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Urteil der Oberlandesgerichts - Moselschiffahrtsobergericht Köln
vom 25.07.1997
3 U 58/96 BSchMo
Tatbestand:
Die Beklagte zu 1), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2) ist, gehörte einer baurechtlichen Arbeitsgemeinschaft an, die 1993 auf der Mosel mit der Vertiefung der Fahrrinne beauftragt war. Sie setzte für diese Arbeiten das als Stelzenponton ausgelegte Baggerschiff M ein, das mit einem „Demag-Bagger" bestückt war. Baggerführer auf M war der Beklagte zu 3).
Im Dezember 1993 setzte auf der Mosel im Bereich Trier Hochwasser ein, das am 13.12.1993 zur Einstellung der Arbeiten zwang. Da der Schwimmbagger der Beklagten weder die talseitig gelegene Brücke wegen des schnell steigenden Wassers passieren konnte, um den nächsten Schutzhafen zu erreichen, noch wegen der seitlich angebrachten Stelzen die stromaufwärts gelegene Schleuse benutzen konnte, gestattete das zuständige Wasser- und Schiffahrtsamt Trier, das Schwimmgerät im Unterwasser der Schleuse Trier am linken Ufer bei Moselkilometer 195,250 an dort vorhandenen Pollern festzumachen.
Bei weiter ansteigendem Wasser wurde das Schwimmgerät in der Folgezeit mehrmals weiter landeinwärts verbracht. Das geschah in der Weise, daß das Baggerschiff jeweils mit Hilfe des spitzenbewehrten Greiflöffels des Baggers durch Festsetzen desselben im Fluß- beziehungsweise Ufergrund und anschließendes Abstoßen fortbewegt wurde. Zuletzt befand sich das Schwimmgerät auf der Uferböschung auf seinen zwei ausgefahrenen Stelzen stehend und mit zwei Vorausdrähten noch an den zwischenzeitlich überfluteten Pollern befestigt.
In dieser Uferböschung verläuft eine Gasleitung. Diese ist Teil einer von der Klägerin unterhaltenen Erdgasversorgungsleitung, die unterhalb der Schleuse Trier an beiden Ufern entlangführt. Die Lage der Leitung, die in einer Tiefe von etwa 1,10 m verläuft, wird durch gelbe in unregelmäßigen Abständen angebrachte Schilderpfähle gekennzeichnet. Die etwa 1,50 beziehungsweise 1,80 m hohen Schilder waren bei dem Hochwasser nicht mehr sichtbar.
Am Vormittag des 24. 12.1993 war der Scheitelpunkt des Hochwassers überschritten, so daß das Schwimmgerät wieder in Richtung Flußbett verholt werden mußte, damit es nicht bei weiter fallendem Wasser auf der Böschung aufsetzte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der in der Hamburger Gegend wohnende Schiffsführer E auf Landurlaub. Mit der Aufsicht während der Arbeitspause war der Schachtmeister B der Fa. W, die ebenfalls der Arbeitsgemeinschaft angehörte, betraut.
Dieser begab sich mit dem zur Hochwasserwache abgestellten Beklagten zu 3) sowie dessen Vater zu dem Baggerschiff. Zunächst setzte der Beklagte zu 3) den Tieflöffel des Baggers an der Böschung fest. Während sein Vater die Stelzen hochfuhr, wurden die zwei Vorausdrähte lose gegeben. Der Beklagte zu 3) versuchte dann die Einheit mit dem Baggerlöffel von der Böschung wegzudrücken. Dabei riß der Baggerlöffel die Gasleitung auf, so daß Gas ausströmen konnte. Der Klägerin entstand hierdurch ein Schaden in Höhe der Klagesumme.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 244.791,36 DM nebst 4 Zinsen seit dem 1.12. 1994 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben sich darauf berufen, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, daß im Böschungsbereich eine Gasleitung verlief. Eine Fortbewegung des Schwimmgerätes mit eigener Maschinenkraft sei nicht möglich gewesen, da sich der Schiffsführer wegen des Weihnachtsurlaubs in Norddeutschland aufgehalten habe.
Das Schiffahrtsgericht hat nach Vernehmung des Zeugen B durch, Urteil vom 27.3.1996 der Klage gestützt auf § 3 Binnenschiffahrtsgesetz sowie § 823 Abs.1 BGB stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagten hätten die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt. Sie hätten im Uferbereich mit Anlagen rechnen müssen, deren Beschädigung sowohl durch das Ausfahren der Baggerstelzen als auch durch den Gebrauch des Baggerlöffels möglich gewesen sei. Sie hätten deshalb vor Inanspruchnahme des Uferbereichs Erkundungen darüber anstellen müssen, welche Anlagen im dortigen Bereich hätten in Mitleidenschaft gezogen werden können.
Gegen dieses den Beklagten zu 1) und 2) am 3.4.1996 und dem Beklagten zu 3) am 2.4.1996 zugestellte Urteil haben alle Beklagten mit bei Gericht am 2.5.1996 bzw. 30.4.1996 eingegangenen Schriftsätzen Berufung eingelegt und diese jeweils innerhalb der verlängerten Berufungsfrist begründet.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weisen die Beklagten zur Rechtfertigung ihres zu dem Schadensfall führenden Verhaltens darauf hin, daß der Böschungsbereich noch zum Fluß gehöre, für den der Bund verkehrssicherungspflichtig sei. Die Böschungen dienten je nach wechselndem Wasserstand auch als Liege- und Anlegestellen.
Die Beklagten beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hebt hervor, der Bagger sei - entgegen dem Beklagtenvortrag - nicht mit Einverständnis des Wasser- und Schiffahrtsamtes an der späteren Unfallstelle abgelegt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Der Senat hat beim Wasser- und Schiffahrtsamt Trier eine amtliche Auskunft zu der näheren Ausgestaltung einer Gestattung zum Festmachen in dem Böschungsbereich eingeholt.
Wegen des Inhalts der Auskunft wird auf die Stellungnahme des Amtes vom 27.1.1997 Bezug genommen. Die Akte der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Südwest, Owi-Nr. 196/94, ist zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Schiffahrtsgericht hat dem Klagebegehren zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen wird, stattgeben.
Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Bewertung.
Die Beklagten können sich nicht erfolgreich darauf berufen, daß die zur Kennzeichnung der Gasleitung angebrachten Schilder bei Hochwasser nicht sichtbar waren. Wie das Schiffahrtsgericht richtig ausgeführt hat, oblag es den Beklagten, von sich aus Erkundigungen darüber einzuholen,
welche Anlagen bei Inanspruchnahme des Uferbereichs in Mitleidenschaft gezogen werden konnten. Daß dabei auch Gasleitungen in Betracht kommen konnten, lag auch aus der objektiven Sicht der Beklagten nicht fern, wußten sie doch aus ihrer Arbeitstätigkeit, daß eine Gasleitung unterhalb der Konrad-Adenauer-Brücke durch den Fluß vom einen zum anderen Ufer verlief. Bereits daraus konnte geschlossen werden, daß auch im Uferbereich Gasleitungen verlaufen konnten. Davon abgesehen waren die Beklagten auch nach der Baubeschreibung gehalten gewesen, die vorhandenen Versorgungsleitungen im Baubereich bei den Versorgungsträgern zu erkundigen.
Die Verpflichtung zur konkreten Erkundung hinsichtlich des hier fraglichen Böschungsbereichs ergab sich vor allem daraus, daß das Baggerschiff beim Heraufsetzen bei steigendem Hochwasser und später bei dem Versuch das Schiff wieder ins Flußbett zu verholen nicht mit Motorkraft angetrieben, sondern in der oben beschriebenen, den Untergrund erheblich beeinträchtigenden Weise mit Hilfe der Baggerschaufel bewegt wurde. Diese Fortbewegungsart mag innerhalb eines Baubereichs, in dem die Flußrinne ohnehin vertieft werden soll, üblich und unschädlich sein. Außerhalb des Baubereichs läßt sich dies aber bereits nicht mehr ohne weiteres annehmen, weil angesichts der gewaltigen Greifzähne der Baggerschaufel, wie sie in der Photographie auf B1. 10 der Ordnungswidrigkeitsakte sichtbar sind, und unter Berücksichtigung der Größe und Schwere des zu bewegenden Baggerschiffs nicht zweifelhaft sein kann, daß die Fortbewegung des Schwimmgerätes mit Hilfe des spitzenbewehrten Greiflöffels des Baggers durch Festsetzen im und Abstoßen vom Fluß- beziehungsweise Ufergrund diesen zwangsläufig aufreißt.
Außerhalb des Flußbettes aber ist diese Art der Fortbewegung wegen der den Untergrund schädigenden Folge in jedem Fall nicht nur als „unüblich", sondern auch als unzulässig anzusehen.
Zu Recht hat das Wasser- und Schiffahrtsamt Trier in seiner amtlichen Auskunft darauf hingewiesen, daß der Schwimmbagger als „schwimmendes Gerät" denselben Verkehrsvorschriften unterliegt wie andere Fahrzeuge und danach beim Stilliegen nur die entsprechenden Befestigungen wie Anker, Drähte etc. verwendet werden dürfen. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß die Beklagten, indem sie sich entschieden, gleichwohl in der beschriebenen Weise das Schwimmgerät zu bewegen und jeweils festzumachen, eine gesteigerte Sorgfaltspflicht traf in bezug auf die Vermeidung wesentlicher Schädigungen des Uferbereichs.
Daß die Böschung als solche, insbesondere bei zunehmender Durchfeuchtung infolge des Wassers nicht nur wegen der Stelzen des Schwimmgerätes, die nur für den Einsatz bei Baggerarbeiten vorgesehen sind, sondern insbesondere durch den Baggerlöffel geschädigt wurde, konnte auch den Beklagten nicht verborgen geblieben sein. Jedenfalls hätte sich diese Einsicht bei den gebotenen entsprechenden Überlegungen einstellen müssen, als deren Folge sich zwangsläufig auch die Frage nach etwaigen Versorgungsleitungen in der Böschung hätte stellen müssen, die beschädigt werden konnten.
Daß Uferböschungen zum Fluß gehören und je nach Notwendigkeit auch als Liege- und Anlegestellen genutzt werden, ändert an den vorstehenden Ausführungen nichts. Die Böschungen sind dem Fluß zuzuordnen als dessen Uferbegrenzung und dienen deshalb auch ggfl. als Liege- und Anlegestellen. Für diesen Gebrauch durch die Schiffahrt ergeben sich aber noch keine Gefahren für etwa in den Böschungen verlegte Versorgungsleitungen, zumal wenn deren Verlauf darüber hinaus durch entsprechende Zeichen gekennzeichnet ist. Böschungen sind aber deshalb keineswegs auch dazu bestimmt, bei Hochwasser in überflutetem Zustand der Schiffahrt als Ankerplatz zu dienen und beim Verholen eines Schiffs einem grasenden Anker ausgesetzt zu werden.
Unabhängig hiervon ergibt sich aber auch, daß bei Hochwasser auf dem durch das Hochwasser überschwemmten Land durch Notstand erforderliche Maßnahmen der Schiffahrt naturgemäß in der das Land schonendsten Weise durchzuführen sind. Das wäre vorliegend eben die Fortbewegung mittels Motors gewesen, wie sie nach dem Unfall vorgenommen wurde. In diesem Zusammenhang ist der Einwand der Beklagten unerheblich, das Schwimmgeräte hätte nicht mit Motorkraft bewegt werden können, weil der Schiffsführer auf Landurlaub gewesen sei. Es ist den Beklagten zu 1) und 2) anzulasten, daß sie keine Vorkehrungen getroffen haben, für die absehbaren Verholmanöver einen Schiffsführer abrufbereit zur Verfügung zu halten.
Unter den gegebenen Umständen könne sich die Beklagten auch nicht erfolgreich darauf berufen, das Wasser- und Schiffahrtsamt Trier habe ihnen das Festmachen im Unterwasser der Schleuse Trier am linken Ufer bei Moselkilometer 195,250 gestattet, ohne auf die in der Böschung verlegte Gasleitung hinzuweisen.
Abgesehen davon, daß sie ein Mitverschulden des Wasser¬und Schiffahrtsamtes im Verhältnis zur Klägerin nicht entlasten würde, bezog sich die Gestattung beziehungsweise Duldung nur darauf, daß das Schwimmgerät an besagter Stelle im Fluß an den am Ufer befindlichen Pollern festgemacht wurde. Daß das Amt wußte oder sogar sein Einverständnis erklärt hätte, daß der Schwimmbagger bei steigendem Hochwasser landeinwärts bewegt werden sollte mit Hilfe der Baggerschaufel und jeweils mit den Stelzen auf der Böschung aufgestellt werden würde, ergibt sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus der Auskunft der Behörde.
Die Haftung des Beklagten zu 3) entfällt nicht etwa deshalb, weil er nach der Rücksprache mit dem Wasser- und Schiffahrtsamt auf Weisung des Bauleiters an der bezeichneten Stelle das Schwimmgerät festgemacht hat. Aus den Umständen konnte er nicht schließen, daß die weitere Vorgehensweise zum Verholen des Gerätes in der durchgeführten Weise von dem Wasser- und Schiffahrtsamt gutgeheißen worden war, noch daß das Amt oder die Verantwortlichen in der Arbeitsgemeinschaft die Unbedenklichkeit des Verholens des Gerätes auf die Böschung in bezug auf die Gefährdung etwaiger Anlagen überprüft hatten. Auch wenn der Beklagte zu 3) letztlich auf Weisung seiner Arbeitgeberin beziehungsweise der von ihr Beauftragten gehandelt hat, so war er doch derjenige, der das Baggergerät auf die unsachgemäße Weise bewegte und dem am ehesten die Gefährlichkeit dieser Fortbewegungsart bewußt werden mußte. Aus seinem Vortrag ergibt sich nicht, daß er, was geboten gewesen wäre, seinerseits gegenüber seiner Arbeitgeberin irgendwelche Bedenken geäußert oder wegen der Böschungsverhältnisse nachgefragt hätte. Unabhängig von etwaigen Freistellungsansprüchen gegenüber seiner Arbeitgeberin aus dem Gesichtspunkt der gefahrengeneigten Arbeit bleibt er deshalb der Klägerin als Gesamtschuldner neben den übrigen Beklagten schadensersatzpflichtig.
Ein Mitverschulden der Klägerin, welches sich diese anspruchsmindernd anrechnen lassen müßte, ist nicht ersichtlich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Gasleitung unter Verstoß gegen einschlägige öffentlichrechtliche Vorschriften verlegt worden ist. Auch ist der Klägerin kein Versäumnis vorzuhalten, weil die Kennzeichnungsschilder bei Hochwasser nicht sichtbar waren. Zur Aufstellung mehrerer Meter hoher Schilder bestand keine Veranlassung, da bei Hochwasser die Schifffahrt eingestellt ist und die Fahrzeuge regelmäßig in Häfen festgemacht sind, so daß eine Warnung der Schiffahrt überflüssig ist. Situationen, die der hier behandelten ähnlich oder vergleichbar sind, erfordern wegen ihrer Außergewöhnlichkeit keine überhohen Hochwasserschilder.
Nach alledem waren die Berufungen mit der Kostenfolge aus §§ 97 Abs.1, 100 Abs. 4 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.