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Leitsätze:
1) Der Umschlagsvertrag zwischen einem Hafenbetrieb und dem Schifffahrtsunternehmen stellt einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, d.h. des an der Verladestelle vorgelegten Schiffes dar.
2) Das Hafenumschlagsunternehmen haftet bei schuldhafter Verletzung der sich aus dem Umschlagsvertrag ergebenden Sorgfaltspflichten iVm. § 278 BGB für Beschädigungen des Schiffes durch seine Mitarbeiter.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schifffahrtsobergericht) Köln
vom 22.06.2004
3 U 23/04 BSch
(Vorinstanz: Amtsgericht Duisburg-Ruhrort, Schifffahrtsgericht, Urteil vom 05.01.2004 - 5 C 9/03)
Im vorliegenden Fall geht es maßgeblich um die wechselseitigen Sorgfaltspflichten der Schifffahrts- und der Umschlagsseite bei der Benutzung eines schiffseigenen Autokrans im Arbeits- und Bewegungsraum einer Krananlage und deren Betätigung am Liegeplatz eines Schiffes.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, eine Schiffsversicherung, nimmt die Beklagten aus übergegangenem und abgetretenem Recht der Interessenten von MS „B." auf Schadensersatz in Höhe von 61.386,08 € nebst Zinsen wegen der Anfahrung des Autokrans von MS „B." in Anspruch. Die Anfahrung erfolgte durch die von dem Beklagten zu 2) gesteuerte Kranbrücke der Beklagten zu 1).
Das Schifffahrtsgericht hat die Klage zur Hälfte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und sie zur weiteren Hälfte abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, sowohl der Beklagte zu 2) als auch der Schiffsführer von MS „B." hätten die Kollision schuldhaft verursacht; eine hälftige Haftungsverteilung erscheine angemessen.
Gegen dieses Urteil richten sich die form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen beider Parteien.
Nach Auffassung der Klägerin hat der Beklagte zu 2) den Unfall allein schuldhaft verursacht. Er habe mit einem Hindernis im Verkehrsraum des Krans rechnen müssen. Obwohl er MS „B." in den Hafen habe einfahren sehen, habe er auf das Schiff nicht geachtet, als er den Kran in Bewegung gesetzt habe. Er hätte sich zumindest durch Drehen seiner Kanzel von der Ungefährlichkeit seiner beginnenden Tätigkeit überzeugen müssen. Aus Sicht des Schiffsführers habe sich der Kran bei Schadenseintritt bereits in Ruhestellung befunden. Er habe nicht damit zu rechnen brauchen, dass der Beklagte zu 2) nach 12.30 Uhr an einem Freitag noch einen Greiferwechsel habe vornehmen wollen. Der Besatzung sei bekannt gewesen, dass man freitags über 12.30 Uhr hinaus nur
dann gearbeitet habe, wenn ein Schiff zur Löschung oder Beladung vorgelegen habe; dies sei am Schadenstag nicht der Fall gewesen.
Die Beklagten bringen dagegen vor:
Der Beklagte zu 2) habe von seinem Führerhaus aus keine Sicht auf das in seinem Rücken gelegene MS „B." gehabt. Nach Ziffer 3.3.3 der VDI-Dienstanweisung für die Führung elektrischer Krane und § 30 Abs. 7 der Berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften für Krane habe er bei allen Kranbewegungen die Last und bei Leerfahrt die Lastaufnahmeeinrichtung beobachten müssen. Dementsprechend sei er nach Beendigung der Arbeiten auf MS „S." mit der Katze auf der Kranbrücke bis zum anderen Ende an die Landseite gefahren. Anschließend habe er die Portalbrücke seitlich verholt, um für die Arbeit des nächsten Tages einen anderen Greifer an dem Kran anzubringen. Ferner habe er auf Anweisung der Beklagten zu 1) bei den Kranbewegungen auf ein ordnungsgemäßes Aufwickeln der Kabeltrommel geachtet. Dem Schiffsführer von MS „B." sei bekannt gewesen, dass er Fahrten mit seinem Auto über das Betriebsgelände bei der Beklagten zu 1) habe anmelden müssen. Ihm sei bei seiner Anfrage, ob er an der Kaimauer festmachen könne, auch gesagt worden, es werde noch gearbeitet. Die Betriebszeit dauere freitags bis 15.30 Uhr. MS „B." habe seinen Autokran erst nach dem Anlegen senkrecht aufgerichtet. Dies habe der Beklagte zu 2) von seinem Führerhaus aus nicht beobachten können. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass der Bewegungsbereich des Portalkrans frei sei. Der Bewegungs- und Verkehrsraum des Portalkrans und damit der Gefahrenbereich des Krans, mit dem zum Unfallzeitpunkt noch gearbeitet worden sei, sei für jeden offensichtlich und ohne weiteres erkennbar; eines besonderen Hinweises habe es daher nicht bedurft. Demgegenüber habe der Schiffsführer von MS „B." mit dem Aufstellen des Autokrans ohne eine vorherige Information an die Beklagten eine völlig überraschende Gefahrenquelle geschaffen. Der Schiffsführer von MS „B." habe den Autokran sogar eine Zeit lang unbeobachtet gelassen und sich dadurch der Möglichkeit begeben, die von ihm geschaffene Gefahrenlage zu beseitigen. Damit habe er in erheblicher Weise seine Verkehrssicherungspflichten verletzt mit der Folge, dass er den erlittenen Schaden allein zu tragen habe.
Die Berufungen beider Parteien haben in der Sache keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht führt dazu folgendes aus:
Der erkennende Senat folgt der Auffassung des Schifffahrtsgerichts, dass der Umschlagsvertrag zwischen der Beklagten zu 1) mit der Reederei einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, das heißt des an der Verladestelle vorgelegten Schiffes, darstellt. Aus schuldhafter Verletzung der sich hieraus ergebenden Sorgfaltspflichten haftet sie in Verbindung mit § 278 BGB für Beschädigungen des Schiffes durch ihre Leute, wobei sie sich dahin entlasten muss, dass sie kein Verschulden trifft (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiff¬fahrtsrecht, 4. Aufl., § 41 BSchG Rdnr. 11; Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., Einführung Rdnr. 32; Senat, Urteil vom 21.12.1993 - 3 U 261/92 - und vom 13.09.2002 - 3 U 16/02 BSch -). Eine vertragliche Haftung der Beklagten zu 1) nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter scheitert auch nicht daran, dass die Beladung von MS „B." erst für den folgenden Montag vorgesehen war. Denn der Schiffsführer hatte sich ordnungsgemäß bei der Beklagten zu 1) angemeldet und durch ihren als Zeugen vernommenen Mitarbeiters P einen Liegeplatz in unmittelbarer Nähe des vorgesehenen Ladeplatzes zugewiesen erhalten. Die Beklagte zu 1) haftet ferner aus unerlaubter Handlung gemäß § 831 BGB.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte zu 1) den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Vielmehr steht fest, dass der Beklagte zu 2) die Anfahrung des Autokrans durch die Kranbrücke schuldhaft verursacht hat. Er haftet daher ebenfalls aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 BGB für den eingetretenen Schaden.
Der Senat teilt die Auffassung des Schifffahrtsgerichts, dass der Beklagte zu 2) seine Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt hat, indem er sich, bevor er die Kranbrücke in Bewegung setzte, nicht darüber vergewissert hat, dass in dem vorgesehenen Arbeitsbereich keine Hindernisse vorhanden waren. Dem stehen die Vorschriften der VDI-Dienstanweisung für die Führung elektrischer Krane und die Berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften für Krane nicht entgegen. Selbst wenn der Beklagte zu 2) bei Durchführung einer Leerfahrt die Lastaufnahmeeinrichtung zu beobachten und außerdem gemäß der Anweisung der Beklagten zu 1) auf ein ordnungsgemäßes Aufwickeln der Kabeltrommel zu achten hatte, war er nicht gehindert, sich vor Beginn dieser Arbeit umzuschauen. Unstreitig ist das Führerhaus drehbar. Wenn er sich vor der Fahrt mit der Kranbrücke einmal kurz um 180 Grad gedreht hätte, hätte er das Schiff mit dem aufgerichteten Autokran zweifellos gesehen. Gerade weil er wusste, dass er die Kranbrücke vom Führerhaus gesehen praktisch „blind" rückwärts bewegen würde, hätte er sich vorher von der Ungefährlichkeit seines Tuns überzeugen müssen. Er konnte nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Verkehrsraum des Portalkrans frei sei, zumal er längere Zeit mit Arbeiten auf MS „S." beschäftigt gewesen war und währenddessen nicht hatte sehen können, ob es zwischenzeitlich zu Veränderungen in dem Bereich gekommen war, in dem er den Kran bewege wollte. Auch wenn die Kranbrücke die Kaimauer um ca. 12 m überragt, konnten sich in ihrem Verkehrsraum Gegenstände befinden. Der Senat teilt die Auffassung des Schifffahrtsgerichts, dass ein Autokran auf einem Schiff nicht etwas derart Ungewöhnliches ist, dass man es nicht hätte in Betracht ziehen müssen. Im Gegenteil ist es sogar eher üblich, dass der Autokran eines Schiffes an einer Ladestelle aufgerichtet wird; denn die meisten Schiffer nehmen ihr Auto mit und setzen es mit Hilfe des Autokrans an Land, um sich während der Liegezeit vom Schiff fortbewegen zu können. Selbst wenn der Autokran zu diesem Zeitpunkt noch nicht senkrecht hochgefahren war - die Beweisaufnahme hat insoweit keine absolute Klärung gebracht -, musste er damit rechnen, dass es an der Ladestelle im Arbeitsbereich der Kranbrücke -
also hinter seinem Rücken - festmachen und den Autokran aufrichten würde. Denn unstreitig kam MS „B." schon seit einigen Wochen zweimal wöchentlich zum Bela¬den an die Ladestelle der Beklagten zu 1). Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten war der Schiffsführer des MS „B." auch jeweils mit seinem Auto über das Betriebsgelände gefahren. Da die Beladung erst für den kommenden Montag vorgesehen war, war gerade im Hinblick auf das bevorstehende Wochenende damit zu rechnen, dass der Schiffsführer mit seinem Auto wegfahren und hierzu den Kran aufrichten würde. Dies nicht in Betracht gezogen und sich nicht vor Betätigung der Kranbrücke vergewissert zu haben, dass der Weg frei war, gereicht dem Beklagten zu 2) nach Auffassung des Senats zum Verschulden.
Im Übrigen sei aber auch dem Zeugen P. vorzuwerfen, dass er den Schiffsführer nicht ausreichend informiert hat. Er habe nach seinen eigenen Angaben zwar beim Anruf des Schiffsführers erklärt, sie seien noch am arbeiten, er habe ihm aber einen Liegeplatz zwischen MS „J." und MS „S." zugewiesen mit der Bemerkung, er würde dort nicht stören. Auch der Zeuge P habe damit rechnen müssen, dass der Schiffsführer den Autokran hochfahren würde, um über das Wochenende wegzufahren, selbst wenn er dies nicht ausdrücklich angemeldet haben sollte. Es wäre daher angebracht gewesen, den Schiffsführer darauf hinzuweisen, dass die Kranbrücke im Bereich der vorgesehene Liegestelle noch bewegt werden könne. Stattdessen habe der Zeuge P den Betrieb nach dem Telefonat verlassen und anschließend für weitere Informationen und Koordinationsma߬nahmen nicht mehr zur Verfügung gestanden. Nach alledem haften die Beklagten für die durch die Anfahrung des Autokrans von MS „B." entstandenen Schäden. Der Senat geht wie das Schifffahrtsgericht aber auch von einem Mitverschulden (§ 254 BGB) des Schiffsführers von MS „B." aus, das sich die Klägerin zurechnen muss.
Dazu führt er aus:
Schiffsführer W. hat sich vor dem Aufrichten des Autokrans nicht ausreichend darüber vergewissert, ob mit der Kranbrücke noch im Bereich des Kais gearbeitet würde. Die Betriebszeit der Beklagten dauert freitags bis 15.30 Uhr. Selbst wenn - wie die Klägerin vorgetragen hatte - am Freitag über 12.30 Uhr hinaus grundsätzlich nur gearbeitet wird, wenn ein Schiff zur Löschung oder Beladung vorliegt, so konnte der Schiffsführer dennoch nicht darauf vertrauen, dass die Kranbrücke nach Einstellung der Arbeiten am MS „S". nicht mehr bewegt würde. Auch aus der Tatsache, dass der Brückenkran - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - dann stillstand, war nicht zwingend zu schließen, dass er sich bereits in seiner endgültigen Ruhestellung befand.
Solange er nicht gesehen hatte, dass der Kranführer die Kanzel verlässt, hätte er sich vielmehr bei den Leuten der Beklagten zu 1) danach erkundigen und nachfragen müssen, ob er den Autokran schon aufrichten könne. Dies ist unstreitig nicht geschehen. Vielmehr hat der Schiffsführer unmittelbar nach dem Festmachen den Autokran hochgefahren und damit im Arbeitsbereich der Kranbrücke ein gefährliches Hindernis geschaffen. Der Unfall stellt sich für den Senat als typische Folge von Unachtsamkeit und mangelnder Kommunikation auf beiden Seiten dar. Er sieht daher keinen Grund, die vom Schifffahrtsgericht vorgenommene hälftige Schadensverteilung zu beanstanden. Ferner verwirft er den Standpunkt der Beklagten, die - unter Berufung auf ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 26.01.2004 - 1 U 85/03 - meinen, ein etwaiger Verstoß ihrerseits gegen Verkehrssicherungspflichten müsse auf jeden Fall völlig hinter dem hohen Verschulden des Schiffsführers zurücktreten. Unter Hinweis darauf, dass hier dem Schiffsführer der Unfallort als Liegeplatz von der Beklagten zu 1) mit der Bemerkung des Zeugen P zugewiesen worden sei, er werde dort nicht stören, verneint der Senat die Vergleichbarkeit der Fälle. Denn unter diesen Umständen könne dem Schiffsführer auch mit Rücksicht darauf, dass er mit der Aufrichtung des Autokrans ein Hindernis geschaffen hat, im Verhältnis zu den Beklagten kein höherer Mitverschuldensanteil angelastet werden. Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass beide Seiten in etwa gleichem Maße die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen haben. Beide haben sich vor der Betätigung des jeweiligen Krans nicht bzw. nicht ausreichen darüber vergewissert, ob dies gefahrlos möglich sei.
Von der Zulassung der Revision hat der Senat abgesehen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2004 - Nr.10 (Sammlung Seite 1924 f.); ZfB 2004, 1924 f.