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Urteil des Amtsgerichts – Schiffahrtsgericht – St.Goar
vom 07. Juni 2004
4 C 12/03.BSch
Tatbestand:
Die Klägerin ist Versicherer von MS V, das am 23. Oktober 2002 auf der Donau, Komärom, Ungarn, mit dem Koppelverband bestehend aus TMS U und SL E zusammenstieß und beschädigt wurde.
Alsbald nach dem Vorfall wandte sich die Klägerin wegen der Schadensregulierung an die Beklagte, welche indes letztendlich ihre Verantwortlichkeit in Abrede stellte. Sie gab an, weder Eigentümerin noch Ausrüster des Schiffes gewesen zu sein. Eignerin sei vielmehr eine Firma Györi Hajökezelö es Kölcsönzö Bt., wie sich auch aus einer Bescheinigung des Internationalen Verkehrsinspektoriats in Budapest vom 13. März 2003 ergibt. Beide Parteien haben der Firma Euro Tankhajö Bt., die in der Auskunft als Verwenderin des Schiffes bezeichnet wurde, den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreits auf ihrer Seite beizutreten.
Die Klägerin behauptet, sie habe den Interessenten von MS V Ersatz für den bei dem Unfall erlittenen Schaden geleistet, so dass ihr aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht die Havarieforderung zustehe. Der Unfall sei von dem Schiffsführer des TMS U verursacht worden, der auf der Donau als ein besonders unsorgfältiger Schiffer bekannt sei. Dieser habe sich als Bergfahrer bei Nebel nicht gemeldet, obgleich die Schiffsführung des auf der rechten Donauseite zu Tal fahrenden MS V sich ordnungsgemäß gemeldet gehabt habe und einen klaren Kurs gefahren sei. Der Koppelverband habe indes bei einem Kopf zu Kopf Abstand von 100 bis 150 m unvermittelt seinen Kurs zum rechten Donauufer hin gerichtet, so dass MS V nicht mehr habe ausweichen können Der Schaden sei in der Weise entstanden, dass der Schubleichter mit seinem vorderen Backbordbereich in das backbordseitige Vorschiff von MS V gestoßen sei. Hierdurch sei das Vorschiff des Talfahrers von der Vorpiek bis in die erste Wallgangszelle großflächig aufgerissen worden. Der Schaden an TSL E sei wesentlich geringer gewesen.
Die Beklagte müsse sich jedenfalls als "Mitausrüster" behandeln lassen. Sie habe unmittelbar nach der Havarie sogar anläßlich eines Telefongespräches bestätigt, Ausrüsterin des Koppelverbandes zu sein. Die Beklagte benutze diesen Koppelverband auch zur Schifffahrt. Suche man im Internet nach der angeblichen Ausrüsterin, werde man auf eine Seite der Klägerin geführt, auf der diese alle ihre Aktivitäten in der Schifffahrt darstelle. Auch seien die Gesellschafter der jeweiligen Firmen weitestgehend identisch, so dass die Firma Tankhajö in Budapest als nur auf dem Papier stehend angesehen werden müsse.
In dem die Beklagte mit der Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstandes einverstanden gewesen sei, habe sie auch die Anwendung der "Lex fori" gewählt, im übrigen sei die Haftung des Ausrüsters nach ungarischem Recht im wesentlichen gleich geregelt, wie nach deutschem Recht.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zur Zahlung vom 81.654,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 20. August 2003 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Sie trägt vor, der Unfall habe sich nicht so zugetragen, wie von der Klägerin behauptet. Tatsächlich sei in Ungarn lediglich der Schiffsführer von MS V mit einem Ordnungsgeld belegt worden, während der Schiffsführer von KV U/E lediglich "ermahnt" worden sei. Selbst wenn aber der Koppelverband den Unfall ganz oder zum Teil schuldhaft herbeigeführt habe, haftet die Beklagte nicht für den dabei entstandenen Schaden. Die Beklagte sei weder Eigentümerin noch Ausrüsterin des Verbandes. Der Koppelverband werde von der Streitverkündeten als Ausrüsterin bemannt und zur Schifffahrt verwendet. Bei der Beklagte handele es sich lediglich um ein befreundetes Unternehmen, wenn dieses auch die größte und bedeutendste Gesellschaft der Jaeger Gruppe sei. Bei der Darstellung dieser Gruppe im Internet handele es sich um eine rein werbende Darstellung, die keine rechtlich verbindlichen Aussagen machen könne. Die Beklagte sei in den ersten Tagen nach der Havarie lediglich deshalb in die Sachbearbeitung eingebunden gewesen, weil sie den Kontakt zu dem Havariekommissariat Gielich in Duisburg habe herstellen sollen.
Die Streitverkündete, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, hat ebenfalls Klageabweisung beantragt.
Sie bestätigt den Sachvortrag der Beklagten, wonach sie (Streitverkündete) den Koppelverband U/E bemannt und zur Schifffahrt verwendet.
Wegen des Sachvortrages der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet. Dabei kann dahinstehen, ob der Schiffsunfall vom 23. Oktober 2002 von der Schiffsführung des Koppelverbandes U/E ganz oder zum Teil verschuldet wurde und ob die den Eigentümern von MS V deshalb erwachsenen Ansprüche auf die Klägerin übergegangen sind. Jedenfalls haftet die Beklagte nicht für den bei der Kollision durch die Schiffsführung des Koppelverbandes verursachten Schaden, da sie weder als Schiffseignerin noch als Ausrüsterin des Koppelverbandes angesehen werden kann. Dabei kann im vorliegenden Fall sogar dahinstehen, ob hinsichtlich der Haftung ungarisches oder deutsches Recht zu Anwendung kommt. Denn nach dem Sachvortrag der Klägerin ist die Rechtslage nach beiden Rechtsordnungen gleich, jedenfalls ähnlich. Aus dem Sachvortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, ungarisches Recht rechtfertigte eine eher günstigere Beurteilung.
1. Nach dem Vortrag beider Parteien steht TMS U im Eigentum der Firma Györi Haj6kezelö es Kölcsönzö Bt., einer in Ungarn ansässigen Kommanditgesellschaft. Deren Eigentumsrechte und Pflichten werden nicht dadurch berührt, dass sie neben der Verwaltung des Schiffes auch Immobiliengeschäfte betreibt, gleichgültig in welchem Umfang dies geschehen mag. Eine Miteigentümerschaft der Beklagten wird nicht dadurch begründet, dass alle oder ein Großteil der Gesellschafter der Beklagten gleichzeitig auch Gesellschafter dieses Unternehmens sind.
2. Nach der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des Zentralen Verkehrsinspektorats ist die Streitverkündete, die Firma Euro-Tankhajö Bt., eine ebenfalls in Ungarn ansässige Kommanditgesellschaft, "Inbetriebhalterin" des Schiffes. Diese Firma ist nach dem Sachvortrag der Beklagten als Ausrüsterin von Koppelverband "Ursula von Köppen" anzusehen. Das Unternehmen stellt die Besatzung, befrachtet das Schiff, disponiert es und sorgt für die Versicherung (Bl. 196 GA).
Der Sachvortrag der Klägerin ist nicht geeignet, die so dargestellte Ausrüstereigenschaft der Streitverkündeten in Frage zu stellen:
a) Die Klägerin behauptet nicht, die Beklagte habe den Koppelverband zum Zeitpunkt des Unfalles bemannt gehabt. Dagegen spricht auch, dass der Schiffsführer des Koppelverbandes offenbar Ungar ist.
b) Es ist auch nicht im einzelnen dargelegt, die Beklagte habe das Schiff in vorliegendem Fall befrachtet. Soweit die Klägerin darlegt, die Beklagte trete werbend auch für den Bereich der Donau auf, beachtet sie nicht, dass die Werbung jeweils für die "Jaegers Gruppe" bzw. die "Reederei Jaegers" betrieben wird. Diese ist indes nicht unbedingt mit der Beklagten identisch: Bei ihr handelt es sich um eine in Duisburg ansässige GmbH. Sie kann nicht ohne weiteres mit der "Jaegers Gruppe" oder der "Reederei Jaegers" gleichgesetzt werden. Nach Angaben der Beklagten ist sie neben der Streitverkündeten im Frachtgeschäft tätig. Es ist durchaus möglich und sogar anzunehmen, dass beide Unternehmen als zur "Jaegers Gruppe" gehörend anzusehen sind und als Töchter dieses Unternehmens bezeichnet werden können, in welchem firmenrechtlichen Mantel auch immer die "Gruppe" betrieben wird. Nach den Angaben des Geschäftsführers Dr. Gunther Jaegers in dem von der Klägerin vorgelegten Artikel der Zeitschrift Binnenschifffahrt (Bl. 289 GA) handelt es sich um ein Familienunternehmen. Dies gilt auch, soweit die Disposition des Schiffes in Frage steht.
c) Allerdings behauptet die Klägerin, die Beklagte habe das Schiff versichert gehabt. Ob dies der Fall ist, kann letztlich dahinstehen, da die Versicherung durchaus durch einen Dritten besorgt sein könnte, ohne dass die Ausrüstereigenschaft tangiert wäre: Maßgebend für die Eigenschaft als Ausrüster nach dem Gesetz ist, dass dieser ein nicht ihm gehörendes Schiff entweder selbst führt oder selbst bemannt und zur Binnenschifffahrt verwendet. Eine Versicherung ist nicht einmal notwendig, weshalb diese auch von einem Dritten besorgt werden kann.
3. Auch die sonstigen von der Klägerin vorgebrachten Umstände vermögen die Ausrüstereigenschaft der Beklagten nicht zu begründen:
a) Es kann dahinstehen, ob die Mitarbeiterin der Beklagten Messer gegenüber dem Sachbearbeiter der Klägerin B. erklärt hat, die Beklagte rüste den Koppelverband aus. Abgesehen davon, dass deren Vertretungsbefugnis nicht feststeht, wird die Ausrüstereigenschaft nicht durch eine entsprechende Erklärung begründet. Die Eigenschaft als Ausrüster beurteilt sich vielmehr nach tatsächlichen Verhältnissen. Soweit die Rechtsprechung und Literatur auch insoweit auf Rechtscheinsgesichtspunkte abstellt, beruht diese Beurteilung jeweils auf einem tatsächlichen Verhältnis, das den Schluss auf die Ausrüstereigenschaft rechtfertigt.
b) Auch der Umstand, dass gewerbliche Aktivitäten der Beklagten und der Streitverkündeten jeweils gemeinsam dargestellt werden, begründet nicht die Ausrüstereigenschaft der Beklagten. Rechtlich verschiedene Firmen können durchaus gemeinsam auftreten, ohne dass dies die Haftung der jeweiligen Firmen berührt. Grundlage für die Haftung des Ausrüsters ist, wie auch die Klägerin durchaus erkennt, der Betrieb eines Schiffes mit einer dafür bestellten Mannschaft. Ein gemeinsames Auftreten der Werbung, ohne dass hierbei das Vertragsverhältnis zur Mannschaft oder die Weisungsbefugnis des Dienstherren berührt wird, vermag eine Änderung der Ausrüstereigenschaft nicht zu begründen. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob im vorliegenden Fall von einer "corporate identity" gesprochen werden kann.
4. Somit könnte eine Haftung der Beklagten allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Haftung im qualifizierten faktischen Konzern begründet sein. Dies setzte indes voraus, dass ein die Gesellschaft beherrschender Gesellschafter keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft genommen hätte (vgl. BGH NJW 1994, S. 446f.). Hierzu hat die Klägerin indes jedenfalls nicht ausreichend vorgetragen: Es ist nicht einmal zu ersehen, die Beklagte beherrsche die Streitverkündete. Ausweislich des Firmenregisterauszuges (Bl. 150ff.) ist sie nicht einmal Gesellschafterin der Streitverkündeten. Daneben fehlt es auch an Sachvortrag zu der Frage, ob die (noch immer bestehende) Streitverkündete in irgendeiner Form seitens der Gesellschafter ausgenutzt worden ist.
Gemäß § 91 ZPO waren der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, einschließlich der notwendigen Auslagen der Streitverkündeten (§ 101 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.