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Oberlandesgericht Köln
Urteil
vom 28. April 2009
Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung der Beklagten und die ebenfalls zulässige Anschlussberufung der Klägerin haben in der Sache keinen Erfolg.
Die Entscheidung des Rheinschifffahrtsgerichts, der Klägerin 80 % des infolge der Schiffskollision vom 28.09.2005 entstandenen Schadens gemäß §§ 3, 92, 92b, 92c BSchG, 823 BGB zuzusprechen, ist nicht zu beanstanden.
Der Zusammenstoß der beiden Schiffe ist ganz überwiegend auf das Verschulden des Schiffführers des TMS T VII (im folgenden: T) zurückzuführen. Er hat entgegen § 6.04 RhSchPVO nicht den vom Bergfahrer MS B (im folgenden: B) gewiesenen Weg genommen.
Der Schiffsführer hat pflichtwidrig die rechtzeitige und eindeutige Kursweisung des Bergfahrers gemäß § 6.04 Nr. 3 RhSchPVO nicht befolgt, obwohl er auf eine Entfernung von etwa 1.500 Meter am Funkellicht erkannt hat, dass B eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord angewiesen hatte. Diese Weisung durfte der Talfahrer nur dann missachten, wenn der Bergfahrer ihm keinen geeigneten Weg freigelassen oder seine Kursweisung geändert hat und er die Kursweisung des Bergfahrers nicht befolgen konnte. Den Beweis dafür hat der Talfahrer zu erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.1988 - II ZR 28/88 - ; Urteil des Senats vom 27.01.2003 - 3 U 88/03 BSchMo -). Die Beklagten haben diesen Beweis nicht geführt.
Die Aussage des Schiffsführers N von T reicht zum Beweis nicht aus. Dem Zeugen kam es von Anfang an so vor, als sei B zu dicht an den grünen Tonnen linksrheinisch gefahren. Ihm erschien deshalb die Begegnung Steuerbord an Steuerbord zu knapp. Er schätzte, dass sehr wenig Platz für eine solche Begegnung sei. Deshalb habe er seinen Blinker wieder ausgeschaltet und den Kurs mehr nach rechtsrheinisch gehalten; er habe eine Backbord-Backbord-Begegnung gewollt. Diese Bekundungen stehen im Widerspruch zu der Aussage der völlig unbeteiligten Zeugin E-F, die Schiffsführerin auf dem hinter B fahrenden MS P war und bekundet hat, mit Blinklicht und blauer Tafel rechtsrheinisch den gleichen Kurs wie B mit etwa derselben Geschwindigkeit gefahren zu sein, als sie den Talfahrer wahrnahm, zu diesem Zeitpunkt aber noch kein Blinklicht an T sah. Diese Angaben stimmen mit der Auswertung der GPS-Aufzeichnung von B durch den Gutachter Dipl.-Ing. D vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V. vom 8.10.2008 überein. Hiernach hielt B jedenfalls ab einer Entfernung von 1500 Metern einen deutlichen Kurs nach Backbord zum rechten Ufer (vgl. Abbildungen 2, 3, 5 der Stellungnahme des Gutachters) und fuhr bei 1000 Metern noch weiter zum rechten Ufer (Abbildungen 6, 7), so dass der Abstand von der Steuerbordseite zum linken Fahrrinnenrand 96 Meter betrug. B änderte diesen Kurs nicht, so dass eine Steuerbord-Steuerbord-Begegnung ohne Einschränkung durchgeführt werden konnte. Insoweit werden gegen die Auswertung des Gutachters auch von den Beklagten keine Einwendungen erhoben. Damit ist nicht bewiesen, dass B ab einer Entfernung von 1500 Metern über die Fahrrinnenmitte in den linksrheinischen Bereich gefahren ist und eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord deshalb unmöglich oder problematisch sein würde. Der Senat hat keine Bedenken, den Ausführungen des Gutachters zu folgen, die durch die Aussage der neutralen Zeugin E-F gestützt werden.
T war auch nicht etwa zur Missachtung der Kursweisung Steuerbord an Steuerbord berechtigt, weil B seine Kursweisung aufgegeben hätte. Denn das war nicht der Fall. Hierzu reichte nicht aus, dass nach dem – bestrittenen – Vortrag der Beklagten der Talfahrer das Blinklicht bei 1000 Meter Entfernung wieder ausgeschaltet hat. Der Schiffsführer des Talfahrers hatte keinen begründeten Anlass zu der Annahme, der Bergfahrer gebe seine Kursweisung auf, obwohl er weiterhin mit Blinklicht und blauer Tafel und auch nach der Aussage des Zeugen N weiter Richtung rechtsrheinisches Ufer fuhr, sich also gerade nicht für eine Begegnung Backbord an Backbord linksrheinisch hielt. Nach seiner Aussage hatte der Zeuge alle Veranlassung, den Begegnungskurs über Funk zu klären, wenn er von einer Aufgabe der Kursweisung ausgehen wollte und im Übrigen meinte, die ursprüngliche Kursweisung nicht befolgen zu können. Die allgemeine Sorgfaltspflicht (§ 1.04 RhSchPVO) gebietet es, dass Schiffsführer auf dem Rhein die an Bord vorhandenen technischen Einrichtungen (z. B. Sprechfunkgeräte) auch ohne ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung benutzen müssen, wenn damit die Gefährdung von Menschenleben, das Entstehen von Sachschäden oder die Behinderung der Schifffahrt vermieden werden können (vgl. BGH VersR 1993, 249). Darüber hinaus hätte der Talfahrer die Geschwindigkeit reduzieren müssen und durfte nicht ungebremst den Kollisionskurs weiterfahren, als er sah, dass der Bergfahrer seine Fahrt am rechtsrheinischen Ufer fortsetzte.
Dem gegenüber trifft die Schiffsführung von B ein leichtes Mitverschulden an dem Zusammenstoß der Schiffe. Auch sie hat die allgemeine Sorgfaltspflicht verletzt, indem sie es unterließ, Funkkontakt zum Talfahrer zu suchen, als beide Schiffe Kopf auf Kopf fuhren. Ab einer Entfernung von ca. 1000 Metern musste auch die Schiffsführerin U von B nach ihrer eigenen Aussage vor dem Schifffahrtsgericht zweifeln, ob eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gelingen würde. Jedenfalls konnte sie nicht sicher damit rechnen, dass der Talfahrer die Begegnungsanweisung noch befolgen würde. Das gilt erst recht für den Schiffsführer V, der die Schiffsführung wenig später übernommen hat. Durch einen klärenden und warnenden Funkspruch mit Hinweis auf die Gefahrenlage hätte die Kollision vermieden werden können.
Ein Verstoß der Schiffsführung von B gegen § 6.04 Nr. 4 RhSchPVO lag nicht vor, da nicht zu befürchten war, dass der Talfahrer die Kursweisung nicht verstanden hat. Wer – wie T – das Blinklicht einschaltet und die blaue Tafel zeigt, gibt zu erkennen, dass er verstanden hat, dass der Bergfahrer den Talfahrer an Steuerbord vorbeifahren lassen will.
Nicht anzulasten ist der Schiffsführung von B, dass sie das Schiff nicht noch stärker zurückgenommen oder nicht ständig gemacht hat. Sie hat die Maschinenleistung nur soweit zurückgenommen (ca. 9 km/h statt 10 km/h), dass die Beweglichkeit des Schiffs erhalten blieb und für ein Manöver des letzten Augenblicks genügend Fahrt im Schiff war. Das ist nicht zu beanstanden.
Schließlich haben die Beklagten nicht den ihnen obliegenden Beweis geführt, B habe seine Kursweisung mit Gewalt durchsetzen wollen. Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, die sich auf die Aussage der neutralen Zeugin E-F stützen, Bezug genommen.
Das Schifffahrtsgericht hat zutreffend das Verschulden der Schiffsführung von T, die eine Hauptursache für die Kollision gesetzt hat, als deutlich schwerer gewertet als dasjenige der Schiffsführung von B. Die von ihm vorgenommene Haftungsverteilung von 80 % zu Lasten der Beklagten und 20 % zu Lasten der Klägerin ist unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände nicht zu beanstanden.
Daher waren beide Berufungen zurückzuweisen. Der Senat hat im Einverständnis mit den Parteien zugleich zur Höhe des Klageanspruchs entschieden, da die Schadenshöhe von 200,00 € zwischen den Parteien unstreitig ist.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.