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301 B - 25/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 20.01.1994
File Reference: 301 B - 25/93
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Gemäß Artikel 30 der Verfahrensordnung der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (VerfO-BK) und in entsprechender Anwendung des § 47 Absatz 2 des deutschen Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) wird das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt.

2) Der Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 17. November 1992 ist damit gegenstandslos.

3) Gemäß Artikel 30 VerfO-BK und in entsprechender Anwendung von § 46 Absatz 1 OWiG, § 467 Absatz 1 der deutschen Strafprozessordnung (StPO) fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 20. Januar 1994

301 B – 25/93

(auf Berufung gegen den Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Kehl vom 17. November 1992 - 4 OWi 192/92 -)

 

Tatbestand und Entscheidungsgründe

1. Das Rheinschifffahrtsgericht Kehl hat dem Betroffenen "wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die notwendige Besatzung" (§ 14.09 RheinSchUO) eine Geldbuße von 400 DM auferlegt. Es hat festgestellt, dass der Betroffene am 31.7.1991 als verantwortlicher Schiffsführer mit dem 57 m langen MS D in der Betriebsform A 2 den Oberrhein befahren hat, ohne dass sich der in § 14.09 Stufe 1 RheinSchUO vorgeschriebene 2. Schiffsführer an Bord befunden hat. Den Einwand des Betroffenen, seine seit 1984 als Steuermann mitfahrende Ehefrau "benötige nach Artikel 14.05 und 14.06 RheinSchUO" kein Rheinschifferpatent, hat es für nicht durchgreifend erachtet; der Betroffene könne die "privilegierenden Umstände des Zusatzes zu § 14.09 RheinSchUO nicht in Anspruch nehmen"; diese "gelten nicht für Fahrten in der Betriebsform A 2".

2. Nach § 14.09 Stufe 1 RheinSchUO (Schiffslänge bis 70 m) beträgt die Mindestbesatzung in der Betriebsform A 2 zwei Schiffsführer, von denen jeder ein Schifferpatent nach den Bestimmungen der Verordnung über die Erteilung von Rheinschifferpatenten (1976) besitzen muss (§ 14.02 RheinSchUO). Ein solches Patent besitzt die Ehefrau des Betroffenen nicht. Der in ihrem Besitz befindliche (niederländische) G berechtigt sie nicht, ein Fahrzeug auf der deutschen Rheinstrecke zu führen (vgl. § 1 Nr. 1 RheinSchPatentVO).

3. Nach § 14.05 RheinSchUO werden folgende Betriebsformen unterschieden :

 A 1  Tagesfahrt bis zu 14 Stunden     jeweils innerhalb eines Zeitraums
 A 2  Halbständige Fahrt bis zu 18 Stunden   von 24 Stunden

 B  Ständige Fahrt bis zu 24 Stunden   ..........".

Zu dieser Regelung, die, wie das gesamte Kapitel 14 ("Besatzungen") der RheinSchUO zum 1.4.1988 neu gefasst und in Kraft getreten ist (vgl. BGBl. 1988 I 306 ff), enthält der Gesetzestext folgenden darunter stehenden Zusatz :

4. Das Schifferdienstbuch ist bei der bereits erwähnten Neufassung des Kapitels 14 RheinSchUO für jedes Besatzungsmitglied zum Nachweis der Befähigung eingeführt worden (§ 14.04 RheinSchUO). Ein solches hat sich die Ehefrau des Betroffenen kurz vor Inkrafttreten der Neufassung des Kapitels 14 RheinSchUO von den zuständigen niederländischen Behörden ausstellen lassen. Darin ist weiter vermerkt worden, "dass der Inhaber des Dienstbuchs berechtigt ist, auf dem Rhein als Steuermann zu fahren". Daraus ist in Verbindung mit § 14.02 Nr. 2.5 RheinSchUO eine Fahrtzeit der Ehefrau des Betroffenen von mindestens 2 Jahren als Matrose auf dem Rhein im Zeitpunkt des Inkrafttretens des revidierten Kapitels 14 RheinSchUO zu entnehmen. Bei ihr lagen demnach bei der Kontrolle des MS D durch die Wasserschutzpolizei am 31.7.1991 die persönlichen Voraussetzungen für die zeitweilige Ersetzung des (fehlenden) 2. Schiffsführers vor.

5. Voraussetzung für die Ersetzungsbefugnis des Betroffenen war aber ferner, dass diese Befugnis nach dem - oben unter Nr. 3 wiedergegebenen - Zusatz zu § 14.05 RheinSchUO auch für die Fahrt in der Betriebsform A 2 bestanden hat. Das hat das Rheinschifffahrtsgericht verneint. Insoweit ist es ersichtlich der Auffassung, dass der Zusatz zu § 14.05 RheinSchUO nur für die Fahrt in der Betriebsform A 1 - Tagesfahrt bis zu 14 Stunden - gilt, also nicht für die hier vorliegende Fahrt in der Betriebsform A 2 - Halbständige Fahrt bis zu 18 Stunden. Für die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts spricht, dass in § 14.05 Absatz 1 RheinSchUO unmittelbar hinter den Worten "A 1 Tagesfahrt bis zu 14 Stunden" das Zeichen : *) steht und dieses am Beginn des Zusatzes zu § 14.05 RheinSchUO wiederkehrt und damit die Verbindung zwischen beiden anzeigt. Außerdem bezieht sich Satz 1 des Zusatzes, wonach einmal pro Kalenderwoche eine Verlängerung der Tagesfahrt bis zu 16 Stunden unter bestimmten Voraussetzungen (Vorhandensein eines Fahrtenschreibers, Zugehörigkeit von 2 Inhabern des Rheinschifferpatents zur vorgeschriebenen Mindestbesatzung) erlaubt ist, nur auf die Betriebsform A 1; da in der Betriebsform A 2 stets eine Fahrt bis zu 18 Stunden möglich ist, würde eine Verlängerung der Fahrt auf 16 Stunden keinen Sinn machen. Schließlich ist mit der in Satz 2 des Zusatzes vorgesehenen Ersetzung eines "dieser" Patentinhaber einer der beiden in Satz 1 des Zusatzes genannten "2 Inhaber des Rheinschifferpatents" gemeint. Trotzdem ist der Zusatz zu Artikel 14.05 RheinSchUO nicht unmissverständlich. Nach § 14.09 RheinSchUO ist für die Mindestbesatzung in der Betriebsform A 1 in den Stufen 1 (Schiffslänge bis 70 m), 2 (Schiffslänge von 70,01 bis 86 m) und 3 (Schiffslänge mehr als 86 m) jeweils nur ein Schiffsführer vorgeschrieben. Hingegen gehören nach dieser Vorschrift in der Betriebsform A 2 zur Mindestbesatzung in allen 3 Stufen jeweils zwei Schiffsführer. Da es aber in Satz 2 des Zusatzes zu § 14.05 RheinSchUO um das zeitweilige Ersetzen des 2. Patentinhabers geht, kann es bei einem Schiffsführer, der im allgemeinen in der rechtlichen Auslegung von Besatzungsvorschriften nicht geschult ist und deshalb einfache, klare und ohne weiteres verständliche Regelungen erwarten darf, zu dem Missverständnis kommen, dass der Zusatz auch die Betriebsform A 2 umfasst, bei der in allen Stufen jeweils 2 Schiffsführer zur Mindestbesatzung gehören, zumal der Zusatz keine Klarstellung enthält, um ein solches Missverständnis von vorneherein zu vermeiden. Mit Rücksicht darauf erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene Satz 2 des Zusatzes zu § 14.05 - allerdings fälschlich - dahin verstanden hat, dass er den für die Fahrt seines Schiffes in der Betriebsform A 2 vorgeschriebenen 2. Patentinhaber zeitweilig durch seine Ehefrau ersetzen konnte. Darauf deutet auch sein Hinweis gegenüber der Wasserschutzpolizei hin, seine "als Steuermann im Bordbuch geführte Frau benötige nach Artikel 14.05 RheinSchUO kein Patent".

6. Bei alledem erscheint der Berufungskammer eine Ahndung des von der Bußgeldbehörde und dem Rheinschifffahrtsgericht mit einem Bußgeld belegten Verhaltens des Betroffenen nicht für angebracht. Vielmehr hält sie es für angemessen, das Verfahren gegen ihn in entsprechender Anwendung des § 47 Absatz 2 OWiG einzustellen. Die nach dieser Vorschrift hierfür erforderliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft ist in der Berufungsverhandlung erteilt worden.