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3 U 219/67 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Decision Date: 03.05.1968
File Reference: 3 U 219/67
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Oberlandesgericht Köln
Department: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Zur Frage des Haftungsausschusses von Schäden, die ein Schubleichter erleidet, weil er in vorschriftswidriger Weise ohne Benutzung des Heckankers auf einem Schubliegeplatz von einem Schubboot abgelegt worden ist.

Urteil des Oberlandesgerichts Rheinschiffahrtsobergericht in Köln

vom 3. Mai 1968

3 U 219/67 

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort) - Noch nicht rechtskräftig

Zum Tatbestand:

Das der Beklagten zu 1 gehörende und vom Beklagten zu 2 geführte Schubboot L legte den beladenen Schubleichter der Klägerin N an die Seite der auf dem Schubliegeplatz am Homberger Ort bereits befindlichen Leichter S und R. Nachdem L den mittleren Leichter S aus diesem Stapel herausgezogen hatte, wurde der stromseitig liegende beladene Leichter „Rhespag 20" auf die Seite von N gedrückt und festgemehrt. Am anderen Morgen waren die Mehrdrähte gebrochen, war R gesunken und wies N eine Reihe von Beschädigungen auf, so daß er wegen der Leckage auf Grund gesetzt werden mußte.
Die Klägerin verlangt Schadenersatz von mehr als 4000,DM, weil die Leichter schuldhafterweise von L nicht so hingelegt und befestigt worden seien, daß sie ihre Lage nicht hätten verändern und keine Beschädigungen hätten hervorrufen können. Darauf sei es zurückzuführen, daß die Mehrdrähte gebrochen, infolge des einsetzenden Gierens die Leichter gegeneinander und leck geschlagen seien.
Die Beklagten bestreiten jedes Verschulden. L habe die auf dem Liegeplatz liegenden Leichter erst verlassen, als diese ordnungsgemäß festgemacht und die Anker vorschriftsmäßig gesetzt worden seien. Der Unfall beruhe vielleicht darauf, daß durch die Vorbeifahrt anderer Fahrzeuge sich die Leichter losgerissen hätten oder die Mehrdrähte gerissen seien und später ein Motorschiff zwischen den auseinandergefallenen Leichtern hindurchgefahren sei und die Schäden verursacht habe. Es bestehe keine Verpflichtung, einen stilliegenden Schubleichter durch einen Achteranker zu sichern, zumal viele Schubleichter keine Einrichtung zum Setzen von Achterankern besäßen und es auch keine diesbezügliche Vorschrift gebe. Außerdem bestehe zwischen einigen Schubschiffahrtsreedereien, u. a. auch zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1, eine Vereinbarung, nach der aus Sicherheitsgründen weder von den Besatzungen der Schubleichter noch von den Besatzungen der Schubboote die Heckanker auf den am Homberger Ort abgelegten Schubleichtern gesetzt werden sollten. Schließlich sei unter diesen Reedereien, insbesondere den Parteien, u. a. folgendes vereinbart worden:
„Wenn das Schubboot während der Beladung und/ oder Löschung sich beschäftigt mit Verholen und/oder Befördern der Schubleichter werden Schäden, welche die Schubleichter davontragen, von der Eignerin der Schubleichter getragen und dieselbe verzichtet auf die Möglichkeit der Geltendmachung des Rückgriffsanspruches auf die andere Partei."
Die Klägerin bestreitet das Bestehen einer Vereinbarung der erstgenannten Art. Das zuletzt genannte Abkommen beziehe sich hingegen nur auf Schäden, die während der Streckenfahrt sowie beim Laden und Löschen entstanden seien, nicht dagegen auf Unfälle der vorliegenden Art. Nach den geltenden Vorschriften müßten Schubverbände und Schubleichter vorn und hinten so verankert sein, daß sie ihre Lage nicht ändern könnten. Verstöße würden daher auch von der Wasserschutzpolizei und den Gerichten strafrechtlich verfolgt. Das für das richtige Ablegen von „Neskaduw 19 B" verantwortliche Schubboot L habe es fahrlässig unterlassen, den auf „Neskaduw 19 B" vorhandenen Heckanker zu setzen und dadurch seine feste Lage zu sichern.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben und den Anspruch, besonders im Hinblick auf die aus den für die Schubschiffahrt erlassenen Vorschriften ergebenden Verpflichtungen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat auf die Berufung hin die Klage abgewiesen, jedoch die Revision ausdrücklich zugelassen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Für die vom Senat zu treffende Entscheidung konnte es nicht darauf ankommen, ob der Beklagte zu 2) den Unfall vom 24./25. 1. 1966 schuldhaft herbeigeführt hat.

Es bedurfte daher nicht der Entscheidung der zwischen den Parteien strittigen Frage, ob der Leichter N vom Beklagten zu 2) entsprechend den Bestimmungen im Abschnitt VI der Bekanntmachung für die Rheinschiffahrt über die Schubschiffahrt" ordnungsgemäß gesichert worden ist, insbesondere ob der Beklagte zu 2) unter den hier gegebenen Umständen den am Schubleichter der Klägerin vorhandenen Achteranker hätte ausbringen müssen, wovon der erste Richter ausgegangen ist.

Ebenso bedurfte es keiner Erörterung darüber, ob zwischen den Parteien im Zeitpunkt der hier streitigen Havarie eine Absprache dahin bestanden hat, daß die Heckanker beladener Schubleichter auf dem Schubliegeplatz am Homberger Ort nicht zu setzen sind, so daß die Unterlassung des Ausbringens des Achterankers von N dem Beklagten zu 2) im Verhältnis zwischen den Parteien nicht als Verschulden zugerechnet werden könnte. Schließlich kann es auch dahinstehen, ob der Besatzung des Schubbootes L bei der Durchführung der Manöver des Bootes auf dem Schubliegeplatz am Homberger Ort ein sonstiger für die hier streitige Havarie unmittelbar oder mittelbar ursächlicher nautischer Fehler unterlaufen ist, denn die Haftung der Beklagten entfällt aufgrund des von ihnen im zweiten Rechtszuge vorgelegten, seit dem 1. 7. 1963 gültigen Abkommens über die Schubbedingungen, das neben anderen Reedereien auch zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossen worden ist.
Der Schaden, der an dem Schubleichter N entstanden ist, ist nach der eigenen Darstellung der Klägerin die Folge eines Vorgangs, der dem Verholen oder Befördern eines Schubleichters im Sinne des vorgenannten Abkommens zuzurechnen ist, denn die Klägerin leitet einen Schadensersatzanspruch aus dem Umstand her, daß das Schubboot L ihren Schubleichter im Zuge eines auf dem Schubliegeplatz durchgeführten Manövers an eine andere Stelle verbracht und dort nicht ordnungsgemäß verankert hat.
Kann es aber - wie vorstehend festgestellt - nur Sinn und Zweck des Abkommens sein, eine von den Vertragsparteien als vernünftig erachtete Risikoverteilung zwischen Boot und Leichtern herbeizuführen, so kann es darüber hinaus nicht entscheidend darauf ankommen, daß das Verholen oder Befördern, als dessen Folge der Schaden am Schubleichter der Klägerin eingetreten ist, nicht der „Beladung" oder „Entlöschung", sondern der Zusammenstellung eines Schubverbandes gedient hat.
Das ergibt sich aus nachstehenden Überlegungen:
Nach dem Inhalt des Abkommens in seiner Gesamtheit soll das Schubboot offenbar, auch wenn die Beschädigung eines Leichters infolge eines Verschuldens der Bootsbesatzung eintritt, im Verhältnis zu den am Abkommen beteiligten Eignern der Leichter, - soweit sie zum Schubverband des Bootes gehören - schlechthin von einer Haftung freigestellt sein, denn sowohl im Falle der Beschädigung eines zum Verbande gehörenden Leichters während der Streckenfahrt als auch bei Manövern des Bootes in Häfen und auf Liegeplätzen, nämlich „während des Ladens und Löschens", ist ein Anspruch der Leichterinteressenten gegen das Boot abgeschlossen.
Als Äquivalent hierfür hat das Boot nach dem Abkommen für alle Schäden einzustehen, die Dritten im Zusammenhang mit der Navigation des Schubverbandes entstehen, soweit nicht Mängel der Schubleichter oder ihrer Ausrüstung die Schadensursache bilden.

Diese Regelung rechtfertigt eine weite Auslegung des im Abschnitt „während des Ladens und Löschens" normierten Haftungsausschlusses.
Die Übernahme der Haftung des Bootes gegenüber Dritten stellt nämlich ein echtes Äquivalent für einen generellen Haftungsausschluß des Schubbootes im Falle einer durch seine Manöver bedingten Beschädigung eines zu seinem Verbande gehörenden Schubleichters einer der vertragsschließenden Parteien dar.
Zwar erscheint es auf den ersten Blick natürlich, daß die Interessenten des Bootes für einen auf der Streckenfahrt eingetretenen Drittschadens einzustehen haben, da ein Schubverband vom Kapitän des Bootes geführt wird.

Ob und unter welchen Voraussetzungen die Interessenten eines im Verband fahrenden Schubleichters bei einer Kollision ihres Fahrzeuges mit einem anderen Schiff gleichwohl für den hierdurch entstandenen Schaden einzustehen haben, hängt indessen von der Lösung der in der Literatur streitigen (vgl. Müller ZfB 63, 177; Wassermeyer, Versicherungsrecht 64, 152; Pabst ZfB 63, 380; Dütemeyer ZfB 64, 269) und in der Rechtssprechung noch nicht entschiedenen Probleme der Haftungsverteilung innerhalb eines Schubverbandes ab, so daß es weder im Zeitpunkt des Abschlusses des hier interessierenden Abkommens feststand, noch heute feststeht, ob die Einreihung eines Schubleichters in einen Schubverband den Leichterinteressenten nach den gesetzlichen Bestimmungen im Regelfall eine haftungsrisikofreie Fahrt auf dem Strom gewährleistet.

Stellt die Übernahme der Haftung für während der Fahrt des Schubverbandes Dritten entstandene Schäden durch das Boot demnach eine wirtschaftlich außerordentlich bedeutungsvolle Entlastung der Interessenten der Schubleichter dar, so erscheint es gerechtfertigt, davon auszugehen, daß zum Ausgleich für dieses vom Boot zu tragende erhebliche Risiko eine Haftung des Bootes nach dem Willen der Kontrahenten des Abkommens im Falle der Beschädigung eines zum Verband gehörenden Schubleichters gegenüber seinen Interessenten generell ausgeschlossen sein sollte.
Der Senat verkennt nicht, daß die Anordnung des vorwiegend auf die Streckenfahrt abgestellten Abkommens und die Gegenüberstellung zwischen dem Schubboot und den Schubleichtern die Annahme rechtfertigen könnte, daß das Abkommen lediglich die Haftungsverhältnisse innerhalb eines bestehenden, sich neu formierenden oder in der Auflösung begriffenen Schubverbandes hat regeln sollen.
Eine Beschränkung der Geltung des Abkommens für einen bestehenden Schubverband erscheint indessen zwar während der Streckenfahrt gerechtfertigt und sinnvoll, wird jedoch - soweit die Manöver des Bootes in Häfen und auf Liegeplätzen in Frage stehen - den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht und kann schwerlich dem Willen der vertragschließenden Reedereien entsprochen haben.
Bei der häufig starken Belegung der vorhandenen Schubliegeplätze und der allgemeinen Übung, auf Liegeplätzen verbleibende Schubleichter aneinander zu mehren, um eine ruhigere Lage derselben zu gewährleisten, wird das Boot - wie auch den Vertragschließenden bekannt gewesen ist - sehr häufig vor die Notwendigkeit gestellt, beim Verholen zu beladender oder einem Schubverband einzuverleibender Leichter auch andere, nicht zum Schubverband gehörige Leichter zu bewegen. Da der Kreis der die Schubschiffahrt betreibenden Reedereien im Zeitpunkt des seit dem 1. 7. 1963 gültigen Abkommens verhältnismäßig beschränkt war, mußte zwangsläufig der Fall eintreten, daß das Verholen von Leichtern einer Reederei zum Zwecke des Beladens, Löschens oder zum Zwecke der Formierung oder Auflösung eines Schubverbandes zunächst die Bewegung anderer auf dem Liegeplatz oder in Häfen befindlicher Leichter einer anderen dem Abkommen angeschlossenen oder auch derselben Reederei erforderte. Dann aber wäre es widersinnig, wenn die entgeltliche Tätigkeit des Schubbootes, die sich auf das Verholen der zum Schubverband gehörenden Leichter beschränkt, im Falle der Beschädigung der Leichter keine Haftung des Bootes auslösen sollte, wohl aber die unentgeltliche zusätzliche Tätigkeit, die das Schubboot aller Voraussicht nach häufig zugunsten derselben Reederei übernehmen mußte, um erst die Voraussetzungen für das Verholen der zum Schubverband gehörigen Leichter zu schaffen.

Auch im Schiffahrtsrecht gilt der Grundsatz, daß Verträge so auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern und der wirkliche Wille der Vertragschließenden zu erforschen ist (§§ 157, 133 BGB).

Dann aber kann die im Abschnitt „Während des Ladens und Löschens" getroffene Regelung des Abkommens angesichts der in der Schubschiffahrt bestehenden tatsächlichen Verhältnisse nach der Überzeugung des Senates nur dahin verstanden werden und von den Vertragschließenden nur in dem Sinne gewollt sein, daß der Ausschluß der Haftung des Bootes für die Beschädigung von Schubleichtern auch gilt, wenn ein Leichter einer vertragschließenden Partei als Folge eines Verholens oder Beförderns zu Schaden gekommen ist, der nicht zum Verband des Bootes gehört hat, sondern nur hat bewegt werden müssen, um dem Schubboot das Verholen anderer, zu seinem Verband gehöriger Leichter zu ermöglichen. Sind die Beklagten mithin für den der Klägerin entstandenen Schaden aufgrund des zwischen den Parteien geltenden Abkommens auch dann nicht haftbar, wenn die Havarie auf ein nautisches Fehlverhalten des Beklagten zu 2) zurückzuführen sein sollte, so konnte die auf §§ 823 BGB; 3, 4, 114 BSchG gestützte Klage keinen Erfolg haben, so daß das angefochtene Urteil auf die Berufung der Beklagten - wie geschehen - abzuändern war.

ZfB 1968, S. 288; ZfB 1968, 288

Zur Frage des Haftungsausschusses von Schäden, die ein Schubleichter erleidet, weil er in vorschriftswidriger Weise ohne Benutzung des Heckankers auf einem Schubliegeplatz von einem Schubboot abgelegt worden ist.
Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergericht - in Köln vom 3. Mai 1968 - 3 U 219/67 - (Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort) - Noch nicht rechtskräftig! -


Anmerkung der Redaktion:


Das noch nicht rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergericht - gibt Anlaß zu einigen Hinweisen:


1. Die geltenden Vorschriften lauten:
a) „Bekanntmachung für die Rheinschiffahrt über die Schubschiffahrt vom 30. 6. 1967 (gültig vom 1. 10. 1967 bis 30. 9. 1969).
 
§ 1 V I

Stilliegen; Anker

1. Beim Stilliegen müssen Schubverbände und einzelne Schubleichter vorn und hinten so befestigt oder verankert sein, daß sie ihre Lage nicht verändern können; dies muß auch unter den ungünstigsten Umständen, die an der Liegestelle auftreten können, für die Gesamtdauer des Stilliegens gewährleistet sein.
2. Jeder Schubverband muß mit einer ausreichenden Zahl von Ankern ausgerüstet sein, die so beschaffen sind, daß sie ein Stilliegen Bug zu Berg und, wenn nach Ziffer XI die Fähigkeit des Anhaltens Bug zu Tal verlangt wird, ein Stilliegen Bug. zu Tal gestatten.
Im letztgenannten Falle muß sich mindestens ein Anker am Heck des Schubbootes befinden."

b) „Die Rheinzentralkommission hat im Jahre 1962 die Delegationen gebeten, darauf zu achten, daß die Vorschrift des § 1 VI der Bekanntmachung für die Rheinschiffahrt über die Schubschiffahrt streng gehandhabt wird. Demgemäß hat die WSD Duisburg mit noch heute gültigem Erlaß vom 22. 11. 1962 - Tgb.-Nr. G 2650 - für den Bereich dieser Direktion folgendes angeordnet:

1. Gemäß der Bekanntmachung für die Rheinschiffahrt über die Schubschiffahrt' vom 15. 6. 1961 § 1 III, 6 sind auf dem Strom liegende Schubzüge und Schubleichter, die nicht an einem Liegeschiff festgemacht sind, mit Bug- und Heckanker derart zu sichern, daß sie ihre Lage nicht verändern. Hierbei richtet sich die Zahl der Bug- und Heckanker nach den örtlichen Verhältnissen, sie ist von Fall zu Fall durch den Schubzugführer zu bestimmen.


2. Schubzüge und Schubleichter, die nicht gemäß Ziffer 1. stillgelegt sind, also ihre Lage verändern können, dürfen nicht auf dem Strom liegen. Dies gilt auch dann, wenn für sie eine Wache vorhanden sein sollte. Eine Wache ersetzt in keinem Fall ein nicht ausreichendes Festmachen bzw. Ankern der Schubleichter."

Diese Bestimmungen werden von dem Gros der Sachverstäenddigen der Rheinschiffahrt für richtig gehalten. Ein Teil sieht sogar einen Mangel darin, daß in der RhSchUSO bzw. in den z. Z. erst vorläufig geltenden Vorschriften für die Schubschiffahrt nicht ausdrücklich die Verpflichtung enthalten ist, daß die Schubleichter mit Heckankern ausgerüstet sein müssen, und zwar deshalb, weil in verschiedenen Situationen, wie z. B. auf der Reede am Homberger Ort oder an ähnlichen Stellen, Heckanker zur Vermeidung des Gierens und Schweiens, besonders von gar nicht selten allein liegenden Leichtern, unbe~diingt erforderlich sind und die Vorschrift, daß sie vorn und hinten ständig gemacht werden müssen, ohne Vorhandensein eines Heckankers in vielen Fällen nicht erfüllt werden kann.
2. Von einer Vereinbarung, nach welcher aus Sicherheitsgründen weder von den Besatzungen der Schubleichter noch von den Besatzungen der Schubboote Heckanker der auf dem Homberger Ort abgelegten Schubleichter gesetzt werden sollen, ist in Kreisen der Rheinschiffahrt bisher nichts bekanntgeworden. Abgesehen davon, daß es „Besatzungen der Schubleichter" nicht gibt, würde eine solche Absprache contra legem getroffen sein. Der Verordnungsgeber schreibt allein in öffentlich-rechtlichen Bestimmungen vor, was aus Sicherheitsgründen zu geschehen hat. Er hat im vorliegenden Fall das genaue Gegenteil der angeblichen Vereinbarung angeordnet (s. oben Ziff. 1). Also ist eine entgegenstehende privatrechtliche Absprache nichtig.


3. Die tatsächlich und erlaubterweise getroffene Vereinbarung hat bezüglich des Haftungsausschlusses folgenden Wortlaut:


„Es werden mit Wirkung vom 1. 7. 1963 folgende Schubbedingungen vereinbart:


1. Während der Streckenfahrt
Schäden, weiche die Schubleichter oder das Boot während der Schubfahrt davontragen, werden von der Eignerin des beschädigten Fahrzeuges getragen. Das gleiche gilt für den daraus hervorgehenden Betriebsverlust.
Die Eignerin verzichtet auf die Geltendmachung des Rückgriffsanspruches auf die andere Partei.
Sind jedoch Schäden durch die Einwirkung von Fahrzeugen, die außerhalb der Schubeinheit stehen, verursacht worden, so macht die Eignerin des Schubbootes, unter der ausdrücklichen Bedingung jedoch, daß diese Schäden der Eignerin des Schubbootes zur Kenntnis gekommen sind, unverzüglich Meldung an die Reederei der Schubleichter, damit letztere den notwendigen Regreß anbringen kann. In einem solchen Falle verpflichtet sich die Eignerin des Schubbootes, die Aussagen der Besatzung, welche Zeugen des Unfalles waren, der Reederei der(s) beschädigten Leichter(s) zur Verfügung zu stellen.
II. Schäden an Dritten
Im Falle von Schäden an Dritten während der Schubfahrt übernimmt die Eignerin des Schubbootes die volle Haftpflicht, es sei denn, wenn Mängel des Schubleichters oder seiner Ausrüstung die Schadensursache bilden.
Die Eignerin des Schubbootes übernimmt diese Haftpflicht im Rahmen der beschränkten Haftung des schuldigen Fahrzeuges respektive der schuldigen Fahrzeuge des Schubzuges entsprechend dem deutschen Binnenschiffahrtsgesetz bzw. dem niederländischen Wetboek van Koophandel.

III. Während Laden und Löschen
Wenn das Schubboot während der Beladung und/oder Entlöschung sich beschäftigt mit Verholen und/oder Befördern der Schubleichter werden Schäden, welche die Schubleichter davontragen, von der Eignerin der Schubleichter getragen und dieselbe verzichtet auf die Möglichkeit der Geltendmachung des Rückgriffsanspruches auf die andere Partei.
Es bleibt abzuwarten, ob das Revisionsgericht in einem etwaigen Revisionsverfahren der zweifellos interessanten, aber sehr weitgehenden Auslegung folgen wird. Nach der reinen Wortinterpretation ist jedenfalls nicht anzunehmen, daß man sich beim Vertragsabschluß Vorstellungen im Sinne der Deutung des Gerichts gemacht hat. Im Vordergrund stand die Überlegung der fünf Unterzeichnerfirmen, daß in einem Schubverband nicht nur Leichter, die der Reederei bzw. Eignerin des Schubbootes gehören, sondern auch Schubleichter anderer Eigner fahren können und es deshalb zweckmäßig ist, unter den wenigen Reedereien, die als erste die Schubschiffahrt auf dem Rhein betrieben, aus Kosten- und Vereinfachungsgründen einen Haftungsausschluß bezüglich der in dem Verband erlittenen Schäden zu vereinbaren. Man dachte dabei nicht an die vom OLG entwickelte Aquivalenztheorie, sondern vielmehr an eine im Anfangsstadium der Schubschiffahrt durchaus verständliche Risikogemeinschaft, zumal drei der fraglichen Reedereien - gemeinschaftlich mit einer weiteren, in dem Abkommen nicht genannten Reederei - sich beim ersten modernen, nach amerikanischen Vorbildern und Erfahrungen entwickelten Schubboot auf dem Rhein, dem „Wasserbüffel", im Jahre 1956 zu einer engen Gemeinschaft beim Bau und Betrieb zusammengetan hatten.
4. Erwähnenswert ist die deutlich betonte Feststellung des Gerichts, daß im Schiffahrtsrecht die reine Verschuldenshaftung gilt. Geht man hiervon aus, so erscheint die „Äquivalenztheorie" des Gerichts recht bedenklich, da diese nur Bedeutung haben kann, wenn die Verschuldenshaftung (Einstehen des Schubbootkapitäns für schuldhaft von ihm bei der Führung des Schubverbandes oder durch die vorschriftswidrige Ablage von Schubleichtern auf Liegeplätzen herbeigeführte Drittschäden) abzulehnen wäre. Das Gericht läßt diese in der Literatur streitige Frage aber ausdrücklich unentschieden. Bei der Abfassung des Abkommens haben sich die Vertragsparteien im Gegensatz zur Auffassung des Gerichts gerade von dem erwähnten Verschuldensprinzip, das inzwischen schon von einem großen Teil anderer Schubschiffahrts-Reedereien in einem neu konzipierten und den Haftungsausschluß wesentlich abmildernden Abkommen ausdrücklich akzeptiert worden ist, leiten lassen. Dafür ist zunächst kennzeichnend die in dem früheren und hier zugrunde gelegten Abkommen enthaltene Verpflichtung des Bootes, alle Drittschäden zu tragen, die der Schubverband verursacht (s. die Begründung des Urteils). Von besonderer Bedeutung ist aber die in dem Abkommen enthaltene Ausnahme für den Fall, daß die Schadensursache für Drittschäden auf Mängeln der (im Schubverband fahrenden fremden) Schubleichter oder ihrer Ausrüstung beruht. Deutlicher konnte der Wille zur grundsätzlichen Anwendung des Verschuldensprinzips und andererseits zur möglichst begrenzten Anwendung des Haftungsausschlusses nicht zum Ausdruck gebracht werden.
5. Schließlich hat sich das Gericht überhaupt nicht mit der Frage befaßt, ob ein Haftungsausschluß auch für vorsätzliches und grobfahrlässiges Verhalten des Schädigers rechtswirksam sein kann. Bekanntlich hat die höchstrichterliche Rechtsprechung insoweit eine in zunehmendem Maße reservierte bzw. ablehnende Haltung zu erkennen gegeben. Durchaus berechtigterweise könnte aber die Frage gestellt werden, ob ein bewußt vorschriftwidriges Verhalten und Außerachtlassem der erlassenen Vorschriften nicht den Tatbestand grobfahrlässiger Verursachung darauf beruhender Schäden erfüllen kann.