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2 Ss (Owi) 675/70 - Oberlandesgericht (-)
Decision Date: 06.05.1971
File Reference: 2 Ss (Owi) 675/70
Decision Type: Beschluss
Language: German
Court: Oberlandesgericht Düsseldorf
Department: -

Leitsätze:

1) Wer entgegen einem geltenden Frachtentableau Abschläge für die Inanspruchnahme verkürzter Lade- und Löschzeiten gewährt oder in Anspruch nimmt, begeht eine dem Bußgeldverfahren unterliegende Frachtunterbietung auch dann, wenn an den Frachtenausschuss ein - noch nicht genehmigter - Antrag auf Festsetzung solcher Abschläge gestellt worden ist oder vereinbarungsgemäß gestellt werden soll.

2) Der Verlader kann sich zu seiner Entlastung weder darauf berufen, dass sich ein Reeder als sein Vertragspartner auf die Unterbietung eingelassen hat, noch darauf, dass der Reeder - wegen Fehlens des Unrechtsbewusstsein - in der gleichen Sache freigesprochen worden ist.

Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf

vom 6. Mai 1971

Zwischen dem Handlungsbevollmächtigten A der Verladerfirma B und der Reederei C kam ein Frachtvertrag über den Transport von Zementklinkern von D nach E zustande. Das Entgelt wurde mangels einer speziellen Frachtfestsetzung vorschriftsmäßig nach Maßgabe des allgemeinen Massenguttarifs FTB A 800/5 vereinbart. Obwohl in diesem Tableau nicht vorgesehen, vereinbarten die Parteien jedoch außerdem einen Abschlag von 0,56 DM/t für 1/2 Lade- und Löschzeit.

Die Reederei hatte bei Vertragsabschluß zugesagt, beim Frachtenausschuss für Transporte von Zementklinkern von D nach E umgehend eine spezielle Frachtfestsetzung mit halben Lade- und Löschzeiten zu beantragen.
Gegen den Handlungsbevollmächtigten A wurde durch Bußgeldbescheid vom 19. 2. 1970 von der WSD Duisburg ein Bußgeld von 1000,- DM wegen eines fahrlässigen Frachtverstoßes gemäß §§ 29, 36 BiSchVerkG in Verbindung mit §§ 1, 3, 4 Abs. 3 WiStG 1954 festgesetzt. Der Einspruch des Betroffenen wurde vom Amtsgericht Duisburg-Ruhrort zurückgewiesen. Die hiergegen gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt hat der Amtsrichter zur äußeren und inneren Tatseite ausreichend und rechtsbedenkenfrei dargetan, dass sich der Betroffene der ihm zur Last gelegten Zuwiderhandlung schuldig gemacht hat. Als rechtlich ohne Bedeutung hat der Amtsrichter das Vorbringen des Betroffenen gewertet, wonach dieser Abschlag im Hinblick auf die Zusage der Reederei gemacht worden ist, bei der Frachtenkommission eine spezielle Frachtfestsetzung für den Transport von Zementklinkern von D nach E auf der Grundlage einer jeweils 1/2 Lade- und Löschzeit zu erwirken. Ein solcher neuer Spezialtarif konnte angesichts seines rechtsgestaltenden Charakters nur für die Zukunft in Kraft treten, aber keine Rückwirkungen auf die Tarifgestaltung früherer Transporte mit sich bringen. Aus diesem Grunde ist es auch rechtlich ohne Bedeutung, dass die Auftragserteilung an die Reederei den Passus enthält, bei der Frachtfestsetzung handele es sich um „vorläufige Frachtvereinbarungen bis zur Festsetzung eines Spezialtarifs". Damit ist hinreichend dargetan, dass die festgestellte Tarifabrechnung objektiv einen Verstoß im Sinne des §36 BiSchVG darstellt.
Der Amtsrichter hat sodann rechtsbedenkenfrei festgestellt, dass der Betroffene als Handlungsbevollmächtigter und zuständiger Sachbearbeiter der Firma B für das tarifwidrige Verhalten im Sinne des § 10 Abs. 2 OWiG verantwortlich ist.
Was die innere Tatseite angeht, so ist ausreichend und rechtsbedenkenfrei dargetan, dass der Betroffene fahrlässig gehandelt hat. Als im Schiffstransport tätiger Kaufmann und zuständiger Sachbearbeiter seiner Firma auf diesem Gebiete war es seine Pflicht, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen. Aus der Einlassung des Betroffenen, insbesondere dem Vertragsabschluß mit der Reederei C, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass er um die Existenz der hier maßgeblichen und einzuhaltenden Frachttarife wusste und auch deren Inhalt kannte. Insbesondere war ihm danach bekannt, dass für die hier durchzuführenden Transporte der Tarif für Massengüter A 800/5 zur Anwendung kam, von dem auch der tarifwidrige Abschlag gemacht wurde.
Wenn er dennoch glaubte, im Hinblick auf den von der Reederei zu stellenden Antrag für einen Spezialtarif dazu berechtigt zu sein, schon jetzt - vorbehaltlich der Festsetzung eines solchen Spezialtarifs - einen Frachtabschlag zu vereinbaren, so könnte darin allenfalls ein Verbotsirrtum liegen. Ein solcher Verbotsirrtum würde seine Fahrlässigkeit aber nur dann ausschließen, wenn ihm dieser Irrtum nicht vorzuwerfen wäre (§ 6 Abs. 3 OWiG). Davon kann indessen nicht gesprochen werden.
Wie der Senat schon in seinem Beschluss vom 21. 7. 1970 - 2 Ss (OWi) 320/70 - ausgeführt hat, ist es Pflicht desjenigen, der sich beruflich mit einer bestimmten Materie befasst, sich in Zweifelsfällen bei der dafür zuständigen Stelle zu erkundigen, ob seine Auslegung der Vorschriften richtig ist oder nicht. Zu einer solchen Erkundigungspflicht bestand hier um so mehr Veranlassung, als der Betroffene bei Vertragsabschluß zutreffend von dem Tarif für Massengüter A 800/5 ausgegangen ist und nur im Hinblick auf eine möglicherweise zu erwartende neue Tarifierung für die hier vorzunehmenden Spezialtransporte - wenn auch mit Vorbehalt - dem Abschlag zustimmte. Dieser ihm möglichen und auch zumutbaren Erkundigungspflicht ist er nicht in gehöriger Weise nachgekommen. Insbesondere durfte er sich bei der ihm bekannten Sachlage nicht ohne weiteres darauf verlassen, sein Vorgehen sei deshalb erlaubt, weil die Reederei C sich auf den Abschlag eingelassen hatte.
Soweit sich der Betroffene in diesem Zusammenhang darauf beruft, der Reeder C sei in dem Parallelverfahren - 6 OWi 7/70 - AG Duisburg-Ruhrort - mit der Begründung freigesprochen worden, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, so vermag auch das der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolge zu verhelfen, denn die in dieser Entscheidung zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung des Amtsrichters hat der Senat bereits in dem oben angeführten Beschluss, der ein rechtsähnliches Verfahren betrifft, nicht gebilligt."