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200.134.933/01 - Gerichtshof (-)
Decision Date: 23.02.2016
File Reference: 200.134.933/01
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Gerichtshof Den Haag
Department: -

Leitsatz:

Das CMNI regelt nicht, wer frachtvertraglich verpflichtet ist, die transportierten Güter am Ablieferungsort zu löschen. Nach dem Recht der Niederlande haftet allein der Empfänger für Schäden am Schiff, die beim Löschen entstanden sind.

Urteil des Hof den Haag

vom 23. Februar 2016

Nr. 200.134.933/01

(Rechtbank Rotterdam vom 3. Juli 2013, Az.: C/10/399401, Rolnummer HAZA12-330 vom 3. Juli 2013)

Zusammenfassung: 

Die Rechtbank Rotterdam und der Hof den Haag hatten über einen Schaden zu entscheiden, der beim Löschen eines Binnenschiffes in Dünkirchen entstanden war. Der Frachtvertrag unterlag dem CMNI und ergänzend dem Recht der Niederlande. 
Beim Löschen der Trockengüter in Dünkirchen mit einem Polypgreifer war durch Fahrlässigkeit des Kranführers ein Schaden am Schiff entstanden. Die Interessenten des Schiffes MS »Elan« haben nicht den Empfänger oder den Löschbetrieb, sondern nur den Absender, also den Anderen des Frachtvertrages, auf Schadenersatz verklagt. 
Die Rechtbank in Rotterdam hat die Klage des Frachtführers gegen den Absender abgewiesen mit der Begründung, dass für Schäden beim Löschen ausschließlich der Empfänger hafte und nicht der Absender. Zur Begründung hat die Rechtbank Rotterdam ausgeführt: 


»Einschlägig ist das Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) und ergänzend das holländische Recht (Artikel 29 CMNI), da der Frachtführer seinen Sitz in den Niederlanden hat und sich in diesem Land auch der Ladehafen befindet … Das CMNI regelt nicht die Frage, welche Partei für Schaden am Schiff, der beim Löschen von Gütern aus dem Binnenschiff entstanden ist, haftet. Da diese Frage weder im Frachtvertrag noch im Konnossement geregelt ist, muss auf die Artikel des Buch 8, Titel 10, Abschnitt 2 BW (Bürgerliches Gesetzbuch der Niederlande) zurückgegriffen werden …« 


Die Rechtbank Rotterdam verweist auf einen vergleichbaren Fall MS »Minerva« (Rechtbank Rotterdam 1, 1. November 2009; Schip & Schade 2011, 6), bei dem in den Transportbedingungen geregelt war, dass der Absender oder Empfänger zum Löschen gemäß IVTB verpflichtet war, und stellt fest, dass derartige Bedingungen im vorliegenden Fall nicht vereinbart waren.

Das Gericht führt weiter aus: 


»Im vorliegenden Fall kann die Auffassung von Z (Frachtführer), dass N (Absender) als Absender aufgrund Artikel 8:913 lit. 1 BW verantwortlich ist, nicht zutreffen. Wie festgestellt, war N nicht mit der Behandlung der Güter bei der Löschung befasst und dazu auch nicht verpflichtet, Z hat auch insoweit keinen konkreten Vorwurf erhoben. Mit anderen Worten: In dieser Sache gilt zwischen den Parteien, dass N auf keinerlei Weise mit der Löschung der Ladung befasst war. Von einer Haftung N für Schäden, die anlässlich der Löschung durch die Behandlung der Güter am Schiff entstanden ist, kann dann keine Rede sein. N hatte in dieser Phase auch nichts zu unternehmen, um den Schaden zu vermeiden … Artikel 8:929 lit. 2 BW bestimmt, dass der Empfänger verpflichtet ist, die Güter aus dem Schiff zu löschen … Durch den Empfang der transportierten Güter tritt der Empfänger in den Frachtvertrag einschließlich der daraus resultierenden Rechte und Pflichten ein. Daraus folgt, dass die Haftung des Absenders aus Artikel 8:913 BW, soweit sie die Behandlung von Sachen anlässlich der Löschung betrifft, übergegangen ist auf den Empfänger. Ob der Empfänger die Güter selbst löscht oder ob er dafür einen Erfüllungsgehilfen einsetzt, macht dabei keinen Unterschied (6:76 BW). Das bedeutet, dass A (der Empfänger) in diesem Fall verantwortlich gemacht werden kann, soweit bei der Löschung in Dünkirchen durch S Schaden an den Laderaumwänden des MS »Elan« entstanden ist, es sei denn, dass dieser Schaden verursacht wurde durch Umstände, die ein sorgfältiger Absender respektive Empfänger nicht hätte vermeiden können und dessen Folgen er nicht hätte verhindern können … 


Mit der vorstehenden Begründung hat die Rechtbank die Klage des Frachtführers gegen den Absender abgewiesen. Dieser Entscheidung und seine Begründung hat der Hof den Haag zugestimmt und ausgeführt: »Der Text (des CMNI) bezeichnet nicht den Absender als denjenigen, der für das Löschen verantwortlich und/oder schadenersatzpflichtig für dabei am Schiff entstehende Beschädigungen ist. Auch nach den (übrigen) Auslegungsmaßstäben der Artikel 31 und 32 des Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 – darunter die Entstehungsgeschichte, soweit aus den inzwischen publizierten traveaux préparatoires erkennbar – kann nicht auf eine derartige Verpflichtung/Verantwortlichkeit des Absenders geschlossen werden. Auch ist nichts zu erkennen von einer herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur anderen Vertragsstaaten, nach welcher die Verpflichtung/Verantwortlichkeit (doch) in diesem Vertrag begründet ist. Der Vertrag scheint bei der Entgegennahme/ Löschung eher an den Empfänger gedacht zu haben. Dieser Gedanke ist auch artikuliert in den Motiven des Ausführungsgesetzes zum CMNI (kamerstukken II 2004/05, 29943, MvT, Nr. 3, PAG.3):«Gemäß Absatz IV und Artikel 10 Absatz II CMNI sollen im Prinzip der Absender und der Empfänger für das Laden und Löschen Sorge tragen, wobei die Entgegennahme und die Ablieferung gemäß Artikel 3, Absatz II, CMNI, an Bord stattfinden soll, es sei denn dies ist anders vereinbart« … das Letztere – der Absender sorgt für das Laden, der Empfänger für das Löschen – ist nach dem ergänzend anwendbaren Recht der Niederlande nicht anders (Artikel 8:929, Absatz II BW) … Von Bedeutung ist hierbei auch, dass diese Verpflichtung zum Schadenersatz keine Gefährdungshaftung, sondern eine Verschuldenshaftung ist, die (also) nicht gilt, »falls der (…) Schaden verursacht ist durch Umstände, die ein sorgfältiger Absender (…) nicht vermeiden konnte und dessen Folgen der Absender nicht verhindern konnte.«, anders ausgedrückt: im Fall der Berufung auf höhere Gewalt (Artikel 8:913, Absatz I BW).« 


Mit dieser Begründung kommt der Hof zu dem Ergebnis, dass das Urteil erster Instanz zu Recht ergangen und richtig begründet war und deshalb die Berufung abgewiesen wird (der vollständige Text der Entscheidung des Hof den Haag vom 23. Februar 2016 ist veröffentlicht in Schip und Schade 2016, Seite 364 ff).

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2016 - Nr.7 (Sammlung Seite 2440); ZfB 2016, 2440