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Leitsatz:
Zum Beweis des ersten Anscheins für ein schadensursächliches Verschulden der Schiffsbesatzung bei der Vorbeifahrt an ordnungsmäßig befestigten Stilliegern.
Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergericht in Köln
vom 15. Januar 1980
3 U 135/79
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Das bei der Klägerin versicherte MS T lag im Hafen Luck des Rhein-Herne-Kanals auf dem am Südufer festgemachten MS H still, als das der Beklagten zu 1 gehörende, vom Beklagten zu 2 geführte TMS A die Stillieger zu Tal passierte.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz eines erstatteten Schadens von etwa 6000,- DM, den TMS A durch zu schnelle Vorbeifahrt an MS T verursacht habe. Durch die Sogwirkung des Tankers seien 2 Drähte von T zu H gebrochen, worauf das Päckchen in Bewegung geraten und T mit dem Achterschiff und der Folge eines Ruderschadens gegen das Land gedrückt worden sei.
Die Beklagten behaupten, daß die Maschinenkraft des Tankers bei Annäherung an die Stillieger wesentlich reduziert und der Kurs des Schiffes wegen eines Entgegenkommers so hart wie möglich zum Nordufer gerichtet gewesen sei.
Das Schiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Schiffahrtsobergericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Die Klage ist entgegen der Meinung des Schiffahrtsgerichts begründet (§§ 3, 4, 104 BSchG, 823 BGB). Die Beklagten haften für den Schadensfall kraft vermuteten Verschuldens. Brechen nämlich im Zusammenhang mit der Vorbeifahrt eines anderen Schiffes Drahtverbindungen eines Stilliegers, der an erlaubter Stelle ordnungsgemäß befestigt war, dann spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß das vorbeigefahrene Schiff den Stillieger entweder zu dicht angehalten hat, oder mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren ist (Bemm/ Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1970, S. 398, 399). Die Voraussetzungen dieses Anscheinsbeweises sind hier erfüllt.
MS H und MS T haben an einer erlaubten Stelle gelegen. Ihr Liegeplatz befand sich im Hafen Luck des Rhein-Herne-Kanals im Bereich einer Verladeanlage. Beide Fahrzeuge waren auch ordnungsgemäß befestigt. Das hat die vom Schiffahrtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Danach war MS H vorne mit einem 26 mm starken Vorausdraht und mit einem 24 mm starken Laufdraht und achtern mit einem 22 mm starken Beidraht und einem Tau an Land festgemacht, wobei die Drähte rack standen. Die entsprechende Darstellung von Schiffsführer Sch. hat dervon dem Schadensfall nichtberührte Kranführer St. bestätigt. Er konnte sich noch sicher daran erinnern, daß MS H auf vierfache Weise festgemacht war. Nur hat er das achtern ausgebrachte Tau ebenfalls für einen Draht gehalten.
Schiffsführer T. vom MS T hat nichts Gegenteiliges bekundet. Vielmehr hat auch er nach dem Unfall festgestellt, daß MS H mittels Vorausdraht, Laufdraht und Beidraht befestigt gewesen war. Der Laufdraht war allerdings inzwischen gebrochen.
Zur Befestigung seines eigenen Fahrzeuges an MS H hat der Schiffsführer T. ebenfalls einen Vorausdraht, Laufdraht und Beidraht benutzt.
Die geschilderte Befestigungsweise war ordnungsgemäß. Sie gewährleistete, daß die Stillieger ihre Lage nicht in einer Weise verändern konnten, die andere Fahrzeuge gefährdete oder behinderte.
Der für das Eingreifen des Anscheinsbeweises außerdem notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen dem Drahtbruch auf MS H und der Vorbeifahrt vom TMS A ist ebenfalls gegeben.
Unstreitig hat der Tanker die Stillieger zur Unfallzeit passiert. Das geben auch die Beklagten zu. Sie räumen ein, daß sich der Drahtbruch auf MS H im losen zeitlichen Zusammenhang mit der Vorbeifahrt ihres Fahrzeugs ereignet haben kann. Daß dies tatsächlich so gewesen ist, ergibt sich aus der weiteren Aussage des Kranführers St. Als der Zeuge nämlich bemerkte, daß sich MS H losgerissen hatte, befand sich der Talfahrer mit der für TMS A zutreffenden Heckbeschriftung „Hamburg" nur etwa 100 m unterhalb der Stillieger und außer ihm kein fahrendes Schiff in der Nähe.
Bei dieser Sachlage spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß der Schadensfall auf die Fahrweise von TMS A zurückzuführen ist. Es ist deshalb Sache der Beklagten, die gegen sie streitende Schuldvermutung zu erschüttern. Das ist ihnen nicht gelungen. Sie sind für die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs beweisfällig gewesen. Ihre Behauptung, dem Tanker sei in Höhe der Stilllieger ein Bergfahrer entgegengekommen, ist durch die Angaben des Zeugen St. widerlegt.
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