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4 U 171/12 - Oberlandesgericht (-)
Decision Date: 04.03.2013
File Reference: 4 U 171/12
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Oberlandesgericht Bamberg
Department: -

Leitsätze:

1) Die Vermittlung von Frachtaufträgen unter Ausübung einer Zahlstellenfunktion und Verauslagung von Beträgen ist eine Dienstleistung im Sinne des Artikel 51 b EuGVVO. Erfüllungsort dieser Leistung ist der Sitz des Vermittlers; liegt dieser in Deutschland, sind die deutschen Gerichte international zuständig.
2) Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit ist es ausreichend, dass der Vermittler seine Tätigkeit schlüssig darlegt. Diese Darlegung ist eine sogenannte doppelrelevante Tatsache, sie ist also nicht nur für die Begründetheit, sondern auch für die Zulässigkeit der Klage maßgeblich, sodass für die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit eine Beweiserhebung nicht erforderlich ist.

Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg

vom 04. März 2013

Az.: 4 U 171/12

(Landgericht Würzburg Az.: 62 0 1317/10)

I. Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg, Zweite Instanz:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 02. August 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Würzburg zurückverwiesen ...

Abgekürzte Urteilsbegründung:

Das Landgericht geht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass eine Gerichtsstandsvereing barung nicht nachgewiesen ist bzw. ausreichender Vortrag hierfür fehlt. Die Frage kann aber im Ergebnis dahinstehen, weil die internationale Zuständigkeit über Art. 5 Abs. 1 b EuGVVO begründet ist. Die Klagepartei trägt schlüssig unter Bezugnahme auf einen deutschsprachigen Vertragsentwurf vor, dass sie lediglich Frachtaufträge vermittelt habe, Zahlstellenfunktion ausgeübt habe und Beträge auch vertragsgemäß für die Beklagte vorverauslagt habe. Diese Tätigkeit wäre als Dienstleistung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 b EuGVVO einzustufen. Da es sich um sogenannte doppelrelevante Tatsachen handelt, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine schlüssige Darlegung dieser
Umstände, um die internationale Zuständigkeit zu begründen.

II. Urteil des Landgerichts Würzburg, erste Instanz:

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche für - nach dem Vortrag der Klägerin durch sie erbrachte - Leistungen in Form der Vorverauslagung von Geldern für die Beklagte. Beide Parteien haben jedenfalls spätestens ab Ende des Jahres 2009 sowie zu Beginn des Jahres 2010 in der Form zusammen gearbeitet, dass die in Rumänien ansässige Beklagte, Eignerin des Schiffs »C« nach Vermittlung oder Beauftragung durch die Klägerin eigenverantwortlich Transporte und Frachten mittels des benannten Schiffes durchführte. Die Klägerin behauptet, sie habe im Zeitraum Dezember 2009 bis März 2010 im Rahmen dieser Zusammenarbeit mit der Beklagten für diese diverse Gelder für Reparaturkosten, Lotsenabrechnungen, Gasöl, Trinkwasser und sonstiges Schiffsmaterial u. a. in einer Gesamthöhe von 20.628,34 Euro verauslagt. Diese Beträge seien der Beklagten in Rechnung gestellt, von ihr jedoch nicht beglichen worden. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass für die Entscheidung über die von ihr geltend gemachten Ansprüche das Landgericht Würzburg international zuständig sei, da zwischen den Parteien, bei denen es sich unstreitig um Vollkaufleute handele, Würzburg als Gerichtsstand vereinbart worden sei. Diese Vereinbarung ergäbe sich aus § 7 eines zwischen den Parteien geschlossenen Kooperationsvertrages. Dieser Vertrag sei Ende November 2009 von den Parteien unterzeichnet und somit geschlossen worden, wobei man Würzburg als Gerichtsstand vereinbart habe. Darüber hinaus habe sich auf Auftragsbestätigungen und Schreiben der Klägerin jeweils der Hinweis befunden, dass der Gerichtsstand der Klägerin Würzburg sei. Dem habe die Beklagte niemals widersprochen. Auch hieraus ergäbe sich eine Gerichtsstandvereinbarung und somit eine Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg. Zudem könne sich eine Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg auch aus Art. 5 EuGVVO herleiten lassen. Die Klägerin habe die vertraglich geschuldeten Dienstleistungen, also die Unterstützung der durch die Beklagte durchzuführenden Transporte, von ihrem Firmensitz in X aus erbracht. Zudem sei der Gerichtsstand des § 440 HGB zu berücksichtigen, wobei sämtliche Übernahme- und Ablieferungsorte in Deutschland liegen würden. Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.628,34 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin die von ihr behaupteten Leistungen bzw. Zahlungen erbracht hat. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte für die Durchführung der Transporte und somit auch für die Reparaturkosten, Ausstattung des Schiffes usw. allein verantwortlich gewesen sei.

Die Beklagte vertritt darüber hinaus jedoch insbesondere auch die Auffassung, dass eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg nicht gegeben sei. Vielmehr sei eine denkbare Klage vor einem rumänischen Gericht zu erheben. Es habe keine Gerichtsstandvereinbarung zwischen den Parteien gegeben. So sei zwischen den Parteien niemals durch einen von beiden Seiten unterzeichneten Kooperationsvertrag Würzburg als Gerichtsstand vereinbart worden. Die Beklagte habe zwar wiederholt auf den Abschluss eines solchen Vertrages gedrängt. Sie habe der Klägerin daher etwa im Frühjahr 2010 einen durch die Beklagte unterzeichneten Vertragsentwurf übergeben, der jedoch als Gerichtsstand, G., Rumänien, bezeichnet habe und sei nach Wissen der Beklagten niemals durch die Klägerin unterzeichnet worden sei. Soweit die Klägerin nunmehr ein von beiden Seiten unterzeichnetes Exemplar vorlege, das als Gerichtsstand Würzburg angebe, sei dies ohne Beweiskraft nach § 416 ZPO. Der angebliche Vertrag sei lediglich auf der letzten Seite - zudem noch ohne Datum - unterzeichnet. Auf der relevanten Seite mit der angeblichen Gerichtsstandvereinbarung sei der Vertrag dagegen weder unterzeichnet noch paraphiert. Die Beklagte habe niemals ein Interesse darangehabt, eine Stadt in Deutschland als Gerichtsstand zu akzeptieren. Soweit auf Rechnungen oder sonstigen Schreiben der Klägerin der Hinweis enthalten sei, dass Würzburg der Gerichtsstand sei, erfülle ein solcher Hinweis nicht die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO und sei nicht geeignet, eine wirksame Gerichtsstandvereinbarungzu begründen. Auch aus der Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 bEuGVVO ergäbe sich keine Zuständigkeit des Landgerichts. Die Beklagte habe der Klägerin gegenüber letztlich Frachtleistungen erbracht, die nicht als Dienstleistungen i. S. dervorgenannten Vorschrift anzusehen seien. Weiterhin sei eine Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg auch nicht auf die Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO zu stützen.Zunächst sei der Sachvortrag der Klägerin, sie habe die Leistungen, bzgl. derer sie nunmehr Ansprüche aus Aufwendungsersatz geltend mache, von ihrem Geschäftssitz auserbracht zu bestreiten. Unabhängig hiervon sei jedoch der Erfüllungsort nach der vorliegend durch die Klägerin behaupteten Zahlungsverpflichtung der Beklagten zubestimmen. Erfüllungsort der -angeblichen- Zahlungspflicht sei dann jedoch der Sitz der Beklagten und somit ein rumänisches Gericht. Die von der Klägerin ergänzend zitierte Vorschrift des § 440 HGB werde durch die anzuwendenden Normen der EuGVVO verdrängt. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sonstige Aktenteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:


Die Klage ist unzulässig, da eine  internationaleZuständigkeit des Landgerichts zur Entscheidung über die geltend gemachten Ansprüche nicht besteht.


1) Eine internationale Zuständigkeit ergibt  sich nicht mit hinreichender Sicherheit aus einer schriftlichen, in Form des vorgelegten Kooperationsvertrages geschlossenen Gerichtsstandvereinbarung nach Art. 23 EuGVVO. Zwar behauptet die Klägerin unter Vorlage des - angeblich - durch die Parteien geschlossenen Kooperationsvertrages, dass eine solche im November 2009 wirksam getroffen wurde. Insoweit ist festzustellen, dass der vorgelegte Kooperationsvertrag, sofern er tatsächlich in der von der Klägerin behaupteten Form geschlossen worden wäre, zwar grundsätzlich geeignet wäre, eine Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg zu begründen. Dies bestreitet die Beklagte jedoch gerade.
Vielmehr behauptet sie, ein Vertrag, in dem als Gerichtsstand Würzburg bezeichnet worden
sei, sei niemals abgeschlossen worden. Sie habe sich zwar um den Abschluss eines entsprechenden Vertrages zur dauerhaften Regelung der Zusammenarbeit bemüht, wobei als Gerichtsstand G. in Rumänien hätte vereinbart werden sollen, da keinerlei Interesse an einem deutschen Gerichtsstand bestanden habe. Soweit die Beklagte wisse, sei der von ihr unterzeichnete Entwurf jedoch niemals von der Klägerin unterzeichnet worden und somit wirksam zustande gekommen. Es sei zu vermuten, dass die Seite, die die Gerichtsstandvereinbarung betreffe, ausgetauscht worden sei. Das Gericht kann sich nicht mit hinreichender Gewissheit davon überzeugen, dass die Parteien tatsächlich übereinstimmend einen Kooperationsvertrag betreffend ihrer Zusammenarbeit geschlossen haben, der Würzburg als vereinbarten Gerichtsstand ausweist. Es ist zutreffend, dass es grundsätzlich ohne weiteres möglich gewesen wäre, die Seite, auf der sich die Passage betreffend die Gerichtsstandvereinbarung befindet, auszutauschen und Würzburg gegen G. zu ersetzen oder umgekehrt. Die einzelnen Seiten sind nicht nochmals gesondert unterzeichnet. Auch ist es auffällig, dass die Vereinbarung - durch keine Seite - datiert wurde. Es mag grundsätzlich auch auffällig sein, dass das die Gerichtsstandvereinbarung betreffende Vorbringen und die Vorlage der jeweiligen Unterlagen durch die Klägerin erst im
laufenden Verfahren sukzessive erfolgt ist.
Allerdings kann sich das Gericht unter Würdigungdes jeweiligen Sachvortrages, der auf beiden Seiten Widersprüchlichkeiten enthält, keine abschließende Meinung bilden,wie sich die Vorgänge zwischen den Parteien tatsächlich abgespielt haben. Die Beweiskraft des § 416 ZPO entfaltet in Anbetracht der Gesamtumstände insbesondere im Hinblick auf die Seite des Vertrages, der § 7 enthält, keine Wirkung. Objektive Beweismittel, mittels derer sich das mögliche Zustandekommen einer solchen Vereinbarung zwischen den Parteien weiter aufklären lassen könnte, wurden nicht angeboten.Diese Unklarheit geht zu Lasten der Klägerin, die sich auf die Wirksamkeit des von ihr vorgelegten Vertrages und die dort angeblich getroffene Zuständigkeitsvereinbarung beruft.


2) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich eine Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg auch nicht aus etwaigen Hinweisen der Klägerin auf den Gerichtsstand auf Rechnungen oder sonstigen Schreiben. Auch insoweit behauptet die Klägerin letztlich das Zustandekommen einer Gerichtsstandvereinbarung, die sich - ebenso wie der von ihr behauptete Kooperationsvertrag- an der Vorschrift des Art.23 EuGVVO messen lassen muss, in welcheres u. a. heißt:

Artikel 23 (1) Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet seines Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so
sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden a) schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung, b) in einer Form,welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder c) im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung sind strenge Anforderungen an das »konkludente« bzw. halbschriftliche Zustandekommen derartiger Vereinbarungen im internationalen Rechtsverkehr zu stellen, auch wenn es sich bei beiden Beteiligten um Vollkaufleute nach deutschem Recht handelt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Eine eindeutige schriftliche Vereinbarung wurde, wie bereits ausgeführt, nicht getroffen bzw. kann sich das Gericht hiervon nicht mit der erforderlichen Sicherheit überzeugen. Aber auch für ein sonstiges wirksames Zustandekommen hat die beweisbelastete Klägerin keinen überzeugenden Sachvortrag erbracht. Die Klägerin beruft sich letztlich darauf, dass sie auf ihren Schriftstücken jeweils auf den Gerichtsstand Würzburg hingewiesen habe, wogegen die Beklagte sich nie gewandt habe. Dies erfüllt noch nicht einmal die Anforderungen der sogenannten Halbschriftlichkeit. Insoweit kann exemplarisch Bezug genommen werden auf das Urteil des OLG vom 18.04.2011, Az. 5 U 199/10, in welchem es u. a. heißt: »...Grundsätzlich verlangt Art. 23 Abs. 1 EuGVVO zweierlei: eine inhaltliche Einigung auf einen Gerichtsstand und die Einhaltung einer bestimmten Form. Nur in der zweiten Komponente unterscheiden sich die Varianten des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO (BGH, U. v.06.07.2004, X ZR 171/02, NJW-RR 2005,150, 152; Geimer/Schütze, Art. 23 Rn. 101, 115, 118a). Als Formen stehen die vom Landgerichterörterten Varianten zur Verfügung,nämlich beiderseitige Unterzeichnung (»Vollschriftlichkeit«, formlose Einigung mit nachfolgenderschriftlicher Bestätigung einer Seite (»Halbschriftlichkeit«) sowie - als Ersatz
für eine Dokumentation - eine entsprechende Gepflogenheit im Geschäftsverkehr zwischen den Parteien...... Hinsichtlich der zweiten Variante der halbschriftlichen Form spricht viel dafür, dass die Beklagte laufend Auftragsbestätigungen erhalten hat, auch wenn sie und die
von ihr benannte Zeugin S. dies in Abrede gestellt haben. Diese Auftragsbestätigungen nehmen Bezug auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Gerichtsstandsklauselenthalten zu Gunsten der deutschen Gerichtsbarkeit. Auch wenn hiervon zu Gunsten der Klägerin ausgegangen wird, reicht dies für eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. b EuGVVO aber deshalb nicht aus, weil der schriftlichen Bestätigung jeweils eine mündliche Vereinbarung hättevorausgehen müssen. Solche mündlichen Vereinbarungen sind weder konkret dargelegt noch nachgewiesen......

Die erforderliche ausdrückliche oder konkludente Einigung kann nicht ersetzt werden durch laufend übersandte Auftragsbestätigungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es für die Schriftform nicht einmal aus, wenn die Partei, zuderen Lasten die Gerichtsstandsvereinbarung geht, eine schriftliche Erklärung unterzeichnet, nachdem sie vom Inhalt der Klausel Kenntnis erhalten hat (BGH, Urteil vom 06.07.2004, X ZR 171/02, NJW-RR 2005, 150, 151). Ebenso hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden, dass es grundsätzlich nicht reicht, wenn Gerichtsstandsvereinbarungen auf Rechnungen oder Auftragsbestätigungen abgedruckt sind und laufend übersandt werden (BGH, Urteil vom 25.02.2004, VIII ZR 119/03, NJW-RR 2004, 1292, 1293)....
Aus ähnlichen Gründen scheitert eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. c) EuGVVO. Aus der Art und Weise, wie die Parteien ihre Geschäfte miteinander abgewickelt haben, lässt sich zwar möglicherweise die Gepflogenheit - also die tatsächliche Übung - entnehmen, Auftragsbestätigungen zu übersenden. Der Zweck der Auftragsbestätigungen bestand allerdings hauptsächlich darin, die Ausstattung der bestellten Fahrzeuge im Einzelnen niederzulegen. Die erforderliche inhaltliche Einigung auf allgemeine Geschäftsbedingungen kann darin noch nicht gesehen werden.« Die vorgeschilderten Grundsätze lassen sich auch auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen. Die Klägerin behauptet im Ergebnis lediglich, dass sie der Beklagten jeweils in allen Schreiben, die der des Deutschen nicht kundigen Beklagten übersetzt worden seien, den Hinweis auf den Gerichtsstand Würzburg erteilt habe, ohne dass diese widersprochen habe. Da es sich bei beiden Parteien um Kaufleute handele, entspräche das Vorgehen dem allgemein Üblichen im internationalen Handelsverkehr, dies habe die Beklagte gewusst oder
wissen müssen. Gemessen an der Vorschrift des Art. 23 Eu-GVVO und den diesbezüglich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen erfüllt noch nicht einmal der Sachvortrag der Klägerin die entsprechenden Anforderungen. Eine eventuell vorausgegangene mündliche Absprache mit nachfolgender schriftlicher Bestätigung wird noch nicht einmal durch die Klägerin behauptet. Worin eine zwischen den Parteien bestehende Gepflogenheitoder auch nur ein üblicher Handelsbrauch, den beide Parteien kannten oder kennen mussten, konkret liegen soll, ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Dem diesbezüglichen Sachvortrag der Klägerin lässt sich derartiges nicht entnehmen. Die Anwendung des Art. 23 EuGVVO kommt demnach insgesamt nicht in Betracht.


3) Eine Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg lässt sich auch nicht auf die Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO stützen, da es sich bei den von den Parteien geschuldeten Leistungen nicht um Dienstleistungen i. S. d. Vorschrift handelt. Dies wäre jedoch eine zwingende Voraussetzung, um im vorliegenden Verfahren über die genannte Norm zu einer internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg zu kommen. Insoweit wird exemplarisch Bezug auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28.02.2012, Az. XI ZR 9/11 genommen, in welchem es u. a. heißt: Art. 5 Nr. 1 EuGVVO knüpft in Buchst. b), anders als in Buchst. a), nicht an den materiell-rechtlichen Erfüllungsort der jeweils streitigen Verpflichtung an, sondern insgesamt an den nach faktischen Kriterien zu bestimmenden Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung. Das ergibt sich, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift, einen einheitlichen Gerichtsstand für sämtliche Klagen aus dem Dienstleistungsvertrag zu schaffen (BGH, Urteile vom 2. März 2006 - IX ZR15/05, WM 2006, 980 Rn. 14 f. und vom 22. April 2009 - VIII ZR 156/07, NJW 2009, 2606 Rn. 17; ebenso MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., EuGVO Art. 5 Rn. 13 und 15; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., VO (EG) 44/2001 Art. 5 Rn. 10; Staudinger/Hausmann, BGB, Bearb. 2002, Anh. II zu Art. 27-37 EGBGB Rn. 68).
Hieran fehlt es jedoch, wenn die Beklagte für die Klägerin tatsächlich, wie von ihr behauptet, Frachtleistungen erbracht hat. Diese sind tatsächlich nicht als Dienstleistungen i. S. d. Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO einzuordnen. Insoweit hat die Beklagte nachvollziehbar Bezug auf das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 02.05.2005, Az. 415 0 184/04, genommen, in welchem es u. a. heißt: ...In die von der Klägerin angebotene Beweisaufnahme ist jedoch nicht einzutreten, weil sich die internationale Zuständigkeit - jedenfalls auch - aus Art. 5 Nr. la) EuGVVO herleitet. Dieser lit. a) ist hier für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes maßgeblich - und nicht etwa lit. b), wenngleich dieser eine Sonderregelung ausdrücklich »für die Erbringung von Dienstleistungen« vorsieht und unter Dienstleistungen auch Werkverträge, zu denen Frachtverträge grundsätzlich zählen, gehören. Denn nach europäischem Recht fallen Verkehrsverträge nicht unter den Begriff der Dienstleistungen (vgl. Art. 51 EGV); dies findet auch in der Sonderregelung in Art. 28 Abs. 4 EGBGB bzw. demzugrunde liegenden Londoner Schuldrechtsübereinkommen Ausdruck...
Bezogen auf die aktuell in Kraft befindlichen Vorschriften (was beispielsweise bzgl. des in der Entscheidung zitierten Art. 28 EGBGB nicht mehr der Fall ist) ergibt sich auch aus der Vorschrift des Art. Rom 15, dass Beförderungsverträge bzgl. Gütern gerade nicht als Dienstleistungen im europarechtlichen Sinn entsprechend Art. Rom 14 1 b einzuordnen sind. Zutreffend trägt die Beklagte weiterhin vor, dass sie faktisch in Ansehung der im Wesentlichen durch die Klägerin vorgelegten Unterlagen, auch des Kooperationsvertrages,
der ja - abgesehen von der Frage des Gerichtsstandes - unstreitig das wiedergeben soll, was zwischen den Parteien praktiziert wurde, für die Klägerin Frachtaufträge ausgeführt hat.
Auch für das Gericht ergibt sich aus den Formulierungen der §§ 1, 3, 4 des Kooperationsvertrages, auf dessen Wirksamkeit sich die Klägerin gerade beruft, dass die Beklagte für die Klägerin Frachten ausgeführt hat bzw. ausführen sollte. Soweit anhand der ebenfalls durch die Klägerin vorgelegten Aufträge vom 16.12.2009, 08.01.2010 und 28.01.2010 nachvollziehbar, hat die Klägerin die Beklagte mit der Ausführung der jeweiligen
Frachten direkt beauftragt und nicht lediglich einen Frachtvertrag mit einer dritten Firma vermittelt, die dann ihrerseits die Beklagte beauftragt hätte. Insgesamt müssen die vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien daher als Frachtverträge ausgelegt werden, in deren Rahmen die Klägerin möglicherweise - hierüber hat das Gericht mangels Zuständigkeit nicht zu befinden - Gelder für die Beklagte verauslagt und daher Zahlungsansprüche gegen diese hat. Diese durch die Klägerin behaupteten »Vorschusszahlungen«, die sie für die Beklagte in Form der Begleichung von Rechnungen oder auch der Auszahlung von Bargeld erbracht haben will, sind - unter Berücksichtigung des durch die Klägerin selbst vorgelegten, nach ihren Behauptungen sogar abgeschlossenen Kooperationsvertrages, hier insbesondere (jedenfalls indirekt) der Regelung des § 3 Nr. 2 - als vertragliche Nebenpflichten des jeweiligen Frachtvertrages einzustufen, für welche die Klägerin nunmehr Ersatz bzw. Ausgleich begehrt. Nachdem Frachtverträge nicht als Dienstleistungen i. S. europarechtlicher Vorschriften und insbesondere der Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO anzusehen sind, kann sich eine Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg auch nicht aus dieser Vorschrift ergeben.
4) Ebenso wenig ergibt sich die Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg aus der Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 a EuGVVO, die nach Art. 5 Nr. 1 c EuGVVO zur Anwendung kommt, da die Voraussetzungen des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO, wie festgestellt, gerade nicht gegeben sind. Nach dieser Vorschrift ist zu prüfen, wo sich der Erfüllungsort bzgl. der konkreten verfahrensgegenständlichen Forderung (hier: mögliche Zahlungsverpflichtung der Beklagten) befindet, wobei - anders als bei der Vorschrift des Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO - ein einheitlicher Gerichtsstand gerade nicht zwingend angestrebt ist. Insoweit wird exemplarisch Bezug genommen auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2010, Az. IX ZR 108/09, in welchem es u. a. heißt: Der im Streit befindliche Vertrag enthält mehrere wechselseitige Pflichten. Wo diese zu erfüllen sind, beurteilt sich nach dem materiellen Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit der Sache befassten Gerichts maßgeblich ist (lex causae; st. Rspr. des EuGH seit dem Urt. v. 6. Oktober 1976 - Tessili, NJW 1977, 491; BGHZ 157, 224, 231; BGE 124 III 188, 189; Geimer/Schütze aaO Rn. 76 ff m.w.N.). Nach Art. 27 EGBGB a.F ist dies deutsches Recht, weil die Parteien in § 8 Nr. 2 der Vereinbarung vom 30. April 2001 eine entsprechende Rechtswahl getroffen haben. Maßgeblich ist deshalb §269 BGB. Danach hat der Schuldner die ihm obliegende Leistungshandlung dort zu erbringen, wo er zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, sofern nicht ein anderer Ort für die Leistung entweder vereinbart oder aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist. Bei gegenseitigen Verträgen besteht im Allgemeinen kein einheitlicher Leistungsort; dieser muss vielmehr für jede Verpflichtung gesondert festgestellt werden (BGH, Urt. v. 4. März 2004 - IX ZR 101/03, WM 2004, 2038, 2039; v. 24. Januar 2007 - XII ZR 168/04, NJW-RR 2007, 777, 778 Rn. 12). Nach dem im vorliegenden Fall die jeweiligen Frachtaufträge im Wesentlichen von, nach oder durch Deutschland ausgeführt wurden, erscheint die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien den größten Bezug nach Deutschland zu haben. Die Frage des Erfüllungsortes ist daher nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus Art. 5 Abs. 1 Rom 1. Nach den §§ 269, 270 BGB ist als Erfüllungs bzw. Leistungsort der Zahlungsverpflichtung der Wohn- bzw. Geschäftssitz des Schuldners anzusehen, so dass sich die Zuständigkeit der rumänischen Gerichtsbarkeit ergibt. Nur ergänzend sei festzuhalten, dass sich an diesem Ergebnis auch nichts ändern würde, wenn man die von der Klägerin behaupteten Zahlungsvorgänge - abweichend von der vorstehenden Beurteilung - rechtlich nicht als Nebenpflicht des Frachtvertrages, sondern als unentgeltliche Darlehen einordnen würde. Auch in diesem Fall würde sich keine Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg ergeben. Vielmehr wäre die charakteristische Leistung dieser Darlehen in Deutschland, dem Ort der Geldhingabe, anzusiedeln, so dass sich unter Anwendung deutschen Rechts der Erfüllungsort am Wohnsitz des Schuldners befände, vgl. Urteil des OLG Düsseldorf vom 02.10.1997, Az. 12 U 180/96, m. w. N.
5) Eine denkbare Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg nach § 440 HGB wird durch die spezielleren Vorschriften des Europarechts verdrängt.
6) Mangels internationaler Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg ist eine Entscheidung über das bestehen möglicher Zahlungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte weder erforderlich noch möglich.

Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Timo Bauer,
Frankfurt am Main

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2013 - Nr.7 (Sammlung Seite 2237 ff.); ZfB 2013, 2237 ff.