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Leitsätze:
1) Eine Schiffahrtssperre, auch wenn sie durch eine Festfahrung verursacht ist, ist ein völlig alltäglicher Vorgang und gehört zur normalen Betriebsgefahr des Schiffes, das in der Sperre zum liegen kommt.
2) Eine adäquate Kausalität eines pflichtwidrigen Verhaltens liegt nicht vor, wenn zur Schadenverursachung Umstände hinzugetreten sind, die dem Verursacher weder bekannt noch als optimalem Beobachter erkennbar waren, weil das Zusammentreffen der Umstände so außergewöhnlich ist, dass es in keiner Weise erkennbar und zurechenbar war. Wird ein Schiffsführer durch die Festfahrung eines anderen Schiffes veranlasst, im Strom ständig zu machen, so ist es durch die Festfahrung nicht adäquat kausal oder zurechenbar verursacht, wenn bei Wiederaufnahme der Fahrt des ständig gemachten Schiffes ein Koppeldraht in die Schraube dieses Schiffes gerät. Ein derartiger Schadenverlauf ist auch von einem optimalen Schiffsführer nicht vorherzusehen.
3) Die Erhebung einer Klage unterbricht die Verjährung nicht, wenn zwischen Klageeinreichung und Zustellung ein Zeitraum von knapp zehn Monaten verstrichen und die Dauer der Verzögerung nicht vom Gericht zu vertreten ist; die Klage ist nicht mehr als »demnächst« zugestellt im Sinne des§ 167 ZPO anzusehen.
4) Eine Klagezustellung durch die Wasserschutzpolizei ist schiffahrtsüblich. Ein entsprechender Antrag entlastet den Kläger aber nicht wenn er wesentlich früher Gelegenheit hatte, durch eigene Anfrage beim zuständigen Einwohnermeldeamt die aktuelle Adresse des Beklagten in Erfahrung bringen zu können. Es entlastet den Kläger auch nicht, wenn er gelegentliche Sachstandsanfragen an das Gericht richtet, ohne selbst noch etwas zu unternehmen, um die Zustellung der Klage zu ermöglichen.
Urteil des Rheinschiffahrtsgerichtes St. Goar
vom 16. Januar 2014
Az.: 4 C 9/12 BSchRh
nicht rechtskräftig
Aus den Gründen:
... Diese Verjährung wurde auch nicht durch Klageerhebung unter dem 28.12.2012 gemäß § 204 Abs.1 Nr. 1 BGB gehemmt, weil zwischen Klageeinreichung und Zustellung ein Zeitraum von knapp 10 Monaten verstrichen ist und die Klagezustellung deshalb nicht mehr als »demnächst« im Sinne des § 167 ZPO angesehen werden kann. Zwar ist die Dauer der Verzögerung grundsätzlich gleichgültig, wenn sie nicht vom Kläger, sondern vom Gericht zu vertreten ist (Palandt, § 204 BGB Rnd. Nr. 8), davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden, denn die Klägerin hat nach Klageeinreichung bis auf gelegentliche Sachstandsanfragen nichts mehr unternommen, um die Zustellung der Klage zu ermöglichen. Vielmehr war es das Gericht, das nach dem Antrag der Klägerin auf Bewilligung der öffentlichen Zustellung nochmals von Amts wegen eine Aufenthaltsanfrage betreffend den Beklagten gestartet und daraufhin die zutreffende Anschrift ermittelt hat, so dass letztlich unter dem 24.10.2013 die Zustellung der KIage erreicht werden konnte. Dies war allerdings grundsätzlich nicht die Aufgabe des Gerichts, obwohl eine nochmalige Anschriftenermittlung vor Bewilligung einer öffentlichen Zustellung geboten erscheint. Die Klägerin hätte aber wesentlich früher durch eigene Anfrage beim zuständigen Einwohnermeldeamt die aktuelle Adresse des Beklagten in Erfahrung bringen können. Das Gericht erhält auch keine anderen oder genaueren Auskünfte als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin. Dem steht auch nicht entgegen, dass klägerseits mit Klageerhebung die schifffahrtsübliche Klagezustellung durch die Wasserschutzpolizeistation Duisburg beantragt wurde, weil es bei Schifffahrt treibenden Personen eher möglich ist, diese auf dem fahrenden Schiffs als unter ihrer Heimatanschrift zu erreichen, jedoch ist unter Abwägung mit den schutzwürdigen Interessen des Schuldners, der auf die Verjährungsvorschriften vertraut, dem Gläubiger durchaus zuzumuten, auch nach Beauftragung der Wasserschutzpolizei mit einer Fahndung nach dem Schuldner weiterhin eigene Ermittlungen anzustellen, um die zutreffende Anschrift des Schuldners festzustellen. Es besteht nämlich auch die Möglichkeit, dass ein Schuldner inzwischen die Schifffahrt aufgegeben hat und sich nur noch an Land aufhält. Im Hinblick darauf kann unter Abwägung der beiderseitigen Interessen letztlich eine fast 10-monatige Frist zwischen Klageeinreichung und Zustellung ohne weiteres Zutun der für die Anschriftenermittlung verantwortlichen Klägerin nicht mehr als demnächst im Sinne des§ 167 ZPO angesehen werden, so dass die Klageeinreichung als solche nicht die Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB bewirken konnte ...
Darüberhinaus fehlt es aber auch an der Kausalität einer Handlung des Beklagten dafür, dass ein verlorengegangener Draht in die Schraube des klägerischen Schiffes geriet. Das Ständigmachen und die Wiederaufnahme der Fahrt sowie Ort und Zeitpunkt dieses Manövers sind durch die Schiffsführung des MS »Sagittaruis« nach eigener Entscheidung gefällt worden. Zu einem Schaden kam es erst, als die Schiffsbesatzung von MS »Sagittaruis« die Talfahrt wieder aufnehmen wollte. Allein dieses Manöver war Ursache für den angeblichen Schraubenschaden so wie möglicherweise der Umstand, dass ein unbekanntes Schiff an dieser Stelle einen Koppeldraht verloren hat. Diese Ursachen liegen aber völlig außerhalb der Einflusssphäre der Schiffsführung von TMS »Eddie«. Diese musste nicht damit rechnen, dass sich ein Koppeldraht im Strom befindet und ein talfahrendes Schiff ausgerechnet an dieser Stelle ein Fahrmanöver durchführt, dass auch noch dazu führt, dass der Koppeldraht in die Schraube geriet. Der Bundesgerichtshof hat die Kausalitätslehre im laufe der Jahre immer weiter präzisiert und nicht nur die Adäquanztheorie sondern auch den Zurechnungszusammenhang als weitere Einschränkung der Kausalitätslehre eingeführt. Danach liegt keine adäquate Kausalität eines Verhaltens vor, wenn Umstände hinzutreten, die dem Verursacher weder bekannt noch als optimalem Beobachter erkennbar waren, sodass auch einem optimalen Beobachter beim Zusammentreffen vieler Bedingungen diese ihm nicht mehr zurechenbar sein können (BGHZ 3, 261, 270). Die hier vorliegenden Umstände konnte auch ein optimaler Schiffsführer nicht erkennen weil das Zusammentreffen der Umstände so außergewöhnlich ist, dass es in keiner Weise erkennbar und damit zurechen bar war.
Im Übrigen ist eine Schifffahrtssperre eir völlig alltäglicher Vorgang. Sie gehört zur normalen Betriebsgefahr eines Schiffes. Es gibt zudem zahlreiche Möglichkeiten, auf einen solchen Vorgang zu reagieren. Der Umstand, dass die Schiffsführung der Klägerin sich dazu entschloss, mit rückwärtsdrehender Maschine ständig zu machen und über Stunden das Schiff so in Position zu halten, ist eine außergewöhnliches nautisches Manöver, das allein der nautischen Verantwortung der Schiffsführung der Klägerin oblag und von dem Beklagten in keiner Weise beeinflusst wurde. Dabei hat sich dann das ganz normale Betriebsrisiko eines Schiffes verwirklicht, denn im Rhein befinden sich an vielen Stellen auf dem Grund Fremdkörper, die in die Schraube eines Schiffes geraten können. Durch den normalen Sog einer Schraube können sie jederzeit angesaugt werden und in die Schraube geraten ...
Anmerkung der Redaktion
Das Rheinschiffahrtsgericht St. Goar hat sich mit dem vorliegenden Urteil nochmals zur Frage der Kausalität bei Schiffshavarien geäußert (so schon im Urteil vom 24. Oktober 2073, ZfB Sammlung Seite 2251 ff). Interessant ist zunächst die Aussage, dass eine Schiffahrtssperre, auch wenn sie havariebedingt ist, zur normalen Betriebsgefahr eines von der Schiffahrtsperre betroffenen Schiffes gehört. Die Frage, ob und wann eine Schiffahrtsperre zum normalen Betriebsrisiko eines Schiffes gehört, ist in der Rechtsprechung schon mehrfach irn Zusammenhang mit der Frage erörtert worden, ob ein von einer Schiffahrtsperre betroffenes Schiff Nutzungsverlustansprüche gegen denjenigen erheben kann, der schuldhaft die Ursache für diese Schiffahrtssperre gesetzt hat. (Dazu zuletzt Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt, Urteil vom 18. März 2013, Az.: 473 Z 1/13 - ZfB 2013, Sammlung Seite 2227 ff). Davon zu unterscheiden ist die vorliegend entscheidungserhebliche Rechtsfrage, wann eine Festfahrung, die Ursache für die Schiffahrtssperre war, und eine Havarie, die ein von der Schiffahrtssperre betroffenes Schiff erleidet, adäquat, also haftungsbegründend zurechenbar verbunden sind. Das Rheinschiffahrtsgericht St. Goar hat dazu ausgeführt, dass die nautische Verantwortung für Manöver im Zusammenhang mit einer Schiffahrtssperre bei dem Schiff verbleibt, das die Manöver ausführt. Führen im Zusammenhang mit diesem Manöver Ursachen, die völlig außerhalb der Einflusssphäre des die Schiffahrtssperre verursachenden Schiffes liegen, zu einem Schaden, so ist diese Ursache durch das festgefahrene Schiff nicht adäquat kausal gesetzt und damit der Schiffsführung des festgefahrenen Schiffes nicht mehr zurechenbar.
Sehr grundlegend sind auch die Ausführungen zur schiffahrtsrechtlichen Verjährung und der verjährungshemmenden Wirkung einer Klage:
Die Verjährungsfristen im Schifffahrtsrecht sind kurz, beim Zusammenstoß zweier Schiffe zwei Jahre nach dem Schadenereignis und bei Ansprüchen aus Verschulden der Schiffsbesatzung ohne Zusammenstoß oder Fernschädigung ein Jahr nach Ablauf des Jahres, in welchem sich das Schadenereignis zugetragen hat. Um rechtzeitig verjährungsunterbrechend Klage erheben zu können, muss festgestellt werden, wer Schiffseigner oder Ausrüster und wer Schiffsführer war und wo zugestellt werden kann. Dazu ist in Schiffahrtssachen die Zustellung durch die Wasserschutzpolizei üblich, die aber den Nachteil hat, dass sie erfahrungsgemäß durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen kann, da die Wasserschutzpolizei das Schiff abpassen muss. Um die Namen und ladungsfähigen Anschriften des Schiffsführers sowie des Ausrüsters oder Schiffseigners zu ermitteln, hat der von einer Havarie betroffene Schiffsführer die Möglichkeit, ein Verklarungsverfahren nach § 11 BinSchG zu beantragen. Unabhängig vom Verlauf der Havarie ist schon allein dies eine ermittlungswürdige, verklarungswürdige Tatsache, da nach dem deutschen Schifffahrtsrecht allein die reine Eigentümerstellung eine Passivlegitimation für Klagen aus Verschulden der Schiffsbesatzung nicht begründet. Nach ganz herrschender Auffassung hemmt die Durchführung eines Verklarungsverfahrens die Verjährung nicht. Der Kläger selbst muss sich um eine zeitnahe Zustellung bemühen und selbst geeignete Maßnahmen ergreifen, um bei erfolglosen Zustellungsversuchen eine neue Anschrift zu ermitteln. Da der Kläger dies vorliegend unterlassen hatte und die Klage erst nach knapp zehn Monaten nach Verjährung zugestellt wurde, hat das Rheinschiffahrtsgericht St. Goar die Klage als nicht verjährungsunterbrechend gewertet.
Die vorliegend veröffentliche Entscheidung ist nichts rechtskräftig, gegen das Urteil wurde Berufung beim Rheinschiffahrtsobergericht Köln eingelegt. Dort ruht allerdings das Verfahren; es ist nicht sicher, dass es wieder angerufen wird. Daher besteht die Möglichkeit, dass das Berufungsgericht in dieser Sache nicht mehr entscheidet. Im Hinblick auf die interessanten Ausführungen des Urteiles erster Instanz ist es trotz bisher fehlender Rechtskraft veröffentlichungswürdig.
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer, Frankfurt am Main
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2014 - Nr. 12 (Sammlung Seite 2329 f.); ZfB 2014, 2329 f.