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Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 10. Mai 1995
325 Z - 1/95
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 17. Dezember 1993 - 5 C 36/93 BSch)
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 16.11.1991 gegen 15.00 Uhr bei dichtem Nebel auf dem Rheinstrom bei km 829,1 - Ortslage Vynen - ereignet hat.
Die Klägerin ist Eignerin des TMS "RK" (2.308,175 t groß; 1000 PS stark; 105 m lang und 9,05 m breit), dessen verantwortlicher Schiffsführer der Zeuge Ba. gewesen ist.
Die Beklagte zu 1 ist Eignerin des Schubbootes "PB" (122 t groß; 4.800 PS stark), das der Beklagte zu 2 zur Unfallzeit geführt hat.
Zu der angegebenen Zeit fuhr der Schubverband "PB" bestehend aus dem gleichnamigen Schubboot und 4 vorgespannten beladenen Schubleichtern linksrheinisch mit Hilfe von Radar zu Berg. Dem Schubverband folgten MS "T" und MS "I". Im Bereich von Rheinstromkilometer 829 lagen linksrheinisch der polnische Schubverband "B" und das MS "F" still.
Zur gleichen Zeit fuhr TMS "RK" mit Hilfe von Radar zu Tal. Im Bereich von Rheinstromkilometer 829,1 kam es zur Kollision des Schubverbandes "PB" mit dem Tankmotorschiff, wobei dieses und der Steuerbordkopfleichter des Schubverbandes, SL"N", beschädigt wurden.
Die Beklagte zu 1 hat Schubboot "PB" in Kenntnis der durch den Unfall möglicherweise begründeten Schiffsgläubigerrechte der Klägerin zu neuen Reisen ausgesandt.
Aus Anlaß des Unfalls ist das Verklarungsverfahren B. (5 II 18/91 Schifffahrtsgericht Duisburg - Ruhrort) durchgeführt worden. Das gegen Schiffsführer Ba. eingeleitete Bußgeldverfahren 5 OWi 305/93 BSch Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort ist eingestellt worden, weil das Gericht eine Ahndung der Ordnungswidrigkeit nicht für geboten hielt ( § 47 Abs. 2 OWiG ).
Die Klägerin hat behauptet,TMS "RK" sei etwa 50 Meter aus dem rechten Ufer gefahren. Etwa 40 Meter aus dem rechten Ufer habe sich auf dem Radarschirm des Tankmotorschiffs ein Echo gezeigt, das Schiffsführer Ba. für einen Stillieger gehalten habe und das sich später als das des Schubverbandes "PB" herausgestellt habe. Schiffsführer Ba. habe nach Backbord gehalten, um das Echo freizufahren. Dieses sei aber in seiner Kurslinie geblieben. Bei einem Längsabstand von etwa 200 Metern habe der Schubverband Kurs nach Steuerbord genommen und dadurch dem Tankmotorschiff den Weg versperrt.
Die Klägerin wirft dem Beklagten zu 2 vor, daß er dem zu Tal kommenden Tankmotorschiff keinen geeigneten Weg zur Begegnung freigehalten habe. Jedenfalls sei ihm vorzuwerfen, daß er nicht soweit Steuerbord gefahren sei, wie das nach den Umständen möglich gewesen sei.
Die Klägerin hat ihren Schaden näher auf 218.700,30 DM beziffert.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten zu 1 und 2 gesamtschuldnerisch haftend zu verurteilen, an die Klägerin 218.700,30 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. 3. 1992 zu zahlen, und zwar die Beklagte zu 1 im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes sowohl persönlich haftend als auch bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung in das Schubboot "PB".
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben ausgeführt, der Schubverband "PB" sei linksrheinisch im üblichen Kurs der Bergfahrt gefahren. TMS "RK" sei zunächst rechtsrheinisch mit einem für die Begegnung problemlosen Kurs zu Tal gekommen. Als sich das Echo des Talfahrers im 400-Meter-Ring des Radargerätes des Schubbootes befunden habe, habe dieser plötzlich Kurs nach Backbord genommen. Der Beklagte zu 2 habe daraufhin ein akustisches Backbordsignal gegeben und die Maschinen auf "zurück " gestellt. Gleichwohl sei TMS "RK" mit seiner Steuerbordseite gegen die Kopfplatte der Steuerbordseite des Schubleichters "N" angekommen. Nachdem der Beklagte zu 2 den Kopf seines Schubverbandes nach Backbord gezogen habe, sei TMS "RK" freigekommen.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat nach Beiziehung der genannten Verklarungsakten durch das am 17.12.1992 verkündete Urteil die Klage abgewiesen.
Zur näheren Begründung seines Urteils hat das Rheinschiffahrtsgericht ausgeführt, der Unfall beruhe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren auf dem alleinigen Verschulden des Schiffsführers von TMS "RK". Für eine Begegnung der Fahrzeuge Backbord an Backbord habe hinreichender Raum zur Verfügung gestanden. Die Verhältnisse auf dem Strom zur Kollisionszeit hätten einen weiter linksrheinisch verlaufenden Kurs des Schubverbandes weder erfordert noch ermöglicht. Es habe insbesondere keine Notwendigkeit bestanden, näher an die Stil-Heger heranzufahren.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie wendet sich gegen die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und treten den Ausführungen der Klägerin entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin konnte keinen Erfolg haben.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn die Kollision des Schubverbandes "PB" mit dem TMS "RK" beruht auf einem Verschulden des Zeugen Ba., der als Schiffsführer des zu Tal fahrenden TMS "RK" infolge fehlerhafter Auswertung seines Radarbildes den zu Berg kommenden Schubverband für einen Stillieger gehalten und beim Begegnen seinen Kurs nicht so weit nach Steuerbord gerichtet hat, daß die Vorbeifahrt der Schiffe ohne Gefahr Backbord an Backbord erfolgen konnte. Hingegen trägt die Besatzung des Schubbootes "PB" kein Verschulden.
1. Schiffsführer Ba. hat bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren angegeben, er habe auf den Schubverband bewußt geachtet, als er etwa 800 m oberhalb von ihm gewesen sei. Sein Echo habe sich etwa 30 bis 40 m aus dem rechtsrheinischen Ufer befunden und sich nicht bewegt. Er habe dieses Echo für einen Stillieger gehalten. Er habe einige Bergfahrer im Bild gehabt, die als solche auch klar und deutlich erkennbar gewesen seien. Diese Bergfahrer seien linksrheinisch gefahren. Als er erkannt habe, daß es sich um ein Fahrzeug in Fahrt gehandelt habe, habe man noch etwa 150 m Abstand gehabt.
In seiner Skizze, die Schiffsführer Ba. bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren zu den Akten gereicht hat, hat er den Seitenabstand des TMS "RK" zum rechten Rheinufer mit ca. 50 m und den des Schubverbandes "PB" mit ca. 40 m angegeben.
Der Zeuge S., der Steuermann auf TMS "RK" gewesen ist, hat die Angaben seines Schiffsführers bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren im wesentlichen bestätigt.
Die Wahrnehmungen des Zeugen Ba. und seines Steuermannes S. über die Annäherung der Fahrzeuge, wie sie von beiden wiedergegeben worden sind, sind objektiv unrichtig, wie auch das Rheinschiffahrtsgericht mit Recht angenommen hat. Weder hat der Schubverband "PB" bei der Annäherung der Fahrzeuge stillgelegen, noch ist dieser Schubverband rechtsrheinisch gefahren.
Daß der Schubverband "PB" mit einer Geschwindigkeit von 6-7 km/h zu Berg gefahren ist, was der üblichen Geschwindigkeit eines solchen Verbandes in der Bergfahrt entspricht, folgt aus den Bekundungen des Beklagten zu 2 im Verklarungsverfahren. Auch aus den Bekundungen der Zeugen F. und Z., die Besatzungsmitglieder des Schubverbandes gewesen sind, ergibt sich, daß der Schubverband in Fahrt gewesen ist und nicht stillgelegen hat. Bestätigt werden diese Angaben zur Überzeugung der Berufungskammer, durch die der unbeteiligten Zeugen L. und W. L. ist mit seinem MS "T" und Wilmsen mit seiner MS "I" dem Schubverband in Kiellinie gefolgt. Diese Zeugen haben detailreich die Fahrt bei der Annäherung an die Unfallstelle geschildert. Danach hat "PB" sich mehrfach als Bergfahrer gemeldet und von der Talfahrt eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt. MS "I" habe langsamer gemacht, um "PB" ein Überholmanöver zu erleichtern. Danach habe auch MS "T" MS " I" überholt.
Hiernach kann kein Zweifel bestehen, daß der Schubverband "PB" in Fahrt gewesen ist. Wenn Schiffsführer Backhaus von TMS "RK" diesen Schubverband bei der Annäherung bis auf einen Abstand von 150 m als Stillieger angesehen hat, kann das nur auf mangelnder Aufmerksamkeit oder fehlerhafter Auswertung seines Radarbildes beruhen.
Daß der Schubverband "PB" nicht rechtsrheinisch, sondern linksrheinisch gefahren ist, wie der Beklagte zu 2 weiter angegeben hat, haben ebenfalls die unbeteiligten Zeugen L. und W. bestätigt. Wilmsen will etwa 100 m aus dem Ufer gefahren sein und hat angegeben, der Schubverband " sei etwas weiter draußen " gewesen. Seine eigene Kurslinie habe auf die Innenseite seines " Leichters Steuerbordseite " gezeigt. Ebenso hat sich L. geäußert, der ziemlich nahe an den Kribben mit etwa 20 m Abstand gefahren sein will. Der Zeuge S., der mit MS "F" nahe der späteren Unfallstelle linksrheinisch stillgelegen hat, hat bekundet, der Schubverband habe sein Schiff mit einem Abstand von 70 m passiert.
Demgegenüber glaubt die Klägerin aus den Aussagen des Zeugen H. entnehmen zu können, daß der Schubverband "PB" nahe dem rechten Ufer gefahren ist. Dieser Zeuge hat aber die Annäherung der Fahrzeuge an die Unfallstelle überhaupt nicht wahrgenommen. Er ist erst durch ein " akustisches Signal aus mehreren Tönen " auf das Vorschiff seines Schubbootes gegangen und hat zum Strom hin gesehen. Da das von dem Zeugen wahrgenommene Signal nur kurze Zeit vor dem Unfall abgegeben worden ist, kann H. allenfalls den letzten Teil des Unfallgeschehens wahrgenommen haben.
Soweit H. zu dem Abstand des Schubverbandes aus dem linken Ufer Angaben gemacht hat, sind diese Angaben ungenau und zur Tatsachenfeststellung ungeeignet. H. hat davon gesprochen, der seitliche Abstand des Schubverbandes "PB" möge von seinem linksrheinisch liegenden Schubboot "100 oder auch 70 bis 80 m" betragen haben. Da später aber der Tanker quer dazwischengepaßt habe, würde er den Anstand eher auf 100 m schätzen. So hat der Zeuge das auch auf seiner zu den Akten gereichten Skizze dargestellt, auf die sich die Klägerin wiederholt berufen hat.
Daß aus dem nach der Kollision durchgeführten Aufdrehmanöver des TMS "RK" keine sicheren Rückschlüsse auf den Kurs des Schubverbandes "PB" vor dem Unfall möglich sind, entnimmt die Berufungskammer den Bewegungen der unfallbeteiligten Schiffe unmittelbar vor dem Zusammenstoß und im Anschluß daran, die der Zeuge H. nicht einmal wahrgenommen hat. Unmittelbar vor dem Unfall hat TMS "RK" Backbordkurs genommen und ist damit vor den Kopf des Schubverband "PB" gefahren. Der Tanker wurde von dem Steuerbordkopfleichter des Schubverbandes erfaßt, obwohl der Schubverband nach Angaben des Beklagten zu 2 noch zurückgeschlagen hat. TMS "RK" rutschte dann mit seiner gesamten Steuerbordseite, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, entlang des Leichters, wobei die Bordwand von Raum 2-4 auf 20 m großflächig aufgerissen wurde. Ferner wurde auch die Außenhaut bei Tank 5, 6 und 7 im oberen Bereich deformiert und scharfkantig gerieft. Der Beklagte zu 2 hat dann nach seinen Bekundungen im Verklarungsverfahren, um ein Durchbrechen des Tankers zu vermeiden, den Kopf seines Schubverbandes nach Backbord genommen, damit TMS "RK" freikommen und durchrutschen konnte. Sein Verband sei deshalb, so hat der Beklagte zu 2 weiter bekundet, etwa 80 m von den Stilliegern abgekommen. Die Richtigkeit dieser Darstellung wird durch die Bekundungen des Zeugen Sch. im Verklarungsverfahren bestätigt. Dieser Zeuge konnte zwar nichts über den Grad der Schräglage des Tankmotorschiffs vor dem Kopf des Schubverbandes sagen, dieser Zeuge hat aber einen großen Teil dieses Schiffes auf der Steuerbordseite des Schubverbandes gesehen. Weiter hat dieser Zeuge dann wahrgenommen, daß TMS "RK" klarkam und mit dem Kopf in Richtung Land lief, anschließend herumdrehte und den dort liegenden Schubverband "B" zwischen dessen Steuerbordseite und dem Land passierte. Beim Herumfallen oder Aufstrecken war TMS "RB" noch gegen den Schubverband "B" angekommen und hatte diesen beschädigt.
Bei Würdigung aller Umstände sieht die Berufskammer aufgrund dieses Beweisergebnisses als erwiesen an, daß sich der Zusammenstoß der Fahrzeuge linksrheinisch etwa 100 - 120 m aus dem linken Ufer, also im Fahrwasser der Bergfahrt, ereignet hat. Als Talfahrer mußte Schiffsführer Ba. dem zu Berg fahrenden Schubverband "PB" diesen Teil des Fahrwassers für die gefahrlose Begegnung freilassen. Ihm blieb rechtsrheinisch hinreichender Raum für eine gefahrlose Begegnung. Indem er bei der Annäherung der Fahrzeuge mit Backbordkurs in das Fahrwasser der Bergfahrt fuhr, wie das die Besatzungsmitglieder des Schubbootes übereinstimmend bekundet haben, hat er der Bergfahrt den Weg verlegt und hierdurch den Unfall verschuldet.
2. Auch die von der Klägerin angeführten Grundsätze über die Begegnung bei unsichtigem Wetter, die der deutsche Bundesgerichtshof im Urteil vom 18.11.1991 - II ZR 36/91 - ( ZfB 1992, 145 mit abl. Anmerkung Pabst ) und die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt im Urteil vom 2.9.1992 - 258 Z - 7/92 - ( ZfB 1992, 1354 ) zugrunde gelegt haben, rechtfertigen unter den hier gegebenen Umständen nicht die Annahme eines Fehlverhaltens der Besatzung des Schubverbandes. Hier hatte TMS "RK" als Talfahrer hinreichend Raum für eine gefahrlose Begegnung.
Bei dieser Sachlage hätte der Beklagte zu 2 den Unfall auch nicht mehr verhindern können, wenn er versucht hätte, weiter nach linksrheinisch an die dort liegenden Stillieger heranzufahren, als TMS "RK" für ihn nicht vorhersehbar plötzlich Backbordkurs nahm und seinen Kurs kreuzte. Ihm blieb in der gegebenen Situation nur die Möglichkeit, durch ein Achtungssignal auf die drohende Kollisionsgefahr hinzuweisen, um den Talfahrer zu veranlassen, einen gefahrlosen Kurs zu steuern. Dem hat er entsprochen. Daß der Talfahrer auch dieses Schallsignal unbeachtet ließ, geht allein zu dessen Lasten.
Nach alledem ist die Klage unbegründet und die Berufung der Klägerin mußte deshalb erfolglos bleiben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg - Ruhrort vom 17, 12. 1993 - 5 C 36/93 BSch - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
3. Die Festsetzung dieser Kosten gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg - Ruhrort.