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Leitsatz:
Im Hinblick auf Kleinfahrzeuge reicht es nicht aus, festgefahrene Fahrzeuge nach § 3.41 RheinSchPVO zu kennzeichnen. Es kann notwendig sein, andere oder weitergehende Maßnahmen zu treffen, z.B. zusätzlich einen Turnstrang zu markieren.
Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln
vom 27.04.1993
3 U 156/92
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Der Kläger war verantwortlicher Bootsführer des ihm gehörenden Sportmotorbootes S (7,5 m x 3 m; 2 x 130 PS). Der Beklagte zu 2 ist Eigner des Koppelverbandes PI/II, der vom Beklagten zu 1 geführt wurde.
Der Koppelverband hatte sich bei Rheinstrom-km 771,770 linksrheinisch festgefahren. Von dem Leichter PII aus war ein Schleppstrang zu dem TMS Sv ausgebracht, das sich seitlich in einem Abstand von ca. 40 m zur Strommitte hin befand und mit Hilfe des Schleppstranges den Kopf des Leichters PII festhalten sollte. Bei dem Versuch, zwischen dem Koppelverband und TMS Sv hindurchzufahren, kam das Sportmotorboot gegen den Schleppstrang und erlitt einen Sachschaden.
Auf dem Leichter PII und dem TMS Sv waren jeweils die rot-weiße Flagge nach § 3.41 RheinSchPVO gesetzt. In Höhe des Koppelverbandes, auch zur Strommitte hin, befand sich MS D, wie das Rheinschiffahrtsgericht festgestellt hat. MS D hat das Turnmanöver nach dem Unfall erfolgreich durchgeführt. Am Unfalltag war schönes sonniges Wetter.
Der Kläger hat behauptet, es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, daß es sich bei dem Koppelverband um festgefahrene Fahrzeuge gehandelt habe. Die Beklagten haben behauptet, der Schiffsführer des TMS Sv habe die Schiffahrt laufend über Kanal 10 gewahrschaut. Die Yacht sei mit unangemessen hoher Geschwindigkeit in den Unfallstellenbereich hineingefahren.
Das Rheinschiffahrtsgerichthat dem Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz von 50% des Unfallschadens zuerkannt. Er habe sich mit einer nicht unerheblichen Geschwindigkeit einer Ansammlung von mehreren Schiffen genähert. Bei der erforderlichen Aufmerksamkeit habe er erkennen können, daß diese nicht in Bewegung gewesen seien. Das hätte geboten, daß er sich mit größerer Vorsicht und geringerer Geschwindigkeit genähert hätte. Dann hätte er die Flaggen bemerken müssen und rechtzeitig auch das grünliche Nylontau. Wenn auch bei Windstille die rot-weißen Flaggen nicht gut zu sehen gewesen seien, so wäre immerhin bei ausreichender Aufmerksamkeit erkennbar gewesen, daß solche Flaggenvorhanden gewesen seien. Dem Beklagten sei ein gleich hohes Verschulden vorzuwerfen. Angesichts der konkreten Verhältnisse habe das Setzen der rot-weißen Flaggen nicht ausgereicht. Wegen der Windstille hätten die Flaggen am Mast heruntergehangen; infolgedessen seien sie nicht besonders gut wahrnehmbar gewesen. Es hat in Rechnung gestellt werden müssen, ein nicht mit besonderer Sorgfalt fahrender Sportbootführer würde sie möglicherweise nicht rechtzeitig wahrnehmen können. Unter diesen Umständen wäre es entweder erforderlich gewesen, den Schleppstrang selbst so zu kennzeichnen, etwa durch entsprechende Fähnchen, daß er von weitem erkennbar gewesen sei oder aber in Richtung auf das ankommende Sportboot durch vom Heck des PI geschwenkte oder sichtbar aufgespannte rote Flaggen entsprechende Aufmerksamkeit zu erregen. Auch wenn regelmäßig über Kanal 10 die Schiffahrt gewahrschaut worden sei, habe man nicht damit rechnen können, die Sportschiffahrt zu erreichen. Nicht alle Yachten verfügten über Kanal-10-Geräte, und selbst wenn sie vorhanden seien, seien sie üblicherweise nicht ständig in Betrieb, wie dies bei der Berufsschiffahrt der Fall sei.
Die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers hatten keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
,,....Der Kläger hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz von 50% des ihm bei dem Unfall vom 28.7.1990 entstandenen Schadens. Wegen der Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, denen sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang anschließt, Bezug genommen. Weder die Berufungsbegründung noch die Ausführungen der Beklagten und die des Klägers in der Anschlußberufungsschrift vermögen nach Auffassung des Senats eine andere Betrachtungsweise - dies gerade auch im Hinblick auf die zutreffende Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil - zu rechtfertigen. Der Unfall beruht auf einem auf Seiten des Klägers und des Beklagten zu 1 als gleichgewichtig zu wertenden Verschulden. Dem Beklagten zu 1 gereicht zum Vorwurf, daß er bei der Sicherung des Verkehrs den Belangen der Kleinfahrzeuge nicht hinreichend Rechnung getragen hat. Hierzu bestand vorliegend besondere Veranlassung, weil in Anbetracht der Witterung mit Sportbooten zu rechnen war. Im übrigen muß die Großschiffahrt stets auch gegenüber Kleinfahrzeugen alle Vorsichtsmaßregeln treffen, damit diese nicht beschädigt oder nicht mehr als unvermeidbar behindert werden. Dies ist umso notwendiger, als die Zahl der Sportboote sich fortlaufend vergrößert und die Fahrt mit ihnen bei dem ständig wachsenden Freizeit- und Erholungswert der Schiffahrtsstraßen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ist daher durch das Verhalten der Großschiffahrt eine Gefahrenlage entstanden, so hat sie bei der Sicherung des Verkehrs auch Kleinfahrzeuge im Auge zu halten. Hierzu kann es notwendig sein, andere oder weitergehende Maßnahmen als solche zu ergreifen, die allein zum Schutze der Großschiffahrt erforderlich sind (BGH VersR 1974, 468, 469). Die von dem Beklagten zu 1 veranlaßten Maßnahmen - Setzen der rot-weißen Flaggen gern. § 3.41 Rheinschiffahrtspolizeiverordnung auf beiden Schiffen - sind hierfür nicht ausreichend. Vielmehr war gerade im Interesse der Kleinschiffahrt, wie das Schiffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, eine zusätzliche Markierung des Turnstranges erforderlich.
Entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, daß sich MS D mit zwei eingeschalteten gelben Rundumleuchten im Unfallzeitpunkt in unmittelbarer Nähe des Koppelverbandes P und TMS Sv befand. Die diesbezüglichen Bekundungen des Zeugen H. stehen im Widerspruch zu denen des Zeugen B. und des Schiffsführers D. von MS D im Ermittlungsverfahren. Der Zeuge B. hat die Behauptungen des Beklagten zu 1 nicht bestätigt. Er hat vielmehr bekundet, daß MS D nach dem Unfall kam und das Turnmanöver erfolgreich durchführte. Auch der Schiffsführer D. hat bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 15.8.1990 bekundet, daß sich, während MS D vor Ort war, kein Unfall mit einem Sportboot ereignet hat. Damit steht nach Auffassung des Senats nicht fest, daß MS D für den Koppelverband P die Wahrschau übernommen hat.
Indes fällt auch dem Kläger ein für den Unfall ursächliches Verschulden zur Last, das gleiches Gewicht hat wie das des Beklagten zu 1. Wie das Schiffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat sich der Kläger unter Außerachtlassung der auf einer Wasserstraße erforderlichen Sorgfalt mehreren Schiffen mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit genähert und deswegen die rot-weißen Flaggen nicht bemerkt. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen...."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993 - Nr.20 (Sammlung Seite 1443 f.); ZfB 1993, 1443 f.