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Urteil des Amtsgerichts – Rheinschiffahrtsgericht St. Goar
vom 30.08.2004
4 C 8/04.BSchRh
Tatbestand:
Der Kläger unternahm am 1. September 2003 mit seiner Ehefrau sowie Freunden eine Schifffahrt.
Auf der Fahrt von Bonn nach Linz unterbrach man die Fahrt in Unkel. Als die Gruppe dann weiterfahren wollte, wandte sich der Kläger an den Beklagten, der als Schiffsführer von FGTS S auf der Fahrt von Linz nach Bonn war und in Unkel Kopf zu Berg anlegte. Der Beklagte verneinte indes, nach Linz zu fahren und verwies den Kläger und seine Bekannten an das als nächstes an dem Steiger der Bonner Personenschifffahrt anlegende Schiff. Als die Gruppe, die auf Geheiß des Beklagten auf den Steg zwischen Land und Schwimmer getreten war, den Steg verließ, stieß FGTS S mit solcher Wucht gegen den Schwimmer, dass der Steg landeinwärts verschoben wurde. Der Kläger fühlte sich bedrängt und geriet bei seinem Ausweichversuch ins Stolpern, so dass er rücklings auf die Ufersteine zu Fall kam. Dabei wurde er verletzt, weshalb der Beklagte Notarzt und Rettungswagen herbeirief. Der Kläger konnte indes die Fahrt nach Hause antreten, wo er sich in ärztliche Behandlung begab. Er war als Rentner bis zum 9. September 2003 zu 50 % eingeschränkt. Am 29. Oktober 2003 war er seit einigen Tagen beschwerdefrei.
Der Kläger hat während des Verfahrens seine Krankenkasse sowie die Beihilfe seines Dienstherren in Anspruch genommen und verlangt nunmehr neben dem an ihn zu zahlenden Schmerzensgeld Erstattung der entstandenen Arztkosten an diese.
Er trägt vor:
Der Beklagte habe FGTS S so hart angelegt, dass der Steiger um einen erheblichen Teil landeinwärts verschoben worden sei und sich bergwärts verwunden habe. Um nicht von dem Steg erfasst zu werden, habe er zur Seite springen müssen. Auch wenn der Anstoß gegen den Schwimmer auf vorbeifahrende Schifffahrt zurückzuführen sei, so hätte der Beklagte ihn rechtzeitig warnen müssen. Er wisse um die bei entsprechenden Situationen drohenden Gefahren, während diese ihm, dem Kläger, unbekannt seien.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zur Zahlung von 659,46 Euro nebst Zinsen aus 348,17 Euro seit dem 24. November 2003 in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz sowie aus 311,47 Euro seit Rechtshängigkeit zu zahlen und zwar zu 30 % an die Krankenversicherung C zu Versicherungsschein-Nr.: 180 000 774 286 und zu 70 % an die Kreiskasse des Oberbergischen Kreises in Gummersbach,
2. den Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens jedoch 1.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 24. November 2003 an ihn zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, er habe den Unfall nicht verhindern können.
So habe er den Kläger gebeten, sich dem Schiff zu nähern, um mit ihm vom Außenfahrstand des Schiffes sprechen zu können. FGTS S sei zu diesem Zeitpunkt aber schon festgemacht gewesen. Zu dem harten Anstoß gegen den Steiger sei es gekommen, weil ein zu Berg fahrendes GMS sehr nahe und mit relativ großer Geschwindigkeit vorbeigefahren sei und dabei FGTS S gegen den Steiger gedrückt habe. Gleichzeitig habe eine Böe sein Schiff erfasst, was völlig unerwartet gewesen sei. Da das Schiff mit einem elektrischen Ruder ausgestattet sei, habe er dieses nicht mehr rechtzeitig abfangen können.
Wegen des Sachvortrages der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichen Schriftsätze und Urkunden verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M, W, E, J, sowie R.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Es kann nicht als erwiesen angesehen werden, der Beklagte habe den Unfall des Klägers schuldhaft herbeigeführt. Möglicherweise war, wie die Zeugin R ausgesagt hat, das Schiff den Einflüssen vorbeifahrender Schifffahrt ausgesetzt und wurde gleichzeitig von einer Böe erfasst.
1. Eine Haftung des Beklagten gemäß § 77 BSchG i. V. m. §§ 664, 485 HGB mit der Folge, dass sich der Beklagte zu entlasten hätte, ist nicht gegeben. Nach Art. 2 der Anlage zu § 664 HGB haftet der Beförderer in Passagierschifffahrt nur für solche Schäden, die während der Beförderung eingetreten sind. Gemäß Art. 1 Nr. 8a der Anlage zu § 664 HGB umfasst die "Beförderung" aber nur den Zeitraum, während dessen sich der Reisende an Bord des Schiffes befindet oder ein- oder ausgeschifft wird. Auch letzteres war hier nicht der Fall: Unstreitig erkundigte sich der Kläger zunächst über das Reiseziel des Schiffes, bevor er an Bord gehen wollte. Den Aufenthalt auf dem Steg kann somit nicht als zur Beförderung gehörig angesehen werden.
- 2. Der Beklagte ist deshalb für den dem Kläger entstandenen Schaden nur dann verantwortlich, wenn er diesen schuldhaft herbeigeführt hat. Dies ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme indes nicht erwiesen:
a) Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Beklagte habe beim Anlegen von FGTS S am Steiger in Unkel die Verletzung des Klägers verursacht. Zwar haben die Zeugen M und W die Angaben des Klägers insoweit bestätigt. Ihren Bekundungen stehen indes die Aussagen des Zeugen J sowie der Zeuginnen E und R entgegen. Insbesondere die Zeugin R hat in überzeugender Weise bekundet, der Anlegevorgang müsse störungsfrei erfolgt sein, da sie sich bereits zu dem Zeitpunkt mit ihrem stark gehbehinderten Ehemann auf dem Steg zum Schwimmer befunden habe. Gegen die Darstellung des Klägers spricht auch, dass die Unterredung der Parteien dann über eine nicht unerhebliche Entfernung stattgefunden haben müsste. Auch wäre der Kläger beim Anlegevorgang, einem Manöver, das an sich volle Aufmerksamkeit erfordert, gestört gewesen, auch wenn er selbst bei seiner Anhörung den Vorfall so dargestellt hat, dass er den Kläger auf den Steg hatte, um dessen Gefährdung beim Anlegen zu vermeiden.
b) Ist somit zu Gunsten des Beklagten zu unterstellen, die Bewegungen des Steigers nicht durch eigene Unachtsamkeit beim Anlegen des Schiffes verursacht zu haben, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Unfall des Klägers auf eine unglückliche Verkettung verschiedener Umstände zurückzuführen ist, die der Beklagte so nicht hat voraussehen können.
Nach den Angaben des Beklagten war die Bewegung des Steigers auf Sog und Wellenschlag eine vorbeifahrenden GMS sowie den Einfluss einer plötzlich Windböe zurückzuführen. Dass Schifffahrt im Revier war, haben der Zeuge J und seine Ehefrau bestätigt, auch wenn der Zeuge Bergfahrt und die Zeugin Talfahrt wahrgenommen haben wollen. Die Zeugin R, die ob ihrer Zurückhaltung bei ihrer Aussage einen besonders glaubhaften Eindruck hinterließ, hat auch bestätigt, dass gleichzeitig mit dem auf die Vorbeifahrt eines Schiffes zurückzuführenden Ruck Wind aufgekommen sei, so als ob eine Böe das Schiff erfasst gehabt hätte (Protokoll Seite 10, B1. 69 GA). Hinzu kam, dass der Steiger, wie der Beklagte nachvollziehbar ausgeführt hat, wegen des in 2003 herrschenden extrem Niedrigwassers nicht ordnungsgemäß gegen eine Verschiebung nach Land hat gesichert werden können und der Kläger, obgleich im Bereich des Steigers reger Fußgängerverkehr herrschte, sich noch in der Nähe des Steges aufhielt. Auch wenn dem Kläger nicht vorgehalten werden kann, er habe deshalb den Unfall selbst verschuldet, kann dem Beklagten andererseits nicht zur Last gelegt werden, den Kläger nicht rechtzeitig gewarnt zu haben. Eine Warnung hätte im Zeitpunkt des Gespräches zwischen den Parteien ausgesprochen werden müssen. Wenn auch der Beklagte als Schiffsführer mit dem Einfluß von Sog und Wellenschlag rechnen musste und diesen möglicherweise sogar wegen des Kurses der vorbeifahrenden Berufsschifffahrt hat voraussehen können, so hieße es doch, die an ihn zu stellende Sorgfaltspflicht zu überspannen, wollte man ihm vorhalten, er habe den qleichzeitig auftretenden negativen Windeinfluss übersehen, auch wenn der Schifffahrt entsprechende Einwirkungen durchaus bekannt sind.
Die Kosten des Rechtsstreits waren dem Kläger aufzuerlegen.
Gemäß § 709 ZPO war das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Streitwert bis 4. August 2004: 1.348,17 Euro und danach 1.659,64 Euro.