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Beschluss des Berufungsausschusses der Moselkommission
- Berufungsinstanz Moselschifffahrt -
vom 25. Juli 2022
Gründe:
Die Berufung der Klägerin ist entgegen der Regelung in Art. 34 Abs. 3 des Moselvertrages in Verbindung mit Art. 37 Abs. 3 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (MA) nicht innerhalb von 30 Tagen nach erfolgter Anmeldung der Berufung begründet worden. Die Berufungsbegründungsfrist lief am 02.03.2020 ab. Die Begründung ist aber erst am 26.03.2020 und damit verspätet beim Moselschifffahrtsgericht eingegangen. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch das Moselschifffahrtsgericht war offensichtlich unzulässig und begründet keinen Vertrauenstatbestand zugunsten der Berufungsführerin. Gem. Art. 37 Abs. 4 MA gilt die Berufung als nicht eingelegt, wenn der Berufungsführer die in Abs. 3 genannten Vorschiften nicht eingehalten hat. Nach Art. 18 der Verfahrensordnung des Berufungsausschusses der Moselkommission kann über die Unzulässigkeit der Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Davon hat der Berufungsausschuss Gebrauch gemacht. Die Entscheidung ist gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin. Die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten erfolgt gem. Art. 39 MA durch das Moselschifffahrtsgericht.
Zur Begründung verweist der Berufungsausschuss auf seinen Hinweis vom 09.02.2022, an dem er auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Berufungsführerin mit Schriftsatz vom 28.02.2022 festhält.
Ergänzend und vertiefend begründet der Berufungsausschuss die Zurückweisung der Berufung wie folgt:
1. Bei der Berufungsbegründungfrist von 30 Tagen in Art. 37 Abs. 3 MA in Verbindung mit Art. 34 Abs. 3 des Moselvertrages handelt es sich um eine nicht verlängerbare gesetzliche Frist.
Zwar ist die (Nicht)Verlängerbarkeit der Berufungsbegründungsfrist nicht ausdrücklich in Art. 37 Abs. 3 MA erwähnt. Auch wird die Berufungsbegründungsfrist nicht als „Notfrist“ bezeichnet. Es liegt aber in Bezug auf die Berufungsbegründungsfrist ersichtlich keine planwidrige Regelungslücke vor, die durch ergänzende Heranziehung der nationalen Vorschriften für das Ausgangsgericht geschlossen werden könnte.
Vielmehr wird in Art. 37 Abs. 3 MA gerade ein Gegensatz aufgebaut zwischen der gesetzlich bestimmten Berufungsbegründungfrist einerseits und der richterlich bestimmten präklusiven Berufungserwiderungsfrist andererseits. Die Vertragsstaaten haben also an die Möglichkeit richterlicher Fristen gedacht, diese aber für die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist gerade nicht vorgesehen. Gesetzliche Fristen sind zudem regelmäßig nicht verlängerbar, es sei denn dies ist ausdrücklich vorgesehen. Für die richterlich bestimmte Berufungserwiderungsfrist wird die Nichtverlängerbarkeit verdeutlicht durch die Bezeichnung als „präklusive“ Frist. Nichts deutet darauf hin, dass demgegenüber gerade die Berufungsbegründungsfrist verlängerbar sein soll. Vielmehr spricht die Systematik der Regelung dagegen. Art. 37 Abs. 2 und 3 MA regeln den Zugang zur Zentralkommission (entsprechend zur Moselkommission) umfassend und abschließend. Die Vorschrift hat nur Bedeutung für diesen besonderen Instanzenzug in Rhein- bzw. Moselschifffahrtssachen. Soweit für die Handhabung auf nationale Vorschriften des erstinstanzlich entscheidenden Gerichts zurückgegriffen werden kann, ist dies ausdrücklich in Art. 37 Abs. 2 MA für die Form der Berufungseinlegung und die Zustellung geregelt. Für das alternative Berufungsverfahren vor den Obergerichten der jeweiligen Anliegerstaaten ist in Art. 38 Abs. 3 MA vorgesehen, dass dafür nationale Verfahrensvorschriften Anwendung finden. Dass ein solcher Verweis bei der Berufungsbegründungsfrist fehlt, spricht dafür, dass die nationalen Vorschriften dafür gerade nicht ergänzend herangezogen werden sollen, um eine einheitliche Handhabung des Zugangs zu der Zentral- bzw. Moselkommission als internationalen Gerichten zu gewährleisten. Die Regelungen in den einzelnen Vertragsstaaten für die Berufungsinstanz können unterschiedlich sein und sollen daher ersichtlich für die Anrufung des Berufungsausschusses nicht ausschlaggebend sein. Luxemburg kennt beispielsweise in Zivilsachen nur eine Berufungs- und keine Berufungsbegründungsfrist, wobei zusätzliche Gründe später noch nachgereicht werden können; in Frankreich kann die dreimonatige Berufungsbegründungsfrist – außer in Fällen höherer Gewalt – nicht durch einen Richter verlängert, sondern allenfalls verkürzt werden.
Der Berufungsausschuss stimmt insoweit mit der Auslegung der Vorschrift durch die Berufungskammer der Zentralkommission im Urteil vom 08.12.1994 – 317 Z - 15/94 (so bereits schon im Urteil vom 15.09.1975, 35 Z 2/74, bestätigt zuletzt mit Urteil vom 28.06.2021, 525 BZ – 4/21, abrufbar unter: iwt-law.uni-mannheim.de/az/525-bz-421) überein und macht sich diese zu eigen. Dabei ist dem Berufungsausschuss bewusst, dass er nicht an die Rechtsprechung der Berufungskammer der Zentralkommission gebunden ist. Er vollzieht die Auslegung vielmehr aufgrund eigener Abwägung nach.
Die Berufungsbegründungsfrist von 30 Tagen nach Berufungseinlegung (die ihrerseits binnen 30 Tagen erfolgen muss) ist auch nicht so kurz bemessen, dass eine Begründung in unverlängerter Zeit unzumutbar und unbillig erscheint und deshalb der in allen Vertragsstaaten des Moselvertrags verfassungsrechtlich verankerte Justizgewährungsanspruch die Annahme einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke gebietet. Der Berufungsführer hat es in der Hand, die Frist für die Berufungsbegründung auf 60 Tage (30 + 30) auszudehnen, was grundsätzlich in den meisten Verfahrensordnungen als ausreichend angesehen wird. Nach Art. 36 Abs. 1 MA in Verbindung mit Art. 34 Abs. 3 des Moselvertrages soll das Verfahren bei den Moselschifffahrtsgerichten ein möglichst einfaches und beschleunigtes sein. Gem. Art. 35 Abs. 2 b) des Moselvertrages sind die Moselschifffahrtsgerichte zuständig in Zivilsachen zur Entscheidung in „summarischen Verfahren …“. Insofern ist für den Berufungsführer erwartbar, dass auch für die Berufungsbegründung im Verfahren vor dem Berufungsausschuss der Moselkommission die in Art. 37 Abs. 3 MA bestimmte Frist ohne Verlängerungsmöglichkeit gelten soll. Dem Berufungsführer hätte auch freigestanden, den Instanzenzug zum Rheinschifffahrtsobergericht in Köln zu wählen, in dessen Verfahrensordnung die Verlängerungsmöglichkeit nach § 520 Abs. 2 ZPO gesetzlich vorgesehen ist.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsführers folgt aus dem Umstand, dass das Moselschifffahrtsgericht St. Goar die Frist zur Berufungsbegründung im vorliegenden Fall auf seinen Antrag verlängert hat, auch nicht, dass das Moselschifffahrtsgericht die Auffassung des Berufungsführers zur Verlängerungsmöglichkeit der Berufungsbegründungsfrist teilt. Vielmehr ist von einer irrtümlich verfügten Verlängerung auszugehen. Denn das Moselschifffahrtsgericht St. Goar ist zugleich Rheinschifffahrtsgericht. Für die Rheinschifffahrt ist aber spätestens seit der Entscheidung der Zentralkommission vom 08.12.1994, 317 Z – 15/94 - höchstrichterlich entschieden, dass es sich bei der Berufungsbegründungsfrist nach Art. 37 Abs. 3 MA um eine „unerstreckbare präklusive Frist“ handelt. Da der Moselvertrag für die Berufung auf die Vorschriften der Mannheimer Akte verweist, also für die Berufung zur Moselkommission dieselben Vorschriften anzuwenden sind wie für die Berufung zur Zentralkommission des Rheins, ist von einem Versehen des Moselschifffahrtsgerichts auszugehen und nicht davon, dass es sich gegen die Rechtsprechung des höheren Gerichts wenden oder für die Mosel bewusst von der gefestigten Rechtsprechung der Zentralkommission abweichen wollte.
Insofern ist die Fristverlängerung durch das Moselschifffahrtsgericht auch nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand zu begründen. Denn es bestand keine unklare Rechtslage, vielmehr war die Verlängerung mangels gesetzlicher Grundlage offensichtlich ausgeschlossen. Ebenso hat der Berufungsführer keine Umstände angeführt, aufgrund derer er eine Fristverlängerung durch das Moselschifffahrtsgericht erwarten konnte. Er hat nicht dargelegt, dass dies in anderen vorangegangenen Verfahren vom Moselschifffahrtsgericht so gehandhabt und vom Berufungsgegner und dem Berufungsausschuss der Moselkommission nicht beanstandet wurde. Das Vertrauen in die Verlängerungsfähigkeit der Berufungsbegründungsfrist gem. Art. 37 Abs. 3 MA ist auch nicht erst erschüttert, wenn die Moselkommission diese aufgrund eigener Entscheidung verneint. Vielmehr bestätigen sämtliche zu Art. 37 Abs. 3 MA ergangenen Entscheidungen (bis auf eine Ausnahme, von der die Zentralkommission für den Rhein aber bereits 1994 wieder abgerückt ist) und die Kommentarliteratur zu Art. 37 MA, dass es sich bei der Berufungsbegründungsfrist um eine nicht verlängerbare Frist handelt, die strikt einzuhalten ist (vgl. Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, Urteil vom 28.06.2021, 525 BZ – 4/21, abrufbar unter: iwt-law.uni-mannheim.de/az/525-bz-421; Urteil vom 08.12.1994, 317 Z -15/94, juris Rn. 109 ff.; Urteil vom 24.03.1994, 300 Z – 12/93, ZfB Heft 12, S. 99; Urteil vom 15.09.1975, 35 Z – 2/94, ZfB 1976, 255; v. Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007 zu Art. 37-38 MA Rn. 29). Soweit ersichtlich wird daran auch keine Kritik geübt, die eine andere Entscheidung der Moselkommission erwartbar gemacht hätte.
3. Der Antrag des Berufungsführers auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist gem. § 233 ff. ZPO wird zurückgewiesen.
a) Der Berufungsausschuss ist für die Entscheidung zuständig, nachdem das Moselschifffahrtsgericht die Akten mit Verfügung vom 14.04.2020 geschlossen und die Akten zur Entscheidung über die Berufung an die Moselkommission übersandt hat (Art. 37 Abs. 3 MA i.V.m. Art. 34 Abs. 3 des Moselvertrages).
b) Die Fristversäumung war nach den vorgenannten Erwägungen nicht unverschuldet. Eine unklare Rechtslage war nicht gegeben. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist gesetzlich nicht vorgesehen. Auffassungen, die entgegen der gefestigten Rechtsprechung der Zentralkommission und der Kommentarliteratur eine Regelungslücke bejahen und von einer Verlängerbarkeit ausgehen, sind nicht ersichtlich. Dem Prozessbevollmächtigten des Berufungsführers hätten die gegen seine Einschätzung sprechende gefestigte Rechtsprechung und die einschlägige Kommentarliteratur bekannt sein müssen. Zumindest hätte er Zweifel an der Verlängerungsmöglichkeit haben und sich vergewissern müssen. Wäre ihm dann vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eine falsche Auskunft erteilt worden, wäre das Verschulden möglicherweise anders zu beurteilen. Hier konnte der am Tag des Ablaufs der Frist gestellte Antrag und dessen Stattgabe aber keine vertrauensfördernde Wirkung mehr entfalten. Entsprechendes trägt der Antragsteller auch nicht vor. Der Berufungsführer muss sich das Verschulden des Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.
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Gerichtskanzlerin Vorsitzender