Decision Database
Leitsätze:
1) Eine Unterbrechung der Ladezeit wegen Eisgefahr nach § 29Abs.3 Satz 2 BinSchG kann auch bei der Bildung von Grundeis eintreten.
2) Naturereignisse sind auch dann „zufällige Umstände" im Sinne von § 29 Abs. 3 BinSchG, wenn sie alljährlich auftreten.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsgerichts) Köln
vom 9.2.1990
3 U 191/89
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Der Kläger ist Eigner des 893 t großen Motorschiffs „T". Gemäß Frachtvertrag vom 27.2.1987 beauftragte ihn die Beklagte zu 1) mit dem Transport von ca. 765 t Chlorkalium von Sachsenhagen nach Kwaadmechelen. Der Kläger traf am Samstag, 28.2.1987, gegen 14.00 Uhr nach Schluß der ortsüblichen Geschäftszeit an der Ladestelle Sachsenhagen ein. Eine ordnungsgemäße Meldung war nicht möglich, da sich an der Ladestelle niemand mehr befand, der die Bereitschaftsmeldung hätte entgegennehmen können. Am 4.3.1987 wurde mit der Beladung begonnen. Zur damaligen Zeit herrschte eine starke Frostperiode mit erheblicher Eisbildung auf dem Mittellandkanal. Deshalb stellte der Kläger die Beladung gegen 22.30 Uhr ein, als das Schiff bei einer geladenen Menge von 661 t festzuliegen kam. Es verließ die Ladestelle erst am 11.3., nachdem es gegen 11.15 Uhr fertiggestellt war, mit der um 104t geringeren als der vereinbarten Lademenge.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagten auf Liegegeld für 5/2 Tage und 6 Stunden, Fehlfracht für die nicht übernommenen 104t und Ersatz von Telefonkosten in Anspruch genommen. Er hat geltend gemacht, die Ladestelle sei ungeeignet gewesen; es habe sich offenbar Grundeis gebildet. Die Beklagte zu 1) habe es bei der bestehenden Gefahrenlage nicht zulassen dürfen, daß überhaupt Schiffe in den Hafen eingefahren seien. Demgegenüber haben die Beklagten behauptet, an der Ladestelle sei stets eine ausreichende Wassertiefe von 2,70 bis 3,20 m vorhanden gewesen. Die Beladeschwierigkeiten seien darauf zurückzuführen, daß sich offenbar ein Eispanzer unter dem Schiffskörper gebildet habe. Infolge der Eisgefahr habe - unstreitig - vom 5.3. bis 12. 3. 1987 die gesamte Schiffsbeladung in Sachsenhagen geruht.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Schwierigkeiten bei der Beladung auf Naturereignissen beruht haben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„1. Ein Anspruch auf Liegegeld gemäß § 30 BSchG scheitert daran, daß die Ladezeit nicht überschritten worden ist.
Im vorliegenden Fall betrug die Ladezeit gemäß § 29 BSchG 5 Tage. Für die Feststellung der Dauer der Ladezeit ist grundsätzlich das tatsächlich eingeladene Gewicht zugrundezulegen; nach §§ 26 BSchG, 446 Abs. 2 HGB ist aber, wenn der Frachtvertrag eine Gewichtsangabe enthält, diese maßgebend (vgl. Vortisch-Zschucke, Anm. 4 a zu § 29 BSchG). Ausweislich des zwischen den Parteien geschlossenen Frachtvertrages waren 765 t vereinbart, so daß von einer Ladezeit von 5 Tagen auszugehen ist. Die Ladezeit begann am Dienstag, dem 3.3.1987. Unstreitig war der Kläger am Samstag, dem 28.2.1987, erst nach Schluß der ortsüblichen Geschäftszeit gegen 14.00 Uhr an der Ladestelle Sachsenhagen eingetroffen. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 BSchG galt daher die Anzeige der Ladebereitschaft als am nächsten Werktag erfolgt, also am Montag, dem 2. 3. 1987. Aus dem Umstand, daß in dem Frachtvertrag als Meldetag der 28. 2. 1987 vorgesehen war, folgt nicht, daß der Kläger die Anzeige der Ladebereitschaft an diesem Tag auch nach Schluß der ortsüblichen Geschäftszeit hätte vornehmen können. Etwas anderes würde nur gelten, wenn sich der Kläger innerhalb der ortsüblichen Geschäftsstunden bei der Ladestelle Sachsenhagen vorangemeldet hätte (vgl. Vortisch-Zschucke Anm. 2 e zu § 28 BSchG). Dies behauptet er aber selbst nicht. Die Ladezeit begann somit gemäß § 29 Abs. 1 BSchG am Dienstag, dem 3.3.1987.
Eine Überschreitung der Ladezeit läßt sich nicht feststellen. Zwar verließ das Schiff die Ladestelle unstreitig erst am 11. 3. 1987 gegen 11.15 Uhr. Die Ladezeit war jedoch in der Zeit vom 4. 3. 1987 gegen 22.30 Uhr, als das Schiff des Klägers mit einer Beladung von 661 t festzusitzen kam, bis zum 12. 3. 1987 infolge von Eisgefahr unterbrochen, § 29 Abs. 3 Satz 2 BSchG. Denn in dieser Zeit war unstreitig die Verladung jeglicher Art von Gütern auf das Schiff verhindert.
Entgegen der Auffassung des Klägers beruhte die Unmöglichkeit weiterer Beladung nicht darauf, daß die Ladestelle Sachsenhagen ungeeignet im Sinne von § 27 Abs. 2 BSchG gewesen wäre. Wie nunmehr zwischen den Parteien unstreitig ist, hat nicht eine unzureichende Wassertiefe an der Ladestelle, sondern Eis zu den Schwierigkeiten bei der Beladung des Schiffs geführt. Die Parteien streiten nur noch darüber, ob Eisbildung unter dem Schiff oder Grundeis hierfür ursächlich war. Insoweit hat die vom Schiffahrtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme keine eindeutigen Feststellungen ergeben. Einer weiteren Aufklärung hierzu bedarf es jedoch nicht, da auch Grundeis zur Eisgefahr im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 2 BSchG zu rechnen ist. Der Senat teilt die Auffassung des Schiffahrtsgerichts, daß es keinen Unterschied machen kann, ob das Ladehindernis darauf beruht, daß sich Eisschollen vom Oberflächeneis unter das Schiff gesetzt haben oder ob die Beladung wegen Grundeises an der Ladestelle nicht mehr möglich ist. Entscheidend ist, daß die Vereisung die Beladung des Schiffs mit Gütern jeder Art verhindert hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind Naturereignisse auch dann „zufällige Umstände" im Sinne von § 29 BSchG, wenn sie alljährlich auftreten. Gerade die vom Gesetz angeführten Tatbestände .Hochwasser" und „Eisgefahr" sind Erscheinungen, die alljährlich oder jedenfalls in Abständen von wenigen Jahren vorkommen. Nach der eindeutigen Wertung des Gesetzgebers soll ein hierdurch bedingtes Ladehindernis nicht zu Lasten des Absenders gehen. Der Kläger kann sich für die von ihm vertretene Meinung auch nicht auf Vortisch-Zschucke, Anm. 5 c zu § 29 BSchG berufen. Es heißt dort lediglich, daß der Schluß der Schiffahrt wegen Winterfrostes, Hoch- oder Niedrigwasser an sich kein Hindernis für die Beladung des Schiffes oder deren Fortsetzung bildet, und der Schiffer ein berechtigtes Interesse daran hat, bei der Wiedereröffnung der Schiffahrt nicht erst auf die Vollendung der Beladung unentgeltlich warten zu müssen. Hier war aber gerade die Beladung wegen der Vereisung nicht mehr möglich.
Für die Eisgefahr an Kanalstationen kann nichts anderes gelten als für diejenigen an Flüssen. Nach den physikalischen Gesetzmäßigkeiten gefriert stehendes Wasser zwar wesentlich schneller als fließendes. Der Gesetzgeber hat bezüglich der Eisgefahr aber nicht zwischen fließenden und stehenden Gewässern unterschieden. Es kann daher nicht gefordert werden, daß Ladestellen an stehenden Gewässern wegen der höheren Vereisungsgefahr so tief ausgebaggert werden müßten, daß sich kein Grundeis mehr bilden kann, oder entstehendes Grundeis fortlaufend zu entfernen sei. Das Schifffahrtsgericht weist zu Recht darauf hin, daß dies vom Aufwand - und den Kosten - her unzumutbar wäre.
Bei der Berechnung der Ladezeit kommen somit die Tage vom 5. bis zum 11.3. 1987 wegen Eisgefahr nicht in Ansatz. Die Ladezeit war daher noch nicht abgelaufen, als der Kläger die Ladestelle am 11. verließ .. .
2. Ein Anspruch auf Fehlfracht gemäß § 35 Abs. 2 BSchG für die nicht übernommenen 104t ist ebenfalls nicht gegeben. § 35 BSchG setzt den Ablauf der Wartezeit voraus. Es läßt sich jedoch nicht feststellen, daß die Wartezeit gemäß § 33 BSchG verstrichen gewesen wäre, als der Kläger die Ladestelle am 11.3. 1987 mit der Teilfracht verließ. Wie oben ausgeführt, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die Ladezeit abgelaufen. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß er der Beklagten zu 1) seinen Willen, nicht länger warten zu wollen, angezeigt hätte, § 33 Abs. 1 BSchG. Er war auch keinesfalls zur Kündigung berechtigt, wenn von seiner Seite her keine Ladebereitschaft bestand. Unstreitig hat er die Übernahme der restlichen Fracht abgelehnt, nachdem das Schiff freigekommen war. Die Fehlfracht muß daher zu seinen Lasten gehen.
3. Ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz von Telefonkosten ist ebenfalls nicht gegeben; denn eine schuldhafte Verletzung der Vertragspflichten der Beklagten aus dem Frachtvertrag ist nicht festzustellen. Das Festliegen des Schiffes fiel - wie oben ausgeführt - nicht in ihren Verantwortungsbereich, sondern beruhte auf der Eisgefahr, für die sie nicht einzustehen haben...."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.20 (Sammlung Seite 1342 f.); ZfB 1991, 1342 f.