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3 U 160/95 BSch/Mo - Oberlandesgericht (Moselschiffahrtsobergericht)
Decision Date: 24.05.1996
File Reference: 3 U 160/95 BSch/Mo
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Oberlandesgericht Köln
Department: Moselschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Liegt die wesentliche Unfallursache darin, daß sich ein Schiffsführer nicht an den schiffahrtsüblichen Kurs im Bereich der Unfallstelle gehalten hat, trifft ihn ein Verschulden an der Kollision.

2) Nötigen die Fahrwasserverhältnisse zu Uferwechseln und haben sich dadurch bestimmte Kurse für die Berg- und die Talfahrt herausgebildet, gehört es zu den Pflichten des Schiffsführers, sich rechtzeitig und hinreichend darüber zu unterrichten, welche Kurse üblicherweise, insbesondere an schwierigen Stellen, eingehalten werden.

3) Herrscht über einen längeren Zeitraum Funkstille, ist aber wegen Nebels Funkverkehr zu erwarten und weiß ein Schiffsführer aufgrund eines mit angehörten Funkgesprächs, daß ein Talfahrer entgegenkommt, muß er spätestens dann, wenn seine mehrfach gegebene Kursweisung gemäß § 6.32 Ziff. 5 MoselSchPVO von dem inzwischen im Radarbild erkennbaren Talfahrer nicht bestätigt wird, auf einen Defekt seines Funkgeräts schließen. In einem solchen Fall muß er auf das zweite Funkgerät umschalten, um eine drohende Kollision zu verhüten.

Urteil des Oberlandesgerichts (Moselschiffahrtsobergerichts) Köln

vom 24.5.1996

3 U 160/95 BSch/Mo

(Moselschiffahrtsgericht St. Goar)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin ist Versicherer des MS M. Sie macht übergegangene Ansprüche gegen den Beklagten als Eigentümer und Schiffsführer des MS P gellend, mit dem MS M kollidierte.

In der Nacht zum 1. März 1993 hatte MS M auf der Mosel zu Tal fahrend auf dem Unterwasser der Schleuse Lehmen (Moselkilometer 20,83) Nachtruhe gehalten. Gegen 6.45 Uhr nahm es die Fahrt wieder auf, wobei der Sohn des Eigners, Schiffsführer W., das Steuer übernahm. Es herrschte Nebel mit einer Sichtweite von ca. 150 m, der sich nach Auskunft eines weiteren Talfahrers bis zur Brücke bei Moselkilometer 17,2 erstreckte. Obgleich der Schiffsführer die Mosel erst wenige Male befahren und Nebel dort noch nicht erlebt hatte, setzte er die Fahrt fort, zumal Radar und Sprechfunkgerät zur Verfügung standen. Eine Begegnung mit dem zu Berg fahrenden MS T erfolgte problemlos Backbord/Backbord. Dessen Führer N machte MS M auf einen weiteren Bergfahrer aufmerksam, der diesem in einigen hundert Meter Entfernung folgte. Schiffsführer W versuchte vergeblich, mit dem Bergfahrer über Funk Kontakt aufzunehmen. Als er auf der rechten Seite der Mosel fahrend die Krümmung bei Moselkilometer 19,5 umfahren hatte, entdeckte er auf dem Radarbild das ihm entgegenkommende MS P des Beklagten, das ebenfalls die rechte Moselseite einhielt. Zwischen den Fahrzeugen kam es bei Moselkilometer 19,2 zu einem Zusammenstoß, wobei MS M mit dem Steven gegen die Backbordbugseite von MS P stieß. An beiden Schiffen entstand erheblicher Sachschaden.

Die Klägerin hat behauptet, MS M habe rechtzeitig vor der Begegnung um Kursweisung durch das zu Berg fahrende MS P gebeten, aber keine Antwort erhalten. Das entgegenkommende Schiff sei auf dem Radarbild erst nach der Flußkrümmung zu sehen gewesen. Ein Ausweichen sei nicht möglich gewesen, zumal der Bergfahrer immer noch keine entsprechende Weisung erteilt gehabt habe. Zwar habe Schiffsführer W die Geschwindigkeit seines Schiffes verringert. Ein Zusammenstoß sei indes unvermeidbar geworden, zumal sich MS P noch in voller Fahrt befunden habe.

Der Beklagte hat behauptet, das Wetter sei noch klar gewesen, als er am frühen Morgen in Güls die Fahrt aufgenommen habe. Unterwegs habe er mit dem vor ihm fahrenden MS T nach entsprechender Verabredung auf Kanal 9 Funkkontakt gehabt. Als unterhalb der Koberner Brücke Nebel aufgekommen sei, habe er sich über Funk als Bergfahrer gemeldet, aber keine Antwort erhalten. Deshalb habe er angenommen, daß das Revier frei sei. Oberhalb der Brücke habe er - einer Übung der Moselschiffahrt folgend - den Übergang zur rechten Moselseite hin gemacht und das Funkellicht mit blauer Flagge gesetzt. Auch habe er wiederholt seine Position bekannt gegeben, ohne daß sich ein Talfahrer gemeldet hätte. Auch ansonsten habe Funkstille geherrscht. Als er den Talfahrer dann im Radarbild um die Flußkrümmung habe kommen sehen, sei dessen Kurs zunächst nicht erkennbar gewesen. Eine Kursweisung habe dieser nicht erwidert. Seine im Steuerhaus befindliche Ehefrau habe zwar das Signal zur Begegnung Steuerbord/Steuerbord gegeben (zwei kurze Töne), der Talfahrer habe sich aber weiter auf der rechten Moselseite gehalten. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, habe er sein Schiff so weit nach Backbord gelenkt, bis er außerhalb des Fahrwasser auf Grund geraten sei. Er habe zurückgeschlagen und sei fast ständig geworden, als MS "Margeja" ihm - in voller Fahrt befindlich - gegen die Steuerbordseite des Buges gestoßen sei. Erst im letzten Moment habe er das zweite an Bord befindliche Funkgerät, das er in der Regel nur für den Verkehr mit der Schleuse benutze und das deshalb auf Kanal 20 gestellt gewesen sei, auf Kanal 10 umgestellt und so wieder Funkkontakt mit dem Talfahrer bekommen. Erst jetzt habe er den Defekt an dem anderen Funkgerät bemerkt, das bei dieser Gelegenheit erstmals ausgefallen gewesen sei. Auf der Rückreise habe es dann wiederum Störungen gezeigt, so daß er den Kontaktstecker habe auswechseln lassen müssen.

Das Moselschiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt.

Die Berufungen beider Parteien hatten keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Das Moselschiffahrtsgericht hat zu Recht ein überwiegendes Verschulden der Schiffsführung von MS M an der Kollision angenommen. Die wesentliche Unfallursache liegt darin begründet, daß sich Schiffsführer W nicht an den schiffahrtsüblichen Kurs im Bereich der Unfallstelle gehalten hat. Wie sich aus dem Moselatlas ergibt und auch seitens des Zeugen M von der Wasserschutzpolizei bestätigt worden ist, fährt die Bergfahrt im Bereich von Kilometer 18,8 bis ca. 20,8 am geographisch rechten Moselufer; die Begegnung erfolgt Steuerbord/Steuerbord. Demgegenüber sind der Schiffsführer W und sein Vater, der Schiffseigner, fälschlicherweise davon ausgegangen, sie müßten möglichst weit rechts fahren, da auf der Mosel normalerweise Rechtsverkehr herrsche. Dies ergibt sich aus ihren eigenen Bekundungen im Verklarungsverfahren. Wie der BGH ausgesprochen hat, gehört es zu den Pflichten des Schiffers, sich rechtzeitig und hinreichend zu unterrichten, ob die Schiffahrt in bestimmten Bereichen, insbesondere an schwierigen Stellen, bestimmte Kurse üblicherweise einhält. Gerade bei Nebel gewinnt die Einhaltung schiffahrtsüblicher Kurse für die Sicherheit des Verkehrs eine ihr bei sichtigem Wetter nicht zukommende Bedeutung, vor allem, wenn die Fahrwasserverhältnisse wegen der Flußwindungen zu Uferwechseln nötigen und sich dadurch bestimmte Kurse für Berg- und Talfahrt herausgebildet haben (vgl. BGH VersR 74, 187 und 237). Dieser Auffassung hat sich der Senat angeschlossen.
Offensichtlich war der Schiffsführer W über die schiffahrtsüblichen Kurse auf der Mosel nicht unterrichtet, weil er die Mosel nur sehr selten befahren hatte, und er fuhr dort zum ersten Mal bei Nebel. Schiffsführer W muß sich demnach vorwerfen lassen, daß er trotz seiner Unkenntnis der schiffahrtsüblichen Kurse auf der Mosel bei Nebel weitergefahren ist und seinen falschen Kurs am rechten Ufer entlang auch dann beibehalten und sogar noch weiter nach rechts gelegt hat, als er feststellte, daß ihm der Bergfahrer dort entgegenkam und seinen Kurs offensichtlich beibehielt, wie dies der Zeuge W sen. bekundet hat. Da der Funkkontakt für den Schiffsführer erkennbar gestört war und er auch die Kursweisung des Bergfahrers gemäß § 6.04 Ziff. 4 Moselschiffahrtspolizeiverordnung "zwei kurze Töne" für die Vorbeifahrt Steuerbord/ Steuerbord seinen Angaben zufolge nicht wahrgenommen hatte, hätte er seinen Kurs zur Flußmitte hin verlegen müssen, um eine problemlose Vorbeifahrt zu ermöglichen. Im Verlauf der weiteren Annäherung hätte er dann die Maßnahmen gemäß § 6.32 Ziff. 4 Moselschiffahrtspolizeiverordnung ergreifen, nämlich das Dreitonzeichen so oft wie notwendig geben, zurückschlagen und Bug zu Tal anhalten oder aufdrehen müssen. Nichts von alledem hat der Schiffsführer W unternommen, sondern - wie er selbst bekundet hat - erst unmittelbar vor der Kollision die Maschine auf rückwärts gestellt.

Der Beklagte hat den Zusammenstoß ebenfalls verschuldet. Der Senat teilt allerdings die Auffassung des Moselschiffahrtsgerichts, daß das Funkgerät von MS P tatsächlich einen Defekt in Form eines Wackelkontakts aufwies und dies nicht etwa eine Schutzbehauptung des Beklagten ist. Dies ergibt sich insbesondere aus der glaubhaften Aussage des unbeteiligten Zeugen N, der bekundet hat, er habe mit MS P Funkkontakt gehabt und habe sich dann weiter mit ihm absprachegemäß auf einem anderen Kanal - 9 oder 11 - unterhalten. Als es dann MS "Margeja" nicht gelang, mit MS P Funkkontakt aufzunehmen, hat der Zeuge N dies seinen Angaben zufolge selbst versucht, sein Funkgerät dabei auch auf Kanal 9 und Kanal 11 umgestellt und damit ebenfalls keinen Erfolg gehabt. Daß kein Funkkontakt zustande kam, kann demzufolge nicht daran gelegen haben, daß es der Beklagte etwa vergessen hatte, nach dem Gespräch mit dem Zeugen N sein Gerät auf Kanal 10 zurückzuschalten; vielmehr muß es insgesamt ausgefallen gewesen sein. Auch durch die Aussage des Schiffsführers W wird bestätigt, daß der Beklagte nach dem mit dem Zeugen N auf Kanal 9 oder 11 geführten Gespräch sein Gerät wieder auf Kanal 10 geschaltet hatte; denn er hat seinen Bekundungen zufolge während seiner Begegnung mit MS T gehört, daß sich der Bergfahrer an der Brücke Niederfell meldete. Dies entspricht der Aussage der Zeugin B, der Ehefrau des Beklagten. Das Funkgerät muß demnach nach dem Passieren der Brücke Niederfell ausgefallen sein. Nach den Angaben des Zeugen M funktionierte es bei der Überprüfung durch die Wasserschutzpolizei nach der Kollision dann wieder. Dies läßt auf einen Wackelkontakt schließen. Insofern hat der Senat keine Bedenken, der diesbezüglichen Aussage der Zeugin B zu folgen.
Hieraus ergibt sich allerdings nicht, daß die Haftung des Beklagten für den Zusammenstoß gemäß § 92 a BinSchG ausgeschlossen wäre. Zwar kann der Aussage der Zeugin B entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entnommen werden, daß dem Beklagten schon einige Zeit vor der Kollision der Defekt des Funkgeräts bekannt gewesen wäre. Ihre Angaben zur Funktionsfähigkeit des Funkgeräts sind auf einzelne Nachfragen hin erfolgt und geben das Geschehen nicht in der zeitlichen Reihenfolge wieder. Die von der Zeugin geschilderte Probe durch Umschalten des anderen Funkgeräts auf Kanal 10 bezieht sich ersichtlich auf den Zeitpunkt unmittelbar vor der Kollision, wie sie dies zunächst im Zusammenhang berichtet hatte. Nach der Aussage der Zeugin B ist somit davon auszugehen, daß das Funkgerät erstmals hinter der Brücke Niederfell ausgefallen ist. Dem Beklagten ist aber vorzuwerfen, daß er den Defekt nicht früher bemerkt und das zweite Funkgerät auf Kanal 10 geschaltet hat. Ihm hätte auffallen müssen, daß über einen längeren Zeitraum Funkstille herrschte. Zwar hat der Zeuge N bekundet, zur fraglichen Zeit sei nicht viel Funkverkehr zu hören gewesen. Auf der vor dem Beklagten liegenden Strecke war aber wegen des Nebels Funkverkehr zu erwarten, zumal er nach seinen eigenen Angaben aufgrund eines mit angehörten Funkgesprächs wußte, daß ihm ein Talfahrer entgegenkam. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als seine mehrfachen Kurswei- sungen über Kanal 10 nicht erwidert wur- den, also etwa zwei bis drei Minuten nach Passieren der Niederfeller Brücke, als er den Bekundungen der Zeugin B zufolge auf dem Radarschirm Talfahrt sah, hätte er stutzig werden und durch Umschalten auf das an dere Funkgerät ausprobieren müssen, ob sein Funkgerät nicht funktionierte; denn wenn sein Funkspruch zu hören gewesen wäre, wäre zu erwarten gewesen. daß der ihm entgegenkommende Talfahrer die Kurs. weisung gemäß § 6.32 Ziff. 5 Moselschif. fahrtspolizeiverordnung bestätigte. Selbst zu dem Zeitpunkt, als die Zeugin B MS M um die Ecke kommen sah und das Schallsignal gab, also in 200 bis 300 Meter Entfernung, hätte mit einer Funkdurchsage über das andere Gerät die Kollision angesichts der relativ geringen Geschwindigkeit der beiden Schiffe wohl noch vermieden werden können, wie die Zeugin bekundet hat. Im übrigen hätte der Beklagte, wie das Moselschiffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, das Schallsignal wiederholen und den langen Ton gemäß § 6.32 Ziff. 5 Moselschiffahrtspolizeiverordnung geben müssen. Allerdings kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, daß die Nichtabgabe dieser Schallsignale für die Kollision ursächlich geworden ist, da dichter Nebel die Hörbarkeit von Schallzeichen oder die Orientierung danach erschwert oder gar beseitigt (vgl. BGH VersR 74, 187) und dann, wenn die Schallzeichen bei weiterer Annäherung der beiden Schiffe zu hören sind, ein Ausweichen meist nicht mehr möglich ist. Von derbeantragten Hörprobe, die sinnvoll nur unter gleichen Bedingungen wie zur Unfallzeitalso bei Nebel mit einer Sichtweite von ca. 150 m - durchgeführt werden könnte, hat der Senat abgesehen, da beide Schiffsführer gleichermaßen der Vorwurf trifft, keine Schallzeichen mehr gegeben zu haben. Für die Höhe der Mitverschuldensquote kann daher offenbleiben, ob sich die pflichtwidrige Unterlassung der Abgabe von Schallzeichen unfallursächlich ausgewirkt hat. Bei der gemäß § 92 c Binnenschiffahrtsgesetz vorzunehmenden Abwägung des beiderseitigen Verschuldens hat der Senat daher nur auf die übrigen Pflichtverletzungen seitens der Schiffsführer abgestellt.

Die vom Moselschiffahrtsgericht vorgenommene Schadenverteilung im Verhältnis 2:1 zu Lasten der Klägerin ist nicht zu beanstanden. Das Verschulden des Schiffsführers W ist höher als dasjenige des Beklagten zu bewerten, da er bei Nebel nicht den schiffahrtsüblichen Kurs gefahren ist und auch nicht die Maßnahmen gemäß § 6.32 Ziff. 4 b Moselschiffahrtspolizeiverordnung ergriffen hat. Der Beklagte ist demgegenüber einen klaren Kurs entsprechend der Üblichkeit im Unfallbereich gefahren und hat dem Talfahrer praktisch das gesamte Fahrwasser freigehalten.

Seine Behauptung, er sei zur Vermeidung einer Kollision sogar jenseits der Tonnenlinie im Uferbereich gefahren, wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen N, der Bergfahrer habe zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes fast an Land gelegen. Das Verschulden des Beklagten im Hinblick auf das verspätete Bemerken des Funkgerätausfalls ist eher gering einzuschätzen.

Nach alledem erschien es gerechtfertigt, den schuldhaften Verursachungsbeitrag des Schiffsführers W doppelt so hoch wie denjenigen des Beklagten zu bewerten ....."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1996 - Nr.9 (Sammlung Seite 1603 f.); ZfB 1996, 1603 f.