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277 Z - 2/93 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 13.05.1993
File Reference: 277 Z - 2/93
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 13. Mai 1993

277 Z - 2/93

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 10. Dezember 1991 - C 105/90 RhSch -)

Tatbestand:


Am 08.01.1990 gegen 13.50 Uhr begegneten auf dem Oberrhein bei Mechtersheim das zu Tal fahrende MTS "RK" (80 m lang; 8,2 m breit; 560 PS; Ladung: ca. 1.000 t Heizöl oder Benzin) und das zu Berg kommende MS "C" (102 m lang; 11,4 m breit; 1.803 PS; Ladung: 1.070 t Eisen). Die Vorbeifahrt erfolgte bei Rhein-km 389,6. Während die Schiffe Steuerbord an Steuerbord passierten, berührte der Talfahrer mit dem Hinterschiff ein an dieser Stelle befindliches Wahrschaufloß der Klägerin und verschleppte es zu Tal. Wegen des ihr dadurch entstandenen Schadens verlangt diese von dem Beklagten als Schiffsführer des MS "C" Schadensersatz.

Zum Unfallzeitpunkt bestand am Unfallort ein von Rhein-km 389 bis 389,9 reichendes Begegnungs- und Überholverbot (nachfolgend: Verbotsstrecke); dieses war durch das Tafelzeichen A.4 der Anlage 7 zur RheinSchPV gekennzeichnet. Bei beiderseits fast geraden Ufern verläuft das Fahrwasser innerhalb der Verbotsstrecke rechtsrheinisch; hingegen befindet sich vor dem linken Ufer ein ausgedehnter Grund, der sich bogenförmig bis etwa zur Strommitte verbreitert. Dort lag das Wahrschaufloß und verengte die Fahrwasserbreite zwischen dem linksrheinischen Grund und dem rechten Ufer.

Die Klägerin beziffert ihren Unfallschaden auf 342,03 DM. Diesen Betrag nebst Zinsen sowie 3 DM vorgerichtliche Mahnkosten verlangt sie von dem Beklagten. Sie wirft ihm einen Verstoß gegen § 6.07 RheinSchPV vor. Er hätte, nachdem er festgestellt habe, dass MTS "RK" im Begriff gewesen sei, in die Verbotsstrecke hineinzufahren, unterhalb derselben anhalten müssen, bis der Talfahrer sie durchfahren gehabt hätte; dann wäre es nicht zur Verschleppung des Wahrschaufloßes gekommen.

Nach Ansicht des Beklagten ist der Klageanspruch unbegründet. Er sei mit MS "C" schon einige hundert Meter unterhalb von Rhein-km 389,9 dicht am rechten Ufer gefahren und habe die blaue Seitentafel sowie das weiße Funkellicht gezeigt. Nach seiner Einfahrt in die Verbotsstrecke habe sich MTS "RK" über Sprechfunk gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt habe sich das Schiff etwa bei Rhein-km 387,5 bis 388 befunden. Da somit der Talfahrer noch mehr als einen Kilometer von dem oberen Ende der Verbotsstrecke entfernt gewesen sei, MS "C" sich hingegen bereits in derselben befunden habe, habe er mit dessen Führung abgesprochen, dass sie langsamer machen solle, damit sein Fahrzeug zunächst durch die Verbotsstrecke fahren könne. Alsdann dieses das Wahrschaufloß erreicht gehabt habe, sei aber auch MTS "RK" in die dortige Engstelle zwischen dem Wahrschaufloß und dem rechtsrheinischen Ufer eingefahren, so dass die Begegnung der beiden Fahrzeuge auf Höhe des Wahrschaufloßes erfolgt sei. Dabei habe der Abstand des MS "C", das gestreckt gefahren sei, zum rechten Ufer nur 5 bis allenfalls 7 m betragen. Damit habe dem Talfahrer zwischen der Steuerbordseite dieses Schiffes und dem Wahrschaufloß ein ausreichender Durchfahrtsraum von 25 m zur Verfügung gestanden. MTS "RK" habe jedoch eine Steuerbordschräglage innegehabt, so dass sein Steuerbordvorschiff von der Steuerbord-Bordwand des MS "C" nur 5 bis 6 m entfernt gewesen und mit dem Achterschiff gegen das Floss geraten sei.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat - nach Vernehmung mehrerer Zeugen - der Klage stattgegeben. In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat es u.a. ausgeführt:

Zwar könne dem Beweisergebnis kein Verstoß des Beklagten gegen § 6.07 Nr. 1 c RheinSchPV entnommen werden; es habe nicht festgestellt werden können, dass er im Zeitpunkt seiner Einfahrt in die Verbotsstrecke habe davon ausgehen müssen, es werde bei Fortsetzung seiner Fahrt zu einer Begegnung innerhalb dieser Strecke mit dem Talfahrer kommen. Hingegen habe der Beklagte § 6.07 Nr. 2 RheinSchPV verletzt. Nach dieser Vorschrift hätten die Fahrzeuge bei einer unvermeidlichen Begegnung in einer Fahrwasserenge alle möglichen Maßnahmen zu treffen, damit das Begegnen an einer Stelle und unter Bedingungen stattfindet, die eine möglichst geringe Gefahr in sich schließen. Das sei hier nicht geschehen. Vielmehr habe der Beklagte anstatt sein Fahrzeug unterhalb des Wahrschaufloßes aufzustoppen, damit MTS "RK" mit langsamer Geschwindigkeit zunächst das Floss und sodann MS "C" hätte freifahren können, es zu einer Begegnung mit dem Talfahrer auf Höhe des Wahrschaufloßes kommen lassen, wo das Fahrwasser in besonderem Masse eingeengt gewesen sei.

Der Beklagte beantragt mit der Berufung, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.


Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung kann keinen Erfolg haben.

1. § 6.08 RheinSchPV befasst sich gemäß seiner Überschrift mit "Durch Schiffahrtszeichen verbotenes Begegnen". Nr. 1 der Bestimmung lautet: "Bei der Annäherung an Strecken, die durch das Tafelzeichen A.4 (Anlage 7) gekennzeichnet sind, gilt § 6.07". Diese Vorschrift regelt an sich, wie es in ihrer Überschrift heißt, das "Begegnen im engen Fahrwasser". Sie sieht, soweit ihr Inhalt vorliegend interessiert, in Nr. 1c vor, dass "Bergfahrer, wenn sie feststellen, dass ein Talfahrer im Begriff ist, in eine Fahrwasserenge hineinzufahren, unterhalb der Enge anhalten müssen, bis sie der Talfahrer durchfahren hat"; ferner bestimmt sie in Nr. 2 : "Ist das Begegnen in einer Fahrwasserenge unvermeidlich, müssen die Fahrzeuge alle möglichen Maßnahmen treffen, damit das Begegnen an einer Stelle oder unter Bedingungen stattfindet, die eine möglichst geringe Gefahr in sich schließen". Wendet man diese Regelungen im Rahmen des § 6.08 Nr. 1 RheinSchPV an, so tritt an die Stelle der Fahrwasserenge eine Strecke mit durch das Tafelzeichen A.4 (Anlage 7) gekennzeichnetem Begegnungsverbot. Das bedeutet, dass ein Bergfahrer, der sich einer solchen Strecke nähert und feststellt, dass ein Talfahrer im Begriff ist, in diese hineinzufahren, unterhalb derselben anhalten muss, bis der Talfahrer sie durchfahren hat; das bedeutet weiter, dass wenn das Begegnen innerhalb einer solchen Strecke unvermeidlich ist, die Fahrzeuge alle möglichen Maßnahmen treffen müssen, damit dieses an einer Stelle und unter Bedingungen stattfindet, die eine möglichst geringe Gefahr in sich schließen.

2. Die Berufungskammer ist in Übereinstimmung mit dem Rheinschiffahrtsgericht der Ansicht, dass ein Verstoß des Beklagten gegen § 6.08 Nr. 1 in Verbindung mit § 6.07 Nr. 1c RheinSchPV nicht festgestellt werden kann, dieser hingegen nach der Einfahrt in die Verbotsstrecke § 6.08 Nr. 1 in Verbindung mit § 6.07 Nr. 2 RheinSchPV missachtet und hierdurch den Schaden der Klägerin verschuldet hat. Zur näheren Begründung dieser Ansicht nimmt die Berufungskammer auf die Entscheidungsgründe ihres ebenfalls am heutigen Tage verkündeten Urteils Bezug, das in der den Parteien bekannten Parallelsache S gegen D, Az. 275 Z - 1/93, ergangen ist. Darin wird, soweit es die Frage eines Verschuldens des Beklagten an dem Unfall betrifft, wörtlich ausgeführt:

a) "Der Beklagte hat bei seiner Vernehmung durch die Wasserschutzpolizei am Unfalltag erklärt, er sei in die "Engstelle" bei Rhein-km 389,9, eingefahren, als sich MTS "RK" bei Rhein-km 388 gemeldet habe; mit dessen Schiffsführer habe er abgesprochen, dass er einen Schlag langsamer machen solle. Nahezu dasselbe haben vor dem Rheinschiffahrtsgericht die Zeugen R D, E D und R W bekundet, die sich sämtlich im Steuerhaus des MS "C" aufgehalten haben; insbesondere haben sie bestätigt, dass sich ihr Schiff etwa bei Rhein-km 389,9 befunden habe, als sich der Schiffsführer des MTS "RK" bei Rhein-km 388 gemeldet und zugesagt habe, mit seinem Fahrzeug langsamer zu machen.

 Folgt man diesen Angaben, so hat sich Talfahrer noch etwa einen Kilometer oberhalb der für ihn bei Rhein-km 389 beginnenden Verbotsstrecke befunden, als der Bergfahrer in diese Strecke eingefahren ist und mit dem Talfahrer abgesprochen hat, langsamer zu machen. Bei einem derartigen Sachverhalt besteht kein hinreichender Anhalt dafür, dass der Bergfahrer bei der Annäherung an die Verbotsstrecke festgestellt hat oder jedenfalls hätte feststellen müssen, dass der Talfahrer im Begriff war, in diese Strecke hineinzufahren.

 Nun haben allerdings Schiffsführer B und der Binnenschiffer M, beide von MTS "RK", vor dem Rheinschiffahrtsgericht ausgesagt, ihr Schiff sei schon oder fast in der "Engstelle" gewesen, als es zum Kontakt mit MS "C" gekommen sei.

 Gegen diese Angaben bestehen jedoch erhebliche Bedenken. So hat der Zeuge B noch am Unfalltag gegenüber der Wasserschutzpolizei bekundet, er habe sich ca. einen Kilometer oberhalb des - bei Rhein-km 389,6 liegenden - Wahrschaufloßes mit dem Schiffsführer des MS "C" dahin verständigt, dass er langsamer fahren werde, was mit seiner späteren Aussage, beim Zustandekommen des Funkgespräches bereits in der "Engstelle" gewesen zu sein, nicht zu vereinbaren ist. Ähnlich liegt es hinsichtlich der Bekundung des Zeugen M. Er hat nämlich bei seiner Vernehmung weiter erklärt, er habe auf das Schild, das die "Engstelle" bezeichnet habe, nicht geachtet. Infolgedessen kann er sich bei der Angabe, dass der Talfahrer bei dem Funkgespräch fast schon in der "Engstelle" gewesen sei, geirrt haben. Hinzu kommt, dass er auch bemerkt hat, sie hätten bei dem Gespräch sich höchstens noch 100 m oberhalb des Floßes befunden, während MS "C" mindestens noch 300 bis 400 m unterhalb desselben zu Berg gekommen sei." Danach vermögen die Angaben der Zeugen B und M die Behauptung der Klägerin, der Beklagte sei unter Verstoß gegen § 6.08 Nr. 1 in Verbindung mit § 6.07 Nr. 1c RheinSchPV in die Verbotsstrecke hineingefahren, nicht zu stützen.

b) "Es liegt auf der Hand, dass ein Begegnen der beiden Fahrzeuge innerhalb der Verbotsstrecke nicht mehr zu vermeiden war, nachdem beide in dieselbe hineingefahren waren. Infolgedessen oblag (nach § 6.08 Nr. 1 in Verbindung mit
§ 6.07 Nr. 2 RheinSchPV) den Führungen beider Schiffe die Pflicht, alle möglichen Maßnahmen zu treffen, damit die Vorbeifahrt nicht in Höhe des Wahrschaufloßes erfolgte, wo die Fahrwasserbreite nicht unwesentlich eingeschränkt war. Dieser Pflicht hätte der Beklagte dadurch nachkommen müssen, dass er sein Fahrzeug, das er nach eigener Angabe nur mit 50 % der Maschinenleistung gefahren hat und welches die Strömung des Oberrheins gegen sich hatte, unterhalb des Wahrschaufloßes an der rechten Fahrwassergrenze aufstoppte und dort so lange verhielt, bis der Talfahrer die Verengung des Fahrwassers durch das Floss passiert hatte. Dem kann der Beklagte nicht entgegenhalten, dass ihm der Schiffsführer des MTS "RK" über Sprechfunk zugesagt gehabt habe, langsamer zu machen. Denn spätestens nach der Einfahrt des Talfahrers in den oberen Teil der Verbotsstrecke musste er damit rechnen, dass es bei Fortsetzung der eigenen Fahrt zur Begegnung in Höhe des Wahrschaufloßes, also in dem durch dieses nicht unwesentlich eingeengten Fahrwasserbereich, mit der Gefahr einer Havarie kommen konnte. Ebenso wenig kann den Beklagten sein Hinweis entlasten, dass es der Schiffsführer des MTS "RK" versäumt habe, sein Fahrzeug kurz vor der Begegnung aufzustrecken, so dass es in Steuerbordschräglage zwischen MS "C" und dem Floss hindurch gefahren sei und nur deshalb dieses mit der Achterschiff berührt habe. Insoweit lässt der Beklagte außer Betracht, dass ein solches Verhalten des Talfahrers in der durch die Weiterfahrt des Beklagten verursachten gefährlichen Lage nicht außergewöhnlich und unvorhersehbar war, zumal dieser bei der Annäherung an die Unfallstelle den dort befindlichen linksrheinischen Grund umfahren und dazu eine Steuerbordschräglage mit seinem Fahrzeug einhalten musste."

3. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass das - von der Berufungskammer in der vorgenannten Parallelsache bejahte - Mitverschulden des Talfahrers an dem Unfall für den vorliegenden Klageanspruch ohne Bedeutung ist. Bei dem Wahrschaufloß der Klägerin handelt es sich nicht um ein Schiff im Sinne des § 92 BinSchG. Somit kommt eine Anwendung von § 92 b, § 92 c Abs. 1 und § 92 f BinSchG, die bei einem beiderseits verschuldeten Zusammenstoss von Binnenschiffen oder bei einer entsprechenden Fernschädigung eine quotenmäßige Schadensverteilung vorsehen, hier nicht in Betracht.

4. Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

a) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 10.12.1991 wird zurückgewiesen.

b) Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

c) Die Festsetzung dieser Kosten gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim.