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Leitsatz:
Der Eigentümer einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Wasserstraße ist berechtigt, Ersatz seiner Aufwendungen für die erfolglose Suche nach einem Anker von dem Eigner des Schiffes, das den Anker verloren hat, nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu verlangen.
Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht Köln
vom 22. September 1972
3 U 214/71
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Am 26. 11. 1965 ging ein Klippanker eines der Beklagten gehörenden Kahnes bei Rhein-km 663,3 linksrheinisch 50 bis 60 m aus dem Ufer entfernt, mit einem 3-4 m langen Stück Kette verloren, was dem der Klägerin unterstellten Wasser- und Schiffahrtsamt Köln noch am gleichen Tag gemeldet wurde. Erst am 15. und 16. Juni 1966 wurde 5 Stunden lang mit einem Bauprahm und einem Fährnachen nach dem Anker - erfolglos gesucht.
Die Klägerin verlangt Ersatz der ihr entstandenen Aufwendungen von rd. 425,- DM. Die Ankersuche habe an der in der Fahrrinne gelegenen Verluststelle nur bei Wasserständen unter 2,5 m Bonner Pegel erfolgreich sein können und sei deshalb wegen bis dahin andauernd hohen Wasserstandes erst im Juni 1966 erfolgt.
Die Beklagte behauptet, daß der Anker außerhalb der Fahrrinne verloren worden sei, so daß er keine Gefahr für die Schiffahrt gebildet und auch tatsächlich keinen Schaden angerichtet habe. Die Ankersuche sei viel zu spät erfolgt und hätte wegen der Wasserstände nicht 61/2 Monate verschoben werden müssen.
Die mit völlig unzureichenden und unmodernen technischen Mitteln vorgenommene Suche nach dem Anker, mit dessen Verlagerung zu Tal man wegen der Strömung habe rechnen müssen, habe zu so später Zeit nicht mehr im öffentlichen oder im Interesse der Beklagten gelegen und auch nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Interesse der Klägerin entsprochen. Außerdem seien die Ansprüche der Klägerin der Verjährung unterlegen, deren Beginn nicht auf den Zeitpunkt der Ankersuche, sondern des Schadensereignisses abgestellt werden müsse.
Rheinschiffahrtsgericht und Rheinschiffahrtsobergericht haben dem Klageantrag entsprochen. Auf die Revision der Klägerin sind die vorinstanzlichen Urteile wegen Unzuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte vom Bundesgerichtshof aufgehoben und ist die Sache an das Schiffahrtsgericht in Duisburg-Ruhrort zurückverwiesen worden, das der Klage erneut stattgegeben und dabei in den Entscheidungsgründen vollinhaltlich auf die Begründung des Rheinschiffahrtsobergerichts im ersten Instanzenzug Bezug genommen hat.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und außer der erneuten Verjährungseinrede in formeller Hinsicht beanstandet, daß das Schiffahrtsgericht ohne eigene Begründung auf das Urteil eines unzuständigen Gerichts Bezug genommen habe. Im übrigen liege der Fall anders als in der Entscheidung des BGH vom 10. 4. 69 - II ZR 239/67 (NJW 1969, 1205 ff) 2). Die Beklagte trägt insbesondere vor:
a) Eine Suche erst acht Monate nach Verlust des Ankers liege nicht mehr im Interesse der Beklagten, da selbst der Senat eingeräumt habe, es sei nicht sehr wahrscheinlich, daß ein Anker nach mehr als sechs Monaten an der Verluststelle liege.
b) Bei dem langen Zeitablauf zwischen Ankerverlust und Ankersuche sei sogar davon auszugehen, daß die Klägerin gar nicht mehr im Hinblick auf den verlorenen Anker, sondern routinemäßig im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungs- und Unterhaltungspflicht gehandelt habe.
c) Die durchgeführten Maßnahmen seien zur Ankersuche ungeeignet gewesen, das Gericht könne diese Frage nicht aus eigener Sachkunde beantworten.
d) Dem Klageanspruch stünde ein Gewohnheitsrecht entgegen.Das Schiffahrtsobergericht hat die Berufung zurückgewiesen und dem Antrag auf Zulassung der Revision nicht entsprochen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Bezugnahme auf die Gründe eines früheren Urteils in demselben Verfahren, das die Parteien kennen, ist an sich prozessual möglich (vgl. Baumbach, Anm. 5 zu § 313 ZPO). Es wäre hier leere Förmelei, wenn man das Schiffahrtsgericht im vorliegenden Falle, wo es in der Sache völlig dem nur aus Zuständigkeitsgründen aufgehobenen Senatsurteil folgen möchte, zwingen wollte, die Gründe - womöglich wörtlich - in sein Urteil zu übernehmen.
Der vom Senat bereits in seinem Urteil vom 13. 10. 1967 - 3 U 222/66 - eingenommene Rechtsstandpunkt, daß der Eigentümer einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Wasserstraße seine Aufwendungen für die Suche nach einem Anker . von dem Eigner des Schiffes, das den Anker verloren hat, nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz verlangen kann, ist zwischenzeitlich vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10. 4. 1969 II ZR 239/67 (NJW 1969, 1205 ff) bestätigt worden.
Danach liegt in der Suche nach dem Anker die Führung eines Geschäftes der Beklagten im Sinne des § 667 BGB durch die Klägerin. Denn die Beklagte war als Eigentümerin des Schiffes, das den Anker verloren hatte, gehalten, unverzüglich die nach Sachlage gebotenen Maßnahmen zu ergreifen, um andere Fahrzeuge oder sonstige Anlagen und Einrichtungen von der Gefahr, die von dem Anker ausgeht, zu schützen. Daß eine solche Gefahr hier bestand, auch wenn der Anker außerhalb der eigentlichen Fahrrinne lag, hat der Senat in seinem Urteil vom 13. 12. 1968 eingehend begründet.
Indem die Klägerin die hierzu erforderliche Ankersuche durchführte, nahm sie dieses der Beklagten obliegende Geschäft wahr. An dieser Feststellung ändert nichts, daß die Klägerin durch die Ankersuche zugleich der ihr als Stromeigentümerin obliegende Verkehrssicherungspflicht nachkam. Das hindert nicht die Annahme der Geschäftsbesorgung „für einen anderen". Die Geschäftsbesorgung „für einen anderen" ergibt sich hier zwar nicht bereits daraus, daß es sich bei der Ankersuche um ein „objektiv fremdes Geschäft" handelt. Die Ankersuche wird aber dadurch zum fremden Geschäft, daß sie erkennbar von der Klägerin in der Absicht durchgeführt wurde, hierbei auch im Interesse der Beklagten tätig zu werden.
Ein dahingehender Geschäftsführungswille der Kläger ist hier deshalb zu vermuten, weil das von ihr geführte Geschäft der Ankersuche schon seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur der Klägerin, sondern auch der Beklagten zugutekam (vgl. BGH NJW 1963, 1825 = BGHZ 40, 28). Bei objektiver Betrachtung ist nämlich davon auszugehen, daß eine Ankersuche von der Klägerin in der umfassenden Zielsetzung erfolgte, durch die Beseitigung des Ankers Schäden von allen an der Schiffahrt Beteiligten abzuwenden.
Daß es sich hier nicht um eine routinemäßige Untersuchung, sondern um eine gezielte Maßnahme handelte, ergibt sich daraus, daß bei einer ersten Gelegenheit gerade an dieser Stelle von der Klägerin die Suche nach dem Anker geführt wurde. Die Suche fand nämlich zu einem der ersten Zeitpunkte statt, in welchem der Wasserstand das zuließ. Eine erfolgreiche Suche war nämlich nur bei Wasserständen unter 2,50 m Bonner Pegel möglich. Ein derartiger Wasserstand war während der hier fraglichen Zeit nur vom 18. bis 23. Januar 1966 und dann erst wieder ab 8. Juni 1966 gegeben. Diese Zeit ab 8. Juni 1966 hat die Klägerin zur Nachsuche an dieser Stelle benutzt. Daß zu dieser Zeit auch auf anderen Strecken gesucht worden wäre, ist nicht vorgetragen worden.
Die Ankersuche lag - auch am 15./16. 6. 1966 noch - im Interesse der Beklagten. Auch zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte noch verpflichtet, die vom Anker ausgehende Gefahr zu beseitigen. Daß von dem Anker keine Gefahr mehr ausgehen würde, war jedenfalls in diesem Zeitpunkt nicht klar. Die Gefahr war auch nicht so gering zu veranschlagen, daß die Ankersuche nicht mehr im Interesse der Beklagten gelegen hätte. Der Berufung ist zwar einzuräumen, daß es nicht sehr wahrscheinlich war, der Anker werde nach mehr als sechs Monaten noch an der Verluststelle liegen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 13. 12. 1968 aber bereits eingehend begründet hat, mußte sehr wohl auch nach diesem Zeitpunkt noch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß sich der Anker noch im Bereich der Verluststelle befand und Schäden verursachen könnte und daß deshalb zumindest aus der damaligen Sicht die Ankersuche geboten war.
Die Ankersuche lag auch in der Art und Weise, wie sie mit Bauprahm und Fährnachen durchgeführt wurde, im Interesse der Beklagten. Wie der Senat in seinem Urteil vom 13. 12. 1968 näher begründet hat, war diese Maßnahme, gerade weil auf den Einsatz kostspieliger Geräte und eine ausgedehnte Suchaktion verzichtet wurde, der gegebenen Situation angemessen. Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht keine Veranlassung, ein Sachverständigengutachten über die Frage einzuholen, ob die eingesetzten Mittel geeignet zur Ankerauffindung waren. Angesichts des Vortrages der Klägerin, daß die verwendeten Suchmittel in der Mehrzahl aller Fälle Erfolg hätten, wäre von der Beklagten näher darzulegen gewesen, aus welchem Grunde die Suche mit diesen Geräten nicht zweckentsprechend vorgenommen worden sein soll.
Die demnach auch für die Beklagte durchgeführte und in ihrem Interesse liegende Ankersuchmaßnahme widersprach schließlich nicht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Beklagten. Daß die Beklagte die auch in ihrem Interesse liegende Maßnahme nicht gewollt hätte, ist von ihr weder ausdrücklich erklärt worden, noch ist ein solcher Wille sonstwie ersichtlich geworden.
Im übrigen würde hier ein etwa entgegenstehender Wille der Beklagten auch unbeachtlich sein, weil mit der Ankersuche zugleich eine Pflicht der Beklagten erfüllt wurde, die im öffentlichen Interesse lag (§ 679 BGB; vgl. hierzu auch BGH NJW 1969, 1205, 1206).
Ein demnach gegebener Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683, 670 BGB ist nicht durch entgegenstehende gesetzliche Regelung oder kraft Gewohnheitsrechtes ausgeschlossen.
Der Senat läßt dabei, wie bereits im Urteil vom 13. 12. 1968, aus den dort angegebenen Gründen offen, ob und inwieweit sich das Bundeswasserstraßengesetz auf Sachverhalte auszuwirken vermag, die zeitlich nach seinem Inkrafttreten am 10. 4. 1968 liegen. Hier jedenfalls greift dieses Gesetz nicht ein.
Auch daß ein entgegenstehendes Gewohnheitsrecht nicht besteht, wonach nur bei erfolgreicher Ankersuche Aufwendungsersatz verlangt werden könnte, ist im Urteil vom 13. 12. 1968 eingehend begründet worden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung greifen nicht durch. Soweit mit der Berufung anscheinend gerügt werden soll, daß die angebotenen Beweise für das angeblich bestehende Gewohnheitsrecht nicht erhoben wurden, ist diese Rüge unbegründet. Das Gewohnheitsrecht war nämlich gar nicht für den hier zu untersuchenden Fall einer Ankersuche des Verkehrssicherungspflichtigen, sondern nur für den Fall eines Bergungsvertrages behauptet und unter Beweis gestellt worden. Im Urteil vom 13. 12. 1968 ist aber bereits dargelegt, daß eine derartige Handhabung bei Bergungsverträgen kein Indiz für das hier behauptete Gewohnheitsrecht' liefert.
Soweit sich die Ausführungen der Berufung zum Gewohnheitsrecht dagegen richten, daß ein Gewohnheitsrecht nur bei vertraglichen Ansprüchen angenommen werden könne, gehen diese Angriffe deshalb fehl, weil eine derartige Meinung weder vom Senat in seinem Urteil vom 13. 12. 1968 noch im angefochtenen Urteil des Schiffahrtsgerichts geäußert wurde.
Der Anspruch auf Aufwendungsersatz ist nicht verjährt. Der Berufung kann nicht darin gefolgt werden, daß der mit der Regelung der kurzen Verjährungsfrist in §§ 117, 118 BSchG verfolgte Zweck eine Festlegung des Verjährungsbeginnes auf einen objektiven Zeitpunkt, nämlich den Zeitpunkt des Ankerverlustes, erfordere. Der Senat hat zur Frage des Verjährungsbeginnes bereits im Urteil vom 13. 12. 1968 Stellung genommen. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluß des Jahres zu laufen, in welchem die Forderung fällig geworden ist, hier also erst mit Ablauf des Jahres 1966. Zu Recht ist der Ansicht der Beklagten durch die Klägerin entgegengehalten worden, daß eine Verjährungsfrist nicht vor der Entstehung des Anspruches beginnen kann. Es wird hierzu auf § 198 BGB verwiesen. Nach § 118 BSchG (ebenso § 201 BGB) setzt die Verjährung sogar Fälligkeit des Anspruches voraus.
Von einer Zulassung der Revision hat der Senat nach § 546 Abs. 2 ZPO abgesehen. Der Bundesgerichtshof hat in der in NJW 1969, 1205 ff. abgedruckten Entscheidung zu den hier interessierenden Grundsatzfragen bereits Stellung genommen. Der Senat folgt mit dieser Entscheidung den dort entwickelten Grundsätzen. Der hier entschiedene Fall enthält keine darüber hinausgehenden Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung."