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Leitsatz:
Wird ein Schiff mittels Meerdrähten neben einem anderen Schiff festgelegt, gehört nach den §§ 1.04, 7.01 Ziff. 4 RheinSchPV zu dessen ordnungsgemäßen Befestigung auch das Legen eines Vorausdrahtes. Hierfür muß der Führer des Schiffs, an das ein anderes gemeert wird, ebenfalls Sorge tragen.
Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln
vom 25.10.1996
3 U 19/95 BSchRh
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Kaskoversicherer des MS P, dessen Eigner und Schiffsführer S das Schiff am 6.3.1992 bei Rheinkm 638 zur Übernachtung an einer Hafenmauer mit mehreren Tauen festgemacht hatte. Gegen 22.30 Uhr legte der Beklagte sein Schiff, MS T, längsseits. Gegen ca. 1.30 Uhr gab es einen starken Ruck, woraufhin sich S überzeugte, daß die Taue noch befestigt waren. Gegen ca. 4.00 Uhr gab es einen weiteren Ruck; die gemeerten Schiffe gerieten ins Treiben. S versuchte. den Motor von MS P anzuwerfen, was nicht gelang. Später stellte sich heraus, daß bei dem Treiben Propeller und Ruder beschädigt worden waren. Die Beklagte setzte den Motor seines Schiffs in Gang und brachte beide Schiffe ans Ufer.
Unstreitig hatte der Beklagte sein Schiff weder durch einen weiteren Vorausdraht an Land befestigt noch einen Anker angebracht.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Klage auf Ersatz des Schadens einschließlich des Nutzungsverlustes dem Grunde nach zur Hälfte stattgegeben. Der Beklagte habe gegen die §§ 1.04, 7.01 Ziff. 4 RheinSchPV verstoßen, denn gerade bei Niedrigwasser sei im Bereich des Mittelrheins besondere Sorgfalt beim Festmachen der Schiffe anzuwenden, zumal damit zu rechnen sei, daß leere Talfahrer mit unangepaßter Geschwindigkeit starke Wellenbewegungen sowie Sog verursachen. Hierdurch sei der Unfall verursacht worden, wenngleich der betreffende Talfahrer nicht habe festgestellt werden können. Da von dem Beklagten nicht ein weiterer Vorausdraht zur Entlastung der Taue von MS P gelegt worden sei, habe er den Abrißvorgang mit verursacht und verschuldet. Andererseits sei jeder Schiffsführer für das ordentliche Anlegen selber verantwortlich. S habe jedoch seine Verpflichtung nicht voll erfüllt, denn er habe nicht darauf geachtet, daß der Beklagte sein Schiff auch ordnungsgemäß absicherte, was er durch ein Verbot des Anlegens habe erzwingen können. Somit sei eine Verteilung je zur Hälfte nach dem Verschulden der Beteiligten billig und angemessen.
Die Berufungen beider Parteien hatten keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Rheinschiffahrtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, der Klage dem Grunde nach zur Hälfte stattgegeben. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufungen gehen fehl.
Durch das eingeholte Gutachten des Sachverständigen K ergibt sich zur Überzeugung auch des Senats, daß das Fehlen eines Vorausdrahtes bei MS T ursächlich für das Reißen der Taue war und diese Taue mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gerissen wären, wenn das MS P allein an der Mauer gelegen hätte; weiterhin, daß für die Sicherheit des Päckchens das Legen eines Vorausdrahtes bei MS T unbedingt erforderlich gewesen wäre, um einer üblichen und ordnungsgemäßen Befestigung zu entsprechen.
Auf die überzeugende und von den Parteien auch nicht angegriffene Begründung des schriftlichen Gutachtens, dem sich das Gericht vollinhaltlich anschließt, wird verwiesen.
Bestehen somit an der Mitverursachung des Abreißvorg Inges durch den Beklagten sowie seiner Schuld keine Zweifel, muß sich die Klägerin jedoch das hälftige Mitverschulden des Schiffsführers S aus den in der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Gründen zurechnen lassen. Soweit die Klägerin vermeint, der Schiffsführer S habe erst mit dem Abreißen der Schiffe das Fehlen eines Vorausdrahtes bei MS T bemerkt, steht diese Annahme in eindeutigem Widerspruch zu der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen S. Dieser hat auf Befragen des Beklagtenvertreters seine zunächst gemachte Aussage, er habe bei dem ersten Ruck in der Nacht lediglich aus dem Schlafzimmerfenster geguckt, dahin korrigiert. er habe nicht nur hinausgeschaut, sondern er sei auch nach draußen gegangen, um seine Taue zu kontrollieren, und er habe zu diesem Zeitpunkt gesehen, daß T kein Tau an Land gelegt gehabt habe.
Diese Aussage, wie sie auch ohne Widerspruch protokolliert worden ist, ist klar, eindeutig und läßt die Auslegung der Klägerin, erst mit dem Abreißen der Schiffe habe der Schiffer das Fehlen des Vorausdrahtes wahrgenommen, nicht zu. Es ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte aus der Protokollierung oder dem Klägervortrag in der Berufung, daß der Zeuge bei seiner in Anwesenheit beider Parteienvertreter erfolgten Vernehmung von dem Gericht mißverstanden worden ist.
Unter den gegebenen Umständen ist dem Schiffsführer S nicht nur vorzuwerfen, nicht für eine ordnungsgemäße Befestigung des an MS P emeerten MS T zum Land hin Sorge getragen zu haben, sondern darüber hinaus, dies in Kenntnis des Umstandes, daß die entsprechende Befestigung fehlte, unterlassen zu haben.
Das rechtfertigt auch nach Überzeugung des Senats das Mitverschulden zu 1/2 anzunehmen......"
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1997 - Nr.22 (Sammlung Seite 1665); ZfB 1997, 1665