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Leitsätze:
1) Zur Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrts- und Rheinschiffahrtssachen sowie nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
2) Die Vereinbarung eines an sich unzuständigen Gerichts ist zulässig, muß jedoch eindeutig sein. Die Festlegung „Gerichtsstand Duisburg-Ruhrort" beinhaltet nicht eine rechtswirksame Vereinbarung des Schiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort.
Urteil des Schiffahrtsobergerichts Köln
vom 7. Januar 1983
3 U 117/82
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Der in Brüssel wohnhafte Beklagte hatte der in Duisburg ansässigen Klägerin den Auftrag erteilt, 1100 t Kies von Honau (bei Rheinau/Oberrhein) nach Brüssel mit einem Binnenschiff zu transportieren.
Die Klägerin verlangt mit der zunächst beim Schiffahrtsgericht Duisburg erhobenen Klage Liegegeld in Höhe von etwa 1050,- DM. Sie beruft sich auf ein Schreiben, in welchem der Vertragsabschluß bestätigt und darin als vereinbarter Gerichtsstand Duisburg-Ruhrort angegeben worden sei.
Der Beklagte rügt die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und bestreitet, das Auftragsbestätigungsschreiben erhalten zu haben.
Das Schiffahrtsgericht verneinte seine Zuständigkeit und wies die Klage als unzulässig ab. Auf Berufung der Klägerin bestätigte das Schiffahrtsobergericht diese Entscheidung, verwies den Rechtsstreit aber gemäß Hilfsantrag der Klägerin zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort. (Letzteres hat die Klage inzwischen als unzulässig abgewiesen, weil der Nachweis hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Zusendung einer Auftragsbestätigung mit der Vereinbarung des Gerichtsstandes Duisburg-Ruhrort nicht geführt werden konnte.)
Aus den Entscheidungsgründen:
„....
Der Vorderrichter hat mit Recht angenommen, daß die Parteien nicht die Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vereinbart haben.
Selbst wenn die Verlade- und Transportbedingungen der Klägerin Vertragsgrundlage sein sollten, kann keine derartige Vereinbarung angenommen werden, weil dort nur von einem „vereinbarten Gerichtsstand Duisburg-Ruhrort" die Rede ist. Daraus folgt lediglich, daß das für Duisburg-Ruhrort zuständige Gericht Prozeßgericht sein soll. Dieser Klausel läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß das Schiffahrtsgericht DuisburgRuhrort vereinbarungsgemäß zuständig sein soll. Denn allgemeine Geschäftsbedingungen oder Gerichtsstandklauseln sind restriktiv auszulegen. Alle Unklarheiten und Zweifel gehen zu Lasten des Benutzers. Für eine anderweitige Interpretation besteht unter diesen Umständen keine Veranlassung.
Dem Vorderrichter ist auch darin beizutreten, daß sich die Klägerin nicht auf § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG berufen kann.
Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen des § 2 Abs. 1 Buchst. c) BinnSchVerfG nur das Schiffahrtsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die den Anspruch begründende Tatsache ereignet hat. Letzteres ist hier - unbestritten - im Bezirk des Schiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort nicht geschehen. Dessen Zuständigkeit läßt sich daher aus § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG nicht herleiten (BGH, ZfB 1982, 91 = VersR 1982, 235). Schließlich ist mit dem Vorderrichter auch anzunehmen, daß unter den hier gegebenen Umständen keine Zuständigkeit des Schiffahrtsgericht DuisburgRuhrort nach Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) (BGBI 1972 II S. 774) anzunehmen ist.
Nach diesem Übereinkommen kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem solchen den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien war DuisburgRuhrort jedoch nicht Erfüllungsort.
Das Schiffahrtsgericht hat hiernach durchaus zutreffend seine Zuständigkeit verneint. Es mag sein, daß im Zeitpunkte der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Schiffahrtsgericht die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes noch unbekannt gewesen ist. Gleichwohl hatte das Schifffahrtsgericht, nachdem ihm innerhalb der Spruchfrist diese Entscheidung bekannt wurde, keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, da grundsätzlich eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO nur beim Ausfall eines beteiligten Richters oder zur Korrektur eines Verfahrensmangels, nicht aber deshalb zu erfolgen hat, um einer Partei die Gelegenheit zu neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln zu geben.
Auf den erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Verweisungsantrag mußte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils der Rechtsstreit an das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort verwiesen werden, weil ein Verweisungsantrag in jeder Instanz gestellt werden kann (BGHZ 16, 345 = NJW 1955, 791; Zöller, ZPO, 13. Aufl., § 281 Anm. 2c) und das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort nach dem Vorbringen der Klägerin auf Grund ihrer Verlade- und Transportbedingungen als zuständiges Gericht vereinbart sein soll. Ob diese Bedingungen tatsächlich Vertragsgrundlage geworden sind, muß das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort in eigener Zuständigkeit prüfen.
....“