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Urteil des Oberlandesgerichts – Schiffahrtsobergericht - Köln
vom 4. Dezember 1995
3 - 1/95 BSch - 8
Gründe:
(Abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
Die zulässige Berufung des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Schiffahrtsgericht hat ihn zu Recht wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs und tateinheitlich begangener fahrlässiger Gewässerverunreinigung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu 50,00 DM verurteilt, §§ 315 Nr. 2, Abs. 3, 324 Abs. 1 und 3, 52 StGB.
Die Hauptverhandlung vor dem Schiffahrtsobergericht hat folgendes ergeben:
Der am 05.04.1950 in Rotterdam geborene Angeklagte ist von Beruf Schiffsführer. Er ist bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.
Am 16. März 1990 fuhr der Angeklagte auf dem Rhein mit dem ihm gehörenden MS I (110 m lang, 11,4 m breit, 3.343 t groß) talwärts. Wegen des seit Oberwesel herrschenden starken Nebels orientierte er sich ausschließlich nach der Radareinrichtung, mit der sein Schiff ausgerüstet war. Hinter ihm befand sich zunächst das von dem Zeugen V gesteuerte MTS P, das den Angeklagten unterhalb der „Bank" nach Verabredung über Funk passierte. Dieses. und das vor MTS P fahrende MTS J das von dem Zeugen B gesteuert wurde, begegneten unterhalb Hirzenach dem Koppelverband J1/J2, der mit 2.700 t Gasöl beladen zu Berg kam. Entsprechend der Absprache über Kanal 10 fand die Begegnung Backbord/Backbord statt, wobei der Koppelverband einen klaren Kurs entlang dem linksrheinischen Ufer einhielt. Alsbald nach dieser Begegnung forderte der Schiffsführer des Koppelverbandes, der Zeuge F, den ihm auf der linken Rheinseite entgegen kommenden Angeklagten ebenfalls zur Begegnung Backbord/Backbord auf. Der Angeklagte beantwortete weder den Ruf des Zeugen, noch reagierte er, indem er sein Schiff nach Steuerbord zog. Auch eine direkte Ansprache des Zeugen F, dem der Zeuge V in der Zwischenzeit den Namen des Schiffes des Angeklagten mitgeteilt hatten blieb erfolglos. Der Angeklagte, der angeblich den Koppelverband rechtsrheinisch wähnte, setzte seine Fahrt auf der linken Rheinseite fort, so daß sein Schiff schließlich mit dem Koppelverband bei Rheinkilometer 562,620 Kopf auf Kopf zusammenstieß. Da der Koppelverband so weit wie möglich linksrheinischen Ufer hingesteuert wurde, stieß MSI zunächst mit der Backbordseite seines Buges gegen den linken Bug des Leichters, rutschte an diesem entlang, wobei die Drähte, mit denen der Verband gekoppelt war, brachen, und prallte schließlich gegen die linke Seite, der Schubbühne von J1. Der mit Gasöl beladene Leichter der, steuerlos geworden war, lief in die Steine des linken Rheinufers und schlug unterhalb der Wasserlinie leck. Es traten ca. 7.000 1 Gasöl aus, die den Rhein nicht unerheblich verschmutzten.
Diese Feststellungen beruhen auf den in der Hauptverhandlung verlesenen im Strafverfahren und im Verklarungsverfahren - 4 II 1/90 BSch Schiffahrtsgericht St. Goar gemachten Aussagen des Angeklagten und der Zeugin H, soweit ihren Angaben gefolgt werden konnte, sowie denjenigen der Zeugen der Zeugen F, S, V, B, R, Br, G, Gr, Bo und Bc, ferner auf der Inaugenscheinnahme der Unfallskizze der Wasserschutzpolizei Bl. 101 d.A., der Fotos Bl. 105 ff. d.A. und der Karte B. 47 des betreffenden Reviers Rheinatlas.
Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, der Koppelverband habe sich rechtsrheinisch befunden, und habe dann unmittelbar vor der Begegnung mit MS I den Übergang nach linksrheinisch gemacht. Als der Bergfahrer in sein Radarbild gekommen sei, habe er sich über Kanal 10 zweimal als Talfahrer mit Standort und Namen gemeldet, der Bergfahrer habe dagegen keinerlei Funkdurchsagen gemacht. Der Senat hält diese Einlassung des Angeklagten und die sie bestätigenden Angaben seiner Ehefrau, der Zeugin H, übereinstimmend mit dem Schiffahrtsgericht für eine Schutz Behauptung. Nach den Aussagen der unbeteiligten Zeugen V, B, Bo, g und Gr fuhr der Koppelverband J1/J2 eindeutig schon geraume Zeit einen klaren linksrheinischen Kurs und begegnete sowohl MTS J als auch MTS P Backbord/Backbord. Der Zeuge F hat seinen Bekundungen zufolge auch wiederholt über Kanal 10 die Begegnung Backbord/Backbord mit MS I gefordert. Dieser Ruf auch von den Zeugen S, V, B, Bo, G, Gr und R bestätigt worden. Hingegen hat keiner der Zeugen gehört, daß sich der Angeklagte vor der Begegnung mit dem Koppelverband gemeldet hätte. Daß der Angeklagte die Funkdurchsage des Zeugen F nicht hätte hören können, kann ihm nicht abgenommenwerden, da sie von den genannten Zeugen wahrgenommen worden sind. Das Funkgerät des Angeklagten kann auch nicht defekt gewesen sein; denn er hat selbst eingeräumt: sich nach der Kollision über Kanal 10 mit dem Schiffsführer des Koppelverbandes verständigt zu haben.
"Der Angeklagte muß sich somit vorwerfen lassen, daß das Radarbild falsch ausgewertet und infolge grober Unaufmerksamkeit die Kursweisung des Bergfahrers zur Begegnung Backbord/Backbord nicht beachtet hat. An der Verbindlichkeit der Kursweisung besteht kein Zweifel. Der Zeuge F hat die gemäß § 6.32 Ziffer 5 RheinSchPV gebotenen Durchsagen über Kanal 10 gemacht und damit seiner Kur$weisungspflicht als Bergfahrer entsprochen. Entgegen der Auffassung der Verteidigung bedarf es zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bestätigung durch den Talfahrer. Die Kursweisung war auch sachlich nicht zu beanstanden, weil der Koppelverband linksrheinisch zu Berg fuhr und dem Angeklagten als Talfahrer rechtsrheinisch hinreichender Raum für die Begegnung blieb. Der Angeklagte konnte auch nicht annehmen, der Koppelverband werde im Bereich der Unfallstelle den Übergang von linksrheinisch nach rechtsrheinisch vornehmen, so daß die Begegnung Steuerbord/Steuerbord zu erfolgen hätte. Dies scheidet bereits deshalb aus, weil der Angeklagte, den Koppelverband infolge fehlerhafter Auswertung des Radarbilds auf der rechten Rheinseite wähnte. Im übrigen befindet sich. der übliche Übergang der Bergfahrt von linksrheinisch nach rechtsrheinisch nicht im Bereich der Unfallstelle, sondern unterhalb des Kesterter Grundes am Kesterter Leyen bei Rheinkilometer 564.
Der Angeklagte ist desweiteren schuldhaft den ihm obliegenden Pflichten gemäß § 6.32 Ziffer 4 a und b und Ziffer 5 Satz 3 RheinSchPV nicht nachgekommen, das Dreitonzeichen nach § 4.06 Nr. 1 c zu geben, seine Geschwindigkeit zu vermindern und Bug zu Tal anzuhalten oder aufzudrehen, sowie über Sprechfunk Fahrzeugart, Namen, Fahrtrichtung und Standort zu nennen und den ihm gewiesenen Weg zu bestätigen oder mitzuteilen, nach welcher Seite er ausweichen wollte.
Nach alledem hat sich der Angeklagte der fahrlässigen Gefährdung des Schiffsverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Verunreinigung eines Gewässers schuldig gemacht. Die vom Schiffahrtsgericht verhängte Geldstrafe von, 80 Tagessätzen zu 50,00 DM erscheint tat- und schuldangemessen.
Die Berufung des Angeklagten war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1996 - Nr.5 (Sammlung Seite 1558); ZfB 1996, 1558