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Leitsatz:
Wenn eine Fähre die nach Turnmanövern entstandene, durch eine Boje markierte Fehltiefe quert, verstößt der Fährschiffsführer gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers.
Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergericht) Köln
vom 4.6.1996
- 3 U 199/95 BSchRh -
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar)
Zum Tatbestand:
Das der Beklagten gehörende MS B lief ca. 80 m vor der rechtsrheinischen Anlegestelle der Klägerin, die Fährverkehr betreibt, außerhalb des Fahrwassers auf Grund. Durch Turnversuche bildeten sich auf der Rheinsohle Verwerfungen. Die Klägerin behauptet, bei der Fahrt über die Fehlstellen seien Schottelpropeller ihrer Fähren beschädigt worden.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Schadensersatzklage abgewiesen. die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Dem Vorbringen der Klägerin zufolge belief sich der niedrigste Wasserstand in dem fraglichen Zeitraum auf 2,63 m. Die Fährschiffe der Klägerin haben einen Tiefgang von 1,10 m. Den glaubhaften Bekundungen des Zeugen S zufolge gehen die Propeller nicht tiefer als das Schiff.... Die Untiefe hatte eine Höhe von 1 m. Somit war bei dem niedrigsten Wasserstand von 2,63 m zwischen Untiefe und Kiel der Fähren ein Wasserpolster von 53 cm. Auch unter Berücksichtigung der Wirkung von Sog und Wellenschlag wird in Rechtssprechung und Literatur zum Teil ein Wasserpolster von 20 cm, überwiegend ein solches von 30 bis 40 cm für ausreichend erachtet (Bemm/Kortendieck, RhSchPoVO 1983, § 1.06 Rn. 7 m.w.N.).
Darüber hinaus folgt der Senat der Auffassung des Rheinschiffahrtsgerichts, wonach - eine Beschädigung der Fähren infolge der Untiefe unterstellt - das Mitverschulden der Klägerin so schwer wiegt, daß eine Haftung der Beklagten ausscheidet. Die Besatzung von MS „Böhmerwald" hat nach dem Festkommen Turnversuche unternommen. Dieses Verhalten war nicht nur sachgerecht, sondern im Gegenteil geboten. Nach § 1.18 RhSchPoVO ist das Fahrwasser unverzüglich freizumachen. Der Schiffsführer hat sofort die Durchführung von Turnmanövern zu veranlassen (Bemm/Kortendieck a.a.O., § 1.18 Rn. 3)...
Nach dem Freikommen des Schiffes wurde die Fehlstelle durch das Wasserund Schiffahrtsamt mit einer Boje markiert, und zwar, wie der Zeuge N bekundet hat, zur Wahrschau der durchgehenden Schiffahrt und des Querverkehrs. Gleichwohl haben die Fähren der Klägerin, wie der Zeuge S bekundet hat, den Rhein im Bereich der Fehlstelle gequert.... Man sei eine Woche „über den Dreckhaufen gefahren".... Dadurch haben die Schiffsführer der Klägerin in einem ganz ungewöhnlichen Maß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers verstoßen.
Ihnen ist nach Auffassung des Senates ein höherer Verursachungs- und Verschuldensbeitrag zur Last zu legen als der Besatzung von MS „Böhmerwald", vergleichbar etwa mit dem Fall, in dem jemand sehenden Auges auf zwei verunfallte, stehende Fahrzeuge auffährt.....“
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1999 - Nr.5 (Sammlung Seite 1739); ZfB 1999, 1739