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22 U 3/10 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Decision Date: 19.05.2011
File Reference: 22 U 3/10 BSch
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Oberlandesgericht Karlsruhe
Department: Schiffahrtsobergericht

Gründe:

I. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche wegen verunreinigter Ladung geltend.
Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma X (Versicherungsnehmerin/Absenderin). Am 16.3.2009 schlossen die Versicherungsnehmerin und das beklagte Transport- und Speditionsunternehmen Y einen Frachtvertrag über den Transport von 740,260 Tonnen Weizenkleiepellets (Tier-futter). Vereinbart war der Transport per Binnenschiff von der Absenderin in A. bis nach Rotterdam am 18.3.2009. Die Wei-zenkleiepellets sollten lose zur Verfrachtung von der Beklagten übernommen werden. Die Beklagte händigte der Absenderin ein Original-Konnossement und eine Kopie zur weiteren Verwendung aus. Die Beklagte führte den Transport nicht selbst aus, sondern beauftragte die Firma Z mit dem Transport. Inhalt dieses Vertrages war, dass der Transport gemäß den sogenannten GMP-Richtlinien stattfinden sollte. Die Firma Z beauftragte ihrerseits mit dem Transport die Firma Q. mit dessen Schiffsführer B., die Streithelfer Ziffer 1) und 2) der Beklagten.
Am Mittwoch, 18.3.2009, begann gegen Spätnachmittag die Beladung des von dem Schiffsführer B. geführten Gütermotorschiffes (GMS) »R.«. Die Beladung erfolgte an der Verladeanlage der Firma X bei Neckar-km 102,2. Beim Ablegen konnte nach dem Lösen der Taue achtern der vordere Beidraht nicht schnell genug gelöst werden, so dass das Schiff querschlug und den Neckar auf der gesamten Breite blockierte. Dies hatte zur Folge, dass die Schifffahrt bis Freitag, 20.3.2009, 14.30 Uhr, gesperrt werden musste.
Vom Kasko-Versicherer des GMS »R.« wurde unmittelbar nach der Havarie die Firma G. eingeschaltet. Vor Ort traf deren Schiffstechniker S. ein, der als Havarie-Kommissar tätig wurde. Die Bergung des GMS »R.« erfolgte in der Weise, dass das Schiff mittels eines auf einem Stelzenponton befindlichen Baggergerätes der Firma M. Spezialtief- und Wasserbau GmbH aufgeleichtert wurde. Nach dem Eintreffen des Gerätes, welches von einer Baustelle in Stuttgart abgezogen worden war, konnte am Vormittag des 20.3.2009 mit der Leichterung begonnen werden. Die für die Übernahme der Leichtermenge vorgesehene Schute, der Schubleichter (SL) »M.«, wurde zuvor ausgefegt. Gegen Mittag kam das GMS »R.« nach Aufleichterung von 120 Tonnen Weizenkleiepellets wieder frei. Das Schiff wurde ins Oberwasser der Schleuse Gundelsheim verbracht. Aufgrund der erlittenen Schäden war das GMS »R.« manövrierunfähig und konnte die Reise nach Rotterdam nicht fortsetzen. Aus diesem Grunde wurde unter Einschaltung der Beklagten das Leichterschiff »T.« zur Verfügung gestellt. Sowohl die 120 Tonnen aus der Barge als auch der verbliebene Rest von 620 Tonnen in dem GMS »R.« wurden mit Hilfe des Stelzenpontons und des Baggergerätes in das GMS »T.« umgeschlagen. Zwischenzeitlich war der sachverständige Zeuge »O.«, der vom Transportversicherer der X eingeschaltet worden war, im Oberwasser der Schleuse Gundelsheim eingetroffen. Bei den Umlademaßnahmen blieb in der Barge eine Schicht von ca. 10 cm zurück, um zu vermeiden, dass die Weizenkleiepellets verschmutzt würden. Der Umschlag der Restladung erfolgte dann am Samstag, 21.3.2009. Nach der Ankunft des GMS »T.« in Rotterdam einige Tage später wies die Käuferin der Weizenkleiepellets mit Schreiben vom 25.3.2009 die Lieferung zurück. Sie bemängelte, dass der Umschlag der Ladung durch eine nicht GMP-zertifizierte Barge erfolgt sei. Außerdem seien die Laderäume nicht inspiziert worden und kein LCI-Bericht vorhanden. Aufgrund dessen erfolgten Bemühungen, die verbliebene Ware von 723 Tonnen als Schadware zu verkaufen. Letztlich gelang es der Firma G., die Ware in Rotterdam als Schadware zu einem Preis von 36.171,15 € zu veräußern. Dies geschah in Absprache mit dem Zeugen »O.«. Unter Abzug einer Verkaufskommission zugunsten der Firma G. und eines Liegegeldes zugunsten des GMS »T.« wurde an die Firma X. ein Betrag in Höhe von 32.315,30 € ausgekehrt.
Die Klägerin beziffert gegenüber der Beklagten den Schaden in Höhe der Differenz zwischen dem zu erwartenden Verkaufserlös bei schadensfreiem Verlauf und des an ihre Versicherungsnehmerin durch die Firma G. ausgekehrten Betrages mit 45.041,87 € zuzüglich Kosten des Sachverständigen O. in Höhe von 481,42 €. Die Klägerin hat ihre Versicherungsnehmerin in Höhe von 43.956,74 € entschädigt. Diesen Betrag macht sie gegenüber der Beklagten geltend. Die Versicherungsmaklerin der X forderte mit Schreiben vom 5.11.2009 die Beklagte auf, ein Haftungsanerkenntnis bis spätestens 25.11.2009 abzugeben. Mit Schreiben vom 24.11.2009 lehnte die Beklagte die Abgabe eines Haftungsanerkenntnisses dem Grunde nach ab. Unter dem 03.02.2010 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte nochmals vergeblich zur Zahlung auf. Die Firma G. übersandte der Klägerin mit Schreiben vom 25.11.2009 die Havariegrosse-Dispache, wonach auf die Ladung Havarie-grosse-Beiträge in Höhe von 14.989,32 € entfallen würden. Die Klägerin hat diesen Betrag bislang nicht beglichen. Das Verfahren wird derzeit nicht betrieben.
Die Streitverkündeten Ziffer 1 und 2 sind mit Schriftsatz vom 3.5.2010 auf Seiten der Beklagten als Streithelfer beigetreten.
Die Klägerin behauptet in der am 7.4.2010 zugestellten Klageschrift, ihre Versicherungsnehmerin hätte bei einem schadensfreien Verlauf für 740,260 Tonnen einen Verkaufserlös in Höhe von 77.357,17 € erzielen können. Die Beklagte habe bei der Leichterung sowohl an der Anlegestelle der Firma X als auch im Oberwasser der Schleuse Gundelsheim nicht die Einhaltung des vereinbarten GMP-Zertifizierungssystems beachtet. Mittels dieses Systems werde gewährleistet, dass bei Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs auf sämtlichen Stufen der Transportkette ein hoher Qualitätsstandard eingehalten werde. Neben der unstreitig nicht vorhandenen Zertifizierung für das Baggergerät und die Barge, den Schubleichter »M.«, sei auch kein GMP-Zertifikat für das GMS »T.« ausgestellt worden. Ebenso sei keine erforderliche Laderauminspektion (LCI) durchgeführt worden. Die fehlende GMP-Zertifizierung falle allein in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Der Zeuge O. sei beim Eintreffen vor Ort bereits vor vollendete Tatsachen gestellt worden und habe auf die Einhaltung der GMP-Standards nicht mehr einwirken können.

Die Klägerin hat beantragt,


1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 43.956,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 24.11.2009 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.530,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin auch den weiteren Schaden zu ersetzen hat, der ihr aus der Havarie des GMS »R.« am 18.3.2009 in A. bereits entstanden ist und künftig noch entsteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, GMS »T.« sei GMP-zertifiziert gewesen. Außerdem habe ein LCI-Bericht vorgelegen. Zudem sei kein Schaden entstanden, weil das Schüttgut körperlich unversehrt geblieben sei. Die Durchbrechung der GMP-Zertifizierungskette durch Einsatz eines nicht zertifizierten Baggergerätes hätte durch einfache Nachkontrolle wieder ausgeglichen werden können. Die Beklagte ist zudem der Ansicht, dass eine Haftung bereits deshalb ausscheide, weil ein angeblicher Schaden nicht im Obhutszeitraum der Beklagten entstanden sei. Das GMS »T.« sei im Rahmen von Havarie-grosse-Maßnahmen durch den sachverständigen Zeugen S. für die Havarie-grosse-Gemeinschaft, bestehend aus Schiff und Ladung verpflichtet worden, mithin gerade nicht durch die Beklagte zur Ausführung einer ihr obliegenden Transportpflicht. Im Übrigen erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung gemäß den Verlade- und Transportbedingungen (Konnossementsbedingungen) der Beklagten. Zudem ergebe sich ein Haftungsausschluss nach diesen Bedingungen, da der angebliche Schaden durch ein zudem bestrittenes nautisches Verschulden entstanden sei. Schließlich habe die Firma X gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie die schadhafte Ware nach Rotterdam verbracht habe, anstatt sie unmittelbar vor Ort als Schadware zu veräußern, wo eine fehlende GMP-Zertifizierung einen wesentlichen geringeren Preisabschlag begründet hätte.
Die Streithelfer bezweifelten die Aktivlegitimation der Klägerin, weil sich die Firma X zu einer Lieferung »frei Haus« verpflichtet habe mit der Folge, dass das Verlust- und Schadensrisiko während des Transportes bei der Abnehmerin gelegen habe. Dementsprechend habe die Klägerin eine Schadensregulierung ohne entsprechende Verpflichtung vorgenommen. Ohnehin sei eine eventuelle Verunreinigung allein auf das Verhalten der Firma X zurückzuführen. An Maßnahmen sei geplant gewesen, dass die Leichterung unter Aufsicht eines sogenannten SGS-Kontrolleurs durchgeführt werde, der die Einhaltung der GMP-Vorschriften während der Leichterung hätte überwachen und entsprechende Bescheinigungen ausstellen können. Allein durch den Verzicht auf die Hinzuziehung des SGS-Kontrolleurs durch den sachverständigen Zeugen O. habe die Versicherungsnehmerin der Klägerin billigend in Kauf genommen, dass die Ladung nicht mehr den GMP-Standards entsprochen habe. Das Schifffahrtsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 26.5.2010. … Die Bußgeldakte der Polizeidirektion Heilbronn war zu Beweiszwecken beigezogen worden und lag dem Schifffahrtsgericht ebenso wie dem Schifffahrtsobergericht vor.
Mit Urteil vom 15.09.2010 …, hat das Schifffahrtsgericht unter Abweisung der weiter gehenden Klage die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 13.470,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.633,28 € seit dem 24.11.2009 sowie aus 837,52 € seit dem 07.04.2010 zu zahlen. Gegen dieses Urteil wenden sich, jeweils soweit zu ihrem Nachteil entschieden wurde, sowohl die Klägerin als auch die Beklagte mit ihren Berufungen.

Die Klägerin rügt insbesondere,– dass sie sich im Hinblick auf den Schaden, der an der unmittelbar von GMS »R.« in GMS »T.« umgeschlagenen Ladung entstanden ist, einen hälftigen Mitverursachungsbeitrag anrechnen lassen müsse, – dass sich deshalb die Höhe des Ladungsschadens auf lediglich € 12.633,28 belaufen würde und – dass an vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten lediglich ein Betrag in Höhe von € 837,52 zu erstatten sei.
Im Einzelnen führt sie u.a. aus: Ein Mitverursachungsbeitrag der Ladungsseite, das die Klägerin sich gemäß Art. 18 Abs. 1 a CMNI anrechnen lassen müsste, komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die gesamte Ladung ihre GMP-Qualität bereits in dem Zeitpunkt verloren habe, in dem mit Hilfe des unstreitig nicht zertifizierten Greifers 120 t Weizenkleiepellets von dem quergeschlagenen GMS »R.« in den SL »M.« umgeschlagen wurden.
Zutreffend habe das erstinstanzliche Gericht festgestellt, dass der Verlust der GMP-Qualität einen Ladungsschaden im Sinne von Art. 16 CMNl darstelle und dass dieser Verlust dadurch eingetreten sei, dass der Umschlag mit nicht zertifiziertem Gerät erfolgte. Das Schifffahrtsgericht verweise in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf den Vortrag der Streithelfer Ziff. 1 und 2 selbst, wonach nicht nur die Beförderungsmittel, sondern auch Umschlagsgeräte zu zertifizieren seien und auch zertifiziert würden. Unberücksichtigt lasse das erstinstanzliche Gericht dabei allerdings, dass bei Verwendung eines nicht zertifizierten Umschlagsgeräts nicht nur die damit tatsächlich umgeschlagene Ware die GMP-Qualität einbüße, sondern in gleicher Weise auch die gesamte nicht umgeschlagene Ware, die sich noch im ursprünglichen Transportmittel befinde. Dies gelte in besonderem Maße dann, wenn der aus dem ursprünglichen Transportmittel mit dem nicht zertifizierten Umschlagsgerät entfernte Ladungsteil wie hier über 16 % der Gesamtladung ausmache, was zwangsläufig einen großflächigen Kontakt auch der im ursprünglichen Transportmittel verbleibenden Ware mit dem Umschlagsgerät zur Folge habe.
Bereits mit dem Umschlag von MS »R.« in den SL »M.« sei somit der hier geltend gemachte Ladungsschaden eingetreten. Bis zum Abschluss dieses Umschlags aber habe weder die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Fa. X., noch deren Sachverständiger die Möglichkeit gehabt zu intervenieren. Der Zeuge C. habe dies anlässlich seiner Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren ebenso bestätigt wie der Zeuge O.. Letzterer sei am Havarieort erst eingetroffen, nachdem der Umschlag in SL »M.« bereits abgeschlossen gewesen sei. Schon aus diesem Grund scheide folglich eine Mitverantwortlichkeit der Ladungsseite, die sich die Klägerin gegebenenfalls zurechnen lassen müsste, aus.
Lediglich fürsorglich werde daher darauf verwiesen, dass selbst unter Zugrundelegen der Annahme des Schifffahrtsgerichts, dass auch die zunächst in GMS »R.« verbliebenen Menge von 620 t Weizenkleiepellets ihre GMP-Qualität erst mit deren Löschung in GMS »T.« verloren gehabt hätte, die vom Schifffahrtsgericht im Rahmen des Art. 18 Abs. 1 a CMNI ausgeurteilte Mietverursachungsquote von 50 % nicht angemessen sei. Insoweit sei zunächst zu berücksichtigen, dass der Klägerin ein etwaiger Mitverursachungsbeitrag des Zeugen O. im Rahmen des Art. 18 Abs. 1 a CMNI schon nicht angelastet werden könne. Jedenfalls sei er, wenn er denn vorläge, als so geringfügig zu bewerten, dass er gegenüber dem Verursachungsbeitrag des für die Beklagten tätigen Sachverständigen S. nicht ins Gewicht fiele und vollständig hinter diesem zurückstehen würde.
Gerügt werde ferner die Art und Weise der Berechnung des von der Bekl. zu erstattenden Schadens durch das Schifffahrtsgericht, und zwar unabhängig von der Frage des Mitverschuldens. Gemäß Art. 19 Abs. 2 CMNI sei bei Teilschäden auf die Wertminderung, d. h. die Differenz zwischen Gesundwert und Schadwert abzustellen. Der Gesundwert der Ladung habe vorliegend ausweislich der als Anlage K 5 vorgelegten Rechnung der Fa. X. vom 20.3.2009 € 77.357,17 betragen, der Erlös für die Schadware dagegen ausweislich der als Anlage K 4 vorgelegten Abrechnung G. nurmehr € 32.315,30. Die Wertminderung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 CMNI belaufe sich damit auf insgesamt  €  45.041,87 oder € 45.041,87 : 740,260 t = 60,85 € /t. Ginge man nun – unzutreffenderweise – mit dem Schifffahrtsgericht davon aus, dass sich die Klägerin hinsichtlich eines Ladungsanteils von 740,260 t – 120 t = 620,260 t einen Mitverursachungsbeitrag in Höhe von 50 % anrechnen lassen müsste, wäre folgender Schaden zu erstatten:
120 t x 60,85 €/t  =    7.301,52 €
620,260 t x 60,08 € /t
= 37.740,35 € x 50 %   =    18.870,18 €
26.171.70 €
Wie das Schifffahrtsgericht demgegenüber auf einen Schadenersatzbetrag in Höhe von lediglich € 12.633,28 kommen konnte, sei nicht nachvollziehbar.
Gegen die Berufungsangriffe der Beklagten verteidigt die Klägerin das Urteil des Schifffahrtsgerichts und führt u.a. aus:
Der vereinbarte Haftungsausschluss für nautisches Verschulden greife nicht. Unabhängig davon, dass der Bereich des Fest- und Losmachens eines Schiffes nach allgemeiner Auffassung nicht dem maßgeblichen Bereich der »Nautik« zuzurechnen sei, fehle es vorliegend an dem notwendigen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem allenfalls denkbaren nautischen Verschulden der Besatzung des GMS »R.« und dem streitgegenständlichen Ladungsschaden – und zwar auch schon hinsichtlich des Umschlags in SL »M«. Nautisches Verschulden sei nur dann in zurechenbarer Weise kausal für einen Ladungsschaden, wenn das ein nautisches Verschulden darstellende Handeln oder Unterlassen unmittelbar zu dem Schaden führe. Vorliegend sei der Ladungsschaden noch nicht einmal zwingende Folge des Verhakens bzw. Unterlassens der Schiffsbesatzung, das allenfalls Anknüpfungspunkt für ein nautisches Verschulden darstellen könne.

Die Klägerin beantragt:


1. Das Urteil des Amtsgerichts – Schifffahrtsgerichts – Mannheim vom 15.9.2010 wird im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen dahingehend teilweise abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 43.956.74 zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 24.11.2009.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 1.530,58 zu bezahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 7.4.2010.
3. Die Berufung der Beklagten wird zurück gewiesen.

Die Beklagte beantragt:


1. Das Urteil des Amtsgerichts – Schifffahrtsgerichts – Mannheim vom 15.9.2010 wird teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin wird zurück gewiesen.
Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus:
Der Obhutszeitraum, für den gemäß Art. 16 Abs. 1 CMNI der Frachtführer haf te, sei mit Ausladen der Ware aus GMS »R.« an der Unfallstelle abgeschlossen worden. Mit dem Einladen der Ware in das GMS »T.« sei eine neue Obhut eines neuen Frachtführers begründet worden. Ein wie immer gearteter – und jedenfalls bestrittener – Schaden an der Ware sei in dem Zeitpunkt entstanden, in dem der Frachtführer »R.« keine Obhut mehr gehabt habe und bei dem Frachtführer »T.« noch keine Obhut begründet worden sei. Die fehlende GMP-Zertifizierung habe zu keinem Substanzschaden geführt. Ein eventuell fehlerhaftes Verhalten des Sachverständigen S. könne der Beklagten nicht zugerechnet werden. Die Klage sei im übrigen bereits aus den allgemeinen Haftungsausschlussgründen des Art. 16 CMNI unbegründet. Der Schadenseintritt wäre im Sinne von Art. 16 CMNI auch für einen sorgfältigen Frachtführer nicht vermeidbar gewesen. Der Schaden sei durch ein Verhalten des Absenders verursacht worden und letztlich stehe der Beklagten auch der Haftungsausschluss für nautisches Verhalten zur Seite. Dieser beschränke sich nicht auf die Erstschädigung sondern auf alle kausal hieraus entstehenden weiteren Schäden. Einbezogen in die Kausalkette des nautischen Verschuldens seien auch dessen Folgen. Jedenfalls greife der besondere Haftungsausschlussgrund gemäß Art. 18 Abs. 1 a CMNI.
Die Streithelfer der Beklagten schließen sich den Anträgen und Ausführungen der von ihnen unterstützten Partei an und tragen ergänzend vor:
Nicht zu folgen sei der Auffassung, dass das Ablegemanöver nicht in den Anwendungsbereich der nautischen Führung des Schiffes falle. Gerade das Ablegen, anders als das Anlegen, sei auf die Fortbewegung des Schiffes gerichtet. Soweit die Haftung für nautisches Verschulden abbedungen sei, umfasse der Haftungsausschluss sämtliche Schäden, die durch eben ein solches Verhalten eingetreten seien. Die Leichterung des Schiffes, in jedem Fall die Notleichterung in die Schute »Müller VIII«, betreffe somit den Haftungsausschluss wegen nautischen Verschuldens. Das Schiffsunglück sei nicht nur conditio sine qua non für diese Notleichterung, die Notleichterung stehe auch in engster Beziehung zu dem Schiffsunglück, da sie zwingend erforderlich geworden sei, um Schiff und Ladung aus einer akuten Gefahrenlage zu retten. Die vom Schifffahrtsgericht zur Verneinung eines Haftungsausschlussgrundes infolge nautischen Verschuldens als Argument vorgebrachte Darlegung, dass der Schaden durch eine fehlerhafte Maßnahme im Zusammenhang mit der Umladung eingetreten sei, greife zumindest für die Notleichterung zu kurz. Gerade die Notleichterung sei durch das nautische Missgeschick unmittelbar bedingt. Dies gelte auch für den Verlust der GMP-Qualität für die erste Umschlagsmenge, da GMP-zertifiziertes Umschlagsgerät nicht zur Verfügung gestanden habe, notgedrungen aber habe gehandelt werden müssen. Folge man der Auffassung der Klägerin, wonach das gesamte Ladungsgut bereits durch diesen ersten, den Notumschlag, die GMP-Qualität verloren habe, scheide jegliche Haftung der Beklagten bereits wegen des Haftungsausschlusses für nautisches Verschulden aus, auch falls man den Umschlag in das GMS »T.« wie das Vordergericht nicht mehr durch nautisches Verschulden veranlasst sehen wollte.
Selbst wenn man das Verhalten des Experten S. der Beklagten zurechnete, sei die Entscheidung des Schifffahrtsgerichts nicht richtig. Das Schifffahrtsgericht gehe davon aus, dass beide Sachverständige, der Experte S. und der Experte O., fehlerhaft gehandelt hätten, als sie den Umschlag mit dem vorhandenen Umschlagsgerät ohne Hinzuziehung eines weiteren Experten, des SGS-Kontrolleurs, zugelassen haben. Das Schifffahrtsgericht übersehe dabei, dass der Experte S. nicht für die Ladung zuständig gewesen sei. Der Experte O. habe allein die Interessen der Ladungsseite vertreten. Der Umschlag habe von ihm freigegeben werden müssen und sei von ihm freigegeben worden, obgleich die Hinzuziehung eines SGS-Kontrolleurs möglich gewesen wäre und im Raum stand. Der Experte O. habe für die Ladungsseite auf diesen Kontrolleur verzichtet und damit die Aufgabe der GMP-Qualität billigend in Kauf genommen. Folglich treffe den Experten S. kein Verschulden an dem streitgegenständlichen Wertverlust, selbst wenn man in ihm einen Beauftragten der Beklagten sehen wollte, der zudem von ladungsspezifischen Besonderheiten Kenntnis hatte, sei der Experte S. angesichts des Verhaltens des Experten »O.« nicht gehalten gewesen, den Umschlag aufzuhalten und auf eine Beiziehung des SGS-Kontrolleurs zur Einhaltung der GMP-Regeln zu drängen. Die Pflichten des Frachtführers zur Ladungsfürsorge endeten dort, wo der Absender eigene Entscheidungen treffe.
Die Haftungsverteilung 50:50 für das angeblich fehlerhafte Verhalten beider Experten erscheine zwar auf den ersten Blick salomonisch, entspreche angesichts des Vorgesagten jedoch keineswegs dem Gewicht und der Reichweite der jeweiligen Verantwortung. Sollte man überhaupt irgendein Verhalten des Experten S. in diesem Zusammenhang als Fehlverhalten auffassen, sei es vollständig überlagert von dem Verhalten des Experten »O.«. Selbst bei unterstellter Zurechnung des Verhaltens des Experten S. zu der Beklagten löste dies keine Haftung für den vermeintlichen Wertverlust wegen Nichteinhaltung der GMP-Regularien beim Umschlag vom GMS »R.« in das GMS »T.« aus.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Beide Berufungen sind zulässig. Die Berufung der Beklagten führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage, die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
1. An der vom Schifffahrtsgericht bejahten Aktivlegitimation der Klägerin, auf die etwaige Schadensersatzansprüche ihrer Versicherungsnehmerin, der Absenderin, übergegangen sind, bestehen im zweiten Rechtszug keine ernsthaften Zweifel.
Der Anwendungsbereich des Art. 16 Abs. 1 CMNI ist eröffnet. Das Übereinkommen ist gemäß Art. 2 Abs. 1 CMNI auf alle Frachtverträge anzuwenden, nach denen der Ladehafen und der Löschhafen in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer Vertragspartei des Übereinkommens ist. Sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Niederlande sind dem Übereinkommen beigetreten. Nach den vom Schifffahrtsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist zwischen der Absenderin und der Beklagten am 16.3.2009 ein Frachtvertrag über die Lieferung von 740.260 kg Weizenkleiepellets zustande gekommen, denen die GMP-Regelungen für Futtermittel zugrunde liegen.
Zu der auch im zweiten Rechtszug streitigen Frage, wann der Obhutszeitraum der Beklagten endete, schließt sich der Senat ebenfalls der Beurteilung des Schifffahrtsgerichts an: Nach Art. 16 Abs. 1 CMNl haftet der Frachtführer in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung. Vereinbart war die Übernahme in A. bei der Fa. X. und die Ablieferung in Rotterdam. Der Frachtvertrag wurde durch die Bergung der Ladung im Anschluss an die Havarie nicht vorzeitig beendet. Die Beklagte ging auch zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass sie weiterhin zum Transport der Ware nach Rotterdam verpflichtet war. Zwar gilt im Normalfall (gemäß § 419 Abs. 3. Satz 5 HGB; Art 16 Abs. 2 CMR) nach dem Entladen des Gutes die Beförderung als beendet (vgl. dazu auch LG Duisburg ZfBinSchiff 2011, Heft 5 S. 75). Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall, dass der Frachtführer beim Ausladen davon ausgegangen sein muss, dass damit die Transportpflicht endgültig beendet worden ist (vgl. Koller, Transportrecht, 7. Aufl., Artikel 16 CMR Rdnr. 6). Im vorliegenden Fall ist demgegenüber nicht davon auszugehen, dass die Beklagte ein Ende ihrer Transportpflicht nicht angenommen hat. Der Sachverhalt weist die Besonderheit auf, dass havariebedingt die Ladung nicht aus-, sondern lediglich in ein anderes Gütermotorschiff umgeladen worden ist, welches die Ware weiterbefördert hat. Dabei handelte es sich bei dem GMS »T.« um ein Schiff, das von der Beklagten ursprünglich für eine weitere Ladung der Firma X verwendet werden sollte. Die beklagte Frachtführerin hatte das Gut noch nicht an den bestimmungsmäßigen Empfänger abgeliefert, als es beschädigt wurde.
Entgegen der Berufungsangriffe der Beklagten hat das Schifffahrtsgericht zu Recht den Eintritt eines Substanzschadens festgestellt. Erfasst werden von Art. 16 Abs. 1 CMNI solche Wer tminderungen, die infolge einer physikalischen oder chemischen Substanzveränderung des Gutes eintreten (vgl. von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., Art. 16 CMNI Rn. 4, § 425 HGB Rn. 9; Koller a.a.O. § 425 HGB Rn. 13). Ausreichend ist insoweit der bloße, hinreichend begründete Verdacht einer Substanzveränderung, wenn er zu einer Wertminderung des Gutes geführt hat, weil er entweder Tests notwendig macht oder der Verdacht objektiv nicht ausgeräumt werden kann (vgl. dazu auch Ramming, Hamburger Handbuch zum Binnenschifffahrtsrecht Rdnr. 186). Nur in den Fällen, in denen die Art des Transports dazu führt, dass das Gut ohne Rücksicht auf eine etwaige Substanzveränderung nicht verwendet oder importiert werden darf, erfährt das Gut keine Beschädigung im Sinne des Artikel 16 CMNl (vgl. Koller a.a.O. Rdnr. 14). Indem sowohl bei der Leichterung von 120 Tonnen aus dem GMS »R.« in den Schubleichter »Müller VIll« an der Ablegestelle der Firma X. als auch bei der Umladung dieser und der restlichen Ware von 640 Tonnen von GMS »R.« unmittelbar in das GMS »T.« im Oberwasser der Schleuse Gundelsheim ein sich auf dem Stelzenponton befindliches Baggergerät eingesetzt worden ist, dass den GMP-Richtlinien nicht entsprach, ist ein Schaden im Sinne des Artikel 16 Abs. 1 CMNI eingetreten. Die Möglichkeit, diese Ladung nur noch als Schadware zu verkaufen, bedeutete eine Wertminderung.
2. Im Unterschied zum Schifffahrtsgericht erachtet der Senat jedoch den Haftungsausschluss der Beklagten infolge nautischen Verschuldens für durchgreifend.
a) Im Ansatz zutreffend hat das Schifffahrtsgericht erkannt, dass die Konnossementsbedingungen wirksam in den Frachtvertrag einbezogen wurden. Die Beklagte ist ständiger Vertragspartner der Absenderin. In der Transportbestätigung vom 16.3.2009 ist ausdrücklich vereinbart worden, dass die Konnossementsbedingungen gelten. Gemäß § 15 lit. i der Bedingungen ist die Haftung ausgeschlossen, sofern der Schaden durch nautisches Verschulden verursacht wurde, wenn nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Die beispielhafte Aufzählung (»insbesondere Zusammenstoß, Anfahrung, Festfahrung ...«) ist nicht erschöpfend. Im Übrigen handelt es sich hier im Ergebnis um eine Festfahrung im weiten Sinne. Nicht maßgeblich ist, ob – jeweils isoliert betrachtet – reine Be- oder Entladungsmaßnamen oder aber das Festmachen eines Schiffes nach abgeschlossener Fahrt nicht mehr zur Navigation rechnen (vgl. dazu SchiffObG Nürnberg ZfBinSch 2007, 64). Entscheidend ist vielmehr das schadensursächlich gewordene Geschehen insgesamt zu bewerten (im Anschluss an BGH TranspR 2007, 36 ff; vgl. dazu auch die Anm. von Ramming, TranspR 2007, 58).
Für die Beurteilung der Frage, inwieweit der – gemäß Art. 25 Abs. 2 lit. a CMNI zulässige – vertragliche Haftungsausschluss für nautisches Verschulden reicht, sind die zur Zurechnung bei Eingriffen Dritter oder des Geschädigten entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach ist der durch Dazwischentreten eines Dritten oder des Verletzten selbst herbei geführte Erfolg dem ersten Verursacher nicht schon dann zuzurechnen, wenn er nur adäquate, also nicht gänzlich unwahrscheinliche Konsequenz des zeitlich primär ursächlichen Umstandes ist. Vielmehr bedarf es einer Güter- und Interessenabwägung, in deren Rahmen es für die Zurechnung darauf ankommt, inwieweit der Erstverursacher eine Gefahrerhöhung herbeigeführt hat, ob sein Verhalten gewissermaßen Aufforderungscharakter hatte, inwieweit dem Eingreifen des Dritten oder des Geschädigten Dringlichkeit und Vernünftigkeit zuzusprechen ist und ob sein Verhalten mit Blick auf das von ihm verfolgte Ziel der Verhältnismäßigkeit entspricht. Nach zwei – verschiedenen Blickwinkeln entsprechenden – Kriterien kann das Dazwischentreten eines Dritten oder des Verletzten die Zurechnung ausschließen: Wenn der schädigende Erfolg völlig unabhängig von der vom ersten Schädiger gesetzten Ursache eingetreten ist, wenn diese sich also im weiteren Geschehensverlauf nicht mehr aktualisiert, weil der für den ersten Umstand Verantwortliche das aus seinem Verhalten resultierende Risiko vollständig neutralisiert oder wieder gutgemacht hat, oder wenn der Dritte oder der Verletzte in abwegiger, völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Fortgang der Dinge eingegriffen hat (vgl. Geigel/Kerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. Kap. 1 Rdnr.29 f. m.w.N.).
b) An diesen Grundsätzen gemessen, wird der Schaden, den das Ladegut erlitt, vom Haftungsausschluss umfasst.
GMS »R.« war auf Grund eines misslungenen Ablegemanövers verfallen. Das Schif f lag bei Hochwasser quer im Neckar. Vor- und Achterschiff steckten fest im Ufer. Die Ruderanlage des MS »R.« war schwer beschädigt. Das Schiff war dadurch manövrierunfähig und die Schifffahrt auf dem Neckar war gesperrt. Die Wasserschutzpolizei hatte hierzu u.a. festgestellt:
GMS »R.« lag an der Anlände X. in A.. Es war Bug zu Tal, festgemacht mit 4 Festmachern, achtern Beidraht und Spring, vorne Vorspring und Beidraht, dieser stand ebenfalls etwas vor. Beim Ablegemanöver löste der Schiffsführer B (Streithelfer Ziffer 2) die beiden achterlichen Taue, seine Frau (Steuermann) löste die Vorspring. Der Beidraht (40 mm Tau) war in der Spundwand an einem Poller festgemacht. In der dortigen Spundwand sind die Pollernischen relativ klein. Als das Fahrzeug etwas zu Tal gegangen war, versuchte die Frau den etwas losen Beidraht aus dem Poller auszuhängen. Aufgrund der Abdrift des Vorschiffs konnte sie jedoch das Tau nicht aushängen, ein Herausschleudern war durch die enge Pollernische bzw. die Entfernung nicht mehr möglich. Auch ein Lösen des Beidrahts an der vorderen backbordseitigen Pollerbank des Schiffes war aufgrund des mehrfachen Umschlagens, nachdem wieder Zug auf den Beidraht gekommen war, nicht mehr möglich. Das Beidrücken des Buges mit dem Bugststrahl – eine weitere nautische Teilmaßnahme – erwies sich ebenfalls als erfolglos, es bewirkte jedoch mit, dass das Achterschiff noch mehr als zuvor von der Anlände wegdriftete. Als die Strömung das Achterschiff voll erfasste, wurde das Fahrzeug achterlich zu Tal geschoben, vorne war es mit dem Beidraht an der Spundwand fest. Das Querfallen des Fahrzeugs war mit der Hauptmaschine nicht zu stoppen, der Schiffsführer konnte lediglich durch harte Ruderlage und »voll zurück« den Aufprall auf das rechte Ufer dämpfen. Beim Anprall wurde, nachdem der Schiffsführer noch kurz zuvor die Ruder hart nach Backbord ausgedreht hatte, das steuerbordseitige Ruderblatt der Dreiflächenruderanlage abgeschlagen.
In der Folge wurde eine sofortige Schifffahrtsperre erlassen, die Schleusen Kochendorf und Gundelsheim wahrschauten die Fahrzeuge und belegten nach und nach ihre Liegeplätze. Ein Turnversuch mit einem Bergfahrer (schiebend) und einem oberhalb ziehenden Binnenschiff blieben erfolglos. In der Folge wurde mit der Leichterung der Ladung begonnen. Nachdem ca. 120 Tonnen in eine Schute umgebaggert waren, kam das Achterschiff so viel hoch, dass es freischwamm und das Fahrzeug an die Anlände verholt werden konnte. Nach dem Abstreifen der Unfallstelle wurde dann um 14.30 Uhr die Schifffahrt wieder freigegeben. Das GMS »R.« wurde mit dem Schubboot »K.« nach Gundelsheim ins Oberwasser der Schleuse geschoben und weiter geleichtert. Die Ladung wurde in ein anderes Binnenschiff umgeschlagen.
Nach Einschätzung der Wasserschutzpolizei und der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung war ursächlich für die Havarie die Unterschätzung der Strömungsstärke und ihrer Wirkung auf das Achterschiff durch den Schiffsführer (Streithelfer Ziffer 2), insbesondere da sein Schiff Bug zu Tal lag. Aufgrund seiner über 40 jährigen Berufserfahrung hätte er wissen müssen, dass ein Verfallen seines Achterschiffes möglich war, nachdem er alle Festmacher achtern gelöst hatte. Ebenfalls hätte er damit rechnen müssen, dass das Fahrzeug auch vorne von der Spundwand abgeht, und damit das Lösen der Festmacher aus den relativ engen Pollernischen, schwierig oder unmöglich ist. Dies insbesondere, da er seit Jahren regelmäßig zur Anlände der Firma X. kam. Gegen ihn erging deshalb wegen Verstoßes gegen die Grundregeln über das Verhalten im Verkehr mit Behinderung der Schifffahrt i.S.d. § 1.04 BinSchStrO ein Bußgeldbescheid.
Diese nautischen Fehler, die der Streithelfer Ziffer 2 als verantwortlicher Schiffsführer nach Überzeugung des Senats fahrlässig, nicht aber grob fahrlässig oder gar vorsätzlich beging und zu verantworten hatte, führten adäquat kausal zu den streitgegenständlichen Schäden: Es hatte Gefahr in Verzug bestanden. Es mussten schnellstmöglich Rettungs- und Bergungsmaßnahmen eingeleitet werden, die den Besonderheiten des Reviers Rechnung trugen. Dazu wurden die Geräte der Firma M. angefordert, die auch nur von der Oberstromseite an den Havaristen heranfahren konnten. Leichter-Schiffe waren in der Kürze der Zeit nicht zu beschaffen, schon gar keine Fahrzeuge mit GMP-Zertifikat. Das später angenommene MS »T.« befand sich zu dieser Zeit noch auf der Anfahrt zur Firma X, hätte aber für die erste Leichterung ohnehin nicht zum Einsatz kommen können, weil es sich von der falschen Seite, der Unterstromseite, annäherte. Das Kranschiff wäre nicht in der Lage gewesen, die Ladung von der Oberstromseite über den Havaristen in ein unterstromseitig liegendes Leichterschiff umzuschlagen. Auf der Oberstromseite standen jedoch keinerlei Leichterschiffe mit GMP-Zertifikat zur Verfügung. Das Risiko eines Ladungsschadens bei der Bergung musste in Anbetracht der besonderen Gefahrenlage somit in Kauf genommen werden. Vorrangiges Ziel war es, Schiff und Ladung aus der Gefahr zu bringen und das Verkehrshindernis zu beseitigen. Hierzu musste der Havarist vor Ort aufgeleichtert werden und, da andere Fahrzeuge als die der Firma nicht zur Verfügung standen, diese in Anspruch genommen werden.
Soweit die Haftung für nautisches Verschulden abbedungen ist, umfasst der Haftungsausschluss auch sämtliche Schäden, die durch ein solches Geschehen eingetreten sind. Das misslungene Ablegemanöver galt der Fortbewegung des Schiffes. Hierdurch war das Schiff verfallen und musste notgeleichtert werden. Die Leichterung des Schiffes, in jedem Fall die Notleichterung in die Schute »M.«, betraf somit den Haftungsausschluss wegen nautischen Verschuldens. Das Schiffsunglück ist nicht nur conditio sine qua non für diese Notleichterung, die Notleichterung stand auch in enger Beziehung zu dem Schiffsunglück, da sie erforderlich war, um Schiff und Ladung aus einer akuten Gefahrenlage zu retten, auch wenn zwischen der Havarie und dem Beginn der Leichterung mehr als 24 Stunden lagen. Die vom Schifffahrtsgericht zur Verneinung eines Haftungsausschlussgrundes infolge nautischen Verschuldens vorgenommene Fokusierung darauf, dass der Schaden durch eine fehlerhafte Maßnahme im Zusammenhang mit der Umladung eingetreten sei, wird dem konkreten Geschehen nicht gerecht. Die Notleichterung war durch das nautische Missgeschick unmittelbar bedingt. Dies gilt auch für den Verlust der GMP-Qualität für das umgeschlagene Gut, da GMP-zertifiziertes Umschlagsgerät nicht zur Verfügung gestanden hatte, notgedrungen aber gehandelt werden musste. Weder der haftungsbegründende noch der haftungsausfüllende Ursachenzusammenhang insbesondere aber auch nicht der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wurden unterbrochen.
c) Da das gesamte Ladungsgut bereits durch diesen ersten, den Notumschlag, die GMP-Qualität verlor, wovon der Senat nach dem Vortrag der Parteien in beiden Instanzen überzeugt ist, scheidet jegliche Haftung der Beklagten wegen des Haftungsausschlusses für nautisches Verschulden aus.
Die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung bekräftigt, und die Beklagte hat sich dies zu eigen gemacht, dass nach den Feststellungen des Schifffahrtsgerichts der Verlust der GMP-Qualität dadurch eingetreten ist, dass der Umschlag mit nicht zertifiziertem Gerät erfolgte. Das Schifffahrtsgericht verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf den Vortrag der Streithelfer Ziff. 1 und 2 selbst, wonach nicht nur die Beförderungsmittel, sondern auch Umschlagsgeräte zu zertifizieren waren. Bei Verwendung eines nicht zertifizierten Umschlagsgeräts hat nicht nur die damit tatsächlich umgeschlagene Ware die GMP-Qualität eingebüßt, sondern in gleicher Weise auch die gesamte nicht umgeschlagene Ware, die sich noch im ursprünglichen Transportmittel befand. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn der aus dem ursprünglichen Transportmittel mit dem nicht zertifizierten Umschlagsgerät entfernte Ladungsteil wie hier über 16 % der Gesamtladung ausmachte, was zwangsläufig einen großflächigen Kontakt auch der im ursprünglichen Transportmittel verbleibenden Ware mit dem Umschlagsgerät zur Folge hatte.
d) Selbst wenn man annehmen würde, dass durch den ersten Umschlag einer Teilmenge mit dem nicht GMP-zertifizierten Bagger die Restmenge noch unbeschädigt geblieben sei und deren späterer Umschlag in GMS «T.« nicht mehr in dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang mit dem nautischen Verschulden des Streithelfers stehe, bleibt die Klage ohne Erfolg. Der Senat teilt zwar die – vergeblich von der Klägerin angegriffene – Beweiswürdigung des Schifffahrtsgerichts zu den Parteibehauptungen über die maßgeblichen Verhaltensweisen der Zeugen C., S. und O., insbesondere zu dem gemäß Beweisbeschluss vom 26.05.2010 erhobenen Beweis zu der Behauptung der Beklagten, dass der Umschlag der Weizenkleiepellets von GMS »R.« auf GMS »T.« mit der Absenderin abgestimmt und von dieser frei gegeben worden war, und erachtet die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen für zutreffend, gewichtet jedoch die haftungsrechtliche Bedeutung insbesondere der eigenen Handlungen der Absenderin anders als das Schifffahrtsgericht. Gemäß Art. 18 Abs. 1 a CMNI sind der Frachtführer und der ausführende Frachtführer von ihrer Haftung befreit, soweit die Beschädigung auf Handlungen oder Unterlassungen des Absenders, Empfängers oder Verfügungsberechtigten zurück zu führen sind. Nach der Aussage des Zeugen O. habe ihm der für die Absenderin tätig gewordene Zeuge C. noch einen sogenannten SGS-Kontrolleur schicken wollen. Bei einem solchen Kontrolleur handelt es sich um einen Experten, der eine Überprüfung der Einhaltung der Qualitätsanforderungen an den Transport von Futtermitteln hätte vornehmen können. Der Absenderin, der Firma X., war also bekannt, welche Maßnahmen hätten ergriffen werden können und müssen, um die GMP-Zertifizierungskette nicht zu durchbrechen und sie hatte auf deren Einhaltung anfangs auch bestanden. Der Zeuge O. hat bekundet, dass der Zeuge C. ihm gegenüber in einem fernmündlichen Gespräch am Freitagnachmittag des 20.3.2009 dann aber erklärt habe, dass die Firma X. aus zeitlichen Gründen einen SGS-Kontrolleur nicht mehr habe erreichen können und deswegen darauf verzichte. Jedenfalls hierin liegt die die Haftung der Beklagten im Ergebnis ausschließende Handlung, da das Gewicht früherer Beiträge der Beklagten von dem Gewicht der abschließenden Entscheidung der Absenderin (Zustimmung zum Umschlag), die vom Zeugen O. der Beklagten mitgeteilt wurde, völlig überlagert wird.
e) Die Klage war daher abzuweisen, ohne dass auf weitere Berufungsangriffe gegen die Ausführungen des Schifffahrtsgerichts einzugehen ist…
Gründe, die Revision zuzulassen, lagen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2011 - Nr.9(Sammlung Seite 2143 ff.); ZfB 2011, S. 2143 ff.