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Leitsätze:
Auch gegen einen die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zurückweisenden Beschluss eines Rheinschifffahrtsgerichts kann nach Art. 37 MA bei der Berufungskammer der ZKR Berufung eingelegt werden. Ist ein Vollstreckungsbescheid, ebenso wie der vorherige Mahnbescheid, durch Niederlegung bei der Post zugestellt worden und sind hierüber schriftliche Benachrichtigungen, wie bei gewöhnlichen Briefen üblich, abgegeben worden (Hausbriefkasten), wird einem Schiffsführer, der bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Vorkehrungen treffen konnte, dass ihm der Bescheid so rechtzeitig zur Kenntnis kam, dass er seine Rechte fristgerecht wahren konnte, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht bewilligt.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt
vom 14.9.2000
- 400 Z - 3/00 -
(Rheinschifffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten wegen einer Schadensersatzforderung in Höhe von DM 9.749,04 nebst Zinsen einen Vollstreckungsbescheid vom 8.1.1999 mit der Begründung erwirkt, der Beklagte habe mit TMS „H" am 25.8.1999 bei Rhein-km 543,8 die dort ausliegende rote Fahrrinnentonne abgefahren und den Vorausdraht des Eimerkettenbaggers „S" beschädigt. Dieser Vollstreckungsbescheid ist dem Beklagten durch Niederlegung bei der Post am 15.1.1999 zugestellt worden. Durch Schriftsatz vom 10.2.1999, eingegangen bei Gericht am 11.2.1999, hat der Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid vom 8.1.1999 Einspruch eingelegt und gegen die Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei ohne sein Verschulden verhindert gewesen, die Einspruchsfrist einzuhalten. Die behauptete Anfahrung eines bei Rhein-km 543,8 liegenden Ankers und einer Tonne sei nicht durch ihn erfolgt.
Durch Beschluss vom 9.9.1999 hat das Rheinschifffahrtsgericht den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zurückgewiesen und den Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid vom 8.1.1999 als unzulässig verworfen. Zur näheren Begründung seiner Entscheidung hat das Rheinschifffahrtsgericht ausgeführt, der Beklagte habe sich nach seiner eigenen Darstellung erst ab 3.1.1999 an Bord seines Schiffes befunden und hätte deshalb vor dem 3.1.1999 von dem ihm am 12.12.1998 zugestellten Mahnbescheid Kenntnis nehmen können, wenn er diesen von der Niederlegungsstelle abgefordert hätte. Hätte er sich so verhalten, hätte er gewusst, dass die Klägerin gegen ihn ein gerichtliches Verfahren eingeleitet hatte und hätte dann Vorkehrungen treffen können, dass ihn gerichtliche Zustellungen so rechtzeitig erreichten, dass er darauf fristgerecht reagieren konnte. Der Beklagte sei deshalb nicht ohne eigenes Verschulden gehindert gewesen, die Einspruchsfrist einzuhalten.
Gegen diesen Beschluss hat der Beklagte Berufung eingelegt und die Entscheidung der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt erbeten. Der Beklagte macht geltend, er habe bis heute weder den Mahn- noch den Vollstreckungsbescheid erhalten. Ihm sei die erste Verantwortlichstellung der Klägerin an Bord seines Schiffes zugestellt worden. Er habe deshalb darauf vertrauen dürfen, dass weitere Zustellungen an ihn wie üblich an Bord erfolgen. Er habe sich praktisch ununterbrochen an Bord seines Schiffes befunden und erst durch den Gerichtsvollzieher Kenntnis von dem Vollstreckungsbescheid erhalten. Die Klägerin tritt den Ausführungen des Beklagten entgegen und meint, der Beklagte hätte seine an Land wohnende Ehefrau mit der Kontrolle seiner Post beauftragen können.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen einen Vollstreckungsbescheid kann einer Partei nur dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden, wenn sie ohne Verschulden nicht in der Lage war, die Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen unter den hier gegebenen Umständen nicht vor.
Mahn- und Vollstreckungsbescheid sind dem Beklagten durch Niederlegung bei der Post zugestellt worden. Ausweislich des Aktenausdrucks des Amtsgerichts ist in beiden Fällen die schriftliche Benachrichtigung über die Niederlegung wie bei gewöhnlichen Briefen üblich abgegeben worden (Hausbriefkasten). Unter diesen Umständen hätte der Beklagte von der Zustellung des Mahnbescheides am 12.12.1998 Kenntnis nehmen können, nachdem er am 30.12.1998 nach Hause kam. Er hätte dann seine Post, bei der sich auch die Benachrichtigung über die Niederlegung des Mahnbescheides befinden musste, durchsehen und bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt feststellen können, dass gegen ihn ein Mahnbescheid ergangen war. Er hätte dann den Mahnbescheid einfordern und sich durch seine Ehefrau berichten lassen können.
Wäre er so verfahren, hätte er, wie das Rheinschifffahrtsgericht mit Recht ausgeführt hat, Vorkehrungen treffen können, dass ihm der Vollstreckungsbescheid so rechtzeitig zur Kenntnis kam, dass er seine Rechte wahren konnte. Er hätte z. B. seine Ehefrau anweisen können, auf weitere Zustellungen zu achten und ihn in einem solchen Falle fernmündlich zu unterrichten, was jederzeit über Funktelefon möglich gewesen wäre. Insofern unterscheidet sich der hier zur Entscheidung stehende Fall von dem, der der Entscheidung des Schifffahrtsobergerichts Karlsruhe im Beschluss vom 14.10.1997 - W 1/97 B Sch - zugrunde lag. Dort war der Schiffsführer praktisch das ganze Jahr an Bord und hatte keine Gelegenheit, von der Zustellung zu erfahren und Einspruch einzulegen.
Dass die niedergelegten Schriftstücke später bei der Post nicht mehr auffindbar waren, wie der Beklagte behauptet, schließt sein Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist nicht aus, denn der Beklagte stellt selbst nicht in Abrede, dass ihn die Benachrichtigung über die Zustellung des Mahnbescheides erreicht hat, was ihn zu weiteren Vorkehrungen hätte veranlassen müssen. Es mag sein, dass eine persönliche Zustellung des Vollstreckungsbescheides an Bord zweckmäßiger gewesen wäre, zumal die Verantwortlichstellung auch in dieser Form erfolgt war. Hierauf durfte sich der Beklagte jedoch nicht verlassen, auch wenn er auf seine Zurückweisung der Forderung der Klägerin nichts mehr von der Sache gehört hatte. Er musste in Rechnung stellen, dass er einen Wohnsitz an Land hatte und dort alle Zustellungen an ihn erfolgen konnten. Er war deshalb schon jedenfalls gehalten, seine Post sofort durchzusehen, wenn er an Land war. Dass er so verfahren ist und er gleichwohl keine Kenntnis von dem Mahnbescheid erhalten, ihm also die Benachrichtigung über die Niederlegung nicht zu Gesicht gekommen ist, hat der Beklagte nicht einmal behauptet, geschweige denn glaubhaft gemacht.
Der Beklagte hat also seine Pflichten in eigenen Angelegenheiten schuldhaft versäumt. Hierauf beruht, wie ausgeführt, die Versäumung der Einspruchsfrist. Die Berufung des Beklagten musste daher auf seine Kosten gemäß § 97 ZPO als unbegründet zurückgewiesen werden…."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2001 - Nr.2 (Sammlung Seite 1815 f.); ZfB 2001, 1815 f.