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Leitsatz:
Liegt ein Verstoß gegen § 6.03 Nr. 1 und § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV vor, kommt bei der Bemessung der Geldbuße nicht auch eine Zuwiderhandlung gegen § 1.04 Buchst. C RheinSchPV in Betracht, denn diese Generalklausel ist nur beim Fehlen spezieller Vorschriften anwendbar.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 3. März 1999
388 B – 1/99
(auf Berufung gegen den Beschluß des Rheinschiffahrtsgerichts St. Goar vom 5. Januar 1998 - 2109 Js 31515/97– 4 OW BSchRh -)
Tatbestand:
Am 26.08.1996 belegte die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Südwest in Mainz den Betroffenen mit einer Geldbuße von 300 DM, weil er am 06.04.1996 gegen 11.30 Uhr als Führer des ihm auch gehörenden GMS Q (73,03 m lang; 8,20 m breit; 1.100 t; 660 PS; Ladung : 585 t Kakao- und Sojabohnen) bei der Bergfahrt auf dem Rhein in der Ortslage Bacharach das GMS C überholt habe, obwohl für dieses Manöver kein ausreichender Raum vorhanden gewesen sei, so daß es zwischen den beiden Schiffen bei km 543,400 zu einer Kollision mit Sachschaden gekommen sei. Zuwiderhandlungen gegen § 1.04 Buchst. c, § 6.03 Nr. 1, § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV, Art. 4 Abs. 4 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 17 Buchst. b RheinSchPEV.
Gegen den Bußgeldbescheid hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt mit der Behauptung, daß genügend Platz für das Überholmanöver vorhanden gewesen und MS C ein falsches Ausweichmanöver gefahren sei.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluß wegen der vorstehend aufgeführten Zuwiderhandlungen gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 250 DM festgesetzt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei von folgendem Unfallhergang auszugehen: Der Betroffene sei GMS C aufgelaufen und habe - rechtsrheinisch fahrend - zum Überholen angesetzt, als sich über Funk Talfahrt gemeldet habe. Gleichzeitig habe sich ein Fahrgastschiff der "Köln-Düsseldorfer" genähert, das am KD-Steiger in Bacharach habe festmachen wollen und deshalb die blaue Seitenflagge gesetzt habe. Der Betroffene habe sein GMS Q wegen der entgegenkommenden Talfahrt nach Steuerbord gelenkt und so vor den Bug von GMS C gefahren, daß es zu einem leichten Zusammenstoß zwischen dem Vorderschiff des GMS C und dem Achterschiff von GMS Q gekommen sei.
Mit seiner form- und fristgerechten Berufung erstrebt der Betroffene seinen Freispruch.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung kann keinen Erfolg haben.
1. Nach den Angaben des Betroffenen gegenüber der Wasserschutzpolizei hat er sich mit seinem GMS Q während des Überholmanövers nicht an den roten Tonnen befunden (diese liegen etwa 5 m außerhalb der durch sie bezeichneten rechten Fahrrinnenbegrenzung - vgl. Anlage 8 Nr. I. und II. RheinSchPV). Er sei ca. 20 m neben dem GMS C gefahren, das er ordnungsgemäß überholt habe. Dieses Schiff sei mehr und mehr auf GMS Q zugekommen, habe nicht langsam gemacht, so daß es mit dem Bug gegen das Heck des GMS Q gekommen sei.
Zu dem letzten Punkte hat die sich an Bord des GMS Q aufhaltende Zeugin F gegenüber der Wasserschutzpolizei erklärt, daß GMS C auf GMS Q zugekommen und gegen dieses geradeaus fahrende Schiff gestoßen sei; mehr könne sie nicht sagen, weil alles sehr schnell gegangen sei.
2. Demgegenüber hat der Schiffsführer Vermaas des GMS C gegenüber der Wasserschutzpolizei bekundet, der Überholer sei an der roten Tonne rechtsrheinisch zu Berg gefahren; alsdann zwei Talfahrer gekommen seien, habe GMS Q nach Steuerbord ausweichen müssen; weiter sei das Schiff beim Herankommen eines weiteren Talfahrers dem GMS C quer vor den Bug gefahren.
3. Mit den Angaben des Schiffsführers Vermaas stimmen im wesentlichen die Aussagen der an dem Unfall unbeteiligten Schiffsführer B (GMS R) und V (TMS M) gegenüber der Wasserschutzpolizei überein.
So hat B ausgeführt, er habe sich zum Zeitpunkt des Vorfalls mit seinem Schiff hinter GMS C und GMS Q befunden, wobei er von TMS M überholt worden sei; GMS Q habe sich auf der Bergfahrt an den roten Tonnen gehalten; das Schiff sei nach einem Funkanruf der Talfahrt nach Steuerbord ausgewichen; als der Schiffsführer von GMS Q sein Schiff wieder habe auffangen wollen, sei er mit dem Heck seines Fahrzeugs vor den Bug von GMS C gekommen; GMS C sei gerade gefahren und nicht auf GMS Q zugesteuert; aus seiner Sicht habe GMS C sich korrekt verhalten.
Nach Schiffsführer van Veen ist Q an den roten Tonnen zu Berg gefahren; das Schiff sei, als Talfahrt gekommen sei, nach Steuerbord ausgewichen; es sei mit dem Heck vor den Bug von GMS C gefahren; GMS C sei nach seiner Sicht nicht auf GMS Q zugesteuert. GMS C sei vielmehr als möglich nach Steuerbord ausgewichen.
4. Auf Grund der Aussagen der Schiffsführer B und V sowie der durch sie bestätigten Angaben des Schiffsführers Ve ist die Berufungskammer - wie schon das Rheinschiffahrtsgericht - überzeugt, daß der Betroffene rechtsrheinisch an den roten Tonnen zu Berg gefahren ist, sodann den Kurs seines Schiffes wegen der Talfahrt nach Steuerbord gerichtet hat und dadurch vor den Bug des GMS C mit dem Heck seines Fahrzeugs geraten und mit diesem kollidiert ist. Insoweit liegt ein Verstoß des Betroffenen gegen § 6.03 Nr. 1 und § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV vor.
5. Hingegen kommt eine Zuwiderhandlung des Betroffenen entgegen der Ansicht des Rheinschiffahrtsgerichts gegen § 1.04 Buchst. c RheinSchPV nicht in Betracht, weil für die Anwendung eines jeden Gesetzes der Grundsatz gilt, daß die spezielle Norm (hier : § 6.03 Nr. 1 und § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV) der allgemeinen Norm (hier : § 1.04 Buchst. c RheinSchPV) vorgeht, so daß die Generalklausel nur beim Fehlen spezieller Vorschriften anwendbar ist (Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt 4. Aufl. S. 156; vgl. ferner das Urteil der Berufungskammer v. 21.10.1976 - 47 P - 15/76).
6. Was die Höhe der dem Betroffenen von dem Rheinschiffahrtsgericht auferlegten Geldbuße von 250 DM angeht, so hält die Berufungskammer diesen Betrag für angemessen, zumal nicht ersichtlich ist, daß der Hinweis des Rheinschiffahrtsgerichts auf § 1.04 Buchst. c RheinSchPV von Einfluß auf die von diesem festgesetzte Höhe gewesen ist.
7. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufung des Betroffenen gegen den Beschluß des Rheinschiffahrtsgerichts St. Goar vom 05.01.1998 wird als unbegründet zurückgewiesen und seine Verurteilung wegen Zuwiderhandlung gegen § 6.03 Nr. 1, § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Nr. 17 Buchst. b RheinSchPEV zu einer Geldbuße von 250 DM bestätigt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Betroffenen auferlegt. Deren Festsetzung gemäß Artikel 39 der revidierten (Mannheimer) Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht St. Goar.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr.6 (Sammlung Seite 1740); ZfB 1999, 1740