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233 C - 15/89 - Berufungskammer der Zentralkommission (-)
Decision Date: 01.04.1990
File Reference: 233 C - 15/89
Decision Type: Urteil
Language: German
Norm: Art. 1.04 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, Art. 700 Neue ZPO
Court: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Department: -

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 1. April 1990

(auf Berufung gegen die Urteile des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg vom 12. September 1988 und vom 12. Dezember 1988, - NR 2/87 – )


Tatbestand:

"B" ist zugleich Eigentümer, Ausrüster und Schiffsführer von MS „M“; Tragfähigkeit 1.281 Tonnen, Maschinenleistung 750 PS, versichert bei dem Schiffsversicherungs-Verein Hassmersheim.Am 30. Januar 1987 befand sich die „M“ in der Talfahrt und verließ um 5 Uhr den oberen Vorhafen der Schleuse Vogelgrün, durchfuhr nacheinander die Schleusen Marckolsheim und Rheinau und fuhr gegen 10 Uhr in die kleine Kammer der Schleuse Gerstheim ein, in der in erster Position MS „S“ gerade festmachte. "B" wollte rückwärts fahren um zu stoppen, konnte jedoch seinen Motor, den er hatte ausmachen müssen, um von der Vorwärtsgangstellung in die Rückwärtsgangstellung zu schalten, nicht wieder anwerfen, so dass das Fahrzeug mit Auslaufgeschwindigkeit weiterfuhr, gegen die „S“ stieß und diese gegen den Schutzbalken des Schleusenobertores schleuderte, das dabei beschädigt wurde.

Auf Ersuchen von "B" wurde von dem Schifffahrtsgericht Kehl eine Beweissicherungsmaßnahme angeordnet und dafür "N" bestellt, der unter dem Datum vom 31. Januar 1987 einen Bericht vorlegte. Der Gutachter von EDF, H. "S" schaltete sich ebenfalls ein und stellte insbesondere fest, dass der Druckregler der Pneumatik, mit dem das Wechselgetriebe Vorwärts/Rückwärtsgang angetrieben wird, und den die Mannschaft ausgebaut hatte, Kondenswasser enthielt, was durch Herrn "F", den Gutachter der Versicherungsgesellschaft, der als erster am Unfallort war, bestätigt wurde. In dem kontradiktorischen Bericht vom 29. Juni 1987, der von den Gutachtern der Streitparteien gemeinsam erstellt wurde, wird die Summe des von EDF durch das Unglück erlittenen Schadens auf 187.628 FF vor Steuern beziffert.

Da "B" sich weigert anzuerkennen, seinerseits einen Fehler begangen zu haben, auf Grund dessen er haftbar ist, hat EDF ihn zusammen mit seinem Versicherer verklagt und forderte das Gericht auf, beide gemeinschaftlich zur Zahlung der Grundsumme von 187.628 FF vor Steuern, zuzüglich gesetzmäßige Zinsen ab dem 30. Januar 1987 sowie von 10.000 FF gemäß Artikel 700 Neue ZPO und sämtlicher Prozesskosten zu verurteilen. 

Die Klägerin beruft sich auf die Bestimmungen von Artikel 8 des Gesetzes vom 15. Juni 1895, demzufolge der Kapitän sein Fahrzeug in gutem Navigationszustand halten muss und macht geltend, dass aus dem Bericht des Gerichtsgutachters "N" vom 31. Januar 1987 hervorgeht, dass gegen diese Bestimmung verstoßen wurde, denn darin heißt es abschließend, „dass sich bei dem Ausbau des Druckreglers durch das Personal gezeigt habe, dass Reste von Kondenswasser auf Grund der Außentemperatur eindeutig gefroren waren und das Inversionssystem dadurch unbrauchbar geworden war“ und dass der von Herrn "B" behauptete Fall von höherer Gewalt schon deswegen nicht anerkannt werden kann, weil seine Ehefrau Herrn "S" gegenüber in Anwesenheit von Herrn "F" erklärt hat, dass man bei der Abfahrt von Vogelgrün, um den Motor anzuwerfen, das Kondenswasser, das sich im Druckregler angesammelt hatte, mit einem elektrischen Haartrockner habe auftauen müssen.

Die Beklagten haben ihrerseits den Antrag abgelehnt und die Verurteilung der EDF zur Übernahme der Prozesskosten und darüber hinaus zur Zahlung eines Betrages von 10.000 FF an sie gemäß Artikel 700 Neue ZPO plus gesetzliche Zinsen ab dem Vorladedatum beantragt. Sie behaupten, dass "B" keinerlei schuldhaftes Verhalten angelastet werden kann, da der Ausfall des Wendegetriebes allein einer anormalen Bildung von Kondenswasser in der Leitung der Pneumatik zuzuschreiben war, die die Besatzung nicht ohne deren Ausbau feststellen konnte. Im übrigen versichern sie, dass entgegen den von H. "S" wiedergegebenen Äußerungen ein Haartrockner erst nach dem Unfall und außerdem ohne Erfolg benutzt worden sei, um zu versuchen, die Leitungen aufzutauen, und dass sich der von EDF als ursächlich für den Schaden bezeichnete Druckminderer vorschriftsmäßig im Steuerstand befunden habe, der geheizt war, und schließlich, dass die Vorrichtung am Vorabend bei der Abreise aus Basel mit Alkohol gefüllt worden sei. Hilfsweise äußern die Beklagten noch die Meinung, dass EDF zu Unrecht eine Zahlung von Zinsen ab einem Datum vor der gerichtlichen Entscheidung über die Schadenshöhe verlangt. Ausgehend von diesem Stand der Dinge, ergingen nach Anhörung der Gutachter "S" und "F" und des H. "R", Matrose in Diensten des "B", als Zeugen die beiden Urteile, gegen die Berufung eingelegt wurde; das erste Urteil datiert vom 12. September 1988 und erklärt "B" für verantwortlich für den Schaden und das zweite vom 12. Dezember 1988 verurteilt ihn gemeinschaftlich mit dem Schiffsversicherungs-Verein Hassmersheim zur Zahlung der Grundsumme von 187.628 FF plus gesetzliche Zinsen ab dem 29. Juni 1987 und von 3.500 FF in Anwendung von Artikel 700 Neue ZPO an EDF sowie zur Übernahme der Prozesskosten.

Die Berufungskläger werfen dem ersten Richter vor, er habe, um "B" ein schuldhaftes Verhalten anzulasten, „die vorbeugende Maßnahme, die darin bestand, Alkohol in das Leitungssystem zu geben (um die Bildung von Kondenswasser zu vermeiden), als unzureichend erklärt, entweder weil die Methode an sich unangemessen sei oder weil man zu weinig hinein gegeben habe“ (sic), wobei an keiner Stelle in der Akte etwas ausgesagt wird, das zu einer derartigen Behauptung berechtigen würde, und das Wendegetriebe im Gegenteil, wenn zu wenig Alkohol im Tank gewesen wäre, bereits beim Durchfahren der vorhergehenden Schleusen nicht normal funktioniert hätte. Falls notwendig verlangen sie ein Gutachten, um nachzuweisen, dass das Wendegetriebe des Deutzmotors „M“ am Tag des Schadensfalls trotz Wartung und Nutzung gemäß den Gebrauchsanweisungen und entsprechend den Regeln der Kunst Reste von Kondenswasser enthalten konnte, die gefrieren konnten. Hilfsweise fechten sie das von dem ersten Richter für den Beginn der Zinsenzahlung festgelegte Datum an.

Im Übrigen tragen die Beklagten ihre Rechtsmittel aus dem ersten Rechtszug ausführlich wieder vor und beantragen die Aufhebung des ergangenen Urteils, die Abweisung der Klage und die Verurteilung von EDF zur Übernahme der Kosten beider Instanzen sowie zur Zahlung von 20.000 FF gemäß Artikel 700 Neue ZPO.

Die Berufungsbeklagte ihrerseits beantragt die Bestätigung der Urteile und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer zusätzlichen Entschädigung von 10.000 FF gemäß Artikel 700 Neue ZPO an sie, sowie zur Übernahme sämtlicher Kosten und Auslagen.

Begründung:

Die Berufungsklagen sind formgerecht erfolgt aber aus folgenden Gründen unbegründet.

Laut Meinung des Gerichtsgutachters, "N", und untermauert durch die Feststellungen von H. "S", denen von H. "F" nicht ernsthaft widersprochen wurde (s. gerichtliche Ermittlung), kann es als erwiesen gelten, dass die Bildung eines Eispfropfens auf der Höhe des Druckreglers der Pneumatik, mit der die Umschaltung des Motors gesteuert wird, dazu geführt hat, dass die Umschaltung nicht erfolgen konnte. Dieses Eisstückchen ist eindeutig die Folge von Wasserresten, die sich in den Leitungen angesammelt hatten und infolge der an diesem Tage herrschenden sehr niedrigen Temperatur gefroren sind. Die Anlage selbst war von der Überwachungskommission zugelassen und wurde auch von keiner der Parteien beanstandet. Sie enthält Stellelemente für die Entleerung von Kondenswasser und die feuchte Luft passiert zwangsläufig einen Alkoholbehälter, um so zu vermeiden, dass sich im Winter Eispfropfen in den Leitungen bilden. Es ließe sich höchstens darauf hinweisen, dass die Steuerungsanlage, in die der Druckregler eingebaut ist, an der Unterseite nicht geschützt (Feststellung der Herren "W" und "L" am 6. November 1987) und damit besonders kälteanfällig war. Der Besatzung war dies nicht unbekannt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein leiser Zweifel daran besteht, dass ein elektrischer Haartrockner benutzt wurde, um in Vogelgrün den Motor in Gang zu bekommen, so wurde dieses Gerät nach Bestätigungen der Beklagten selber tatsächlich nach dem Schadensfall für das Auftauen der Leitungen benutzt, was klar beweist, dass die Ursache für den Ausfall des Wendegetriebes sofort erkannt und geortet worden war. Da somit feststeht, dass der Kapitän sich sehr wohl des Risikos des Einfrierens der Anlage bewusst war, kann man ihm zu Recht vorwerfen, er habe nicht alle dienlichen Maßnahmen zur Vermeidung der Bildung von Eispfropfen getroffen, die er entsprechend der allgemeinen Sorgfaltspflicht laut Artikel 1.04 Rheinschifffahrtspolizeiverordnung hätte treffen müssen.

Aus einer ständigen rheinischen Rechtsprechung ergibt sich andererseits für ihn die Verpflichtung, beim Einfahren in eine Schleuse die Geschwindigkeit des Fahrzeuges soweit zu drosseln, dass er es selbst bei Ausfall des Motors anhalten kann (s. BGHVerR 1954.558, 1973.541). Das war deutlich nicht der Fall. Der Matrose, H. "R", hat sich, als er vom ersten Richter als Zeuge gehört wurde, dazu geäußert. Er hat bestätigt (Protokoll vom 14. März 1987), dass der Kapitän, als er feststellte, dass der Motor nicht wieder ansprang, ihm den Befehl gegeben habe, das Schiff vermittels der Trossen anzuhalten, dass er jedoch das Manöver nicht habe ausführen können, da die Festmachepoller bereits überfahren waren.  In einer schriftlichen Aussage vom 30. Januar 1987, die während der Verhandlungen in Fotokopie vorgelegen hat, hat "B" jedoch angegeben, dass die Trossen nicht benutzt werden konnten, da sie gefroren waren. Diese letztere Erklärung entspricht sicherlich der Wahrheit, da sie von dem Kapitän selbst unmittelbar nach dem Schadensereignis abgegeben wurde. Es ergibt sich daraus ein weiterer Beweis für seine Nichteinhaltung der Sorgfaltspflicht, nämlich bei starkem Frost die Ausrüstung des Schiffes betriebs- und diensttauglich zu halten. Da die Fehler des Kapitäns erwiesenermaßen ursächlich für den Schadensfall sind, ist der hilfsweise Antrag der Beklagten auf Gutachten nicht rechtsrelevant. Demnach ist es rechtens, dass der erste Richter sie für verantwortlich für den von EDF erlittenen Schaden erklärt hat. Und es ist auch rechtens, dass er den Zeitpunkt für den Beginn der Zinsenzahlung auf das Datum des kontradiktorischen Gutachtens gelegt hat. In der Tat beruht die Regel, nach der bei Straftaten und solchen, die diesen nahe kommen, Zinsen erst ab dem Urteil, das den Schadensbetrag festsetzt, erhoben werden, auf der Annahme, dass am Tag der Entscheidung der Schaden in allen Einzelheiten bekannt und aktualisiert ist. In diesem Fall jedoch ist der Richter mit Zustimmung der Parteien, von dem Grundbetrag des Schadens ausgegangen, der von den Gutachtern nach Ausschreibung am 29. Juni 1987 in gemeinsamem Einvernehmen festgelegt wurde. Es liegt auf der Hand, dass EDF durch den Umstand, dass der Betrag seit diesem Datum nicht gezahlt wurde, des weiteren geschädigt wurde, sei es dass sie entweder nach Erstellung de Gutachtens die Arbeiten hat ausführen lassen, in welchem Falle sie den Preis hat vorstrecken müssen, sei es dass sie es vorgezogen hat, das Ergebnis des Urteils abzuwarten und somit nicht nur die Risiken einer beschädigten Anlage sondern auch die einer unweigerlich von den bietenden Unternehmen zu erwartenden Preiserhöhung eingegangen ist. Die Vorverlegung des Eintritts der Zinszahlung auf den Tag der Erstellung des Gutachtens berücksichtigt diese Punkte und ist somit ergänzend zu der Schadensersatzleistung aufrecht zu erhalten. Die Zuweisung einer Summe von 3.500 FF gemäß Artikel 700 Neue ZPO ist ebenfalls gerechtfertigt. Es wäre in der Tat nicht billig, diesen Betrag, der in den Prozessauslagen nicht enthalten ist, der EDF aufzubürden. Gestützt auf dieselbe Überlegung und denselben Artikel wird auf der Berufungsebene die Verurteilung der Beklagten und Berufungskläger zur Zahlung eines Betrages von 5.000 FF an EDF gerechtfertigt. Schließlich wird daran erinnert, dass die unterlegene Partei, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, was in dieser Sache nicht der Fall ist, zur Übernahme der Prozessauslagen verurteilt wird.


Aus diesen Gründen erklärt die Berufungskammer:

Die Berufungsklagen sind in der Form zulässig aber nicht begründet.

Die Berufungsklagen werden abgewiesen.

Die ergangenen Urteile werden demzufolge bestätigt.

Die Berufungskläger werden gemeinschaftlich zur Zahlung aller Kosten und Auslagen des Berufungsverfahrens verurteilt. Sie werden außerdem gestützt auf Artikel 700 Neue ZPO zur Zahlung eines Betrages von 5.000 FF an EDF verurteilt.

Die Festsetzung der Kosten erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte.