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2 U 109/82 - Oberlandesgericht (-)
Decision Date: 07.12.1983
File Reference: 2 U 109/82
Decision Type: Urteil
Language: German
Norm: § 31 Abs. 3 BSchVerkG
Court: Oberlandesgericht Köln
Department: -

Leitsatz:

Die Einziehung von tarifwidrig gezahlten Provisionen, berechneten Differenzbeträgen usw. im Sinne des § 31 Abs. 3 BSchVerkG setzt voraus, dass die Beteiligten wissentlich oder grob fahrlässig tarifwidrige Vereinbarungen getroffen oder vollzogen haben. Grob fahrlässig handelt nur, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem, ungewöhnlich großem Maß außer acht lässt.

Urteil des Oberlandesgerichts in Köln

vom 7. Dezember 1983

(Bestätigt durch Nichtannahme der Revision gemäß Beschluß des BGH vom 22. Oktober 1984 - I ZR 43/84 -)

Zum Tatbestand:

Die Fa. K. beauftragte die Beklagte mit einer größeren Anzahl von Tankschiffstransporten. Die Beklagte hat ihrerseits der Reederei R. die Durchführung dieser Transporte übertragen, wozu sie gemäß einem im Jahre 1977 geschlossenen Vertrag mit der Fa. K. ausdrücklich berechtigt worden war. Sie ließ sich eine Provision von 10% vergüten, wovon sie 5%, und zwar in der Zeit von Januar 1979 bis März 1980 insgesamt etwa 158000,- DM, an die Reederei R. weiterleitete.

Die Klägerin verlangt unter Berufung auf § 31 Abs. 3 BSchVerkG von der Beklagten Zahlung des vorgenannten Betrages, der in Abweichung von den Bestimmungen des bis zum 31. Juli 1980 gültigen Tanktarifs E 433 tarifwidrig vereinbart worden sei. Der Beklagten, die selbst Abschlussinhaberin gewesen sei, habe eine zusätzliche Abfertigungsprovision nicht zugestanden. Die Tarifwidrigkeit sei der Beklagten und den Unterfrachtführern bewusst gewesen, ein etwaiges Nichtwissen sei als grob fahrlässig anzusehen.

Die Beklagte hält ihr Vorgehen für tarifgemäß, da nicht sie, sondern die Reederei R. Abschlussinhaberin gewesen sei. Sie selbst und alle Unterfrachtführer seien von der Korrektheit der Abrechnungen ausgegangen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Beschluss des BGH vom 22. Oktober 1984 - II ZR 43/84 - nicht angenommen mit der Begründung, dass „jedenfalls die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts die Klageabweisung trägt, die Klägerin habe den Nachweis nicht erbracht, dass die Unterfrachtführer bei der Vereinbarung der Fracht in grob fahrlässiger Unkenntnis eines Tarifverstoßes gehandelt hätten".

Aus den Entscheidungsgründen:

Aufgrund der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses, insbesondere auch der erneuten Vernehmung des Zeugen X, fehlt es bereits am Nachweis, dass die Beklagte wissentlich oder grob fahrlässig tarifwidrige Vereinbarungen getroffen und vollzogen hat. Der Zeuge X hat im einzelnen erläutert, welche Überlegungen dafür ausschlaggebend gewesen sind, die Reederei R. als Abschlussinhaberin zu behandeln. Gewichtige Bedenken gegen die praktizierte Regelung hatte der Zeuge nicht. Ob es richtiger gewesen wäre, dass er deswegen die ihm zur Verfügung stehende Rechtsabteilung der Muttergesellschaft eingeschaltet hätte, mag offenbleiben. Der Zeuge ist ein versierter Sachkenner; die Abwicklung der Frachtgeschäfte einschließlich der tarifrechtlichen Regelung gehört zu seinem Aufgabenbereich. Wenn er angesichts dessen keine Bedenken gegen die ausgehandelte Regelung hatte, dann rechtfertigt dies keinesfalls den Vorwurf grober Fahrlässigkeit, Denn grob fahrlässig handelt nur, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem, ungewöhnlich großem Maß außer Acht lässt, wer also einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und dasjenige unbeachtet lässt, was unter den gegebenen Umständen jedem. einleuchten müsste. Davon kann angesichts des Inhalts der Aussage des Zeugen X keine Rede sein.

Ob der Zeuge X zusätzlich in der von der Klägerin beanstandeten Praxis durch Prüfungen der Aufsichtsbehörde bestätigt worden ist, kann dahingestellt bleiben. Darauf kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Da der Senat diesen zusätzlich gegen die Annahme grober Fahrlässigkeit sprechenden Umstand bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, erübrigt sich auch die von der Klägerin angebotene Stellungnahme dazu, zu der auch aus prozessualen Gründen keine Veranlassung bestünde.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann - worauf es schon nicht mehr ankommt - auch nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Beklagten eingeschalteten Unterfrachtführer davon ausgegangen sind oder grob fahrlässig nicht erkannt haben, die Abschlüsse zwischen ihnen und der Beklagten verstießen gegen zwingendes Tarifrecht. Sämtliche hierzu vernommenen Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass über den Abzug von zweimal 5% Provision nicht weitergesprochen worden sei und dass insbesondere keine Rückfragen nach dem Abschlussinhaber gestellt worden seien; solche Rückfragen seien auch durchaus unüblich, da der Auftraggeber grundsätzlich nicht bereit sei, dem Unterfrachtführer diejenigen Unternehmen zu benennen, mit denen er zusammenarbeitete. Sämtliche Zeugen - die Herren X, Y und Z - haben die zum Beweis stehenden Vorgänge im wesentlichen übereinstimmend bekundet. Aus der Form ihrer Darstellung ergab sich für den Senat eindeutig, dass es sich dabei um jeweils eigenes Wissen ’der Zeugen handelte. Die sachlich weitgehende Obereinstimmung erklärt sich vielmehr durch die übereinstimmende Praxis im Frachtgeschäft. Sämtliche Zeugen haben auch subjektiv einen durchaus zuverlässigen Eindruck gemacht. Der Senat hatte nicht den geringsten Anhalt, an der wahrheitsgemäßen Bekundung auch nur eines einzigen Zeugen zu zweifeln.

Da die Klägerin sowohl für den Verschuldensnachweis bei der Beklagten wie bei deren Unterfrachtführern beweisfällig geblieben ist, steht ihr kein Einziehungsrecht nach § 31 Abs. 3 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr zu mit der Folge, dass die Klage in Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen ist.