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Leitsätze:
1) Bei einem Schiffszusammenstoß, der auf die Nichtbefolgung einer gegebenen Kursweisung zurückgeführt wird, genügt der Bergfahrer seiner Behauptungs- und Beweislast, wenn er darlegt, dass der Talfahrer den gewiesenen Weg nicht genommen hat. Dagegen muss der Talfahrer, der den ihm gewiesenen Weg nicht genommen hat, seine Behauptung beweisen, der Bergfahrer haben ihm keinen geeigneten Weg frei gelassen und er habe die Kursweisung des Bergfahrers nicht befolgen können. (Vgl. BGH VersR 1989, S. 216; 1965, S. 152)
2) Die Kursweisung des Bergfahrers ist auch dann zu beachten, wenn sie ohne Standortbestimmung und ohne Mitteilung, dass das Blinklicht gesetzt sei, erfolgt, sofern der Talfahrer den Bergfahrer in ausreichender Entfernung auf dem Radarbildschirm wahrnehmen kann.
3) Die Möglichkeit des Talfahrers, frühzeitig zu erkennen, dass die Kursweisung der Bergfahrt eine Gefahrenlage verursacht, begründet für ihn die Verpflichtung, den Bergfahrer rechtzeitig auf die Kollisionsgefahr hinzuweisen.
Grund- und Teilurteil
des Oberlandesgerichts Köln
vom 27.01.2004 in einer Moselschifffahrtssache
(Vorinstanz: Amtsgericht St. Goar, Moselschifffahrtsgericht, Urteil vom 12.05.2003 - 4 C 16/02 BSchMo)
Bei der Entscheidung des hier besprochenen Falles und auch des Rechtsstreits umgekehrten Rubrums geht es maßgeblich um die Frage, in welchem Umfang das Kursweisungsrecht der Bergfahrt die Darlegungs- und Beweislastverteilung, aber auch die Bemessung der Verschuldensanteile im Verhältnis der am Schiffszusammenstoß beteiligten Berg- und Talfahrer bestimmt.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, Versicherer des einer Schiffsgemeinschaft gehörenden GMS „A.", macht den Ersatz des Schadens geltend, der den Eigentümern dadurch entstanden ist, dass es am 18.09.2001 auf der Mosel oberhalb Bernkastel-Kues zwischen dem GMS „A." der Schiffsgemeinschaft als Talfahrer und dem zu Berg fahrenden GMS „AND." der Beklagten im Begegnungsverkehr bei starkem Nebel zum Zusammenstoß kam.
Das Moselschifffahrtsgericht hat nach umfassender Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, weil der Schiffsführer des Talfahrers den Unfall allein verschuldet habe.
Die Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.
Das Berufungsgericht erkennt die Klage dem Grunde nach zu einem Viertel für gerechtfertigt. Es sieht die Beklagte gem. §§ 3, 92 b) BSchG, 823 Abs. 1 und 2, 831 BGB i.V.m. §§ 1.04, 6.04 Nr. 4 MoselSchPV (Fassung 1997) als zum Schadensersatz verpflichtet an, weil der Schiffsführer des GMS „AND" den Zusammenstoß mit GMS „A." durch einen Verstoß gegen §§ 1.04, 6.04 Nr. 4 MoselSchPV in geringem Umfang mit verschuldet hat.
Das Berufungsgericht legt dabei allein den Beklagtenvortrag zugrunde, da die Klägerin das von ihr behauptete Unfallgeschehen, soweit es vom Beklagtenvortrag abweicht, nicht beweisen konnte. Danach hat der Talfahrer die rechtzeitige Begegnungsanweisung des Bergfahrers „Steuerbord an Steuerbord für die Talfahrt" über Funk bestätigt. Die Erteilung über Funk (§ 4.05 Nr. 4 MoselSchPV) in Abweichung von der Regelung in § 6,04 Nr. 3 MoselSchPV war wegen des starken Nebels (Sichtweite etwa 100 m) angezeigt. Nach dem Vortrag der Beklagten hat ihr Schiffsführer, als er auf seinem Radarbildschirm einen Talfahrer entgegen kommen sah, der von Bug zu Bug ca. 630 m entfernt war, über Kanal 10 angewiesen „für die Talfahrt Steuerbord an Steuerbord". Diesen Vortrag hat die Klägerin nicht hinreichend bestritten, zumal der Schiffsführer des Talfahrers einräumt, einen Funkspruch „der talfahrende Schubverband Steuerbord an Steuerbord" gehört zu haben. Diese Kursweisung konnte nur von GMS „AND." stammen, da dem Talfahrer kein anderes Schiff entgegen kam und wegen der geraden Streckenführung der Mosel an jener Stelle die Durchsage nicht aus einem anderen Bereich herrühren konnte. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als der Kläger den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm wahrnahm - er konnte mit dem Radar 800 m voraus sehen -, handelte er pflichtwidrig, als er die Kursweisung nicht auf sich bezog und auch nicht über Sprechfunk nachfragte. Selbst wenn er die Weisung als an einen Schubverband gerichtet verstanden hatte, musste er sie nunmehr auf sich beziehen. Denn auf dem Radarbildschirm war zwischen einem Schiff und einem Bergfahrer kein anderes Schiff zu sehen, insbesondere kein zu Tal fahrender Schubverband. Der Kläger musste die Weisung befolgen, da sie rechtzeitig erfolgt war. Die Zeugenaussagen haben das Gericht zu keiner anderen Bewertung gelangen lassen. Die von den Zeugen gehörte Forderung des Talfahrers, Backbord und Backbord zu begegnen, ist vom Schiffsführer des Talfahrers nach eigenen Angaben erst erhoben worden, als die Schiffe nicht mehr als ca. 150-100 m voneinander entfernt waren; diese Entfernung habe jedoch eine schadensverhütende Reaktion nicht mehr zugelassen. Soweit die Klägerin behauptet, die Befolgung der Weisung sei auch schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich gewesen, weil der Bergfahrer auf der linken Seite gefahren sei, während das bei ihr versicherte Fahrzeug sich im rechten Teil des Fahrwassers befunden habe, der Bergfahrer mithin eine kreuzende Kursänderung vorgenommen habe, konnte sie den ihr hierfür obliegenden Beweis nicht führen. Dazu führt das Berufungsgericht aus, dass bei einem Schiffszusammenstoß, der auf die Nichtverfolgung einer gegebenen Kursweisung zurückgeführt wird, der Bergfahrer seiner Behauptung und Beweislast genügt, wenn er darlegt, dass der Talfahrer den gewiesenen Weg nicht genommen hat, während der Talfahrer seine Behauptung, der Bergfahrer habe ihm keinen geeigneten Weg frei gelassen und er habe die Kursweisung des Bergfahrers nicht befolgen können, beweisen müssen. Ein entsprechender Beweis sei jedoch nicht angeboten worden. In Ermangelung hinreichender Anknüpfungstatsachen ist das Berufungsgericht dem erstinstanzlichen Gericht auch in der Auffassung gefolgt, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens ohne Beweis des Längs- und Seitenabstandes beider Schiffe sowie ihres Kurses und ihrer Geschwindigkeit keine Aufklärung durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens erwarten lasse. Auch die an beiden Schiffen entstandenen Schäden gaben nach Auffassung des Gerichts keinen hinreichenden Aufschluss über den von ihnen gesteuerten Kurs.
Das Gericht ist weiter davon ausgegangen, dass der Winkel, in dem beide Schiffe unmittelbar vor der Kollision aufeinander fuhren, nach den Sachverhaltsvarianten und Darstellungen der beiden Parteien etwa gleich groß war. Es gelangte daher zu der Überzeugung, dass ein Sachverständiger allein aufgrund des Schadensbildes nicht feststellen konnte, ob der Bergfahrer von der linken zur rechten Moselseite gewechselt ist und quer auf der Mosel lang, während der Talfahrer abstoppte und mit dem Heck zur Steuerbordseite hin verfiel (so der Kläger) oder ob der Bergfahrer, der auf der rechten Moselseite fuhr, nach Backbord auswich, während der Talfahrer von der Mitte des Flusses nach seiner Steuerbordseite hinzog (so der Beklagte).
Das Gericht erachtete es im Gegensatz zur Auffassung des Talfahrers, der darin eine vorwerfbare Unterlassung sah, nicht als notwendig, dass der Bergfahrer seine Kursweisung mit einer Standortbestimmung und der Mitteilung verband, dass das Blinklicht gesetzt sei. Einer solchen Präzisierung bedurfte es zur Einhaltung der Kursweisung nicht, da der Talfahrer den Bergfahrer ab 800 m Entfernung auf dem Radarbildschirm wahrnehmen konnte.
Das Gericht vertrat ferner den Standpunkt, dass der Talfahrer auch dann nicht von der Pflicht zur Befolgung der Kursweisung entbunden war, wenn die Unfallstelle bereits in dem Bereich der Mosel lag (km 134), in dem die Begegnung Backbord an Backbord üblich ist. Denn die Kursweisung Steuerbord an Steuerbord war rechtzeitig erfolgt. Weiter bejahte das Berufungsgericht - ausgehend, vom Vortrag des Klägers - einen schuldhaften Verstoß gegen § 6.32 Nr. 4 und Nr. 5 Abs. 2 MoseISchPV. Denn als er den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm bemerkte, habe er erkennen müssen, dass dessen Kursweisung eine Gefahrenlage verursachen konnte, fuhr doch der Bergfahrer nach eigenem Vorbringen der Klägerin ganz auf der linken Seite, während sich der Talfahrer im rechten Teil des Fahrwassers befand. Somit schrieb der Bergfahrer eine kreuzende Kursänderung vor, die eine erhebliche Kollisionsgefahr begründete. Die Beklagte hätte danach das Drei-Ton-Zeichen nach § 4.06 Nr. 1 b) MoselSchPV geben und so oft wie notwendig wiederholen, seine Geschwindigkeit vermindern und notfalls Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen müssen. Aus der Erkenntnis, dass sich aus der Kursweisung eine Gefahrenlage abzeichnete, wäre der Schiffsführer der Klägerin darüber hinaus verpflichtet gewesen, über Sprechfunk auf die Begegnungsanweisung zu antworten und auf die Gefahrenlage hinzuweisen. Dies hat der Talfahrer jedoch erst mit erheblicher Verspätung getan, als beide Schiffe nur noch ca. 150 - 100 m voneinander entfernt waren. Bei einer rechtzeitigen Klärung der für ihn auf dem Radarschirm erkennbaren Situation hätte ein Kollisionskurs unstreitig vermieden werden können.
Andererseits bejahte der Senat ein geringes Mitverschulden des Bergfahrers, das er mit einem Viertel bewertete. Dieses bestand darin, dass auch der Bergfahrer zweifeln musste, ob der Talfahrer die Begegnungsanweisung tatsächlich befolgen würde, da der Talfahrer trotz der behaupteten Bestätigung der Begegnungsweisung seinen Kurs nicht nach Backbord geändert hatte und somit eine gefahrlose Begegnung nicht gesichert schien. Jedenfalls konnte der Schiffsführer der Klägerin nicht sicher damit rechnen, dass der Talfahrer die Begegnungsanweisung tatsächlich befolgen würde. Er musste sich folglich darauf einrichten und der Situation angemessene Vorsichtsmaßnahmen entsprechend § 6.04 Nr. 4 MoselSchPV ergreifen bzw. rechtzeitig ein erneutes Melden über Sprechfunk einfordern. Ein mögliches Unterlassen des Bergfahrers, das Blinklicht zu setzen, hat der Senat nicht als entscheidungserheblich angesehen. Diese Unterlassung konnte nach seiner Auffassung nicht unfallursächlich geworden sein, da das Blinklicht bei dem starken Nebel für den Talfahrer ohnehin nicht zu erkennen gewesen wäre.
Für einen Vorwurf wegen eines Fehlverhaltens des Bergfahrers im Hinblick auf eine unterbliebene Bestätigung der ersten Kursweisung ergab die Beweisaufnahme keinen Anhaltspunkt. Für das Unterbleiben einer solchen Bestätigung wäre die Beklagte beweispflichtig gewesen. Diesen Beweis hat der Talfahrer jedoch nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht geführt. Insofern könne dem Bergfahrer auch nicht vorgeworfen werden, dass er es für den Fall einer Unterlassung versäumt habe, eine Klärung der Situation herbeizuführen.
Soweit es der Bergfahrer bei Erkennen der Gefahrenlage unterlassen habe, das in § 6.32 Nr. 5 Abs. 1 MotorSchPV vorgeschriebene Schallzeichen zu geben, verneint der Senat eine Unfallursächlichkeit dieses Verhaltens. Denn der Talfahrer habe den Bergfahrer auf dem Radarbildschirm gesehen und auch dessen erneute Kursweisung über Funk bei einer Entfernung des Schiffs von 200 - 300 m gehört. Als nicht erwiesen sieht das Berufungsgericht ferner die Behauptung der Klägerseite an, dass der Bergfahrer unzulässigerweise eine kreuzende Kursänderung vorgeschrieben habe, die eine erhebliche Kollisionsgefahr begründet hätte.
Im Ergebnis hält der Senat bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens eine Verteilung der Unfallverantwortlichkeit im Verhältnis von 3/4 zu Lasten der Klägerin und 1/3 zu Lasten der Beklagten für sachgerecht und angemessen.
Eine Revision wird nicht zugelassen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2004 - Nr.04 (Sammlung Seite 1917 ff.); ZfB 2004, 1917 ff.