Decision Database
Leitsatz:
Wird bei einem Anlegemanöver die Hafenböschung beschädigt, ohne daß dem beteiligten Schiffsführer der Vorwurf eines fehlerhaften Maschineneinsatzes gemacht werden kann, geht das mit dem Manöver verbundene Schadensrisiko zu Lasten des Hafenbetreibers. Denn die Uferbefestigungen in einem Hafen müssen so stabil sein, daß die üblichen Manöver ohne Gefahren für die Schiffahrt und die Hafenanlagen ausgeführt werden können.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 24. Februar 2000
399 Z – 2/00
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 11. März 1999 - 31 C 3/98 -)
Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin des neuen städtischen Rheinhafens Speyer.
Die Beklagte ist Eignerin des TMS S ex A (110 m lang; 11,4 m breit; Tragfähigkeit 2.358 t; 1.300 kW stark, ausgerüstet mit einem Bugstrahlruder).
Am 2.1.1997 lief das von dem Zeugen D geführte TMS S leer in den Hafen Speyer ein, um an der Verladeanlage der Firma H zu laden. Das Schiff musste drehen und über Steuer zu der Verladeanlage der Firma H fahren, die sich am Ende des westlichen Ufers des Hafenbeckens befindet. An der Stirnseite des Hafenbeckens befindet sich eine gepflasterte Schrägböschung mit Vorfuß und Steinschüttung.
Als das Tankmotorschiff an der Ladestelle parallel zum Westufer festgemacht hatte und das Achterschiff nur wenige Meter von der südlichen Uferböschung entfernt lag, war diese Schrägböschung auf eine Breite von 10 m und eine Höhe von etwa 2 – 3 m weggerutscht.
Die Klägerin hat behauptet, das Abrutschen der Böschung sei von Schiffsführer D schuldhaft verursacht worden. Er sei mit dem Heck seines Schiffes zu nahe an das Südufer herangefahren, um sein Achtertau auszubringen. Er habe durch zu starken oder nicht angepassten Maschineneinsatz, also durch zu hohe Drehzahl voraus, einen derartig großen Wasserdruck auf den Vorfuß der Böschung ausgeübt, dass dieser zusammengebrochen und die Uferpflasterung daraufhin weggerutscht sei. Vor der Ankunft des TMS S sei die Uferböschung unbeschädigt gewesen.
Ihren Schaden hat die Klägerin näher auf 38.531,48 DM beziffert.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 38.531,48 DM nebst 4% Zinsen seit dem 24.12.1997 zu zahlen bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung in das TMS S sowohl dinglich als auch beschränkt persönlich haftend im Rahmen des § 114 BinnSchG.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, den Schaden der Klägerin schuldhaft verursacht zu haben. Schiffsführer Dobersalske habe nicht bemerkt, dass die Böschung während seines Anlegemanövers eingestürzt sei. Der Schaden sei schon vorher vorhanden gewesen. Er habe sich der stirnseitigen Böschung bis auf etwa 15 m genähert und sein Ankertau seitlich herausgeben müssen. Im wesentlichen sei er mit dem Bugstrahlruder gefahren, um seine Schraube nicht durch die im Hafenbecken vorhandene Eisschicht zu beschädigen. Er habe sehr verhalten unter Einsatz seines Bugstrahlruders manövriert.
Selbst wenn der Schaden beim Anlegen entstanden sei, könne ihm deshalb kein Vorwurf gemacht werden, weil eine Uferböschung so beschaffen sein müsse, dass sich dort die Schifffahrt gefahrlos bewegen könne. Offenbar habe die Böschung Vorschäden gehabt. Ihres Wissens sei TMS N nach einem Maschinenschaden in die Böschung verfallen und habe Schäden erlitten. Es werde mit Nichtwissen die Tauglichkeit der Böschung für den Zeitpunkt bestritten, als TMS S an der Anlagestelle der Firma H angelegt habe.
Das Rheinschifffahrtsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch das am 11. März 1999 verkündete Urteil die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an die Klägerin beschränkt persönlich im Rahmen des § 114 BinnSchG haftend, 38.531,48 DM nebst 4% Zinsen seit dem 28. August 1998 zu zahlen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Rheinschifffahrtsgericht ausgeführt, Schiffsführer D habe bei seinem Anlagemanöver durch zu harten Einsatz seiner Hauptmaschine auf „voraus“ den Böschungsschaden schuldhaft verursacht.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und die Entscheidung der Berufungskammer der Zentralkommission beantragt.
Die Beklagte führt aus, nur Vorschäden und Mängel der Verkehrssicherung könnten den großflächigen Einsturz der Böschung herbeigeführt haben. Die bei einem Verholmanöver über Steuer entstehenden Schraubenströme reichten – dazu bei einem Abstand zur Böschung von 10 m – nicht aus. Es sei auch davon auszugehen, dass MTS S ein ganz normales Verholmanöver ausgeführt habe, bei dem die Hauptmaschine nur geringfügig habe eingesetzt werden müssen.
Nach dem Vorbringen der Klägerin legten täglich Tankmotorschiffe an der Verladestelle der Firma H an. Hierdurch sei die Uferböschung ständig Einwirkungen der Schiffsschraube ausgesetzt worden und die Standfestigkeit der Uferböschung untergraben worden. Ein Vorschaden sei die am nächsten liegende Schadensursache.
Die Klägerin habe auch gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Als Betreiberin des Hafens habe sie die Verantwortung dafür getragen, dass sich die Schifffahrt gefahrlos im Hafen habe bewegen und manövrieren können. Bei Unterspülung der Böschung habe Gefahr aus dem Unterwasserbereich gedroht, die ohne Peilung nicht habe ausgeschlossen werden können.
An der Ladestelle der Firma H müssten alle Schiffe auf Anordnung der Hafenverwaltung in Rückwährtsfahrt anlegen. Das bedinge den Einsatz der Hauptmaschine der Schiffe. Die Schiffsführer hätten deshalb darauf vertrauen dürfen, dass die Unterwasserböschung dem unvermeidbaren Schraubenstrom standhalte, selbst wenn er wie eine Breitseite im rechten Winkel auf die Steinschüttung auftreffe. Verhole ein leeres Schiff über Steuer, verursache die Schraube eine Sogwirkung. Zu einem kurzfristigen Schraubenstrom könne es allenfalls beim Aufstoppen des Schiffes kommen, wenn die Festmacheposition erreicht sei. Einen ungleich stärkeren Schraubenstrom verursachten Schiffe nach der Beladung beim Ablegen; denn die Schraube drehe je nach Abladung in 2 – 3 m Tiefe. Unvermeidbar treffe der Schraubenstrom in einem rechten Winkel auf die Fundamente der Steinschüttung, die deshalb in regelmäßigen Abständen hätten überprüft werden müssen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen. Sie behauptet, die Anlegestelle der Firma Haltermann werde im Durchschnitt nur 1 – 2 Mal in der Woche angefahren. Ihr Hafen habe sich in einem ordnungsgemäßen und verkehrssicheren Zustand befunden. Sie habe erhebliche Aufwendungen in Form von Material und Lohnkosten jährlich erbracht, um den Hafen in einem sehr guten Unterhaltungs- und Pflegezustand zu erhalten. Der Hafen sei auch ständig kontrolliert worden.
Entscheidungsgründe:
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche nach den §§ 3, 4, 114 BinnSchG zu; denn das Abrutschen der Uferböschung im neuen städtischen Hafen Speyer am 2.1.1997 beruht nicht auf einem Verschulden von Schiffsführer D.
1. Das Rheinschifffahrtsgericht hat dem Beweisergebnis mit Recht entnommen, dass der Böschungsschaden während des Anlegen des TMS S (ex A) eingetreten ist. Das nimmt die Beklagte in der Berufungsinstanz hin. Sie wendet sich aber mit Recht gegen die weitere Feststellung des Rheinschiffahrtsgericht, dieser Schaden beruhe auf einem Verschulden ihres Schiffsführers.
2. Dem Beweisergebnis lassen sich keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Navigation von Schiffsführer D entnehmen.
Schiffsführer D musste mit seinem großen Schiff von 2.358 t und 110 m Länge zunächst im Hafen wenden und dann über Steuer an der Verladestelle der Firma Haltermann vorlegen. Auch wenn er bei seinem Manöver das Bugstrahlruder benutzte, musste er bei dem Rückwärtsmanöver selbstverständlich auch seine Hauptmaschine einsetzen, wie das sachkundige Rheinschiffahrtsgericht durchaus zu Recht angenommen hat. Dem Beweisergebnis kann nicht entnommen werden, dass Schiffsführer D bei diesen Manövern ein Fehler unterlaufen ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er die Maschinenkraft seines Schiffes über das erforderliche Maß hinaus eingesetzt hat.
Schiffsführer D hat bei seiner Vernehmung angegeben, er habe seine Hauptmaschine zwar benutzt, sei aber nicht mit voller Leistung gefahren.
Der Zeuge F hat angegeben, Dobersalske sei nur mit niedriger Drehzahl gefahren, dabei habe es sich um 240 m von möglichen 750 Umdrehungen gehandelt.
Die sonstigen Zeugen haben zur Fahrweise des Tankmotorschiffs keine Einzelheiten angeben können, soweit sie überhaupt das Anlegemanöver des Tankmotorschiffs wahrgenommen haben.
Dass das Tankmotorschiff keinen größeren Maschineneinsatz vornehmen konnte, ergab sich im übrigen aus der örtlichen Situation. S musste in dem relativ engen Hafenbecken über Steuer an der Anlegestelle der Firma H verholen und dabei vermeiden, gegen die Stirnseite des Hafenbeckens zu fahren. Dass dies gleichwohl geschehen ist, hat die Klägerin selbst nicht behauptet und kann auch mangels sonstiger Anhaltspunkte nicht angenommen werden. Wäre ein solch fehlerhaftes Manöver erfolgt, wäre das dem unbeteiligten Zeugen Roth, der einen Teil der Geschehnisse aus nächster Nähe beobachtet hat, nicht entgangen.
3. Aus der Beschädigung der Hafenböschung kann nicht auf schuldhaft fehlerhafte Fahrweise von Schiffsführer D geschlossen werden.
Auch wenn nach dem Beweisergebnis davon auszugehen ist, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem Anlegemanöver des Tankmotorschiffs die Stirnseite der Hafenböschung abgerutscht ist, lässt sich daraus nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass hierfür ein zu starker Maschineneinsatz des Tankmotorschiffs ursächlich gewesen ist.
Es kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ausgeschlossen werden, dass die Uferböschung bereits durch andere Schiffe vorgeschädigt worden ist. Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, dass die Hafensohle und das Böschungsprofil im Unterwasserbereich regelmäßig überprüft worden ist. Es mag sein, dass das Hafenbecken regelmäßig durch Unterwasserpeilung untersucht wird und auch regelmäßig Hafenbegehungen erfolgen, derartige Maßnahmen beziehen sich aber nicht auf den Zustand der Böschung unter Wasser. Ob eine Böschung unter Wasser Schäden aufgewiesen hat, konnte nur entweder durch Taucher oder durch Unterwasseraufnahmen festgestellt werden. Dass derartige Maßnahmen getroffen worden sind, behauptet die Klägerin selbst nicht.
Selbst wenn man annähme, die Uferböschung wäre vor dem Verholmanöver des Tankmotorschiffs unbeschädigt gewesen, spricht das Abrutschen der Uferböschung nicht für ein schuldhaftes Verhalten der Schiffsführung des Tankmotorschiffs; denn die Stirnseite des Hafenbeckens an der Anlagestelle der Firma H war nicht so gesichert, dass sie dem unvermeidbaren Schraubenstrom eines an die Anlagestelle verholenden großen Tankmotorschiffs standhalten konnte. Wie dem Beweisergebnis und dem beiderseitigen Vorbringen der Parteien zu entnehmen ist, hatte die Uferböschung als Fundament eine Steinschüttung mit Kies- und Sandbett. Darüber befand sich hinter dem Vorfuß eine 2 m breite Berne und eine gepflasterte Schrägböschung. Diese Befestigung der Uferböschung genügte nach der Überzeugung der Berufungskammer nicht, dem Schraubenschlag eines parallel zu der Anlage verholenden Motorschiffs bei normalen Maschinenmanövern standzuhalten. Denn der Schraubenstrom wurde bei einem solchen Manöver im rechten Winkel auf die Stirnseite der Hafenböschung gerichtet. Berücksichtigt man, dass es sich unter den hier gegebenen tatsächlichen Umständen um den Schraubenstrom eines 2.358 t großen und 1.300 kW starken Tankmotorschiff handelte, ist nicht auszuschließen, dass auch bei nur geringem Maschineneinsatz, wie er bei einem Verholmanöver auf engen Raum notwendig ist, eine solche Einwirkung auf die Uferböschung erfolgte, dass diese abrutschte. Die von der Maschine eines großen Tankmotorschiffs ausgehenden Kräfte sind so erheblich, dass eine Steinschüttung mit Sand und Kiesschüttung durch in rechtem Winkel auftreffendes Schraubenwasser weggerissen werden kann. Dies trifft umso mehr zu, als hier TMS S bis auf etwa 10 m an die Stirnseite des Hafenbeckens verholen musste, um bestimmungsgemäß an die Verladeanlage der Firma H zu gelangen. Wurde durch ein solches Manöver die Hafenböschung beschädigt, ohne dass dem beteiligten Schiffsführer der Vorwurf eines fehlerhaften Maschineneinsatzes gemacht werden kann, geht das mit dem Manöver verbundene Schadensrisiko zu Lasten des Hafenbetreibers. Denn die Uferbefestigungen in einem Hafen müssen so stabil sein, dass die üblichen Manöver ohne Gefahren für die Schiffahrt und die Hafenanlagen ausgeführt werden können. Das aber kann hier nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
Die Klage ist daher unbegründet.
4. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin nach § 91 ZPO zur Last.
5. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt :
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mannheim vom 11. März 1999 – 31 C 3/98 – wie folgt abgeändert :
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Festsetzung dieser Kosten gemäß Artikel 39 der revidierten Rheinschifffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Mannheim.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2000 - Nr.9 (Sammlung Seite 1769 f.); ZfB 2000, 1769 f.