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Leitsätze:
1) Die Ankersuche mit Peilrahmen und Peilstange kann nicht als veraltet und unzulänglich angesehen werden.
2) Der Verkehrssicherungspflichtige hat zur Abwendung der sich für die Schiffahrt aus einem Ankerverlust ergebenden Gefahren die Maßnahmen zu treffen, die objektiv erforderlich und nach objektivem Maßstab zumutbar sind. Der Einsatz von Tauchern statt Peilrahmen und Peilstange ist nur zu fordern, wenn die Verluststelle genau feststeht und der Tauchereinsatz erfolgversprechender sein würde. Die Auswahl unter den für die Verkehrssicherung in gleicher Weise tauglichen Mitteln liegt im Ermessen des Verkehrssicherungspflichtigen.
Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht Karlsruhe
vom 6. November 1970
3 U 4/68
(Schiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Tatbestand:
Am 5. Juli 1963 hatte der Kahn F im Unterwasserbereich der Schleuse Hirschhorn einen Klippanker verloren und der beklagten Wasser- und Schiffahrtsdirektion gemeldet, daß der Anker mit dem Zeichen „Fendel" 50 m unterhalb des letzten Dalbens etwa 25 bis 35 m vom linken Ufer entfernt verloren gegangen sei. Die am gleichen Tage erfolgte Ankersuche mittels Peilstange blieb ergebnislos. Drei Monate später rakte das auf 2,25 m abgeladene, dem Kläger gehörende und von ihm geführte MS S bergwärts bei der Einfahrt in die landseitige Kammer der Schleuse Hirschhorn auf einem harten Gegenstand und erlitt Schäden am Schiffsboden. Am nächsten Tage wurde von der Beklagten nach entsprechender Suche im Unfallbereich ein Klippanker mit der Aufschrift F gehoben.
Der Kläger verlangt Schadensersatz in Höhe von ca. 11 400,- DM, weil die Beklagte die Ankerverlustzone nach der ersten Verlustmeldung nicht sorgfältig genug habe abstreifen lassen und keine Taucher eingesetzt habe. Die Suchmethode sei auch veraltet gewesen.
Die Beklagte bestreitet die Identität der beiden Anker. Die erste Ankersuche sei auch sorgfältig durchgeführt worden. Der Einsatz von Tauchern sei nicht erfolgversprechender gewesen.
Schiffahrtsgericht und Schiffahrtsobergericht haben die Klage abgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte begründet ihre Behauptung, daß der am 5. Juli 1963 untergegangene nicht mit dem am 3. Oktober 1963 gehobenen Anker identisch sei, mit dem Inhalt der Havariemeldung vom 5. Juli 1963 (147), wonach SK F einen Klippanker mit dem Zeichen F verloren habe, während der am 3. Oktober 1963 gefundene Anker mit F gezeichnet sei. Die über diesen Punkt durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, daß der am 5. Juli 1963 untergegangene Fendel-Anker derjenige war, der am 3. Oktober 1963 gehoben worden ist (wird ausgeführt).
Es kann dahinstehen, ob der am 5. Juli 1963 mit dem Abstreifen und Abtasten der Flußsohle beauftragte Vorhandwerker als verfassungsmäßiges Organ der Beklagten anzusprechen ist oder nicht. Denn die technische Durchführung der Suchaktion ist nicht zu beanstanden.
Es liegt in der Natur der Sache, daß - wie der Zeuge in zweiter Instanz bekundet hat - die Tastabstände unregelmäßig groß sind. Der Abtastende führt den Peilstab sowohl nach unten als auch seitlich zum nächsten Einstich am Peilrahmen entlang. Da die Seitenabstände auf dem Peilrahmen nicht markiert sind, die seitliche Verschiebung der Peilstange vielmehr ohne festen Anhalt durchgeführt wird, kann der Seitenabstand zwischen den einzelnen Tastungen verschieden groß sein. Er ist nach der Aussage des Zeugen in zweiter Instanz auf etwa 15 bis 35 cm zu schätzen, je nach Strömung. Das in diesen Abständen von der Ankersuchkolonne am 5. Juli 1963 durchgeführte Abtasten der Flußsohle war sachgerecht, weil erfolgversprechend. Letzteres gilt ebenso für das Abstreifen der Flußsohle, das auch der Kläger als technisch einwandfrei anerkannt hat.
Die Klägerin hält die Ankersuche mit Streifrahmen und Peilstange für veraltet und damit für unzulänglich. Sie sieht einen Mangel oder Fehler in der Organisation der Beklagten darin, daß diese die ihr unterstellten Dienststellen des Schiffahrts- und Wasserstraßenbereichs nicht angewiesen hat, die Ankersuche, sofern diese mit Streifrahmen und Peilstange keinen Erfolg hat, mit anderen Mitteln (Froschmänner, Helmtaucher) fortzusetzen und daß sie es unterlassen hat, moderne Suchgeräte, etwa wie die für den Rhein bereitstehenden Spezialankersuchgeräte (Förstersonden) oder Magnetsuchgeräte bereitzustellen.
Letzterer Gesichtspunkt kann schon deswegen nicht durchgreifen, weil - wie der Sachverständige überzeugend ausführt - sowohl die Magnetsuche als auch die Suche mit Förstersonde heute noch nicht erprobt sind. Es gehört im Bereich der Verkehrssicherungspflicht nicht zu den Aufgaben der Beklagten, Ankersuchgeräte zu entwickeln.
Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherung auch nicht deswegen verletzt, weil es ihre Organe unterlassen haben, die Ankersuche vom 5. Juli 1963 mit dem Einsatz von Tauchern fortzusetzen. Grundsätzlich hat der Verkehrssicherungspflichtige zur Abwendung der sich für die Schiffahrt aus einem Ankerverlust ergebenden Gefahren die Maßnahmen zu treffen, die objektiv erforderlich und nach objektivem Maßstab zumutbar sind. Bei der Wahl des Mittels mußte die Beklagte einmal die Gefährlichkeit des Hindernisses für die Schiffahrt und zum anderen das Bedürfnis der Schiffahrt, durch Suchaktionen möglichst wenig aufgehalten zu werden, berücksichtigen. Die Ankersuche am 5. Juli 1963 mittels Peilstange dauerte 5 Stunden; sie erfolgte gemäß der Anordnung der Beklagten zunächst durch Abtasten von je 15 m oberhalb und unterhalb der gemeldeten Verluststelle und in einer seitlichen Breite von 10 m und alsdann durch Abstreifen einer Fläche von 50 m oberhalb und unterhalb der gemeldeten Verluststelle mit dem Peilrahmen. Aufgrund des negativen Ergebnisses der Suchaktion durfte die Beklagte davon ausgehen, daß es nicht naheliegend sei, daß der als verloren gemeldete Anker, wenn er sich in dem abgesuchten Bereich befand, für die Schiffahrt ein Hindernis bedeuten werde.
Der Einsatz von Tauchern wäre, wie die Sachverständigen hervorheben, nur dann nicht von zufälligem Erfolg gewesen, wenn die Verluststelle festgestanden hätte. Da dies nicht der Fall war, wäre der Einsatz von Tauchern nicht erfolgversprechender gewesen als die Peirahmen- und Peilstangensuche. Die Auswahl aber unter den für die Verkehrssicherung in gleicher Weise tauglichen Mitteln lag im Ermessen der Beklagten (BGH, LM Nr. 10 zu § 823 Ea).