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Leitsatz:
Ist nach objektiver Betrachtung unklar, ob eine Ladung nach den Vorschriften des ADNR Gefahrgut ist, für dessen Beförderung die Schiffe über besondere Ausrüstung verfügen müssen, und erteilt die zuständige Hafenbehörde Binnenschiffen, die über ein Zulassungszeugnis für ADNR- Güter nicht verfügen, ein vorläufiges Ladeverbot, tritt der Frachtvertrag nach § 68 BinSchG außer Kraft. Eine dauernde Verhinderung erfordert nicht, daß die Möglichkeit der Reise für alle Zeiten ausgeschlossen ist. Es ist vielmehr ausreichend, daß der Antritt der Reise mit den im Frachtvertrag bestimmten Schiffen für nicht voraussehbare Zeit unmöglich geworden ist.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Köln
vom 24.08.1999
(Schiffahrtsbericht Duisburg -Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin war mit dem Transport von ca. 30.000 t Aluminium-Salzschlacke von Portugal zum Stadthafen Lünen beauftragt. Nach den für den Seetransport geltenden Vorschriften handelt es sich um Gefahrgut, weil sich bei Berührung mit Wasser entzündbare Gase entwickeln können.
Ende April 1997 beauftragte die Klägerin die Beklagte zu 1), eine Teilmenge von ca. 3.000 Tonnen der Salzschlacke ab Emden ex Seeschiff "T" zum Stadthafen in Lünen zu befördern. Auch die Beklagte zu 2) sollte nach dem Eintreffen des Seeschiffes 2 Binnenschiffe für den Transport des Ladeguts vorlegen. Bei den Verhandlungen wies die Klägerin darauf hin, daß es sich bei der Salzschlacke nicht um ein unter die Vorschriften des ADNR fallende Ladung handele.
Ende Mai 1997 lief "T" im Hafen von Emden ein. Unter dem 23.05.1997 erteilte die hierfür zuständige Hafenbehörde den Schiffsführern der von den Beklagten vorgelegten Binnenschiffe ein vorläufiges Ladeverbot. Zur Begründung führte die Behörde aus, bei der Ladung handele es sich um Gefahrgut; die für den Transport vorgesehenen Binnenschiffe der Beklagten verfügen nicht über das für die Beförderung von Gefahrgut notwendige Zulassungszeugnis.
Die Bundesanstalt für Materialprüfung teilte der Beklagten zu 1) in einer gutachtlichen Stellungnahme vom 23.05.1997 mit, die Beförderung von Salzschlacke falle unter die Vorschriften des ADNR. Die Beklagten zogen in der Folgezeit die von ihnen vorgelegten Binnenschiffe ab.
Nachdem die Bundesanstalt für Materialforschung am 10.07.1997 mitgeteilt hatte, daß das Ladegut nur unter Randziffer 43260 ff. ADNR falle, wurde das Lade- und Löschverbot aufgehoben. Mit Schreiben vom 10.07.1997 bat die Klägerin die Beklagte zu 1) unter Fristsetzung des 11.07.1997 um Mitteilung, ob sie sich an den Transport der Gesamtmenge gebunden fühle. Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 11.07.1997.
Mit der Klage begehrt die Klägerin den Ersatz der ihrer Behauptung nach entstandenen Mehrkosten, die ihr durch den Teiltransport Ende Mai 1997 per Straße anstatt per Binnenschiff entstanden sind, sowie Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Transports der gesamten Menge Salzschlacke. Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
"Wie das Schiffahrtsgericht mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, ausgeführt hat, hat die
Klägerin gegen die Beklagten wegen des unterbliebenen Teiltransports Ende Mai 1997 einen Schadensersatzanspruch nicht schlüssig dargetan. Die Beklagten sind von ihrer Verpflichtung zur Beförderung der Aluminium-Salzschlacke gemäß § 68 Binnenschiffahrtsgesetz frei geworden. Danach tritt der Frachtvertrag außer Kraft, wenn der Antritt der Reise durch Zufall dauernd verhindert wird. Ein Ereignis beruht auf Zufall, wenn daran keinen der Beteiligten ein Verschulden trifft (Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Auflage, § 68 Rz. 5). Auch behördliche Anordnungen und staatliche Eingriffe, die das Schiff oder die Ladung betreffen, können ein zufälliges Ereignis im Sinne dieser Vorschrift sein (Vortisch/Bemm, a.a.O.). Unstreitig hat die hierfür zuständige Hafenbehörde den Schiffsführern der von den Beklagten vorgelegten Binnenschiffe, die über ein Zulassungszeugnis für ADNR-Güter nicht verfügten, am 23.05.1997 ein vorläufiges Lade- und Löschverbot erteilt. Das Lade- und Löschverbot wurde erst am 10.07.1997 aufgehoben. An dieses Lade- und Löschverbot waren die Beklagten und ihre Schiffsführer gebunden.
Es gereichte den Schiffsführern der von den Beklagten vorgelegten Binnenschiffe und den Beklagten nach Auffassung des Senates nicht zum Verschulden, wegen des Ladeverbots die Reise nicht anzutreten. Bei Beurteilung des Verschuldens ist keine expost- Betrachtung zulässig. Es ist vielmehr auf die Situation im Mai 1997, als die Schiffe nicht beladen werden konnten, abzustellen. Seinerzeit war unklar, ob die Ladung den Vorschriften des ADNR bzw. ADR unterfiel.
Die Klägerin hat zwar immer darauf verwiesen, Aluminium-Salzschlacke sei kein Gefahrgut. Im Mai 1997 war dies aber bei objektiver Betrachtung unklar. Ausweislich des Schreibens der Bundesanstalt für Materialprüfung vom 23.05.1997, das als "gutachtliche Stellungnahme" bezeichnet ist, hielt die Bundesanstalt für Materialprüfung die Ladung für Gefahrgut nach Ziffer 43111 ADNR. Für die Beförderung solcher Güter müssen die Schiffe über die in Ziffer 43260 ADNR aufgeführte besondere Ausrüstung verfügen. Dies war unstreitig bei den von den Beklagten vorgelegten Schiffen nicht der Fall. Die Auskunft der Bundesanstalt für Materialprüfung vom 26.05.1997 verweist auf die ADR Vorschriften und ist als solche unergiebig. Gleichwohl mußten die Beklagten und die Schiffsführer der von ihnen vorgelegten Schiffe das behördlich verfügte Ladeverbot beachten. Anderenfalls hätten sie den Erlaß von Bußgeldbescheiden befürchten müssen. Das Ladeverbot gegebenenfalls anzufechten, war die Aufgabe der Klägerin als Absenderin der Ladung, nicht hingegen die der Beklagten als Frachtführer. Nur der Absender kann die Zusammensetzung der Ladung zuverlässig ermitteln und nachweisen. Den Beklagten war der Zugriff auf die Ladung zwecks Entnahme einer Probe verwehrt. Die diesbezügliche Verpflichtung der Klägerin folgt nach Auffassung des Senates aus § 45 Binnenschiffahrtsgesetz. Die Beachtung des Ladeverbotes gereichte jedenfalls nicht den Beklagten bzw. deren Schiffsführern zum Verschulden.
Das behördliche Ladeverbot stellte auch ein "dauerndes" und nicht nur ein zeitweiliges Beförderungshindernis dar. Bei der Abgrenzung ist auf den Sinn der Vorschrift abzustellen, daß nämlich keinem der Vertragspartner zugemutet werden soll, an einem Beförderungsvertrag festgehalten zu werden, dessen Zweck nicht mehr erreicht werden kann (Goette, Binnenschifffahrtsfrachtrecht, § 68 Rz. 6). Eine dauernde Verhinderung erfordert nicht, daß die Möglichkeit der Reise für alle Zeiten ausgeschlossen ist. Es ist vielmehr ausreichend, daß der Antritt der Reise mit den im Frachtvertrag bestimmten Schiffen für nicht voraussehbare Zeit unmöglich geworden ist (Vortisch/Bemm a.a.O., § 68 Rz. 7). So verhält es sich hier. Im Mai 1997 war unklar, wie lange das Ladeverbot aufrechterhalten bleiben würde. Unstreitig hat die Klägerin nichts unternommen, um dessen Aufhebung zu betreiben. Mit Rücksicht darauf war den Beklagten ein Festhalten an dem Vertrag unzumutbar. Wegen des unterbliebenen Transports der Gesamttonnage nach Aufhebung des Lade- und Umschlagsverbots stehen der Klägerin ebenfalls keine Schadensersatzansprüche zu. Wie das Schiffsfahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, läßt sich ein Vertragsschluß mit der Beklagten zu 1) über die Beförderung der Gesamtmenge der vorgelegten Korrespondenz nicht entnehmen. Einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) hat die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig dargetan. Es fehlt insoweit an der erforderlichen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach Freigabe der Ladung durch die zu ständige Hafenbehörde........."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2000 - Nr.4 (Sammlung Seite 1780 f.); ZfB 2000, 1780 f.