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Leitsätze:
1) Eine Klage auf Feststellung zur Tabelle im schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren ist auch dann zulässig, wenn nicht gegen alle Widersprechenden Klage erhoben wird. Klagebefugt ist nicht nur derjenige, der die Anmeldung beantragt hat, sondern auch derjenige, der Inhaber des Rechtes ist, das angemeldet wurde. Erfolgt während des Prozesses eine Forderungsanmeldung durch den klagenden Rechtsinhaber, der widersprochen wird, so handelt es sich bei der Prüfung dieser Forderungsanmeldung und des Widerspruchs um eine sachdienliche Klageänderung, die zulässig ist.
2) Gegenstand eines Feststellungsverfahrens kann eine Forderung auch dann sein, wenn sich aus der Anmeldung nur Grund und Höhe des Betrages des angemeldeten Anspruchs ergeben, die Anmeldung aber nicht durch den Kläger erfolgt ist, der Inhaber des Rechts ist. Die Anmeldung von Ansprüchen und die Eintragung dieser Ansprüche entfalten keine Rechtskraft oder sonstige Bindungswirkungen für die Beteiligten des Verteilungsverfahrens. Das Gericht ist im Feststellungsverfahren frei, die Berechtigung zu prüfen und gegebenenfalls zuzusprechen.
3) Zuständig für das Feststellungsverfahren sind das Schiffahrtsgericht und in zweiter Instanz das Schiffahrtsobergericht.
Urteil des Schiffahrtsobergerichtes Karlsruhe vom 31. Mai 2021
Az.: 22 U 1/19 BSch
(Schiffahrtsgericht Mannheim, Az.: 30 C 4/18 BSch)
Vorbemerkung der Redaktion:
In der oben genannten Entscheidung hatte das Schiffahrtsobergericht Karlsruhe über eine ganze Reihe von sehr schwierigen materiellrechtlichen und formellrechtlichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren zu entscheiden. Für das schifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren, über das es fast keine Entscheidungen gibt (Dazu: ZfB 2008, Sammlung Seite 1987 ff; ZfB 2010, Sammlung Seite 2073 f; und ZfB 2018, Sammlung Seite 2550), sind nur einTeil der entschiedenen Fragen von grundlegendem Interesse, so dass vorliegend ein erheblicher Teil des sehr umfangreichen Urteiles unzitiert bleibt.
Es geht um die Havarie des CMS »Excelsior« vom 25. März 2007, bei der 31 Container bei Rheinkilometer 677 über Bord gegangen sind. CMS »Excelsior« hat sich auf die Haftungsbeschränkung nach CLNI berufen und entsprechende Sicherheit gestellt. Die verschiedenen Geschädigten haben (teilweise nach materiellrechtlicher Entscheidung über den erhobenen Anspruch) ihre Forderung im Verteilungsverfahren zurTabelle angemeldet.
Bei der streitgegenständlichen Forderung (Tabelle lft. Nr. 19) ging es zunächst um die Forderung des Absenders L eines der Container. Der Sachwalter im Verteilungsverfahren und die Antragstellerin C des Verteilungsverfahrens, die Ausrüsterin C des Containerschiffes, hatte gegen die angemeldete Forderung Widerspruch erhoben.
Nachdem der Sachversicherer der L (A) den Schaden gegenüber seinem Versicherungsnehmer L beglichen hatte, hat A Klage gegen den Sachwalter und die Antragstellerin C des Verteilungsverfahrens erhoben, gerichtet auf die Feststellung, dass der Widerspruch des Sachwalters und des Antragstellers C unbegründet seien. Nach einem Hinweis des Gerichtes hat A die Klage gegen C zurückgenommen, deshalb wurde in erster Instanz separat nur über die Klage gegen den Sachwalter durch Urteil entschieden. Das Schiffahrtsgericht Mannheim hatte der Klage gegen den Sachwalter im Wesentlichen stattgegeben und festgestellt, dass der Widerspruch des Sachwalters in Höhe von 350.709,04 € unbegründet sei
Im Verfahren der Berufung des Sachverwalters gegen das Urteil des Schiffahrtsgerichtes hat das Schiffahrtsobergericht Karlsruhe Hinweise zur Zulässigkeit der Klage erteilt, daraufhin hat die Klägerin die Forderung (im eigenen Namen) erneut angemeldet , sie hat eine neue lfd. Nr. in derTabelle erhalten (20). Der Sachwalter und die Antragstellerin C (die jetzt aber nicht mehr Prozesspartei war) haben auch dieser unter ltd. Nr. 20 angemeldeten Forderung widersprochen. Im Ergebnis hat das Schiffahrtsobergericht Karlsruhe festgestellt, dass der Widerspruch des jetzt noch allein beklagten Sachwalters im schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren gegen die angemeldete Forderung in Höhe von 308.602,58 € unbegründet ist und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Schiffahrtsobergericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch das Urteil nur die Unbegründetheit des Widerspruches des Sachwalters festgestellt ist, über den Widerspruch der Antragstellerin C aber noch nicht entschieden sei, da im Verhältnis zur Antragstellerin C die Klage zurückgenommen und diese nicht mehr rechtshängig war.
Das Ergebnis dieses Urteils ist, dass der Sachversicherer A trotz sehr später eigener Anmeldung (erst in zweiter Instanz des Streitverfahrens) als klagebefugt angesehen und die Klage als zulässig erachtet wurde. Die Klägerin hat, soweit sie den Widerspruch des Sachwalters angegriffen hat, auch materiellrechtlich Erfolg gehabt, der Widerspruch ist beseitigt. Dennoch ist die Forderung zur Tabelle nicht festgestellt, weil über den Widerspruch der Antragstellerin C wegen der Klagerücknahme nicht entschieden werden konnte. Der Widerspruch steht der Feststellung zur Tabelle nach wie vor entgegen. Es müsste nun also (14 Jahre nach dem Unfall) eine neue Klage gegen C angestrengt werden.
Im Ergebnis hat die Klägerin Erfolg gehabt, wird aber bis auf weiteres ihre Forderung im Verteilungsverfahren nicht erfolgreich durchsetzen können, solange der Widerspruch der Antragstellerin nicht beseitigt ist.
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer, Frankfurt am Main
Aus der Begründung des Urteils sei wie folgt auszugsweise zitiert:
In dem Rechtsstreit ... hat das Oberlandesgericht Karlsruhe – Schiffahrtsobergericht – ... für Recht erkannt:
Das Urteil des Schiffahrtsgerichtes Mannheim vom 4. Juni 2019, Az.: 30 C 4/18 BSch wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Beklagten als Sachwalter des schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens vor dem Amtsgericht Mannheim, 30 SVR 1/09 BSch gegen die unter der lfd. Nr. 20 der Tabelle angemeldeten Forderung in Höhe von 308.602,58 € unbegründet ist.
3. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 20 % und der Beklagte 80 %. Von den Kosten des Rechtszugs tragen der Beklagte 88 % und die Klägerin 12 % ...
Aus den Gründen:
Die Klägerin, alleiniger Versicherer der L, beantragt die Feststellung einer Forderung aus nach der Regulierung gemäß § 86 VVG übergegangenem Recht zur Tabelle im schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren ...
Die Klägerin hat ... als Versicherer der L die ... Beträge ... insgesamt Euro 388.565,91 vollständig ausgeglichen ...
Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 11. Mai 2010 (Az.: 30 ZVR 1/09 BSch) wurde auf Antrag der C am 11. Mai 2010 um 17:00 Uhr das binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren ... eröffnet und der Beklagte zum Sachwalter bestellt ...
Die Klägerin hat beantragt, die Forderung der Klägerin aus übergegangenem Recht der L zur Tabelle des schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren vor dem Amtsgericht Mannheim, 30 SVR 1/09 BSch, in Höhe von 388.565,91 € lfd. Nummer 19 der Tabelle festzustellen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, der Feststellung der Forderung der Klägerin aus übergegangenem Recht der L zur Tabelle des schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens vor dem Amtsgericht Mannheim, 30 SR V 1/09 BSch, in Höhe von 388.565,91 € lfd. Nummer 19 derTabelle zuzustimmen ...
Das Amtsgericht Mannheim hat der Kage im Westlichen stattgegeben und dazu ausgeführt: die Klägerin habe einen Anspruch auf Feststellung, dass der Widerruf des Beklagten in Höhe von 350.709,04 € für unbegründet erklärt werde ... Die zulässigen Berufung des Beklagten hat, soweit die Klägerin ihr Begehren aufrechterhalten hat, in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist zulässig und insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und im Übrigen statthaft.
a) Das Schiffahrtsobergericht Karlsruhe ist zur Entscheidung über die Berufung gemäß § 11 BinSchGerG berufen, obwohl diese Zuständigkeit nur für Berufungen über Entscheidungen der Schiffahrtsgerichte gegeben ist (§ 11 S. 1 BinSchGerG) und das Amtsgericht ausweislich des Kopfes der Entscheidung die Bezeichnung »Amtsgericht Mannheim« und nicht, wie dies § 5 Abs. 1 S. 2 BinSchGerG ausdrücklich vorschreibt, die korrekte Bezeichnung »Schiffahrtsgericht Mannheim« geführt hat. Denn insoweit genügt es, dass das entscheidende Gericht trotz fehlender Bezeichnung als Schiffahrtsgericht hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hat, dass es als Schiffahrtsgericht entscheiden wollte (Schiffahrtsobergericht Nürnberg, Urteil vom 25.01.1996 – 8 U 372/95 Bsch –, TranspR 1996, 352; Schiffahrtsobergericht Karlsruhe, Urteil vom 19.03.2004 – 23 U 6/03 BSch –, juris Rn. 14; v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., § 5 BinSchVerfG Rn. 2). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die ursprünglich an das Landgericht Hamburg gerichtete Klage wurde mit Beschluss vom 27.07.2018 an das Amtsgericht Mannheim – Schiffahrtsgericht – verwiesen. Dieses hat das Verfahren als Schifffahrtssache behandelt (Az.: 30 C 4/18 BSch) und als Amtsgericht Mannheim – Schiffahrtsgericht – am 29.04.2019 mündlich verhandelt. Zudem ist in den vorgeschriebenen Angaben nach § 313 Abs. 1 Nr. 2 ZPO des Urteils vom 04.06.2019 angeführt, dass es als Schiffahrtsgericht entschieden hat. Die unzureichende Bezeichnung im Kopf des Urteils und der Umstand, dass das Protokoll über die Verkündung des Urteils fehlerhaft lediglich das Amtsgericht Mannheim ausweist, sind deshalb ausnahmsweise unschädlich.
b) Dass die Berufung fristgerecht am 10.07.2019 bei dem dem Amtsgericht Mannheim übergeordneten Landgericht Mannheim und nicht beim zuständigen Schiffahrtsobergericht Karlsruhe eingegangen ist, berührt die Zulässigkeit der Berufung nicht (§ 13 BinSchGerG) ...
2. Die Klage ist zulässig.
a) Zutreffend ist das nach § 37 SVertO zuständige Schifffahrtsgericht davon ausgegangen, dass die Klage nicht schon deshalb unzulässig ist, weil die Klägerin nicht gegen alle Widersprechenden Klage erhoben hat. Denn die Klägerin war dazu nicht verpflichtet ...
b) Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht – mehr – daran, dass die Klägerin, die mit der Klage verfolgte Forderung (zunächst) nicht angemeldet hatte, die Anmeldung durch die L erfolgte ... Diese Sachurteilsvoraussetzungen sind grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn der anmeldende Gläubiger die Feststellung der bestrittenen Forderung nach Grund, Betrag und Rang so betreibt, wie sie angemeldet wurden ... An dieser Sachurteilsvoraussetzung fehlte es bei Klageerhebung schon deshalb, weil nicht die Klägerin, sondern die L die Forderung angemeldet hat ... Da jedoch zwischenzeitlich während des laufenden Berufungsverfahrens eine Forderungsanmeldung durch die Klägerin erfolgt ist, diese Forderung in dem mit Verfügung vom 9. Februar 2021 bestimmten schriftlichen Prüfungstermin mit dem Ergebnis geprüft wurde, dass Widersprüche des Sachwalters und der Antragsteller erhoben worden sind ... ist die Klage nunmehr nicht mehr schon allein deshalb unzulässig, weil die Feststellungsklage ursprünglich nicht vom Anmeldenden erhoben wurde, denn maßgeblich ist allein, dass die Zulässigkeitsvoraussetzung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vorliegen...
c.) Unschädlich ist auch, dass die Klägerin gemäß ihren Ausführungen im Verhandlungstermin vom 31. Mai 2001 nun nicht mehr die Feststellung der Forderung unter der lfd. Nr. 19 der Tabelle, sondern die der von ihr angemeldeten und unter der lfd. Nr. 20 der Tabelle geprüfte Forderung begehrt. Denn eine darin liegende Klageänderung ist zulässig, weil sie sachdienlich ist ...
7. ... a) Weder die Normen des binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren über die Anmeldung von Ansprüchen (§§ 34 Abs. 2, 13 ff SVertO) noch die Vorschriften über die Eintragung angemeldete Ansprüche (§ 43 SVertO bzw. § 13 Absatz 3 SVertO) enthalten Regelungen aus deren nach Wortlaut oder systematischen Zusammenhang entnommen werden könnte, dass schon den Eintragungen in die zu erstellende Tabelle und insbesondere den dort aufgeführten Anmeldedaten Rechtskraft oder eine sonstige Bindungswirkung für die Verfahrensbeteiligten beizumessen wäre; insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass der Inhalt der Eintragung ungeachtet der Richtigkeit für das weitere Verfahren zugrunde zu legen wäre, so dass das Gericht im Feststellungsprozess (§ 34 Abs. 2, 19 Absatz 3 SVertO in Verbindung mit §§ 179 Abs. 2 und 3,180 – 183 InsO) an den Inhalt der Eintragung ohne eigene Prüfungskompetenz gebunden wäre ...
Da aus dem vorstehenden Gründen das Feststellungsbegehren der Klägerin in dem zuletzt verfolgten Umfang berechtigt ist, bleibt die Berufung des Beklagten, der sich gegen das Feststellungsbegehren insgesamt wendet, ohne Erfolg. Aufgrund der teilweisen Klagerücknahme im Berufungsverfahren und der gleichzeitigen Änderung des Begehrens (Feststellung der Berechtigung der unter der lfd. Nr. 20 angemeldeten Forderung der Klägerin statt der unter lfd. Nr. 19 angemeldeten Forderung der L) ist das Urteil des Schiffahrtsgerichtes gleichwohl aufzuheben und auf der Grundlage dieser Änderung neu zu tenorieren. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nur die Unbegründetheit des Widerspruchs des Beklagten als Sachwalter festgestellt werden kann, weil der Widerspruch der Antragstellerin des Verfahrens noch offen ist, weshalb man nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin mit ihrer Forderung zur Teilnahme am binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens berechtigt ist ...
Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Fink v.Waldstein
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2021 - Nr. 7 (Sammlung Seite 2708 f.); ZfB 2021, 2708 f.