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285 Z - 11/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 17.06.1993
File Reference: 285 Z - 11/93
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt 

vom 17. Juni 1993

285 Z- 11/93

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Kehl vom 19. Juni 1992 - 3 C 838/88 RhSch -)


Tatbestand:


Die Klägerin ist Kaskoversicherer des 100 m langen MS "L" (2 x 1.200 PS). Das Schiff machte am 18.09.1987 um 15 Uhr im Rheinhafen Weil (Rhein-km 172,7 bis 172,95) an einer das Ufer bildenden Spundwand Kopf zu Tal fest. Vorgespannt hatte das Fahrzeug den 76 m langen SL "LR". Mit dem Heck lag es auf Höhe eines Lagers für Chrom-Nickel-Abfälle. Gegen 16 Uhr wollte der Verband nach Übernahme eines PKW talwärts weiterfahren. Als MS "L" mit dem Heck wenige Meter von der Spundwand entfernt war, blieb die Steuerbordmaschine stehen. Ursache war, dass sich ein ca. 6 bis 7 m langer Zopf von Chrom-Nickel-Schrott in der Steuerbordschraube und der Steuerborddüse verfangen hatte.

Die Klägerin, die aus übergangenem Recht des Eigentümers des MS "L" klagt, beziffert dessen Schaden auf 18.488,69 hfl. Diesen Betrag nebst Zinsen verlangt sie von der Beklagten ersetzt, die den Rheinhafen Weil betreibt. Zur Begründung der - zunächst vor dem Schiffahrtsgericht Kehl anhängigen Klage - hat die Klägerin vorgetragen: Es sei bekannt, dass beim Beladen von Schiffen mit Schrott solcher gelegentlich immer wieder ins Wasser falle. Deshalb hätte die Beklagte, abgesehen von den sonstigen Anforderungen der Verkehrssicherungspflicht (Hindernissuche in einem halbjährlichen Turnus) veranlassen müssen, dass die Anlände nach jeder Beladung eines Schiffs mit Schrott mechanisch auf zurückgelassene Hindernisse untersucht wird. Beides habe sie nicht getan. Vielmehr habe sie den verkehrssicherungspflichtigen Bereich nur einmal jährlich von einem Peilboot auf etwaige Sohlenaufhöhungen überprüfen lassen, was vor der Havarie des MS "L" letztmals im April 1986 geschehen sei.

Nach Ansicht der Beklagten ist die Klage unbegründet. Sie bestreitet, dass der in die Steuerborddüse und in die Steuerbordschraube des MS "L" gelangte Schrott von dem Schrottlager gestammt habe und dort beim Beladen eines Schiffs ins Wasser gefallen sei. Wahrscheinlich habe MS "L" diesen Schrott etwa 3 km oberhalb in dem dortigen Becken II des Hafens Basel/Kleinhüningen bei der Durchfahrt aufgefischt. Überdies könne ihr nicht vorgeworfen werden, die Verkehrssicherungspflicht im Unfallbereich verletzt zu haben. Abgesehen davon, dass dort das Fahrwasser selbst bei Normalstau über 4 m tief sei, so dass Hindernisse auf dem Grund für die Schifffahrt nicht hinderlich sein könnten, sei letztmalig ein Schiff vor dem Unfall mit Schrott am 10.11.1986, also fast ein Jahr zuvor, beladen worden.

Das Schiffahrtsgericht Kehl hat sich mit Beschluss vom 06.10.1989 "für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Rheinschiffahrtsgericht Kehl verwiesen". Dieses hat nach Zuziehung der eingangs genannten Bußgeldakten des Landratsamts Lörrach und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat es u.a. ausgeführt:

Mit dem Sachverständigengutachten sei zu verneinen, dass MS "L" die Schrottreste bereits auf dem Weg von Basel nach Weil aufgefischt habe. Das könne nur beim Ablegen des Schiffs im Rheinhafen Weil gewesen sein. Auch stammten die in die Steuerborddüse und in die Steuerbordschraube des MS "L" gelangten Schrottreste von dem Schrottlager Weil. Schuld an dem Unfall des Schiffs trage die Beklagte. Sie habe ihre Verkehrssicherungspflicht für den Rheinhafen Weil verletzt, weil sie die Hafensohle nicht auf Schrottreste aus dem Schrottlager untersucht habe. Sie hätte sich nicht damit begnügen dürfen, nur einmal jährlich Sohlenuntersuchungen mit dem Peilboot vorzunehmen, "die nur der Wassertiefe dienten, nicht aber der Suche nach Hindernissen". Vielmehr hätte sie gemäß der Empfehlung des Verbandes öffentlicher Binnenhäfen die Hafensohle jährlich zweimal mit Hilfe mechanischer Instrumente (Schleppkette, Suchanker, Peilrahmen) absuchen müssen. Das sei auch nicht angesichts der Wassertiefe von mehr als 4 m im Hafen unnötig gewesen. Bei besonders motorstarken Schiffen, die Kopf zu Tal anlegen könnten, sei es möglich, beim Ablegemanöver trotz der Wassertiefe durch den Propellersog Schrott vom Boden aufzusaugen. Auch sei diese Gefahr für die Beklagte vorhersehbar gewesen.

Die Beklagte beantragt mit der Berufung, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung hat keinen Erfolg.

I.1. Nach Art. 34 Nr. II c der Mannheimer Akte (MA) sind die Rheinschiffahrtsgerichte "kompetent" zur Entscheidung über Klagen "wegen der Beschädigungen, welche Schiffer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden andern verursacht haben". Um solche Beschädigungen geht es nach dem Urteil der Berufungskammer vom 16.12.1974 - 29 Z - 5/74 (ZfB 1975, 81) aber nicht, wenn ein Schiff beim Benutzen des Rheins oder den an dem Strom liegenden Häfen dadurch Schäden erlitten hat oder haben soll, dass derjenige, dem die Verkehrssicherungspflicht für diese Gewässer jeweils obliegt, schuldhaft gegen diese Pflicht verstoßen hat oder haben soll. Ihre Ansicht hat die Berufungskammer im wesentlichen damit begründet, dass es sich in derartigen Fällen nicht um Beschädigungen handelt, die ein Schiffer andern zugefügt hat; auch bestehe hier nicht die Notwendigkeit zu einer erweiternden Auslegung des Art. 34 Nr. II c MA; das Nichteinbeziehen von Klagen gegen den seine Verkehrssicherungspflicht verletzenden Schädiger in die Zuständigkeitsregelung dieser Bestimmung führe zu keinen sinnlosen oder gar absurden Ergebnissen, da nach deutschem Recht für diese Klagen die "Schiffahrtsgerichte" zuständig seien, die, wenn sie ihren Sitz in am Rhein gelegenen Orten hätten, mit den Rheinschiffahrtsgerichten identisch seien.

Danach wäre im Streitfall die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nicht gegeben.

2. Indessen besteht vorliegend die Besonderheit, dass das von der Klägerin angerufene Schiffahrtsgericht Kehl - nach Rüge seiner sachlichen Zuständigkeit durch die Beklagte und auf einen hilfsweise gestellten Verweisungsantrag der Klägerin - den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16.10.1989 an das Rheinschiffahrtsgericht Kehl verwiesen hat, weil es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der deutschen Rheinschiffahrtsobergerichte und des Bundesgerichtshofes (vgl. hierzu dessen Urt. vom 21.12.1972 - II ZR 11/72, VersR 1973, 225; vgl. ferner Bemm/Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1983, 2. Aufl. Einführung Rn. 91 Stichwort: Verkehrssicherungpflicht) der Meinung ist, dass auch Streitigkeiten wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für den Rhein und die Rheinhäfen unter Art. 34 Nr. II c MA fallen. Für diesen Beschluss des Schiffahrtsgerichts Kehl gilt nach § 281 Abs. 2, §§ 512, 548 der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO), dass gegen ihn eine Anfechtung nicht stattfindet und er für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, sowie dessen Rechtsmittelinstanzen bindend ist; auch kann das übernehmende Gericht die Sache nicht zurück - und grundsätzlich nicht weiterverweisen. Mit diesen Regelungen soll im Interesse der Prozessökonomie erreicht werden, dass ein Rechtsstreit durch nutzlose Zuständigkeitsstreitigkeiten nicht verzögert wird.

3. Nun ist allerdings nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts ein internationales Gericht, wie es die Berufungskammer ist, an Entscheidungen nationaler Gerichte im selben Rechtsstreit nicht gebunden (vgl. Urteil der Berufungskammer vom 07.06.1974 - 26 Z - 4/74, ZfB 1974, 385). Gleichwohl hat die Berufungskammer in diesem Urteil eine Vorabentscheidung von drei deutschen Gerichten (Rheinschiffahrtsgericht, Rheinschiffahrtsobergericht, Bundesgerichtshof) für sich selbst als verbindlich angesehen. Darin hatten diese die sachliche Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte zur Verhandlung und Entscheidung einer Klage wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich eines Rheinhafens bejaht. Begründet hat die Berufungskammer die Entscheidung damit, dass nach der Zuständigkeitsregelung der MA die nationalen Rheinschiffahrtsobergerichte und sie selbst gleichen Rang hätten, woraus die Verpflichtung folge, wechselseitige Entscheidungen in demselben Rechtsstreit zu respektieren, somit diejenigen eines Rheinschiffahrtsobergerichts durch die Berufungskammer wie auch umgekehrt. Im Streitfall führt dieser Gedanke aber nicht weiter, weil die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nicht durch ein nationales Rheinschiffahrtsobergericht erfolgt ist, sondern durch ein nationales Schiffahrtsgericht, mithin einer in der MA nicht einmal erwähnten Instanz.

4. Hingegen bietet sich an, auf die bereits vorstehend erwähnten Verweisungsvorschriften der ZPO zurückzugreifen. Rechtlich wird das durch Art. 30 der Verfahrensordnung der Berufungskammer vom 23.10.1969 - BGBl. 1970 II 38 ff. ermöglicht. Danach "kann die Kammer ergänzend die Verfahrensvorschriften erster Instanz anwenden, soweit - wie das hier der Fall ist - die Revidierte Rheinschiffahrtsakte und diese Verfahrensordnung keine Bestimmungen enthalten". Das ist hinsichtlich der Verweisungsvorschriften der ZPO zweckmäßig und sinnvoll. Damit wird dem bereits erwähnten allgemeinen Gedanken Rechnung getragen, dass ein Rechtsstreit im Interesse der Prozessökonomie nicht durch nutzlose Zuständigkeitsstreitigkeiten verzögert wird. Ferner wird der Bestimmung des Art. 36 MA entsprochen, wonach das Verfahren bei den Rheinschiffahrtsgerichten ein möglichst einfaches und beschleunigtes sein soll. Sieht man hingegen von einer Anwendung der Verweisungsvorschriften der ZPO ab, so hätte das vorliegend mangels Verbindlichkeit des Verweisungsbeschlusses des Schiffahrtsgerichts Kehl für die Berufungskammer die Folge, dass sie die Klage wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte als unzulässig abweisen und diese erneut vor dem nationalen Schiffahrtsgericht erhoben werden müsste, das seine Zuständigkeit offensichtlich nicht für gegeben hält. Das wäre ein nicht vertretbares Ergebnis.

II. Die Berufungskammer hält die Klage in Übereinstimmung mit dem Rheinschiffahrtsgericht dem Grunde nach für gerechtfertigt.

1. Zutreffend hat das Rheinschiffahrtsgericht ausgeführt, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht für den Rheinhafen Weil schuldhaft verletzt hat. Sie hat es entgegen den Empfehlungen (vgl. deren Nr. 6.3.1 und 6.3.2) zur Verkehrssicherungspflicht des sachkundigen Verbandes öffentlicher Binnenhäfen der Bundesrepublik Deutschland unterlassen, die Hafensohle jährlich zweimal auf unbekannt gebliebene Hindernisse, welche die Schifffahrt gefährden könnten, mit Hilfe von Schleppkette, Suchanker, Peilrahmen oder Fläschenechograph (sofern dessen Echolote genügend dicht angeordnet sind) zu überprüfen. Sie hat, wie sich aus der Aussage ihres Geschäftsführers im Bußgeldverfahren ergibt, die Hafensohle nur einmal jährlich von einem Peilschiff auf etwaige Fehltiefen überprüfen lassen. Dabei hat die letzte Peilung vor dem Unfall des MS "L" (18.09.1987) im April 1986 stattgefunden. Das war zumindest für den Bereich des Schrottladeplatzes unverantwortlich. Denn die Beklagte musste damit rechnen, dass bei dem mit einem Polypgreifer erfolgenden Umschlag von Chrom-Nickel-Gespinsten von dem Schrottlager ins Schiff, Schrottreste, insbesondere bei der Ladung der Gespinste auf Deck, auf der Wasserseite des übernehmenden Schiffs in den Hafen gelangten und von der Hafensohle von den Antriebseinrichtungen zumindest stark motorisierter Fahrzeuge aufgesaugt oder von Ankern oder Drähten aufgefischt oder verschleppt werden konnten. Diese Gefahr war nicht, wie die Beklagte vorgebracht hat, zu verneinen, weil die Wassertiefe im Ladebereich bei Normalstau 4 m beträgt. Bei einer zulässigen Abladetiefe der Schiffe bis zu 3 m besteht erfahrungsgemäß die Möglichkeit des Aufsaugens im Sohlenbereich befindlicher Chrom-Nickel-Gespinste beim Manövrieren stark motorisierter Schiffe durch den Schraubenstrom oder die Möglichkeit der Mitnahme von Schrottresten durch Anker oder Drähte. Hingegen ist nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, die Beklagte hätte den Unfallbereich nach jeder Beladung eines Schiffs mit Schrott "mechanisch auf zurückgelassene Hindernisse untersuchen und die gebotene Reinigung vornehmen" müssen, weil bei diesem Vorgang, insbesondere wegen des Polypgreifers, Schrotteile ins Wasser hätten fallen können. Nach Ansicht der Berufungskammer hätte eine neben den turnusmäßigen Überprüfungen vorzunehmende zusätzliche Untersuchung nur in den Fällen erfolgen müssen, in denen die Beklagte durch Meldungen Dritter von einem vorhandenen oder möglichen Schiffahrtshindernis unterrichtet worden ist (vgl. § 1.15 Nr. 2, § 1.24 RheinSchPV) oder sie sonst hiervon Kenntnis erlangt hat. Dagegen war und ist es ihr nicht zuzumuten, nach jedem Beladen oder Löschen eines Schiffs, bei dem nach der Art der Beladung oder des Umschlaggeräts die Möglichkeit besteht, dass Ladungsteile ins Wasser gelangen und dort ein Hindernis für andere Fahrzeuge bilden können, die Hafensohle im Ladebereich zu untersuchen, also auch dann, wenn kein konkreter Hinweis für ein Hindernis vorliegt.

2. Zuzustimmen ist dem Rheinschiffahrtsgericht ferner darin, dass die Schrotteile, die in die Steuerborddüse und -schraube des MS "L" geraten sind, aus dem Schrottlager im Hafen Weil stammten und von dem Schiff bei seinem Ablegemanöver aufgefischt wurden. Hierzu kann auf die überzeugenden Ausführungen in dem vom Rheinschiffahrtsgericht eingeholten Sachverständigengutachten verwiesen werden. Gegen deren Richtigkeit hat die Beklagte durchgreifenden Bedenken nicht vorbringen können.

3. Der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist allerdings nur dann begründet, wenn deren schuldhaftes Verhalten für die Havarie des MS "L" ursächlich gewesen ist. Dies folgt nicht, wie das Rheinschiffahrtsgericht offenbar meint, schon daraus, dass das Schiff die in seine Steuerborddüse und -schraube gelangten Chrom-Nickel-Gespinste bei dem Ablegemanöver aufgesaugt hat. Vielmehr kann ein Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit der Beklagten und dem Schaden des Rechtsvorgängers der Klägerin nur dann angenommen werden, wenn festgestellt werden kann, dass ein pflichtgemäßes Verhalten der Beklagten, also die ordnungsgemäße Überprüfung der Hafensohle auf unbekannt gebliebene Hindernisse, zur Entdeckung (und Beseitigung) der schadensstiftenden Schrotteile geführt hätte. Das ist zu bejahen.

a) Allerdings heißt es in dem vom Rheinschiffahrtsgericht eingeholten Sachverständigengutachten, dass in dem Stromhafen auch am Sohlengrund mit einer starken Strömung zu rechnen ist, die eine Sedimentsverfrachtung bewirkt und schwerere Gegenstände dadurch ganz oder teilweise in den Untergrund "penetrieren"; auch könnten bei der großen Antriebsleistung, wie sie bei MS "L" installiert und bei An- oder Ablegemanövern in stark strömenden Wasser notwendig ist, Gegenstände nicht nur ohne weiteres vom Boden aufgewirbelt, sondern, wenn sie bereits in den Untergrund eingesunken seien, freigespült werden. Aus diesen Ausführungen hat die Beklagte die Möglichkeit entnommen, dass die von MS "L" aufgefischten Schrotteile bereits in den Untergrund eingesunken gewesen sein könnten, also dann nicht als auffindbares Hindernis auf der Hafensohle gelegen hätten, sondern erst durch das Ablegemanöver des MS "L" freigespült und hochgewirbelt worden seien.

b) Demgegenüber ist die Berufungskammer nach den gesamten Umständen des Falles überzeugt, dass die von MS "L" aufgefischten Schrotteile zuvor nicht schon in den Hafengrund eingesunken gewesen und von dem Schiff erst wieder freigespült worden sind; vielmehr ist festzustellen, dass sie sich auf der Hafensohle selbst befunden haben, wo sie bei einer der gebotenen turnusmäßigen Überprüfungen der Sohle nach unbekannten Hindernissen und bei Anwendung der notwendigen Sorgfalt entdeckt (und beseitigt) hätten werden können :
Vor der Havarie des MS "L" (18.09.1987) ist letztmalig am 10.11.1986 ein Schiff im Unfallbereich mit Schrott aus dem dort an Land befindlichen Lager für Chrom-Nickel-Abfälle beladen worden. Danach muss davon ausgegangen werden, dass die schadenstiftenden Chrom-Nickel-Gespinste nicht später als am 10.11.1986, also mehr als 9 Monate vor dem Unfall, ins Wasser gefallen sind. Innerhalb dieses Zeitraums hätte die Beklagte zumindest einmal den Unfallbereich nach unbekannt gebliebenen Hindernissen sorgfältig absuchen müssen (vgl. oben Nr. II 1). Wäre das geschehen, so hätte sie die Gespinste, die nach den dem Schlussvermerk der Wasserschutzpolizei vom 08.12.1987 in den Bußgeldakten beigefügten Fotografien aus schmalen, dünnen Metallstreifen und Drähten bestanden haben sowie einen nicht unerheblichen Umfang hatten, entdecken (und beseitigen) müssen, vorausgesetzt, dass diese nicht in den Hafenuntergrund "penetriert" waren, sondern sich auf der Hafensohle befunden haben. Das ist mit der Klägerin zu bejahen. Weder dem Vortrag der Parteien noch dem Sachverständigengutachten oder den Bußgeldakten kann etwas zur Beschaffenheit des Hafenuntergrundes im Unfallbereich entnommen werden; insbesondere gibt es keinen Anhalt dafür, dass dieser so beschaffen ist, dass die Chrom-Nickel-Gespinste der beschriebenen Art, die augenscheinlich auch keine schwereren Gegenstände dargestellt haben, in diesen hätten eindringen können. Hinzu kommt, dass bei Taucharbeiten, die von der Beklagten nach dem Unfall veranlasst worden sind, weitere Schrottreste geborgen worden sind, deren Material und Gestalt den schadenstiftenden Schrottgespinsten weitgehend entsprochen haben. Zu ihnen wird in dem Schlussvermerk der Wasserschutzpolizei in den Bußgeldakten nicht ausgeführt, dass sie aus dem Hafenuntergrund ausgegraben worden sind. Vielmehr heißt es, dass sie in Höhe des Schrottlagers im Wasser gelegen haben. Demnach waren auch sie, die ebenfalls vor mindestens mehr als 9 Monaten ins Wasser gefallen waren, nicht in den Hafenuntergrund "penetriert".

4. Der Beklagten kann nicht gefolgt werden, soweit sie meint, der Schiffsführer des MS "L" habe die Havarie seines Fahrzeugs mitverschuldet. Weder hat sie vortragen können, dass er die Maschine seines Fahrzeugs stärker eingesetzt hat, als zu einem sicheren Ablegen des Koppelverbands erforderlich gewesen ist; noch lässt sich ihren Ausführungen ein Verstoß des Schiffsführers gegen die von ihr herangezogenen §§ 15 und 22 HafenVOBW entnehmen; es ist nicht ersichtlich, dass MS "L" durch schädlichen Sog oder durch den Gebrauch der Schiffsschraube Anlagen des Hafens der Beklagten, insbesondere die Hafensohle, beschädigt oder gefährdet haben soll.

5. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

a) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Kehl vom 12.06.1992 wird zurückgewiesen.

b) Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

c) Deren Festsetzung gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Kehl.