerüstet. Unter diesen Umständen komme auf dem Rhein schifffahrtsüblichen Kursen
nur noch an besonderen Gefahrenstellen Bedeutung in dem Sinne zu, dass anderen Fahrzeugen dort ein Weg zu weisen sei, der den gesteigerten Anforderungen an die Sorgfalt zur Vermeidung gefahrvoller Begegnungen entspricht (Straßburg, Urteil vom 10.06.1998, AZ: 374 Z 7/98). Das Rheinschifffahrtsgericht sah keinen Grund, die Unfallstelle als eine solche besondere Gefahrenstelle zu bewerten. Darüber hinaus verbleibe es im Bereich solcher besonderer Gefahrenstellen dabei, dass der Bergfahrer zur Kursweisung berechtigt und verpflichtet sei und der Talfahrer die Kursweisung zu beachten habe, selbst wenn die Bergfahrt eine Weisung entgegen dem üblichen Kurs erteile.
Das Rheinschifffahrtsgericht hielt im Rahmen der Abwägung der Verschuldensbeiträge des Schiffsführers des MS „P." und des Schiffsführers des SV „D." eine Verteilung von 1/3 zu Lasten des Schiffsführers von SV „D." und von 2/3 zu Lasten des Schiffsführers von MS „P." für angemessen. Dem Schiffsführer von SV „D." könne zugute gehalten werden, dass er im Nebel nur vorsichtig und sehr langsam weitergefahren sei und dabei den üblichen Kurs rechts-rheinisch gewählt habe. Dem Schiffsführer des MS „P." könne zugute gehalten werden, dass er ebenfalls im Nebel vor eine von ihm nicht zu verantwortende unklare Situation gestellt worden sei. Beide Schiffsführer hätten im Nebel nicht hinreichend sorgfältig gehandelt. Schwerer wiege allerdings der Verstoß des Schiffsführers des MS „P.", denn nach § 6.32 RheinSchPV treffe gerade den Radartalfahrer eine besondere Verantwortung, weil er mit erheblicher Geschwindigkeit zu Tal fahre und einen größeren Anhalteweg benötige als der Bergfahrer.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Zulässigkeit des Feststellungsantrages gemäß §256 ZPO mit Blick auf die Schwierigkeit, die entstandenen Kosten zur Zeit der Klageerhebung in der Höhe noch nicht vollständig beziffern zu können und angesichts der drohenden Verjährung bejaht. Es hat der Feststellungsklage dem Grunde nach zu 1/3 stattgegeben, sie zu 2/3 aber als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und eine Entscheidung nach ihren erstinstanzlichen Anträgen begehrt. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Annahme eines Mitverschuldens der Schiffsführung des MS „P." Die Nichtabgabe des Dreitonsignals, auf dessen Abgabe der Verordnungsgeber durch Neufassung des § 6.32 RheinSchPV ab 1.4.2002 verzichtet habe, kann ihrer Meinung nach dem Schiffsführer nicht angelastet werden. Dies sei auch nicht unfallursächlich geworden. Bei der Fahrt nach optischer Sicht (Sichtweite praktisch null) habe der Schubverband notwendigerweise die Orientierung verloren und sei erst recht nicht in der Lage gewesen, der entgegenkommenden Schifffahrt
sachgerechte Weisungen zu erteilen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Schiffsführer des Schubverbandes das Funksprechgerät unsachgemäß benutzt habe. Für den Schiffsführer des Talfahrers habe es nahegelegen, auf den Sprechfunk zu achten, anstatt beim Erkennen der Gefahr die Dreitonsignale zu geben, deren Lärm bekanntlich den Sprechfunk übertöne, so dass etwaige Ansagen gleichzeitig nicht wahrgenommen werden könnten. Nicht zutreffend sei ferner, dass der Talfahrer unter den gegebenen Umständen hätte anhalten und aufdrehen müssen; denn damit würden unerfüllbare Anforderungen gestellt. Die Beklagten sehen ein alleiniges Verschulden der Schiffsführung des Talfahrers
als ursächlich für den Unfall an. Ein Mitverschulden des Beklagten zu 2 als Schiffsführer des Schubverbandes könne nicht — wie im angefochtenen Urteil geschehen — daraus hergeleitet werden, dass er nicht die erforderlichen Kenntnisse in der Radarfahrt besessen habe. Diese Wertung sei unzutreffend, weil er bereits seit dem 11.4.1978 über das tschechische Radarpatent verfüge und darüber hinaus im Februar 2002 das für die Fahrt auf dem Rhein erforderliche Radarpatent und das ungarische Radarpatent erworben habe.
Allein die Berufung der Klägerin ist — wenn auch nur teilweise — erfolgreich. Die Berufungskammer folgt dem Rheinschifffahrtsgericht insofern, als beide Schiffsführungen den Zusammenstoß schuldhaft verursacht haben. Sie vermag jedoch unter Berücksichtigung des Tatsachenvortrages der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren nicht festzustellen, dass das Verschulden der einen oder der anderen Seite überwiegt.

Folglich hat sie in Anwendung der Regelung in § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSchG für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.4.2003 verkündete Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort — 5 C 27/02 BSch — geändert: Die Zahlungsklage ist dem Grunde nach zur Hälfte gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Schiffern Z. und L. auch die Hälfte aller weiteren Kosten zu ersetzen, die diesen anlässlich des Schiffsunfalls „P."/"D." am 10.11.2001 in Köln entstanden sind. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.


Zur Begründung führt sie aus:
I.
1. Dem Beklagten zu 2 ist zunächst vorzuwerfen, dass er entgegen § 6.30 Nr. 3 und Nr. 7 RheinSchPV bei Einsetzen des unsichtigen Wetters (dichter Nebel) mit dem von ihm geführten ca. 170 m langen Schubverband nicht sofort die Bergfahrt eingestellt und soweit als möglich das Fahrwasser freigemacht hat. Gestützt auf das Ergebnis der umfangreichen
Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren sieht es die Berufungskammer als erwiesen an, dass vom Schubverband aus schon beim Erreichen der Zoobrücke und während der Fahrt auf der Strecke von der Zoobrücke (bei Strom-km 690,16) bis zur Hohenzollernbrücke (bei Strom-km 688,48) die zunehmende Sichtverschlechterung auszumachen war und dass der Verband spätestens in Höhe der Hohenzollernbrücke in dichten Nebel geraten ist. Der Beklagte zu 2 wäre daher schon im Hinblick darauf, dass er nicht im Besitz eines für den Rhein gültigen Radarpatentes war und das Radargerät deshalb nicht benutzt werden durfte (§ 4.06 Nr. 1 Buchst.c RheinSchPV), als Führer des ca. 170 m langen Schubverbandes bei Einsetzen des unsichtigen Wetters bereits unterhalb der Hohenzollernbrücke zur Fahrteinstellung verpflichtet gewesen. Denn nach der seinerzeit gültigen Vorschrift des § 6.30 Nr. 7 RheinSchPV war die Fahrt bei unsichtigem Wetter für Fahrzeuge mit einer Länge von mehr als 110 m nur unter Benutzung der Radaranlage zulässig. Dem können die Beklagten nicht unter Hinweis auf angeblich hinreichende Radarkenntnisse des Beklagten zu 2 entgegenhalten, dass nach ganz herrschender und richtiger Auffassung Schiffe Radar unterstützend zur Navigation bei der Fahrteinstellung einsetzen dürfen, wenn kein Inhaber des Radarpatentes an Bord ist. Denn dabei wird übersehen, dass dies nur jene Fälle betrifft, in denen die Benutzung des Radars gem. § 4.06 RheinSch- PV erlaubt ist, aber im konkreten Fall nach optischer Sicht gefahren wird. Nichts anderes ergibt sich aus der von den Beklagten angeführten Fundstelle im Kommentar von Bemm/v. Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., unter § 6.30 Rdnr. 10, insbesondere wenn dazu die Kommentierung unter § 4.06 Rdnr. 6 und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom
20.9.1973 (Versicherungsrecht 1974, S. 134 (135)) berücksichtigt werden. Unabhängig davon hätte, worauf das Rheinschifffahrtsgericht abgehoben hat, die Fahrt auch nach der allgemeinen Vorschrift des §6.30 Nr. 3 RheinSchPV eingestellt werden müssen. Denn mit einem Verband von 170m Länge, auf dem, wie von der Klägerin unbestritten vorgebracht, nicht einmal ein Ausguck aufgestellt war, war bei einsetzendem dichten Nebel mit schwankenden Sichtweiten die gefahrlose Fortsetzung der Fahrt nicht mehr möglich. Gegen dieses Gebot hat der Beklagte zu 2 verstoßen, indem er weiter bergwärts bis in den Bereich gefahren ist, in dem nach seiner Darstellung seinerzeit eine Engstelle zwischen dem rechtsrheinisch liegenden Bagger und linksrheinisch liegenden Wahrschauflößen vorhanden gewesen sein soll. Dass der Beklagte zu 2 wegen des im dortigen Bereich bestehenden absoluten Liegeverbots beabsichtigte, noch etwas weiter zu fahren, um oberhalb der Liegeverbotsstrecke (oberhalb der Severinsbrücke) vor Anker zu gehen, lässt die Berufungskammer nicht als Entlastung gelten. Es muss in diesen Fällen sofort angehalten werden, wobei allerdings das Fahrwasser so weit wie möglich freizumachen ist.
2. Die Berufungskammer schließt sich weiter der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts an, dass dem Beklagten zu 2 als weiterer schuldhafter Verursachungsbeitrag der Umstand angelastet werden müsse, dass er unstreitig die bei dem unsichtigen Wetter nach § 6.33 RheinSch-PV vorgeschriebenen Schallzeichen nicht gegeben hat.
3. Darüber hinaus hat es der Beklagte zu 2 — von seiner Darstellung der Sichtverhältnisse ausgehend — versäumt, die nach § 6.04 Nr. 4 RheinSchPV zur Kursweisung vorgeschriebenen Schallsignale abzugeben. Dies hätte erfolgen müssen. Denn bei dem herrschenden Nebel und aufgrund der Tatsache, dass er selbst den ankommenden Talfahrer nicht optisch sehen konnte, war nicht nur zu befürchten, sondern von vornherein klar, dass der Talfahrer seine Begegnungsweisung gern. § 6.04 Nr. 3 Buchst. b RheinSchPV nicht rechtzeitig würde erkennen können, was notwendig gewesen wäre, um dieser noch ohne Gefahr Folge leisten zu können. Dies um so mehr, als der Beklagte zu 2 sogar wusste, dass der Talfahrer mehr oder weniger auf Kollisionskurs entgegen kam. Denn nach eigener Angabe hatte er auf dem Radarschirm den Talfahrer etwa in Höhe der Severinsbrücke ausgemacht, als dieser sich etwa 10 m rechts neben der Vorauslinie seines Fahrzeuges befand, was bei einem höhenmäßigen Abstand von überschlägig 500 m zu diesem Zeitpunkt nicht einmal 2 Grad entspricht. Unter den gegebenen Umständen reichte es, um der Bergfahrt die Weisung zur Begegnung Steuerbord an Steuerbord zu geben, nicht aus, dass der von dem Beklagten zu 2 geführte Schubverband, wie aufgrund der Zeugenaussagen feststeht, im rechtsrheinischen Fahrwasser mit gesetzter blauer Tafel und Funkellicht fuhr. Denn die Begegnungsweisung der Bergfahrt durch Setzen der blauen Tafel und Funkellicht war infolge des Nebels vom Talfahrer bei der Annäherung nicht zu erkennen. Dass dort die Begegnung üblicherweise Steuerbord an Steuerbord erfolgt. ist ohne Belang. Insofern schließt sich die Berufungskammer uneingeschränkt der Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts an. Die Abgabe der Schallsignale wäre unter den dargelegten Umständen nur dann entbehrlich gewesen, wenn zu diesem Zeitpunkt durch eine Begegnungsabsprache über Funk, wie sie nur für Fahrzeuge in der Radarfahrt durch § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV ausdrücklich vorgeschrieben ist, Klarheit über die bevorstehende Begegnung schon bestanden hätte oder sofort geschaffen worden wäre. Nach § 6.30 Nr. 2 RheinSch-PV müssen alle Fahrzeuge bei unsichtigem Wetter den anderen Fahrzeugen die für die Sicherheit der Schifffahrt notwendigen Nachrichten geben. Das ist jedoch nicht geschehen, Die Berufungskammer teilt die Würdigung durch das Rheinschifffahrtsgericht, dass der Beklagte zu 2 keine eindeutige und rechtzeitige Begegnungsweisung über Funk erteilt habe, weil es sich bei den in Höhe der Hohenzollernbrücke und der Deutzer Brücke erfolgten Funkdurchsagen nur um Standortmeldungen gehandelt hat und weil die erst danach gegebene Kursweisung zu spät erfolgt ist. Denn zu diesem Zeitpunkt betrug der höhenmäßige Abstand keine 200 m mehr, so dass hierin keine rechtzeitige Begegnungsweisung des Bergfahrers mehr gesehen werden kann (vergl, BGH, VersR 1974, 282). Nach der Überzeugung der Berufungskammer hat aber auch der Schiffsführer Z. von MS „P." dadurch zum Unfall beigetragen, dass er nicht die gesteigerte Sorgfaltspflicht
beachtet hat, die ihn bei der Fahrt bei unsichtigem Wetter als Radartalfahrer traf.
Das Rheinschifffahrtsgericht habe dem Schiffsführer Z. zu Recht angelastet, dass er es bei der aus seiner Sicht bestehenden Gefahrenlage entgegen der Vorschrift des § 6.32 Nr. 3 RheinSchPV unterlassen hat, das vorgeschriebene Dreitonsignal abzugeben und die Geschwindigkeit so zu reduzieren, dass erforderlichenfalls noch Bug zu Tal hätte angehalten werden können. Ausgehend von den Möglichkeiten des auf MS „P." installierten Radargeräts und mit Rücksicht darauf, dass die Radarantenne achtern an Steuerbordseite auf dem 95 m langen Fahrzeug aufgestellt war, war nach Auffassung der Berufungskammer selbst bei nur 1200 m Voraussicht auf jedem Fall eine Strecke von gut 1100 m vor dem Bug
seines Fahrzeuges zu überblicken. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren muss sich für den Talfahrer aus dem Radarbild die Gewissheit ergeben haben, dass Berg- und Talfahrt auf solchen Kursen lagen, aus denen bei weiterer Annäherung mangels Begegnungsabsprache eine Gefahrenlage entstehen konnte, so dass für den Talfahrer Anlass zum sofortigen Handeln bestand. Eine bloße Standortmeldung über Funk, wie sie nach den Angaben des Schiffsführers Z. und seiner Ehefrau im Bereich der Severinsbrücke abgegeben worden sein soll, war kein geeignetes Mittel zur Abwehr der sich abzeichnenden Gefahr. Vielmehr wird die erkannte Bergfahrt in einem solchen Fall üblicherweise direkt wegen der anstehenden Begegnung angesprochen. Es hätte folglich, nachdem eine Funkmeldung der Bergfahrt ausblieb, sofort gehandelt werden müssen, und zwar durch Abgabe des Dreitonsignals und Geschwindigkeitsreduzierung auf das Maß, das erforderlich war, um notfalls noch rechtzeitig Bug zu Tal anhalten zu können. Hierdurch wäre mit Sicherheit die Kollision zu vermeiden gewesen, zumindest in dieser Schwere, Denn bei rechtzeitiger Abgabe des Dreitonsignals wäre der Beklagte zu 2 auf die ankommende Talfahrt aufmerksam geworden und hätte sei es über Funk oder durch Schallzeichen — der Talfahrt die Weisung zur Begegnung Steuerbord an Steuerbord erteilt, der diese dann noch hätte folgen können, Bei der von Z, berichteten Geschwindigkeit des Talfahrers von ca. 14-15 km/h und der Geschwindigkeit des Verbandes von 4-4,5 km/h näherten sich die Fahrzeuge mit maximal 5,4 m/sec. Die behauptete Standortmeldung des Talfahrers erfolgte, als der höhenmäßige Abstand Kopf zu Kopf noch bei etwa 800 Metern lag. Um diese Strecke zurückzulegen, wäre ohne jegliche Geschwindigkeitsreduzierung eine Zeitspanne von rund zweieinhalb Minuten erforderlich gewesen, bei einem sofortigen Aufstoppen noch wesentlich mehr. Schon hieraus wird deutlich, dass nach dem Ausbleiben einer Antwort der Bergfahrt auf die behauptete Standortmeldung die sofortige Abgabe des Dreitonsignals noch rechtzeitig eine Verständigung über die dort übliche Begegnung Steuerbord an Steuerbord ermöglicht hätte und damit auch die Kursänderung der Talfahrt nach Steuerbord, nach rechtsrheinisch, kurz vor der Kollision unterblieben wäre. Zu Unrecht hält die Klägerin die Auffassung des Erstrichters, die Talfahrt hätte bei der vorhandenen Situation anhalten oder aufdrehen müssen, entgegen, bei dem geforderten Rückwärtsmanöver hätte das Fahrzeug die Steuerfähigkeit verloren. Das 95 m lange MS „P. ist entsprechend §5.07 Nr. 1 RheinSchUO technisch so eingerichtet, dass unter Beibehaltung ausreichender Manövrierfähigkeit rechtzeitig Bug zu Tal angehalten werden kann, was von der SUK überprüft wird. Mithin war auch ein Anhalten, zumindest eine deutliche Geschwindigkeitsreduzierung bei MS „P." durchaus möglich. Nach den Anforderungen in den Richtlinien für die SUK muss bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 13 km/h die Geschwindigkeit Null nach Zurücklegen einer Fahrstrecke von maximal 480 Metern erreicht sein.
III. Zusammenfassend stellt die Berufungskammer fest, dass beide Schiffsführungen in erheblicher Weise die sie bei der Fahrt bei unsichtigem Wetter treffenden gesteigerten Sorgfaltspflichten verletzt haben, bei deren Beachtung auf beiden Seite es nicht zu dem Zusammenstoß gekommen wäre. Allein nach den zum Unfallhergang vorliegenden verlässlichen Erkenntnissen zum tatsächlichen Geschehen vermag die Berufungskammer jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass das Verschulden der einen Seite als schwerer zu bewerten ist als das der Gegenseite. Demgemäß sind nach § 92 c Abs. 1 Satz 2 BSchG die Schiffseigner zu gleichen Teilen ersatzpflichtig, was gern § 92 f BSchG auch für die Haftung der unfallbeteiligten Schiffsführer gilt und zur Folge hat, dass die Klage dem Grunde nach zu 1/2 gerechtfertigt ist. Insoweit hat von den von beiden Seiten eingelegten Berufungen nur jene der Klägerin in geringem Umfang Erfolg. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO gegeneinander
aufzuheben.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2006- Nr.5 (Seite 52 ff.); ZfB 2006, 52 ff.