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4 C 4/80 - Bundesverwaltungsgericht (-)
Decision Date: 29.10.1982
File Reference: 4 C 4/80
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Bundesverwaltungsgericht Leipzig
Department: -

Leitsätze

1) Zur Frage der Zustandshaftung des Bundes als Gewässereigentümer sowie zur Unterhaltspflicht nach dem Wasserhaushaltsrecht und dem Wasserstraßenrecht.

2) Die landesrechtlich begründete Ordnungspflicht des Bundes für die in seinem Eigentum stehende Bundeswasserstraße Rhein ist durch Vorschriften des Bundeswasserstraßengesetzes und des Wasserhaushaltsrechtes nicht ausgeschlossen.

3) Verpflichtung des Bundes, die infolge eines Fischsterbens auf das Rheinufer angespülten Fischkadaver zu entfernen.

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

vom 29. Oktober 1982

4 C 4/80


Zum Sachverhalt:


Die Klägerin - Stadt N. - hatte auf Anordnung des Regierungspräsidenten 15 Zentner Fischkadaver am Rheinufer und im städtischen Sporthafen einsammeln lassen, die infolge eines Fischsterbens im Rhein angeschwemmt waren. Sie forderte die beklagte Wasser- und Schifffahrtsdirektion Duisburg vergeblich auf, die entstandenen Sachkosten von ca. 1300,- DM zu erstatten. Die darauf erhobene Klage im’ verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Einzelheiten des Tatbestandes und der Begründung dieser Entscheidung sind der auszugsweise erfolgten Veröffentlichung in ZfB 1977, S. 45 zu entnehmen.

Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Klägerin zum Teil stattgegeben, soweit nämlich die Unkosten in Höhe von 865,- DM durch die Beseitigung der Fischkadaver am Rheinufer, nicht aber im städtischen Hafen entstanden waren.
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen.
Das Urteil kann für die Fragen der Zustandshaftung des Gewässereigentümers im Verhältnis zur öffentlichen Wasserwirtschaft sowie seiner wasserhaushaltsrechtlichen und wasserstraßenrechtlichen Unterhaltspflicht in der Zukunft noch erhebliche Bedeutung erlangen.

Aus den Gründen:
„...
Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass die Beseitigung der Fischkadaver weder für die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluß noch für die Erhaltung der Schiffbarkeit notwendig gewesen sei. Der Wasserabfluß oder die Schiffbarkeit auf der Bundeswasserstraße seien durch die Fischkadaver nicht gefährdet gewesen. Daraus folgt, dass die Beklagte im Rahmen der ihr wasserstraßenrechtlich obliegenden Unterhaltungspflicht nicht gehalten war, die Fischkadaver zu beseitigen. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass damit die Pflicht der Beklagten zur Beseitigung der Fischkadaver aufgrund anderer Rechtsvorschriften ausgeschlossen sei. Indem das Bundeswasserstraßengesetz in § 8 den Umfang der Unterhaltungspflicht des Bundes näher umschreibt, stehen allein die wasserstraßenrechtlichen Belange im Blickfeld. Es wäre daher verfehlt, dieser Regelung abschließenden Charakter in dem Sinne zuzumessen, dass sonstige Verpflichtungen des Bundes, die in seinem Eigentum stehende Bundeswasserstraße zu unterhalten und in einem störungsfreien Zustand zu erhalten, damit ausgeschlossen wären.
Auch aus § 28 Abs. 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. Juli 1957 (BGBI. 1 S. 1110) - WHG - ergibt sich diesbezüglich nichts zugunsten der Beklagten. Nach dieser Vorschrift umfasst die im Grundsatz dem Eigentümer (§ 29 Abs. 1 WHG) obliegende Pflicht zur Unterhaltung eines Gewässers gleichermaßen die - im vorliegenden Fall nicht in Rede stehende - Erhaltung eines ordnungsmäßigen Zustandes für den Wasserabfluß und an schiffbaren Gewässern auch die Erhaltung der Schiffbarkeit. Aus dieser gesetzlichen Regelung lässt sich ebenso wenig folgern, dass der Gewässereigentümer im Übrigen von der allgemeinen ordnungsrechtlichen Verpflichtung, sein Eigentum in einem störungsfreien Zustand zu erhalten, ausgenommen sei. Die Beschränkung des Umfangs der Unterhaltungslast auf die „Erhaltung eines ordnungsmäßigen Zustandes für den Wasserabfluß" und die „Schiffbarkeit" steht in einem sachlichen Zusammenhang mit den Regelungen der §§ 2 ff. WHG, wonach die öffentliche Ordnung des Wasserhaushalts in erster Linie durch die öffentliche Verwaltung mit Hilfe eines Instrumentariums von Erlaubnissen und Bewilligungen für näher bezeichnete Benutzungen der Gewässer (§ 3 WHG) wahrzunehmen ist. Zwar mag die allgemeine ordnungsrechtliche Zustandshaftung des Gewässereigentümers wenig praktische Bedeutung haben, wenn durch die richtige Anwendung dieser Benutzungsordnung den Erfordernissen der öffentlichen Wasserwirtschaft hinreichend Rechnung getragen wird und zudem insbesondere die Gebietskörperschaften, Wasser- und Bodenverbände oder Zweckverbände (§ 29 Abs. 1 WHG) und schließlich auch die Gewässerschutzbeauftragten (§§ 21a, 21b WHG in der Neufassung des Gesetzes vom 16. Oktober 1976 ’,BGBI. 1 S. 30171) ihre der öffentlichen Wasserwirtschaft dienenden Aufgaben erfüllen. Sofern aber dennoch in - dann wohl atypischen - Einzelfällen alles dies nicht greift, besteht kein Grund für die Annahme, die §§ 2 ff., 28 Abs. 1 WHG seien als eine abschließende Regelung in dem Sinne gemeint, dass dadurch die Anwendung der allgemeinen ordnungsrechtlichen Vorschriften von vornherein ausgeschlossen würde. Sinn und Ziel aller Vorschriften des Wasserhaushaltsrechts ist nämlich ein möglichst umfassender Schutz des Wassers und eine Förderung des Wasserhaushalts. Dem widerspräche es, die in § 28 Abs. 1 Satz 1 WHG getroffene Regelung als Ausschluss der ordnungsrechtlichen Verantwortung des Eigentümers zu verstehen.
Daran ändert sich im Ergebnis auch dadurch nichts, dass das Land Nordrhein-Westfalen von der ihm durch § 28 Abs. 1 Satz 2 WHG (neuer Fassung) gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Unterhaltungslast des Eigentümers dahin zu erweitern, dass das Gewässer und seine Ufer auch in anderer wasserwirtschaftlicher Hinsicht in einem ordnungsmäßigen Zustand zu erhalten sind. Die dazu in § 47 des nordrhein-westfälischen Landeswassergesetzes (hier noch in der Fassung vom 22. Mai 1962, GVNW. S. 235) - LWG - getroffene Regelung, wonach zur Unterhaltung der Gewässer insbesondere die Reinigung, Räumung und Erhaltung des Gewässerbetts und ferner die Sicherung der Ufer gehören, enthält nach der irrevisiblen Auslegung des Berufungsgerichts keine Ausdehnung der Unterhaltungspflicht auf sämtliche Reinhaltemaßnahmen. Die Bedeutung des § 47 Abs. 1 WHG (alter Fassung) liegt vielmehr darin, Unterhaltungsmaßnahmen zur Erhaltung der Selbstreinigungskraft des tierischen und pflanzlichen Lebens zu gewährleisten, die im Rahmen der klassischen Unterhaltungspflicht erst viel später notwendig würden. An diese Auslegung des § 47 Abs. 1 LWG ist das Revisionsgericht gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit §§ 549, 562 ZPO gebunden.
...
Die - ordnungsrechtlich begründete - Pflicht der Beklagten zur Beseitigung der Fischkadaver wird entgegen der Auffassung der Revision nicht etwa aus bundesrechtlicher Sicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagten die Erfüllung dieser Pflicht nach allgemeinen wasserhaushaltsrechtlichen Grundsätzen und im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Abgrenzung der Kompetenzen von Bund und Ländern (Art. 30 GG) nicht abverlangt werden könnte. Gegen die Annahme einer Polizei- und Ordnungspflicht des Bundes - hier in der Form der Haftung für den gefahrlosen Zustand einer in seinem Eigentum stehenden Sache - bestehen keine grundsätzlichen Bedenken (BVerwG, Urteil vom 16. Januar 1968 - BVerwG 1 A 1.67 - BVerwGE 29, 52). Der Bund ist sowohl für den Fall, dass er nicht hoheitlich tätig wird, als auch bei einer hoheitlichen Tätigkeit der Verwaltung materiellrechtlich an die jeweils fachfremden und allgemeinen Gesetze ohne Rücksicht darauf, auf welcher Normsetzungsebene diese entstanden sind, mit dem Vorbehalt gebunden, dass die etwa kollidierenden öffentlichen Interessen im Einzelfall gegeneinander abzuwägen sind (BVerwGE 29, 52 ff. 581). Die Beseitigung von Fischkadavern im und am Rhein durch die Beklagte als ordnungspflichtigen Eigentümer ist eine nichthoheitliche Betätigung, bei der eine Kollision mit den öffentlichen Aufgaben des Bundes nicht in Betracht kommt. Auch der Widmungszweck der Bundeswasserstraße wird nicht berührt, weil die Schifffahrt auf dem Rhein von alledem nicht betroffen wird.
Ob die nichthoheitliche Betätigung des ordnungspflichtigen Gewässereigentümers - wie die Revision meint - grundsätzlich dadurch begrenzt ist, dass sie nicht als eine „Eigentümerwasserwirtschaft" in Konkurrenz zu der öffentlichen Wasserwirtschaft treten dürfe (so auch Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 2. Aufl., Einl. Rdnr. 22 IS. 521), mag hier dahinstehen. Die Bedenken der Revision, dass bei der Annahme einer allgemeinen Ordnungspflicht des Bundes als Gewässereigentümer dieser nicht nur im Falle des Schadenseintritts zu dessen Beseitigung, sondern darüber hinaus gehalten wäre, in umfassender Weise Vorsorge für den Zustand der Gewässer und demnach eine ihm nicht zukommende Wasserwirtschaft zu betreiben, sind jedenfalls in dieser Sache nicht begründet.
...
Dies ist hier im Ergebnis nicht anders, soweit nicht nur die (nachträgliche) Beseitigung des Schadens, sondern auch wasserwirtschaftliche Vorsorgemaßnahmen des Gewässereigentümers, mit denen er einer ordnungsrechtlichen Inanspruchnahme vorbeugen möchte, in Betracht zu ziehen sind. Es ist nicht willkürlich, sondern entspricht allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen, dass der Eigentümer der Sache für deren gefahrlosen Zustand selbst dann haftet, wenn die Störung ohne sein Verschulden oder gar durch höhere Gewalt eingetreten ist.
...
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass der Gewässereigentümer dem plötzlich aufgetretenen Fischsterben durch geeignete Maßnahmen hätte vorbeugen können, daran jedoch dadurch gehindert worden sei, dass die entsprechenden Einwirkungsbefugnisse ihm fehlten und allein der zuständigen Behörde zugewiesen waren. Deshalb besteht jedenfalls unter den hier gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Umständen kein Grund dafür, die ordnungsrechtliche Haftung des Gewässereigentümers aus bundesrechtlicher Sicht auszuschließen (vgl. ähnlich für den Fall des unbeabsichtigten Eindringens von Öl in das Grundwasser: BVerwG, Urteil vom 16. November 1973 - BVerwG 4 C 44.69 - Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 3 - Zeitschrift für Wasserrecht 1974 S. 296).
Da die Erfüllung der ordnungsrechtlichen Pflicht des Bundes zur Beseitigung von Fischkadavern in dem vorliegenden Fall nicht mit hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Wasserwirtschaft kollidiert, sind auch die von der Revision im Hinblick auf Art. 30 GG geäußerten Bedenken, wonach der Bund nicht - auch nicht in privatrechtlichen Formen - die den Ländern zustehenden Verwaltungsaufgaben übernehmen darf, im vorliegenden Fall unbegründet.
Andere Vorschriften des Bundesrechts, in denen die Pflicht zur Beseitigung der Fischkadaver abweichend geregelt sein könnte, gelten nicht für den vorliegenden Fall.
Das Abfallbeseitigungsgesetz, in seiner ursprünglichen Fassung vom 7. Juni 1972 (BGBI. 1 S. 873) - nunmehr geltend in der Neufassung vom 4. März 1982 (BGBI. 1 S. 281) war zur Zeit des Fischsterbens im Juni 1969 noch nicht in Kraft getreten und hat schon deshalb für den vorliegenden Fall keine Bedeutung.

Das Tierkörperbeseitigungsgesetz vom 2. September 1975 (BGBI. 1 S. 2313) war ebenfalls zum Zeitpunkt der Beseitigung der Fischkadaver (Juni 1969) noch nicht erlassen und kann daher für die Frage, wen seinerzeit die Beseitigungspflicht traf, nichts hergeben.