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Urteil des Oberlandesgerichts – Schiffahrtsobergericht Köln
vom 09.01.1996
3 U 76/95 BSch
Tatbestand:
Der Kläger ist Eigner des MS D. Im Januar 1994 erhielt er von der Beklagten den Frachtauftrag, eine Schiffsladung Oxiton abgedeckt von Hannover nach Mertert in Luxemburg zu befördern.
Auftraggeberin der Beklagten war die Streithelferin zu 1), Ladungseigentümerin und Empfängerin die Streithelferin zu 2) und Verlader die Streithelferin zu 3).
Bei der Beladung des Schiffs am 24.1.1994 teilte der als Produktionsleiter bei der Streithelferin zu 3) beschäftigte Zeuge R - dem Kläger auf Befragen nach der Beschaffenheit der Ladung mit, daß es sich um eine Art Bauxit mit leichtem Ammoniakgeruch handele, die aber für das Schiff, insbesondere den Innenanstrich, ungefährlich sei.
Bei der Löschung des Schiffs in Mertert Anfang Februar 1994 bemängelte der Schiffsführer, daß die Ladung den Innenanstrich des Schiffs geschädigt habe.
Am 3.2.1994 kam es nach einer Besichtigung des Schiffs zu einer schriftlichen Vereinbarung über die Kosten einer Schadensbehebung, welche seitens der Streithelferin zu 2) von deren Werksleiter, dem Zeugen S, und seitens der Streithelferin zu 3) von deren Produktionsleiter, dem Zeugen K, unterzeichnet worden ist.
Der wesentliche Teil der schriftlichen Vereinbarung lautet: "Schaden am Laderaumanstrich des MS D. Es wird unter Vorbehalt nachfolgendes zur Regulierung eines Anstrichschadens zwischen den Unterzeichnenden vereinbart. Der Vorbehalt beinhaltete, daß sich der im Beisein von Sachverständigen festgestellte Schaden nach der Abreinigung durch Hochdruckgeräte nicht vergrößert.
1. Auswaschen der Laderäume mit einem Hochdruckgerät ...
2. Neuanstrich des Laderaumbodens, sowie der Laderaumwandung zum Pauschbetrag
3. Die geschuldeten Liegegelder, geltend vom 3.2.1994, 12.00 Uhr bis zum Zeitpunkt der Erledigung von Punkt 1., welcher gemeinsam mit S und Sch, Fa. I festgelegt wird, übernimmt die Fa. I.
Der Kläger hat behauptet, das Auswaschen mit einem Hochdruckreiniger habe die durch die Ladung verursachte Ablösung des Innenanstrichs nicht aufhalten können. Den ihm entstandenen Schaden könne er gegenwärtig noch nicht spezifizieren.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, der durch die Übernahme einer Ladung Oxiton zum Transport von Hannover nach Mertert in der Zeit vom 24.1. bis 3.2.1994 entstanden ist.
Die Beklagte und die Streithelferinnen haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten und Streithelferinnen haben behauptet, die Schäden an dein Schiff seien ebensowenig wie die an dem MS B - die Gegenstand des Parallelrechtstreits 5 C 22/94 BSchG AG Duisburg-Ruhrort, 3 U 75/95 BSch OLG Köln-, sind - auf das geladene Oxiton zurückzuführen. Vielmehr beruhten die Farbablösungen auf den Vortransporten der Schiffe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands des ersten Rechtszugs sowie des Inhalts des angefochtenen Urteils wird auf die Entscheidung des Schiffahrtsgerichts vom 4.4.1995 verwiesen, mit der die Klage in der Annahme eines mangelnden Verschuldens der Beklagten abgewiesen worden ist.
Gegen dieses ihm am 7.4.1995 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim nunmehr erkennenden Gericht am Montag, dem 8.5.1995, eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist begründet.
Die Parteien wiederholen und vertiefen im Berufungsverfahren ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Der Kläger wendet sich insbesondere gegen die Annahme des Landgerichts, die Beklagte treffe hinsichtlich der fehlenden Angaben über eine etwaige Gefährlichkeit des Oxiton kein Verschulden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den in der erstinstanzlichen Schlußverhandlung gestellten Anträgen zu erkennen.
Die Beklagte und die Streithelferinnen beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Inhalt der wechselseitigen Parteischriftsätze Bezug genommen.
Die Akten des Beweiäverfahrens 5 H 2/94 Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Beklagte haftet dem Kläger aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Frachtvertrag gemäß 45 BinnSchG auf Ersatz des infolge der Farbablösung entstandenen Schadens.
Aufgrund des im Beweisverfahren 5 H 2/94 PSch AG Duisburg-Ruhrort erstatteten Gutachtens des Sachverständigen Dr. S vom 4.5.1994 sowie des von dem Kläger und dem Eigner der MS B zur Beweissicherung bei der Löschung der Schiffe eingeholten Gutachtens des öffentlich vereidigten Sachverständigen P vom 17.2.1994 kann kein Zweifel daran bestehen, daß das geladene Oxiton auf die bei MS D und MS B. in den Laderäumen angebrachte Farbe eine zerstörerische Wirkung hatte. Insbesondere die mit aus den Schiffsladungen stammenden Oxitonproben angestellten Versuche beider Sachverständigen, die zu einer Ablösung von auf Metall aufgebrachten Schiffsfarben führte, belegt eindrucksvoll die für Farben, wie sie auf den Schiffen angebracht waren, aggressive Wirkung des geladenen Oxitons. Deshalb muß man auch davon ausgehen, daß auf die Beladung mit Oxiton die erlittenen Schäden beider Schiffe zurückzuführen sind, wie sie nicht nur von den Sachverständigen, sondern auch durch die Zeugen W/S, A, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, unmittelbar bei beziehungsweise nach der Löschung wahrgenommen worden sind und die Streithelferinnen zu 2) und 3) auch zum Abschluß der Vereinbarung vom 3.2.1994 veranlaßt haben.
Der nicht unerhebliche Umfang der aufgetretenen Schäden, die auch durch die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen B vom 19.2.1994, Obermark vom 22.2.1994 und Pieper vom 29.5.1994 bestätigt werden, kann auch nicht auf die Einwirkung friher geladener Güter zurückgeführt werden. Daß der Farbanstrich in dem Laderaum des klägerischen Schiffs vor der Beladung mit Oxiton noch in Ordnung war, ergibt sich - unabhängig von den mit Klägerschriftsatz vom 9.1.1995 vorgelegten Belegen über den Ankauf von Schiffsfarbe und Anstricharbeiten in der Mitte des Jahres- 1993 - aus der Aussage der Zeugen A und K. Insbesondere letzterer als Produktionsleiter bei der Streithelferin zu 3) unverdächtiger Zeuge hat den Anstrich als fachmännisch bezeichnet.
Zudem belegen die von diesem Zeugen auf Wunsch des Klägers damals gefertigten, in den Beweisakten 5 H 2/94 AG Duisburg-Ruhrort hinter B1.5 abgehefteten Polaroidphotos den ordnungsgemäßen Zustand des Laderaums. Angesichts der zuvor durchgeführten Transporte muß zugleich davon ausgegangen werden, daß die Farbe und der Anstrich grundsätzlich auch für einen Schiffsladeraum geeignet waren.
Auch der Umstand, daß zahlreiche andere Schiffe mit Oxiton beladen worden sein sollen, ohne Schaden zu nehmen, deutet nicht bezüglich des klägerischen Schiffes auf eine andere
Schadensverursachung hin. Zum einen kann es sich um Oxiton in einer anderen Zusammensetzung oder Beschaffenheit gehandelt haben. Zum anderen mögen die anderen Schiffe einen gegen Säuren und Laugen resistenten Spezialanstrich gehabt haben oder geölt gewesen sein.
Darauf, daß die Ladung aufgrund ihrer Beschaffenheit für einen "normalen" Innenanstrich gefährlich war, hätte der Absender, insbesondere aufgrund der Bestimmung des 45 BinnSchG, hinweisen müssen, denn der Absender kann nicht unterstellen, daß der-transportierende Frachtführer die Laderäume seines Schiffes mit einer gegen Laugen und Säuren resistenten Farbe versehen hat.
Hinweise seitens der Beklagten sind nicht erfolgt.
Die Verladerin, die Streithelferin zu 1), die für den Schiffer der Ansprechpartner vor Ort war, hat in Gestalt des Zeugen K nicht nur entsprechende Hinweise unterlassen, sondern unstreitig auf die Bedenken des Schiffers hin mitgeteilt, die Ladung sei für das Schiff, insbesondere den Innenanstrich, ungefährlich. Aus dem dem Kläger möglicherweise bekannten "DIN-Sicherheitsdatenblatt" der Streithelferin zu 3) konnte dieser die Gefährlichkeit nicht ohne weiteres erkennen.
Das von der Streithelferin zu 3) entworfene "Merkblatt für den Transport von Oxiton", das auf die erforderliche Belüftung der Ladung hinwies, war dem Kläger nicht ausgehändigt worden.
Infolge der unterbliebenen Aufklärung haftet die Beklagte für den Schaden, denn diese ist - entgegen ihrer Auffassung - auch im Sinne des § 45 BinnSchG Absenderin. Absender im Sinne des handelsrechtlichen Frachtrechts ist, und dies gilt uneingeschränkt auch für die Binnenschiffahrt - wer den Frachtvertrag mit dem Frachtführer im eigenen Namen abschließt (vgl. Baumbach/Duden/Hopt 425, 2,; Heymann 433 Rdn. 1; Goette, Binnenschiffahrtsfrachtrecht 26 Rdn 3 und 28).
Allerdings mußte die Beklagte nicht unbedingt die spezifischen Kenntnisse in bezug auf die Besonderheit des Ladungsgutes haben, war sie ihrerseits doch auch auf die Angaben ihres Auftraggebers angewiesen. Als Absenderin war sie jedoch verantwortlich und mußte sich darum kümmern, um ihrer Prüfungs- und Mitteilungspflicht gerecht zu werden.
Das hat sie nicht getan, weil sie sich auf die Verladerin verlassen hat. Deren Verschulden muß sie sich aber gemäß § 278 BGB anrechnen lassen. (vgl. BGH VersR 1960, 605,607).
Das Verschulden der Streithelferin zu 3) als Verladerin in Gestalt ihres Mitarbeiters K läßt sich nicht mit dem Hinweis verneinen, es seien schon vorher Transporte ohne Beanstandung durchgeführt worden, denn wenn vorher durch Binnenschiffe Transporte durchgeführt worden sein sollten, was von dem Kläger bestritten wird, mögen diese, wie bereits oben angesprochen, gegen chemische Beeinträchtigungen resistente Spezialanstriche gehabt haben und die Laderäume aufgrund der entsprechenden Hinweise im Merkblatt der Streithelferin zu 3) ausreichend belüftet worden sein. Bezeichnenderweise wiesen die später ebenfalls mit Oxiton beladenen Schiffe MS S und MS L, die der für die Streithelferin zu 1) tätige Zeuge W zur Überprüfung besichtigte, dessen Aussage zufolge besondere Anstriche auf. Gleichwohl wurde dem Zeugen von einem der Schiffsführer bestätigt, daß "im oberen Bereich kleine Farbblasen" aufgetreten seien.
Die Streithelferin zu 3) wußte jedenfalls aufgrund des Sicherheitsdatenblattes und der Untersuchung des "Labor für Geoanalytik" daß "in alkalischer Umgebung sich Ammoniak entwickelt" und das Material grundsätzlich alkalisch ist und damit geeignet, "normale" Anstriche anzugreifen. Auch ihr eigenes Merkblatt weist auf die in Verbindung mit Wasser mögliche Ammoniakbildung sowie die erforderliche Belüftung der Laderäume hin.
Indem der Produktionsleiter der Streithelferin zu 3), K, sich unter diesen Umständen gegenüber dem Kläger als sachkundiger Auskunftspartner unzutreffend dahin äußerte, für den Laderaumanstrich bestehe keine Gefahr, hat er die der Beklagten und der Streithelferin zu 3) obliegende Hinweispflicht nicht nur nicht beachtet, sondern mit der Falschinformation in das Gegenteil verkehrt.
Hierfür hat die Streithelferin zu 3) ebenso einzustehen wie die Beklagte für diese.
Die Vereinbarung vom 3.2.1994 spricht dafür, daß die Streithelferinnen zu 2.) und 3.) das zunächst nicht anders gesehen haben, mag die Vereinbarung als solche der Beklagten auch nicht entgegengehalten werden können, da sie nicht an ihr beteiligt war.
Die Beklagte kann sich zu ihrere Entlastung auch nicht erfolgreich auf ihre Konnossementsbedingungen berufen.
Da man davon ausgehen darf, daß der Kläger aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehungen wußte, daß die Beklagte mit AGB arbeitete, und die Parteien Kaufleute sind, so daß 2 AGBG keine Anwendung findet, ist grundsätzlich anzunehmen, daß die AGI auch Inhalt des Frachtvertrags geworden sind.
Allerdings läßt sich aus den einzelnen Bedingungen keine wirksame Haftungsfreistellung der Beklagten ableiten. Es ist schon nicht ersichtlich, daß die Bedingungen zu Lasten auch des Unterfrachtführers gelten sollen.
Zu berücksichtigen ist, daß die Zielrichtung von Konnossementsbedigungen der Frachtführer die Ladungsseite ist und nicht etwaige Unterfrachtführer.
So sind bezeichnenderweise in 1 Nr. 2 der Bedingungen der Beklagten die Unterfrachtführer nicht namentlich genannt, während die übrigen "Beteiligten " im einzelnen aufgeführt werden.
§ 1, Nr.3 ("Die Bedingungen gelten auch und für und im Verhältnis zu dritten Unternehmen, wenn die Reederei den Transport durch diese ausführen läßt.") muß nicht zwingend darauf bezogen werden, daß sich der AGB-Verwender auch gegenüber dem Dritten zu dessen Lasten auf die AGB berufen will. Damit kann auch nur die Erstreckung der AGB auf den Dritten zu dessen Schutz gegenüber den Ladungsinteressenten gemeint sein. Aus 2 Nr. 1 ergibt sich nicht, daß wegen der darin festge¬haltenen Haftung des Verladers bzw. Auftraggebers, die "Reederei" im Umkehrschluß gegenüber ihrem Frachtführer nicht haften soll.
Die Haftungsauschlüsse des 14 schließlich betreffen alle nicht den durch die Ladung verursachten Schaden am Schiff. Ist die Haftung der Beklagten für den dem Kläger entstandenen Schaden somit zu bejahen, steht diesem auch ein entsprechender Feststellungsanspruch zu. Angesichts der noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung - die Reparturkosten stehen mangels Durchführung der Arbeiten nicht verbindlich fest, ebenso die Gesamtnutzungsausfalldauer - ist es dem Kläger unbenommen, sich auf die Feststellungsklage zu beschränken, ohne bereits feststehende Einzelansprüche beziffern zu müssen (vgl. BGH NJH 84, 1552, 1554).
Die Kostenentscheidung beruht auf 91 Abs.1, 101 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 708 Nr.10, 711 ZPO.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer für die Beklagte: 80.000 DM.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr. 12 (Sammlung Seite 1765f.); ZfB 1999, 1765 f.