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Leitsätze:
1) Die Regelung des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, wonach das Bundesverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen Bund und den Ländern entscheidet, ist nur auf Streitigkeiten anzuwenden, deren Gegenstand mit landläufigen Verwaltungsstreitverfahren nicht zu vergleichen ist.
2) Dem anerkannten Grundsatz, dass eine Hoheitsverwaltung nicht mit Anordnungen oder gar mit Zwang in die hoheitliche Tätigkeit einer anderen Hoheitsverwaltung eingreifen darf, stehen nicht Eingriffe entgegen, durch welche hoheitliche Verwaltungstätigkeit der anderen Verwaltung nicht berührt wird.
3) Neben den Verpflichtungen, die der Bundesrepublik Deutschland unter wasserstraßenrechtlichen Gesichtspunkten zur Erhaltung der Schiffbarkeit und des Wasserabflusses obliegen, besteht ihre Verpflichtung, eine in ihrem Eigentum stehende Bundeswasserstraße in störungsfreiem Zustand zu unterhalten.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg
Urteil
vom 25. Juni 1987
Zum Tatbestand:
Durch Verfügung vom 8.7.1982 hatte der beklagte Landrat die Bundeswasserstraßenverwaltung (Klägerin) unter Berufung auf § 186 Abs. 1 Landesverwaltungsgesetz, § 38 Abs. 3 Landeswassergesetz und § 8 Abs. 4 Bundeswasserstraßengesetz aufgefordert, Ufersicherungsarbeiten im Bereich des Deiches an der Pinnau durchzuführen. Zur Begründung hatte der Beklagte geltend gemacht, dass es auf einer Strecke von ca. 300 m (Strom-km 10,80 bis 11,10, rechtes Flussufer) zu Uferabbrüchen gekommen und ein Deichbruch nicht auszuschließen sei.
Die Klägerin verlangt Aufhebung der Ordnungsverfügung und des auf Widerspruch der Klägerin ergangenen, ablehnenden Widerspruchsbescheides vom 15.7.1983. Die Unterhaltung obliege der Klägerin als hoheitlicher Bundesverwaltung, die nicht dem landesbehördlichen Vollzug unterstellt sei. Zuständig für die Deichsicherung und für die dazu erforderlichen Ufersicherungsarbeiten sei der örtliche Sielverband Uetersener Klosterkroog.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin als Eigentümerin der Pinnau neben der wasserstraßenrechtlichen Verpflichtung zur Erhaltung der Schiffbarkeit und des Wasserabflusses eine in ihrem Eigentum stehende Bundeswasserstraße in störungsfreiem Zustand zu unterhalten habe. In der Berufungsinstanz hält die Klägerin ihren Standpunkt aufrecht, stellt aber in Anbetracht einer zwischenzeitlichen Vereinbarung zwischen Bund und Land Schleswig-Holstein, gemeinsam Schäden an Ufergrundstücken von Binnenwasserstraßen zwecks Standsicherheit unmittelbar gefährdeter Deiche durchzuführen, - wovon der laufende Rechtsstreit nicht berührt werden soll -, ferner wegen der inzwischen erfolgten Durchführung der Baumaßnahmen an der fraglichen Uferstrecke den Hilfsantrag, festzustellen, dass die Bescheide vom 8.7.1982 und vom 15.7.1983 rechtswidrig gewesen sind. Die Klägerin wendet sich insbesondere gegen die Ansicht, dass sich eine Verpflichtung zur Vornahme von Ufersicherungsmaßnahmen aus landesrechtlichen Vorschriften herleiten lasse, da das Landeswasserrecht nicht die Unterhaltungspflicht für Bundeswasserstraßen regele. § 8 Abs. 4 Wasserstraßengesetz stelle eine Freistellung des Bundes von weitergehenden Verpflichtungen dar; eine Ausweitung begegne verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch das Wasserhaushaltsgesetz und allgemeine ordnungsrechtliche Vorschriften könnten eine Verpflichtung des Bundes nicht begründen.
Der Beklagte meint, die Klägerin müsse wie jeder andere Gewässerunterhaltungspflichtige die Wasserstraße in dem Zustand erhalten, in den sie durch Ausbaumaßnahmen in den Jahren 1930 bis 1933 und wiederum 1963 versetzt worden sei.
Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, die Revision nicht zugelassen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Nach dem Vorbringen der Beteiligten sind die Baumaßnahmen an der streitbefangenen Uferstrecke inzwischen abgeschlossen. Die Klägerin ist damit der ihr in den angefochtenen Verfügungen angenommenen Verpflichtung nachgekommen; diese hat sich im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO damit auf andere Weise („anders") erledigt.
Das Verwaltungsgericht hat zuverlässigerweise in der Sache selbst entschieden und nicht eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts angenommen. Die Regelung des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, dass das Bundesverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern entscheidet, ist nach dem mit ihr verfolgten Sinn und Zweck einschränkend auszulegen und nur auf solche Streitigkeiten anzuwenden, die sich in ihrem Gegenstand einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen (BVerwG, Urt. v. 30.7.76 - BVerwG 4 A 1.75 -, Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 6; Urt. v. 2.9.83 - BVerwG 4 C 5.80 -, DVBI 1984, 225).
Die geforderten Maßnahmen, die die Wiederherrichtung der Böschung bis zur Uferlinie zum Gegenstand haben und der Gewässerunterhaltung zuzuordnen sind, konnten zunächst von einer Landesbehörde - dem Beklagten - geltend gemacht werden. Der allgemein anerkannte Grundsatz, dass eine Hoheitsverwaltung nicht mit Anordnungen oder gar mit Zwang in die hoheitliche Tätigkeit einer anderen Hoheitsverwaltung eingreifen darf (BVerwGE 29,52; OVG Lüneburg, Urt. v. 28.6.79 - 3 OVG A 316/ 77 -, ZfW 1980, 315 = VRSpr 31, 413 m.w. Nachw.; Beschl. V. 22.12.1986 – 3 OVG B 144/86 - ), steht dem nicht entgegen. Mit diesem Grundsatz sind solche Einwirkungen nicht ausgeschlossen, welche die hoheitliche Tätigkeit des anderen Trägers hoheitlicher Verwaltung unberührt lassen (BVerwG aaO; erk. Sen. aaO; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. S. 243). Ein derartiger Fall liegt hier vor, denn die Anordnung, Ufersicherungsarbeiten in einem bestimmten Gewässerabschnitt durchzuführen, richtet sich an die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Gewässereigentümerin. Sie greift damit zwar in ihr aus dem Grundeigentum fließendes Recht ein, Zeitpunkt und Umfang der Unterhaltungsarbeiten selbst zu bestimmen.
Es sind aber keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass durch diese Anordnung die Zweckbestimmung der Bundeswasserstraße als einer öffentlichen Einrichtung und damit die darauf bezogene hoheitliche Verwaltungstätigkeit der Klägerin berührt sein könnten.
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Die Klägerin kann der ihr von dem Beklagten angenommenen Verpflichtung nicht die §§ 7, 8 des Bundeswasserstraßengesetzes vom 2. April 1968 (BGBI II S. 173) - WaStrG - entgegenhalten. Nach § 7 Abs. 1 WaStrG sind die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen und der Betrieb der bundeseigenen Schifffahrtsanlagen Hoheitsaufgaben des Bundes. Die Unterhaltung der Binnenwasserstraßen, zu denen nach Nr. 28 des Verzeichnisses zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 WaStrG auch die Pinnau gehört, umfasst die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluss und die Erhaltung der Schiffbarkeit (§ 8 Abs. 1). Wenn es die Erhaltung des ordnungsgemäßen Zustandes in diesem Sinne erfordert, gehören zur Unterhaltung auch die Räumung, die Freihaltung, der Schutz und die Pflege des Gewässerbettes mit seinen Ufern (§ 8 Abs. 2). Eine Erweiterung der in diesen Vorschriften geregelten Unterhaltungspflicht ergibt sich aus Abs. 4, wonach die dort genannten Arbeiten zur Beseitigung oder Verhütung von Schäden an Ufergrundstücken auch dann durchzuführen sind, wenn sie weder der Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluss noch der Erhaltung der Schiffbarkeit dienen (Friesecke, BWaStrG, 2. Aufl. 1981, § 8 RdNr. 8). Dies gilt aber nur für die durch die Schifffahrt verursachten Schäden, also etwa für Uferabbrüche., die auf Sog oder Wellenschlag beruhen, der von fahrenden Wasserfahrzeugen ausgeht. Dabei ist der sachliche Umfang der dem Bundesgesetzgeber durch Art. 74 Nr. 21 GG eingeräumten Kompetenz für die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen dahin begrenzt, dass der Bund keine den Bereich der Verkehrsaufgaben und die Erhaltung der Verkehrsfunktion überschreitende Zuständigkeit besitzt; die Ermächtigung gestattet nur Regelungen über die Erhaltung der Gewässer in einem für den Schiffsverkehr erforderlichen Zustand und damit zusammenhängende Gegenstände (BVerfGE 15, 1 ff., 9 f.). Wegen dieser Beschränkung auf wasserstraßenrechtliche Belange kommt der Regelung in den §§ 7,8 WaStrG keine abschließende Bedeutung zu. Vielmehr bleiben sonstige Verpflichtungen des Bundes, die in seinem Eigentum stehenden Bundeswasserstraßen - einschließlich ihrer Ufer - zu unterhalten und in einem störungsfreien Zustand zu erhalten, davon unberührt (BVerwG, Urt. v. 29.10.1982 - 4 C 4.80 - (S. 7), Buchholz 445.5 Nr. 1 zu § 7 WaStrG).
Auch aus § 28 Abs. 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. Juli 1957 (BGBI 1 S. 1110) - WHG - kann die Klägerin keine weitergehenden Rechte herleiten. Nach dieser Vorschrift umfasst die im Grundsatz dem Eigentümer (§ 29 Abs. 1 WHG) obliegende Pflicht zur Unterhaltung eines Gewässers gleichermaßen die hier nicht in Rede stehende - Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluss und an schiffbaren Gewässern auch die Erhaltung der Schiffbarkeit. Aus dieser gesetzlichen Regelung lässt sich jedoch eben so wenig folgern, dass der Gewässereigentümer im übrigen von der allgemeinen Verpflichtung, sein Eigentum in einem störungsfreien Zustand zu erhalten, ausgenommen ist (BVerwG, Urt. v. 29.10.1982, aaO S. 7 f.).
Rechtsgrundlage für die Verpflichtung, die notwendigen Ufersicherungsarbeiten im Bereich des Deiches an der Pinnau vorzunehmen, ist mithin die auf die Ermächtigung in § 28 Abs. 2 WHG zurückzuführende Regelung in § 38 Abs. 3 des Wassergesetzes des Landes Schleswig-Holstein in der Fassung vom 17. Januar 1983 (GVOBI S. 24) - LWG -. Danach sind „ausgebaute Gewässer in dem Zustand zu erhalten, in den sie durch den Ausbau versetzt worden sind". Diese Vorschrift findet ihre Grundlage in § 28 Abs. 2 WHG, wonach für die Unterhaltung ausgebauter Gewässer die Vorschriften des Abs.1 aa0 über den Umfang der Unterhaltung gelten, soweit Bundes- oder - wie hier - Landesrecht nicht etwas anderes bestimmt. Die landesrechtliche Regelung hält sich in den Grenzen dieser Ermächtigung. Sie gilt zunächst für alle nach einem behördlichen Plan „ausgebauten" Gewässer, auch wenn der Ausbau vor dem Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes erfolgt ist.
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Die Erhaltung des Ausbauzustandes kann über das für den ordnungsmäßigen Wasserabfluss sowie die Schiffbarkeit Notwendige hinausgehen; denn die festgestellten Ausspülungen behindern - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nicht den Wasserabfluß oder die Schiffahrt, haben aber eine Gefährdung der Ufergrundstücke und zugleich der Deiche zur Folge. Es ist auch unstreitig, dass die Ausspülungen überwiegend von natürlichen Einflüssen, etwa von Tideschwankungen herbeigeführt worden sind und nur zu einem Teil auf Sog oder Wellenschlag durch Schiffsverkehr beruhen. Aus diesem Grunde sind die Vorschriften des Wasserstraßengesetzes über den Ausbau und die Unterhaltung nicht anwendbar; die Verpflichtung der Klägerin, den früheren Ausbauzustand wiederherzustellen, ergibt sich damit aus § 38 Abs. 3 LWG. Die auf dieser Vorschrift beruhende Verpflichtung trifft die Klägerin wie jeden anderen Gewässerunterhaltungspflichtigen auch, d. h. es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit, die keine Hoheitsaufgabe ist. Durch die im Widerspruchsbescheid vorgenommene Klarstellung genügt der angefochtene Bescheid auch dem Bestimmtheitsgebot. Die angefochtene Verfügung ist nicht dahin zu verstehen, dass der Klägerin auch Arbeiten am Deich aufgegeben werden. Viel mehr geht es allein um die Sicherung des Ufers, d. h. um Arbeiten, die nur das Gewässer betreffen und damit in die Verantwortlichkeit der Klägerin fallen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1988 - Nr.1 (Sammlung Seite 1217 f.); ZfB 1988, 1217 f.